Titel: | Einiges über locomobile Dampfmaschinen in constructiver und polizeilicher Hinsicht; vom Professor Rühlmann. |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. II., S. 2 |
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II.
Einiges über locomobile Dampfmaschinen in
constructiver und polizeilicher Hinsicht; vom Professor Rühlmann.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen
Gewerbevereins, 1861 S. 244.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Rühlmann, über locomobile Dampfmaschinen in constructiver und
polizeilicher Hinsicht.
Je weniger in jüngster Zeit sowohl die sogenannten calorischen Maschinen als auch die
Leuchtgas-Explosions-Maschinen für kleinere
gewerblich-industrielle oder für landwirthschaftliche Zwecke den gehegten
Erwartungen entsprochen haben, desto mehr hat sich das Interesse für die locomobilen
Dampfmaschinen erhöht, und besonders deren Verwendung für landwirthschaftliche
Zwecke in früher nicht gekanntem Maaße gesteigert.
Letztere Erfahrung scheint aber auch unseren deutschen Maschinenfabrikanten wieder
Muth zum Erbauen locomobiler Dampfmaschinen gemacht und Energie zum Bekämpfen der
englischen Concurrenz eingeflößt zu haben, die noch immer derartige Maschinen nach
dem Zollvereinsgebiete absetzt, obwohl der Eingangszoll für jedes Exemplar ungefähr
300 Thlr. für eine 8pferdige Maschine beträgt!
Jeder deutsche Mann, welcher Gelegenheit hatte, diese Sachlage kennen zu lernen, wird
daher mit Freude die Bemühungen wahrgenommen haben, die man seit Kurzem in Berlin,
Aachen, Eupen, Güstrow, Hannover, Braunschweig und an mehreren anderen Orten zur
Erreichung des gedachten Zweckes aufwendet, und bei deren unbestrittenen Erfolgen
nur Ausdauer, nur weitere stete Aufmerksamkeit und besonders mögliche Vereinfachung
der Construction zu empfehlen ist, um dereinst den deutschen Markt auch mit dieser
Gattung von Maschinen allein versorgen zu können, wie dieß im Gebiete der
Eisenbahnlocomotiven längst der Fall ist, wo man sich nicht nur von dem englischen
Lehrmeister ganz unabhängig gemacht, sondern diesen sogar in mehrfacher Beziehung
überflügelt hat.
Hiernach dürfte es nicht unangemessen seyn, Einiges zu besprechen, welches sich auf
die neueste Construction dieser Gattung von Maschinen, so wie auf
Sicherheitsmaßregeln bezieht, die bei ihrer Verwendung innerhalb bewohnter Orte oder
in unmittelbarer Nähe derselben ins Auge zu fassen sind.
Ich beginne mit einer eigenthümlichen Anordnung der bei locomobilen Dampfmaschinen in
Anwendung kommenden sogenannten Röhrenkessel, die durchaus erforderlich sind, will
man innerhalb des zum Dampfmachengebotenen Raumes in rechter Zeit die erforderliche Quantität Dampf
erzeugen.
Diesen Röhrenkesseln hängen (neben der Tugend, viel Dampf zu produciren) allerlei
Uebel an, wovon, wenn der Kostenpunkt unbeachtet bleibt das unangenehme Reinigen und
das schwierige Repariren derselben die größten sind.
Diesem abzuhelfen, haben bereits seit 1858 (Chester Ausstellung der englischen
Landwirthschaft-Gesellschaft) die Constructeure der berühmten Ransomes'schen Maschinenfabrik in Ipswich, die Herren Biddel und Balk und
gleichzeitig die Herren Thomas und Laurens in Paris, mit Erfolg Röhrenkessel ausgeführt, wobei Feuerkiste und
Röhren als ein Ganzes vereint im Innern des cylindrischen Mantels des Kessels
derartig aufgestellt sind, daß dieser Einsatz eben so leicht herausgezogen als
wieder eingebracht und durch Schrauben gehörig befestigt werden kann. Bei einem
derartigen Kessel macht weder Reinigung noch das Aufsuchen schadhafter Stellen, noch
Reparaturen etc. irgend erhebliche Schwierigkeit, so daß man sich die bisherige
verhältnißmäßig geringe Verbreitung desselben nur durch die erhöhten
Anschaffungskosten erklären kann.
