Titel: | Vorläufige Notiz über den Farbstoff des Orlean; von Dr. P. Bolley. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XLVII., S. 139 |
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XLVII.
Vorläufige Notiz über den Farbstoff des Orlean;
von Dr. P.
Bolley.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1861,
Bd. VI S. 94.
Bolley, über den Farbstoff des Orlean.
Hr. J. Piccard hat in meinem Laboratorium auf meinen
Wunsch eine Arbeit über den Farbstoff des Orlean vorgenommen. Die Resultate, die er
bis jetzt gewonnen hat, bestehen darin, daß das bis jetzt für rein gehaltene rothe
Pigment, das Bixin, wie aus dessen Darstellung und
Zusammensetzung geschlossen werden darf, schwerlich frei von einigen dasselbe
hartnäckig begleitenden Materien ist; ferner in der Auffindung eines Weges, um das
reine Pigment darzustellen. Es ist diese Arbeit für einige Zeit unterbrochen worden;
die Ergänzung derselben, welche hauptsächlich in Wiederholung der Elementaranalysen der ausgeschiedenen
Stoffe und einiger ihrer Verbindungen bestehen muß, wird bald erfolgen. Nicht nur
weil ich die Ergebnisse der Untersuchung, die nachfolgend ihren Hauptzügen nach
zusammengestellt sind, für erheblich genug halte, sondern auch weil ich weiß, daß
der Orlean-Farbstoff gegenwärtig gerade von anderen Chemikern untersucht wird, bin
ich zu Mittheilung derselben veranlaßt.
Die neueste und vollständigste Untersuchung über den Orlean ist die von Kerndt.Dissertatio de frutibus asparagi et bixae Orellanae
Lipsiae 1849. Am vollständigsten wiedergegeben im Handwörterbuch
der reinen und angewandten Chemie, V. Band, Art. Orlean.
Er behandelt den Orlean mit Wasser, das allmälig einen gelben Farbstoff, das
„Orellin“, auszieht, von welchem er dahingestellt sein
läßt, ob es sich nicht durch Luftberührung aus dem rothen Farbstoff bilde. Der
Rückstand wird getrocknet, mit Weingeist ausgekocht, die Lösung abgedampft, der
Rückstand mit Aether ausgezogen, der Aether verdunstet. Durch Lösen des Rückstandes
der ätherischen Lösung in wenig Weingeist und Aussetzen dieser Lösung in starker
Winterkälte sollen sich „Unreinigkeiten“ absetzen. Die
weingeistige Lösung wird mit Essigsäure gefällt und der weiche Niederschlag bei gelinder Wärme (?) getrocknet; es ist das Bixin eine rothe amorphe Masse, löslich in Weingeist und Aether.
Hr. Piccard verarbeitete Cayenne-Orlean und begann
ebenfalls mit Darstellung eines wässerigen Extractes. Dasselbe war anfangs
braungelb, bei längerer Behandlung wurde es blaßgelb. Der Gehalt dieser Lösung an
Farbstoff ist gering. Die Flüssigkeit enthält neben Farbstoff fette Substanzen, die
beim Eindampfen, wobei sich ein buttersäureähnlicher Geruch entwickelt, beim
Versetzen mit Salzsäure, wobei eine schmutzig weiße fettige Färbung erfolgt, und
durch Versetzen mit Bleizuckerlösung, wodurch ein trübgelber schmieriger
Niederschlag entsteht, erkennbar werden. Der Rückstand des Extracts entwickelt beim
Einäschern fettig riechende Dämpfe und hinterläßt viel Asche, die überwiegend aus
kohlensaurem Kali besteht. Der rothe Farbstoff, den wir unten betrachten werden,
löst sich in Wasser äußerst wenig; dagegen mehr, und mit gelber Farbe, in Gegenwart
von Seifelösung oder eines alkalischen Salzes. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß
die gelbe Lösung auf die Weise entsteht, daß das Alkalisalz (zum Theil fettsaures)
auf den rothen Farbstoff einwirkt; dieser Sache wurde indeß, weil eine so geringe
Menge Farbstoff gewonnen worden, nicht weiter nachgegangen.
Der Rückstand wurde bei einer ersten Quantität von 200 Grm. nach dem Trocknen mit
Aether extrahirt; bei einem andern Versuch, da man erkannt hatte, daß im ätherischen
Auszug die Reindarstellung des Farbstoffs erschwert werde, ließ man nach dem Wasser
Alkohol als Extractionsmittel folgen. Der erstere Weg führte indeß zur Abscheidung
eines Körpers, der genannt zu werden verdient, weil es wahrscheinlich ist, daß es
derselbe sey, den man früher für den reinen Farbstoff hielt. Die ätherische Lösung
wurde concentrirt, und setzte beim Erkalten eine schmierige braune Masse ab, die
nach dem Trocknen in Sodalösung aufgenommen und heiß filtrirt wurde. Die alkalische
Flüssigkeit gelatinirte beim Erkalten, sie wurde erwärmt, mit Essigsäure versetzt;
es schied sich ein rothbrauner Niederschlag aus. Er wurde, da er noch Natron hielt,
in Weingeist gelöst und mit weingeistiger Bleizuckerlösung gefällt, der gewaschene
Niederschlag in Weingeist suspendirt, mit Schwefelwasserstoff zerlegt, und die
Lösung vom Schwefelblei abfiltrirt. Nach dem Eindampfen hatte man eine rothbraune
bei gewöhnlicher Temperatur harte, beim Erwärmen aber schmelzende Masse.
