Titel: | Ueber die Fabrication chemischer Producte in Süd-Lancashire; Bericht von Dr. Schunck, Dr. Roscoe und Dr. Smith. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. LXXXII., S. 277 |
Download: | XML |
LXXXII.
Ueber die Fabrication chemischer Producte in
Süd-Lancashire; Bericht von Dr. Schunck, Dr. Roscoe und Dr. Smith.
Aus den Chemical News, September 1861, Nr.
94.
Bericht über die Fabrication chemischer Producte in
Süd-Lancasire.
Schwefelsäure. – Die Fabrication der Schwefelsäure
ist von großer Wichtigkeit, weil sie nicht nur zur Darstellung vieler anderen
chemischen Producte, sondern auch für viele Processe in anderen Industriezweigen
ganz unentbehrlich ist. Man war daher sehr bemüht, sie auf ökonomische Weise im
Großen darzustellen, und hat auch diesen Zweck in hohem Grade erreicht. – Nur
wenige Fabrikanten (in Süd-Lancashire) wenden zur Erzeugung dieser Säure Schwefel
an, die meisten benutzen Schwefelkiese. Beim Verbrennen der Schwefelkiese bleiben 8
bis 10 Proc. Schwefel zurück und gehen verloren. Hr. Spence in Manchester hat jedoch diesen Verlust auf 2 Proc. vermindert. Die
Einfuhr von spanischen und portugiesischen Schwefelkiesen hat einen neuen
Industriezweig hervorgerufen, indem man die geringe Menge Kupfer auszieht, welche diese Kiese
enthalten. Hill hat in der neuesten Zeit zum Reinigen des
Leuchtgases Eisenoxydhydrat anstatt Kalk angewandtMan s. die Beschreibung seines Verfahrens im polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 265.; wenn dieses Reinigungsmaterial so lange verwendet worden ist, daß es seinen
Zweck nicht mehr erfüllt, so enthält es Schwefel, und diesen benutzt Hr. Spence zur Schwefelsäure-Erzeugung; aus 1 Tonne des
Materials erhält er beiläufig 1 1/4 Tonne concentrirte Schwefelsäure. – Hr.
Harrison Blair hat einen Ofen zum Verbrennen des
Schwefels erfunden, welcher sehr schätzbar ist, weil er verhütet, daß das
schwefligsaure Gas sich (wie bei Anwendung der gewöhnlichen Schwefelöfen) mit einem
zu großen Ueberschuß von Luft mischt, wodurch man Raum in den Bleikammern erspart.
– Die Fabrikanten in Süd-Lancashire haben in der neueren Zeit größere
Bleikammern eingeführt; die größten haben einen Inhalt von 112,000 Kubikfuß.
– Viele Fabrikanten wenden Gay-Lussac's Methode
an, welche vor 16 oder 17 Jahren erfunden wurde, um Salpetersäure zu ersparen. Man
erzielt durch dieselbe eine Ersparung von mehr als 50 Procent Natronsalpeter; andere
Fabrikanten wenden aber diese Methode nicht an, weil bei dem niedrigen Preise des
Natronsalpeters von 12 Pfd. Sterl. per Tonne es sich
nicht lohnt die verloren gehenden Stickstoffoxyde zu sammeln und zu absorbiren.
– Die Anwendung von Platinblasen zum Rectificiren der Schwefelsäure hat man
jetzt fast gänzlich aufgegeben und sie durch große Glasretorten ersetzt.
Soda. – Dieß ist ein sehr wichtiger
Industriezweig. Im Princip der Fabrication haben während der letzten zehn Jahre nur
wenige Aenderungen Platz gegriffen, da im Wesentlichen die ursprüngliche Methode von
Leblanc (1798) noch immer befolgt wird. Seit dem
Jahre 1851 hat die Sodafabrication bedeutend zugenommen. Der Werth der jährlich in
England fabricirten Soda beträgt 2,000,000 Pfd. Sterl.; davon wird die Hälfte in
Süd-Lancashire und die Hälfte im District von Newcastle erzeugt. Die Sodafabriken in
Süd-Lancashire haben im Jahre 1861 wöchentlich 2600
Tonnen Kochsalz zersetzt, dazu 3110 Tonnen Schwefelsäure verbraucht, und hiemit 3400
Tonnen Salzsäure erzeugt; sie verkauften wochentlich 1800 Tonnen rohe Soda, 180
Tonnen Sodasalz, 170 Tonnen krystallisirte Soda, 225 Tonnen Natronbicarbonat und 90
Tonnen Aetznatron. Seit 1852 hat sich die Sodafabrication in Süd-Lancashire mehr als
verdreifacht; sie wird jetzt daselbst in beiläufig 25 Fabriken betrieben, welche sich
hauptsächlich zu St. Helen's, Runcorn Gap, Widnes Dock, bei Warrrington, in der
Nachbarschaft von Bolton, und zu Newton Heath befinden. – Von den patentirten
Verfahrungsarten zur Verbesserung der Sodafabrication hat
keine den Proceß wesentlich geändert. Die Verbesserungen welche seit 1851
gemacht wurden, sind folgende: 1) größere Beachtung des ökonomischen Betriebes; 2)
die rohe Soda wird mittelst des von Hrn. Shanks
construirten Apparats vollständiger ausgelaugt als früher; 3) in einigen Fabriken
werden jetzt mechanische Vorrichtungen zur Fabrication der rohen Soda benutzt; 4) in
vielen Fabriken wird die Soda jetzt durch Maschinerie in Fässer verpackt. –
Seit 1851 wird ein neuer Zweig dieser Fabrication betrieben, nämlich die Darstellung
von Aetznatron in festem ZustandeUeber die Verarbeitung der Mutterlaugen der Sodafabriken auf Aetznatron sehe
man die Bemerkungen von Pauli im polytechn.
