Titel: | Ueber die Zusammensetzung des Weinsteins; von Scheurer-Kestner. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XLIII., S. 128 |
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XLIII.
Ueber die Zusammensetzung des Weinsteins; von
Scheurer-Kestner.
Aus dem Répertoire de Chimie appliquée,
Januar 1861, S. 39.
Scheurer-Kestner, über die Zusammensetzung des
Weinsteins.
Das Vorkommen von weinsaurem Kalk in rohem Weinstein ist ziemlich allgemein, und nach
Brescius
Polytechnisches Centralblatt, 1860 S. 1489. ist das Verhältniß desselben ein sehr veränderliches und zuweilen ein sehr
bedeutendes. Zahlreiche vom Verf. gemachte Bestimmungen bestätigen dieß
vollkommen.
Der weinsaure Kalk findet sich im rohen Weinstein in Gestalt durchsichtiger und sehr
glänzender Krystalle, welche zuweilen mehrere Millimeter groß sind; sie sind leicht
durch ihre Farblosigkeit von den stets gefärbten Krystallen des umgebenden
zweifach-weinsauren Kalis zu unterscheiden. Auch ist ihre Form durchaus verschieden,
da die Krystalle des weinsauren Kalkes gerade rhombische Prismen sind, deren Winkel
durch die Flächen des Oktaeders ersetzt sind.Pasteur, in den Annales de
Chimie et de Physique t. XXXIV p.
442.
Dieses Salz ist ebenso wie der Weinstein in Salzsäure leicht löslich, aber die
Wirkung derselben auf die beiden Salze ist verschieden, je nachdem man sie verdünnt
oder concentrirt anwendet. Liebig hat beobachtet, daß
wenn man das saure weinsaure Kali in concentrirter kochender Salzsäure auflöst, nur
die Hälfte des Kalis als Chlorkalium herauskrystallisirt. Ich habe gefunden, daß
unter diesen Umständen der weinsaure Kalk ebenfalls nicht ganz zersetzt wird. Wenn
man aber für beide Salze eine Salzsäure von nur 1,040 spec. Gew. anwendet und sie in
der Siedhitze sättigt, so krystallisiren sie vollkommen rein heraus. Es bilden sich
oft auf diese Weise sehr schöne und ziemlich große Krystalle. Der so abgeschiedene
weinsaure Kalt enthält, wie untenstehende Analysen ergeben, 8 Aequivalente
Wasser.
1,984 Grm. dieser Krystalle
gaben
1,041 schwefelsauren Kalk,
0,372 Grm. derselben gaben
0,247 Kohlensäure
und
0,161 Wasser,
oder in 100 Theilen:
gefunden
berechnet
Kalk
21,57
21,53
Kohlenstoff
18,75
8,46
Wasserstoff
5,83
4,61.
Behandelt man Weinstein, der ziemlich große Krystalle von weinsaurem Kalk enthält,
mit concentrirtem Ammoniak, so geht das Kalisalz in Lösung und die Krystalle des
Kalksalzes bleiben am Boden des Gefäßes vollkommen getrennt. Die Analyse derselben
ergab die gleiche Zusammensetzung wie diejenige der aus der salzsauren Lösung
erhaltenen Krystalle.
Es ergaben nämlich
1,984 Grm. 1,041 schwefelsauren Kalk
0,372 Grm. 1,178 Wasser und 0,257 Kohlensäure
oder in 100 Theilen:
Kalk
21,15
Kohlenstoff
18,81
Wasserstoff
5,29
Die Krystalle enthielten etwas Eisenoxyd, was die gefundene niedrigere Zahl für den
Kalk erklärt.
Der weinsaure Kalk ist im Allgemeinen in allen sauren Lösungen löslich; auch die
Lösung des sauren weinsauren Kalis löst etwas davon auf, was auch vermutlich die
Ursache seines Gelöstbleibens in Wein ist, wie denn die Krystalle des Kalksalzes
meistentheils auf den großen Krystallen des Kalisalzes aufsitzen und sich also erst
nach deren Ausscheidung gebildet haben. Es kommt sogar vor, daß sich noch im
abgezogenen Wein durchsichtige Krystalle absetzen; diese bestanden in fünf unter
acht von mir untersuchten Fällen aus reinem weinsauren Kalk.
Da nach Pasteur die gegohrenen Flüssigkeiten große Mengen
von Bernsteinsäure enthalten, so habe ich natürlich auch deren Salze im Weinstein
aufgesucht. Allein, obwohl ich sehr viele Proben untersuchte, habe ich doch nie eine
Spur davon finden können. Der Grund ist in der großen Löslichkeit des
bernsteinsauren Kalis, selbst in alkalischen Lösungen, und in dem Umstände zu
suchen, daß bernsteinsaurer Kalk neben weinsaurem Kali nicht ohne doppelte
Zersetzung bestehen kann.
Bestimmung des weinsauren Kalkes im Weinstein. –
Die Löslichkeit des weinsauren Kalkes im Salmiak und seine unvollständige
Fällbarkeit in gewissen Flüssigkeiten machten dessen Bestimmung ziemlich schwierig.
