Titel: | Ueber die Producte der freiwilligen Zersetzung der Schießbaumwolle; von S. de Luca. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XLV., S. 135 |
Download: | XML |
XLV.
Ueber die Producte der freiwilligen Zersetzung
der Schießbaumwolle; von S. de
Luca.
Aus den Comptes rendus, August 1861, t. LIII p.
298.
de Luca, über die Producte der freiwilligen Zersetzung der
Schießbaumwolle.
Die Schießbaumwolle, welche den Gegenstand dieser Untersuchung bildete, war in Paris
im Jahr 1859 gekauft und vor Licht geschützt in einem gut geschlossenen hölzernen
Schranke des Laboratoriums der Universität zu Pisa aufbewahrt worden. Sie befand
sich in einer Glasflasche mit einem Korkstöpsel, der mit Siegellack überzogen war.
Die freiwillige Zersetzung fand im folgenden Jahre 1860 unter Entwickelung von
salpetrigen Dämpfen statt.
Der Rückstand hatte alle früheren Eigenschaften des Pyroxylins verloren. Er bestand
in einer weißen, teigigen, klebrigen, am Rande gelblichen Masse von stark saurem
Geschmack; in der Kälte bildet dieselbe mit destillirtem Wasser eine Emulsion,
welche langsam durch Filtrirpapier hindurchgeht. Die klare filtrirte Lösung röthet
Lackmus, entwickelt mit Kupfer und Schwefelsäure salpetrige Dämpfe, färbt sich stark
gelb mit Kali oder Ammoniak, reducirt das weinsteinsaure Kupferoxydkali, färbt sich
nicht durch eine Lösung von Jod in Wasser, wird beim Erhitzen mit Schwefelsäure
braun gefärbt, und gibt mit einem Ueberschuß von Kalkwasser einen Niederschlag von
oxalsaurem Kalk. Wenn die von dem Kalkniederschlage abfiltrirte Lösung durch
Behandeln mit Kohlensäure und Erhitzen vom Kalke befreit ist, reducirt sie leicht
das weinsteinsaure Kupferoxydkali.
Wenn man die modificirte Schießbaumwolle bei gewöhnlicher Temperatur unter einer
Glocke neben concentrirter Schwefelsäure stehen läßt, so wird sie ganz weiß, bleibt
sauer und kann durch bloßen Fingerdruck in Pulver verwandelt werden. Sie hat dann
etwa 38 Proc. ihres Gewichtes verloren. Es hinterließen nämlich 5,346 Grm., nachdem
sie vom 22. December 1860 bis 20. Juni 1861 so gestanden hatten, nur 1,919 Grm.
Folgendes ist der Verlust, den diese Baumwolle unter dem Einfluß der Hitze
erleidet:
Textabbildung Bd. 162, S. 136
Verlust; Gewicht der Baumwolle;
Temperatur; im Ganzen; Proc.
Die erwähnten 2,352 Grm. Schießbaumwolle lieferten:
Wasser und salpetrige Dämpfe bei
100–110°
0,791 Grm.
in Aether Lösliches
0,009 „
in Alkohol „
0,210 „
in
Wasser „
1,227 „
in Wasser und Alkohol Unlösliches
0,070 „
Verlust
0,045 „
––––––––––
2,352 Grm.
Es folgt hieraus, daß die modificirte Schießbaumwolle nach dem Trocknen bei
100–110° C. etwa 14 Proc. in Alkohol und 78 Proc. in Wasser lösliche
Bestandtheile enthielt, welche fast die Gesammtmenge der trockenen Substanz
ausmachen. Es kann somit die in Wasser und Alkohol unlösliche Schießbaumwolle, indem
sie sich freiwillig zersetzt, unter dem Einfluß der entweichenden salpetrigen Dämpfe
neutrale und saure, in Wasser oder in Alkohol lösliche Producte erzeugen. Ich bin
gegenwärtig mit der Untersuchung dieser letzteren beschäftigt.
Wenn man die wässerige Lösung der modificirten Schießbaumwolle im Wasserbade
verdampft, so erhält man eine Substanz, welche gegen das Ende der Operation an
Volumen zunimmt und schwammig wird; sie ist leicht, weiß, im Innern krümelig, an der
Oberfläche an den Fingern haftend und sehr hygroskopisch. Dieser schwammige Körper
ist in Aether unlöslich, ertheilt demselben aber eine schwache saure Reaction; auch
ist er nicht löslich in einem Gemisch von Alkohol und Aether, wohl aber theilweise
in Alkohol; wenn man diese alkoholische Lösung verdampft, so erhält man einen
Rückstand, der reichlich und leicht die Lösung von weinsteinsaurem Kupferoxydkali
reducirt. Läßt man den in Alkohol unlöslichen Antheil 24 Stunden der feuchten Luft
ausgesetzt, so erhält er das Ansehen einer sehr concentrirten Gummilösung.
Mischt man die wässerige Lösung der modificirten Schießbaumwolle mit ihren 8fachen
Volumen Alkohol, so erhält man einen reichlichen und flockigen Niederschlag. Dieser
gibt, wenn er abfiltrirt, mit Alkohol gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet
worden, eine amorphe, fast undurchsichtige, zerbrechliche Masse vom Ansehen des
Gummis; sie ist leicht im kalten Wasser löslich und wird dann von essigsaurem Blei
gefällt.
Die modificirte Schießbaumwolle wird in der Wärme von Salpetersäure angegriffen; es
entwickeln sich dabei salpetrige Dämpfe und es bilden sich in Wasser lösliche und
durch Blei-, Silber- und Quecksilbersalze fällbare Substanzen.