Journal Bd. CLXI S. 129., welches man in großer Menge nach Amerika und anderen Plätzen ausführt.
– Der Vorschlag, welchen neuerlich Hr. Kuhlmann
S. 46 in diesem Bande des polytechn. Journals. machte, den Rückstand vom Auslaugen der rohen Soda als Cement anzuwenden,
ist in England nicht neu, denn Hr. Deacon in Widnes hat
diesen Rückstand schon vor zwölf Jahren zur Herstellung von Fußböden benutzt.
– Schließlich sind die wichtigen Bereicherungen der Theorie der
Sodafabrication anzuerkennen, welche wir Hrn. Gossage
verdanken.
Chlorkalk. – In Süd-Lancashire werden von
demselben wochentlich 155 Tonnen erzeugt. – Bemerkenswerth ist hinsichtlich
seiner Fabrication nur ein sinnreiches Verfahren, Chlor ohne Anwendung von
Mangansuperoxyd darzustellen, welches sich Hr. Shanks von
St. Helen's im J. 1858 patentiren ließ, und eine Methode, um aus dem Rückstande von
der Chlorentwickelung wieder Mangansuperoxyd zu gewinnen.Man sehe über beide Verfahrungsarten die Abhandlung von O. Krieg im polytechn. Journal Bd. CLI S. 48.
Chlorsaures Kali. – Von diesem Salze werden in
Süd-Lancashire wochentlich 4 bis 5 Tonnen erzeugt; es wird zur Fabrication von
Zündhölzchen verwendet.
Unterschwefligsaures Natron. – Von demselben
werden wochentlich 3 Tonnen erzeugt; es wird an Papierfabrikanten, Photographen und
als Antichlor an Bleicher abgesetzt.
Natron-Wasserglas. – Es wird als Kuhkothsurrogat
von Kattundruckereien und anstatt der früher gebräuchlichen Harze von den
Seifensiedern verwendet.
Man erzeugt von diesem Product in Süd-Lancashire wochentlich beiläufig 10
Tonnen.
Arsensaures Natron. – Das einbasisch-arsensaure
Natron wird von den Kattundruckern als Kuhkothsurrogat angewendet, und eignet sich
zu diesem Zweck besser als das Natron-Wasserglas, weil es die Thonerdebeizen nicht
so stark angreift. Von demselben werden in Süd-Lancashire wochentlich 10 bis 12
Tonnen erzeugt.
Zweifach-chromsaures Kali. – Die Fabrication
dieses Salzes bietet nichts Neues dar. Von demselben werden in Süd-Lancashire
wochentlich beiläufig 14 Tonnen erzeugt.
Blutlaugensalz. – In Süd-Lancashire werden
wochentlich 4 bis 5 Tonnen gelbes und 1 Tonne rothes Blutlaugensalz erzeugt.
Kalk-Superphosphat. – Die wochentliche Production
in Süd-Lancashire beträgt 5600 Tonnen.
Alaun. – Vor 1845 wurde in Süd-Lancashire nur
wenig Alaun aus Pfeifenthon fabricirt, und der Bedarf an diesem Product
hauptsächlich von Whitby bezogen. Nach dem alten
Verfahren waren 60 Ton. Oolithschiefer von Yorkshire erforderlich, um 1 Tonne
Kali-Alaun und 1 Tonne Bittersalz zu erzeugen. Nach Hrn. Spence's Verfahren liefern 50 Ton. Schiefer 65 Ton. Ammoniak-Alaun. Er
wendet den Schiefer an, welcher unter dem Steinkohlengebirge in Süd-Lancashire
vorkommt. Im Jahre 1850–51 erzeugte er wochentlich beiläufig 20 Ton.