Die von Brescius angegebene Methode liefert sehr genaue
Resultate. Sie besteht darin, daß der Weinstein calcinirt und die erhaltenen
kohlensauren Salze in titrirter Salpetersäure gelöst werden; kennt man nun durch
eine Maaßbestimmung den Gehalt des nichtcalcinirten Weinsteins an saurem weinsaurem
Kali, so kann man leicht den Gehalt an Kalk und mithin an weinsaurem Kalk
finden.
Das Calciniren ist aber eine langwierige Operation, welche wegen des starken
Aufblähens die Anwendung geräumiger Gefäße erheischt, und es empfiehlt sich daher
folgende Methode, die zwar für den Fall, daß zugleich Gyps vorhanden wäre, weniger
genau ist, aber doch hinreichend richtige Resultate liefert, wie die nachstehenden
Zahlen darthun werden.
Man löst den gestoßenen Weinstein in seinem dreifachen Gewicht Salzsäure von 1,035
spec. Gewicht. Diese Lösung enthält nur sehr wenig Gyps. Man mißt das Volum der
erkalteten Lösung und filtrirt sie. Um das Auswaschen zu vermeiden, mißt man ein
bestimmtes Volum der filtrirten Lösung ab und sättigt sie mit kohlensaurem Natron.
Nach dem Ausfällen des weinsauren Kalkes kocht man mit einem Ueberschuß von
kohlensaurem Natron, wodurch der weinsaure Kalk nach einigen Minuten in kohlensauren
übergeht, den man dann mittelst Salpetersäure titrirt.
Um zu sehen, ob diese Umwandlung des weinsauren Kalks in kohlensauren vollständig
ist, wurde folgender Versuch angestellt.
10 Grm. reiner krystallisirter weinsaurer Kalk wurden mit 100 Kub. Cent.
Normal-Natronlösung (53 Grm. kohlensaures Natron auf 1000 K. C.) 5 Minuten lang
gekocht, filtrirt und der Niederschlag gut ausgewaschen. Der Niederschlag wurde in
100 K. C. Normalsalpetersäure gelöst, worauf mit Normalnatronlösung zurücktitrirt
wurde. Dazu wurden 23 K. C. verbraucht. Mithin sättigen 77 K. C. Salpetersäure den
kohlensauren Kalk, entsprechend 2,156 oder 21,56 Proc. Kalk, während die Theorie
21,53 Proc. verlangt.
Die folgende Tabelle gibt den Gehalt verschiedener Weinsteinsorten an saurem
weinsaurem Kali und weinsaurem Kalk an. Ersteres Salz wurde mittelst Aetznatron
titrirt. Um den weinsauren Kalk zu bestimmen, ließ ich eine gewogene Menge Weinstein
einige Zeit in concentrirtem Ammoniak digeriren, wodurch das saure weinsaure Kali,
Eisenoxyd und Magnesia, die alle in weinsaurem Ammoniak sehr löslich sind, gelöst
wurden, während das Kalksalz zurückblieb. Dieser Rückstand wurde abfiltrirt und mit
reinem Wasser so lange gewaschen, bis ein Tropfen des Filtrats von Barytsalz nicht
mehr gefällt wurde. Auf diese Weise wurde der schwefelsaure Kalk vollständig
entfernt. Der zurückbleibende weinsaure Kalk wurde endlich nach der angegebenen
Methode maaßanalytisch bestimmt.
Textabbildung Bd. 162, S. 131
Rother Weinstein aus dem Elsaß;
Weißer Weinstein aus der Schweiz; Rother burgunder Weinstein; Weißer
toscanischer Weinstein; Rother spanischer Weinstein; Weißer Weinstein aus
Ungarn; Saures weinsaures Kali; Weinsaurer Kalk; Saures weinsaures Kali;
Weinsaurer Kalk; Saures weinsaures Kali; Weinsaurer Kalk
Man ersieht hieraus, daß es einerseits Weinsteinsorten, wie die toscanischen, gibt,
welche keinen weinsauren Kalk enthalten, daß es aber auch andere (wie die burgunder
und spanischen) gibt, worin dieses Salz vorherrscht.
Die weitere Untersuchung der Weinsteine zeigt, daß sich stets ziemlich beträchtliche
Mengen anderer Mineralsalze, namentlich von Magnesia, darin finden. Diese Basis muß
als weinsaures Salz vorkommen, weil die durch kochendes Wasser erhaltene Lösung
Magnesia enthält und die weinsaure Magnesia in der Lösung von saurem weinsaurem Kali
löslich ist. Die Analyse des toscanischen Weinsteins, welcher frei von weinsaurem
Kalk war, ergab in 100 Theilen:
holzartige Substanz
0,88
Kieselsäure
0,32
Eisenoxyd
0,26
Magnesia
1,32
Kali
22,13
Farbstoff, in Aether löslich
0,73
Zucker
0,62.
Letzterer wurde als Traubenzucker mittelst der alkalischen Kupferlösung bestimmt.