Gegenwärtig dürfte es jedoch in doppelter Hinsicht wichtig seyn, auf diese
Kesselanordnung aufmerksam zu machen, da man in verschiedenen deutschen Staaten, von
den Umständen gedrängt, besondere polizeiliche Verordnungen zu erlassen im Begriff
steht, welche sich hauptsächlich auf Sicherung gegen Feuergefährlichkeit und Störung
des öffentlichen Verkehrs beziehen, die fraglichen Kessel aber in einer Hinsicht
weniger feuergefährlich als die sind, welche man bisher in Anwendung brachte.Abbildungen der neuesten Locomobilen von Thomas
und Laurens in Paris mit eingesetztem
Röhrenkessel und oberwärts von einem Güterwagen ähnlichen Gehäuse umgeben,
finden sich in Oppermann's
Portefeuille des Machines, 6. Année, (Mai 1861) S. 75. (Die
Beschreibung ihres Röhrenkessels mit beweglichem Feuerherd wurde im
polytechn. Journal Bd. CLX S. 1 mitgetheilt.)
Sie sind nämlich nach Art der sogenannten Cornwallkessel, mit inwendigem Roste
versehen, so daß sich auch die glühende Asche im Innern des Kessels ablagert, ein
besonderer Aschenfänger nicht erforderlich ist, und eigentlich nur besondere
Vorsicht am Ende der Arbeit beim Herausnehmen des Feuers und der glühenden Asche
oder Kohlentheile verlangt wird.
Ich freue mich daher in den Stand gesetzt zu seyn, durch die beigegebenen Abbildungen
Fig. 1 und
2, die
Leser dieser Zeitschrift mit den Haupttheilen einer Gattung solcher locomobilen
Dampfmaschinen bekannt machen zu können, welche seit längerer Zeit die Bosson'sche Maschinenfabrik in Eupen besondersfür landwirthschaftliche Zwecke
fertigt, und wozu die anerkannt ausgezeichnete Dampfkesselbauanstalt des Herrn Piedboeuf in Aachen die gedachte neue Kesselanordnung
liefert.
Fig. 1 zeigt
die Haupttheile der Locomobile im Längendurchschnitte (mit Hinweglassung des
Fahrgestelles), Fig.
2 einen Querschnitt durch den Kessel. Im cylindrischen Kessel b, der überall gleich große kreisförmige Querschnitte
besitzt, ist das von vorn nach hinten zu schwach conisch gestaltete Feuerrohr a aufgestellt, welches an der Stirnfläche mit einem
kreisförmigen Flantsch versehen und mittelst diesem durch Schrauben mit dem
Hauptkessel verbunden ist. Am hinteren, engeren Ende des Rohres a ist ein nach beiden Seiten (rechtwinklig zur
Bildfläche unserer Skizze gedacht) erweiterter Raum c
gebildet, dessen äußerste Begrenzungsfläche von einem Kugelabschnitte gebildet wird.
Von c aus gehen, beiden Seiten des Kegels a entlang, 3 1/2 Zoll weite Röhren (in unserer Fig. 1
weggelassen) nach einem Behälter x, der das äußere
(weiteste) Ende von a ringförmig umgibt.
Wenn der Kessel im Betriebe ist, ziehen vom Roste d aus
die flüchtigen Verbrennungsproducte und die heiße Luft über die gemauerte
Feuerbrücke e nach hinten in den Raum c, treten von hier aus in die engen Seitenröhren,
gelangen weiter in die Kammer x, und endlich von hier
durch den Schornstein z zur Ausflußöffnung y. Die speciellere Unordnung an der Vorderfläche des
Kessels, um nach Lösung der dortigen Befestigungsschrauben den ganzen Kegel a nebst Röhren c aus dem
Cylinder b herausziehen zu können, wurde an unserer
Skizze, aus Rücksicht gegen die oben genannten Maschinenfabrikanten,
weggelassen.
Alle übrigen Theile werden keiner besonderen Erklärung bedürfen. Der gebildete Dampf
tritt aus dem oberen Kesselraume f durch ein Rohr k in den Zwischenraum eines Mantels p, der den Kolbencylinder umgibt, während q die Kolbenstange ist, welche die Bewegung mittelst der
Lenkstange r auf den Krummzapfen s, auf die Triebachse und auf das Schwungrad t
überträgt.Gewöhnlich enthalten diese Kessel 14 Stück Röhren von 89 Millimeter
Durchmesser. Bei der 8pferdigen Maschine beträgt die totale Heizfläche, nach
Abzug des Aschenfalles, ungefähr 16 Quadratmeter.