Ammoniak-Alaun, jetzt fabricirt er aber 110 Tonnen. Die Hälfte von sämmtlichem in
England fabricirten Alaun (300 Ton. per Woche) wird nach
diesem Verfahren dargestellt.
Eisenvitriol. – Von diesem Salze werden in
Süd-Lancashire wochentlich ungefähr 80 Tonnen, hauptsächlich für Färber,
dargestellt.
Holzsäure. – Die einzige Verbesserung, welche in
der Fabrication dieser Säure während der letzten Jahre eingeführt wurde, ist die
Anwendung von Sägespänen anstatt Holz bei der trockenen Destillation. In Manchester
werden wochentlich 12,000 Gallons Holzsäure fabricirt, welche beiläufig 4 Proc.
Eisessig enthält. Der Werth der Säure ist 3 Pfd. Sterl. per Tonne, derjenige des Theers aber 4 Pfd. Sterl. 10 Shilling.
Zinnchloride. – Von diesen Verbindungen (als
krystallisirtes Zinnchlorür berechnet) werden in Süd-Lancashire wochentlich
beiläufig 16 1/2 Tonnen erzeugt.
Zinnoxyd-Natron. – Diese Verbindung wurde vor
einiger Zeit in großer Menge zum Vorbereiten der Kattune für den Dampffarbendruck
angewendet.
Künstlicher schwefelsaurer Baryt. – Von dem
sogenannten
Blanc fix werden in Süd-Lancashire wochentlich beiläufig
2 Tonnen dargestellt.
Salpetersäure. – In Süd-Lancashire werden
wochentlich beiläufig 48 Tonnen Natronsalpeter zur Darstellung von Salpetersäure
verbraucht. Derselbe liefert sein gleiches Gewicht Säure. Die Salpetersäure wird
dort hauptsächlich zur Darstellung der salpetersauren Salze von Kupfer, Blei, Eisen
und Thonerde, zum Oxydiren des Zinns, zum Aetzen und jetzt auch zur Darstellung von
Anilin verwendet.
Oxalsäure. – Einer der wichtigsten und
interessantesten neuen Fabricationszweige ist die Darstellung von Oxalsäure nach dem
von den HHrn. Roberts, Dale und Comp. erfundenen Verfahren.Dieselben stellen die Oxalsäure durch Erhitzen von Sägespänen mit einer
Mischung von Kali- und Natronhydrat dar; man sehe polytechn. Journal Bd. CXLV S. 239. (Dieses Princip hat
in Frankreich Possoz verfolgt, man s. polytechn.
Journal Bd. CL S. 127 und 382, Bd. CLIV S. 60.) Dieselben erzeugen wochentlich 9 Tonnen, könnten aber die Production bis auf
15 Tonnen ausdehnen. In Folge der Einführung ihres Verfahrens wird die Oxalsäure
jetzt um 8 bis 9 Pence per Pfund verkauft, während im J.
1851 das Pfund 15 bis 16 Pence kostete. Die Oxalsäure wird in bedeutender Menge in
den Kattundruckereien, Wollefärbereien, Wolledruckereien, beim Färben der Seide mit
Holzfarben, beim Bleichen des Strohes und zur Darstellung von Sauerkleesalz
verbraucht.
Stärkmehl und künstliches Gummi. – In
Süd-Lancashire werden wochentlich beiläufig 20 Tonnen Stärkmehl fabricirt, und 34
Tonnen Gummisurrogate durch Rösten von Weizenstärke und anderen Stärkmehlarten.
Gereinigtes Colophonium. – Die HHrn. Hunt und Pochin in Salford
ließen sich in der letzten Zeit ein sehr sinnreiches und zweckmäßiges Verfahren
patentiren, wornach sie aus dem gewöhnlichen im Handel vorkommenden braunen und
unreinen Colophonium ein völlig durchsichtiges, beinahe farbloses, festes und
sprödes Harz erzeugen.Ihr Verfahren ist beschrieben im polytechn. Journal Bd. CLV S. 79. Nach diesem Verfahren werden jetzt in Süd-Lancashire wochentlich beiläufig