Die Analyse ergab
C = 75,29
H = 11,24
O = 13,47
Kerndt analysirte den nach oben angegebener Weise
gewonnenen rothen Farbstoff undnnd gibt ihm die Formel C₂₄ H₂₂ O₃, was in
Procenten
C = 75,7
H = 11,5
O = 12,8
erforderte. Es geht hieraus hervor, daß dieser Chemiker einen
dem beschriebenen höchst ähnlichen Körper unter den Händen hatte.
Hr. Piccard löste den Rest dieses Körpers noch dreimal mit
Weingeist, fällte jedoch nur partiell mit Bleizucker, und zerlegte mit
Schwefelwasserstoff. Der Niederschlag wurde bei jeder späteren Fällung heller.
Zuletzt wurde die vom Schwefelblei abfiltrirte weingeistige Lösung mit Thierkohle
gekocht und eine farblose Flüssigkeit erhalten, die nach dem Verdunsten eine
krystallinische starre fette Masse zurück ließ, welche
bei etwas über 60° C. schmolz.
Bei der ersten Fällung mit Bleizuckerlösung blieb neben dem Niederschlag, der, wie
soeben angegeben worden, weiter behandelt wurde, noch eine starkgefärbte Lösung; in
dieser wurde durch Zumischen von Wasser eine braunrothe Fällung bewirkt, die Blei
enthielt und deßhalb mit Schwefelwasserstoff behandelt wurde. Durch Lösen in
Weingeist und Fällen mit Wasser und Essigsäure wurde eine braune klebrig zähflüssige
Masse erhalten, die
ebenfalls analysirt wurde. Es zeigte sich aber bei wiederholter partieller Fällung
mit Bleizucker und endlicher Behandlung mit Thierkohle, daß auch dieser Körper ein
Gemisch war, weßhalb es keinen Sinn hätte, die Analysen desselben mitzutheilen. Die
Thierkohle entfärbte die rothe weingeistige Flüssigkeit ebenfalls und es schied sich
nach dem Abdampfen des Weingeistes ein terpenthinartig
klebender zähflüssiger Körper ab. Derselbe brannte leicht mit rußender Flamme, und
zeigte beim Erwärmen auf einem Platinblech einen deutlichen Harzgeruch.
Der andere Weg, den Orlean nach dem Ausziehen mit viel Wasser und Wiedertroknen
zuerst mit Weingeist zu behandeln, lieferte gefärbte Substanzen, die reiner
erscheinen. Die alkoholische Lösung ließ einen reichlichen Rückstand. Derselbe wurde
mit Aether behandelt, wodurch er in einen löslichen und einen wenig in Aether
löslichen Theil geschieden wurde.
In der ätherischen Lösung ließ sich durch Abdampfen, Aufnehmen in Weingeist, Kochen
unter Zusatz von Aetznatron, bis der Weingeist weg war, Schütteln mit Wasser und
Aether, 1) der in Aether lösliche terpenthinartige
Körper, und 2) durch Sättigen der wässerigen natronhaltigen Lösung mit
kohlensaurem Gas, Stehenlassen über Nacht, Sammeln des wenig gefärbten
natronhaltigen Niederschlags, Versetzen mit Weingeist, der mit Chlorwasserstoff
etwas angesäuert war, Kochen mit Thierkohle und Verdampfen der Lösung, eine weiße krystallinische fette Masse, die fette Säure,
von der oben die Rede war, erhalten.
In der natronhaltigen Lösung war nun noch Farbstoff enthalten. Was an fetten Säuren
noch vorhanden war, wurde durch partielle Fällung mit Essigsäure und Schütteln mit
Aether entfernt. Endlich wurde mit Essigsäure ganz ausgefällt, der Niederschlag
getrocknet, in viel Aether aufgenommen, der Aether verdunstet, wobei ein amorpher, beim Zerreiben blutroth erscheinender, ganz spröder,
auch beim Erwärmen auf 100° starr bleibender Körper, den man wohl für den
reinen Farbstoff halten darf, erhalten wurde. Ein Körper von ganz denselben
Eigenschaften wurde aus der in Aether unlöslichen Partie des alkoholischen Extracts
gewonnen. Dieß geschah durch Schütteln des Rückstandes mit wenig Aether, Lösen in
Weingeist, Filtriren und Abdampfen.
Der Farbstoff wurde in nicht großen Quantitäten erhalten; eine damit angestellte
Analyse bedarf der Bestätigung nach Herstellung neuen Materials auf dem angedeuteten
Wege.
Dieser Farbstoff ist in Aether wenig, in kaltem Weingeist
ebenfalls nicht sehr, in heißem Weingeist aber leicht löslich; er ist ferner löslich in Benzol,
alkalischen Flüssigkeiten, Seifelösung. Die concentrirten Lösungen sind schön roth,
die verdünnten gelb. Die weingeistige Lösung wird von essigsaurem Baryt nicht, von
weingeistiger Bleizuckerlösung mit rother Farbe gefällt.