60 Tonnen gereinigtes Harz dargestellt.
Organische Farbstoffe. – Mit Ausnahme von
Eisenoxyd und chromsaurem Blei werden jetzt nur noch wenige Mineralsubstanzen zum
Färben und Drucken der Kattune und anderer Gewebe angewandt, sondern die organischen
Farbstoffe vorgezogen. Das Quantum von Farbhölzern (Blauholz, Rothholz, Saffran,
Sandelholz, Gelbholz, Quercitronrinde), welches wochentlich von den Färbern in
Süd-Lancashire verbraucht wird, beträgt 300 bis 400 Tonnen; die Drucker verbrauchen
von denselben wochentlich beiläufig 60 Tonnen; außerdem werden wochentlich 150 bis
200 Tonnen in Extracte verwandelt; an Krapp werden wochentlich 150 Tonnen
verbraucht, außer demjenigen welcher für Garancin etc. verarbeitet wird. –
Hinsichtlich der Anwendung des Indigos ist außer Leonardt's patentirter Methode, denselben mittelst fein zertheilter
Metalle zu reduciren,Das Verfahren, den Indigo durch fein zertheilte Metalle zu reduciren, welches
sich August Leonhardt am 1. December 1860 in
England patentiren ließ, besteht in Folgendem: Man nimmt z.B. 30 Pfd. fein
zerriebenen besten Indigo, und mischt ihn mit 10 Gallons (100 Pfd.) Wasser.
Man nimmt andererseits 9 Pfd. Zinn, welches möglichst fein zertheilt ist,
und rührt es mit 20 Pfd. caustischer Soda an. Die Indigmischung wird
zunächst zum Kochen erhitzt und dann das Zinn mit der Soda zugefügt, worauf
die Mischung gekocht wird, bis sie die gelbe Farbe des reducirten Indigos
angenommen hat. – Statt des Zinns kann man auch 9 Pfd. Zink, oder 7
Pfd. Eisen, 30 Pfd. Blei, 7 Pfd. Arsenik, 10 Pfd. Antimon anwenden. –
Wenn man statt der caustischen Soda Kalk benutzen will, muß man jedoch als
Metall Zinn anwenden, und zwar nimmt man in diesem Falle 30 Pfd. Indigo, 100
Pfd. Wasser, 9 Pfd. Zinn und 15 Pfd. caustischen Kalk. Letzterer wird, bevor
man ihn der Mischung zusetzt, mit Wasser zum Brei gelöscht. Diese Mischung
wird ebenfalls gekocht, bis die Reduction des Indigos erfolgt ist. –
Die Lösung des reducirten Indigos wird nach Erforderniß mit Wasser verdünnt
und für den Druck in gewöhnlicher Weise verdickt. Für letzteren Zweck kann
nicht Kalk, sondern muß Natron angewendet werden. (Repertory of Patent-Inventions, August 1861, S. 161.) unseres Wissens keine wichtige Verbesserung eingeführt worden.
Anilinfarben. – Die künstlichen Farbstoffe, welche
mittelst Anilin (und der homologen Basen) erzeugt werden, haben in der letzten Zeit
viel Aufmerksamkeit erregt, und es wurden vielerlei Methoden zur Darstellung
derselben angegeben. Die gebräuchliche Methode das Anilinviolett (das sogenannte mauve) zu erhalten, besteht darin, Anilinsalze in
wässeriger Lösung mit oxydirenden Agentien, wie chromsaurem oder übermangansaurem
Alkali, Blei- oder Mangansuperoxyd, zu behandeln.
Desinficirmittel. – Hr. M'Dougal von Manchester fabricirt bei Oldham ein Desinficirpulver, dessen
Wirkung auf den Eigenschaften der Carbolsäure und der Schwefelsäure beruht. Dasselbe
wird gebraucht, um die Zersetzung des Düngers, insbesondere in Pferde- und
Kuhställen zu verhüten, überhaupt um die Zersetzung angehäufter fäulnißfähiger
Substanzen zu verhindern. Ferner bereitet er eine Flüssigkeit mit Carbolsäure und
Kalkwasser, welche zur Verhütung der Zersetzung in Cloaken gebraucht wird; man
benutzt sie auch, um die Zersetzung von Fleisch zu verhindern, welches aufbewahrt
oder auf den Markt gebracht werden soll, sowie um die Fäulniß von Thieren zu
verhindern, welche auf dem Felde gestorben sind. Die Auflösung des erwähnten Pulvers
wird jetzt häufig in den
Secirzimmern der Krankenhäuser etc. angewendet, weil sie jeden schädlichen Geruch
sofort zerstört, und die Finger des Operateurs sogleich von dem eigenthümlichen
widerlichen Geruch befreit, welcher denselben so oft anhaftet. Hr. M'Dougall hat überdieß die Carbolsäure zur Zerstörung der
Schmarotzerinsecten auf Schafen benutzt, und in vielen Gegenden durch Anwendung der
Carbolsäure in Verbindung mit Fetten die bisher gebräuchlichen arsenikhaltigen
Präparate verdrängt. Schafe, welche in Carbolsäure getaucht wurden, sind gegen die
Läusekrankheit geschützt, selbst wenn man sie einige Monate unter anderen mit
derselben behafteten Schafen läßt. Auch andere Krankheiten der Schafe sollen durch
Anwendung der Carbolsäure verhindert und geheilt werden können.