Einen zweiten wichtigen Gegenstand der fraglichen LocomobilenEine Locomobile mit ähnlicher Anordnung des Kessels sah ich kürzlich in der
Maschinenbauanstalt des rührigen, höchst strebsamen und tüchtigen Herrn Wens in Berlin (Chausseestraße 23) in der
Ausführung begriffen. bilden die sogenannten Funkenfänger, worunter man Anordnungen der
betreffendenSchornsteinmündungen von der Art versteht, daß dadurch glühende oder brennende
Körper aller Art, welche die rasch abströmende heiße Luft mit sich führt, zum
Verlöschen gezwungen oder vor dem Erreichen der äußersten Ausflußöffnung
zurückgeworfen werden.
Als den brauchbarsten und wirksamsten derartigen Funkenfänger bezeichnete man seither
den des Ingenieurs Klein, der in Fig. 3 im
Verticaldurchschnitte und in Fig. 4 im
Horizontaldurchschnitte (nach der Linie εη von Fig. 3 genommen)
dargestellt ist.
Während hierbei die abziehende heiße Luft (und mit ihr alle nicht verbrannten
leichten Stoffe) nach den Richtungen der Pfeile αα seitlich in den Schornstein strömt, tritt der die
Maschine verlassende Wasserdampf durch das Blasrohr a in
der Mittelachsenrichtung des Schornsteins ein, worauf beide Flüssigkeiten vereint
gegen die geschlossene nach rechts und links hin schräg gerichtete Decke e, e stoßen, sodann veranlaßt werden die Canäle oder
Zellen f zu durchströmen (gebildet aus einer Art krummer
Schaufeln, ähnlich wie bei gewissen horizontalen Wasserrädern), wobei wieder
Richtungsveränderungen und Stöße erfolgen, die ein weiteres Zurückwerfen oder
Niederfallen der mit fortgerissenen brennenden oder glühenden Körper zur Folge
haben. Was hierauf noch bei g mit in die Höhe steigt,
trifft entweder die schrägen Wände d des Kegels mn oder ein drittes Hinderniß, einen geneigten
Schirm h, und gelangt erst nach abermals wiederholter
Richtungsveränderung zum Ausströmen in die freie Luft.
Unverkennbar hat dieser sonst vortreffliche Funkenfänger eine mehr oder weniger
bedeutende Verminderung der Geschwindigkeit des abziehenden Rauches und damit
Verringerung des Zuges zur Folge, was entweder durch Verengung der Mündung des
Dampfausblasrohres a, also durch Erzeugung eines
größeren Rückdruckes auf den Dampfmaschinenkolben, oder durch ein intensiveres
Heizen, in beiden Fällen also durch Verbrauch an Brennmaterial ersetzt werden
kann.
Um diese Uebelstände zu umgehen, hat Hr. Obermaschinenmeister Prüsmann in Lingen (Hauptstation und Central-Wertstatt der
hannoverschen Westbahn) in jüngster Zeit für die Locomotiven der hannoverschen
Staatsbahnen einen eigenthümlichen Funkenfänger construirt, dessen Anordnung Fig. 5 erkennen
läßt.
In ungefähr 2 1/2 Fuß Abstand von der Schornsteinmündung ist ein gußeisernerAus einem Stücke gegossen. Aufsatz k, m, n, p, s befestigt, dessen
Horizontalschnitteüberall Kreisringe bilden. Mit diesem Körper sind concentrisch Blechcylinder t, t und w, w verbunden,
wobei z einen Wasserbehälter abgibt.
Dabei sind alle Abmessungen und Distanzen so getroffen und durch zahlreiche Versuche
festgestellt, daß durch den abgestumpften Kegel r, s
lediglich (mit etwas Luft gemischt) Dampf abströmt, während die heiße Luft und die
mit ihr fortgerissenen glühenden oder brennenden Körper gezwungen werden ihren Weg
zwischen den Wänden p, m und r erst aufwärts, sodann nach z hin abwärts und
zuletzt durch den ringförmingen Raum x, zwischen t und w wieder in die Höhe
zu nehmen.
Wollte man nun auch einigermaßen bezweifeln, daß unter allen
Umständen durch den Mitteltrichter allein Dampf und niemals Funken mit
hinaustreten, so dürften geringe Abänderungen gewiß hinreichen, auch diese Besorgniß
zu beseitigen und den Prüsmann'schen Funkenfänger zu dem
brauchbarsten Apparate seiner Art zu machen, der eben sowohl gegen Funkensprühen
sichert, als den Zug so wenig wie nur möglich beeinträchtigt.Bei Gelegenheit der XXII. Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe
in Schwerin (September 1861) wurde auf besonderen Antrag der
Aachen-Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft, von einer
aus Landwirthen, Staatsmännern und Technikerbestehenden Section,
nachstehender Entwurf zu polizeilichen Vorschriften in Bezug auf die
Benutzung der locomobilen Dampfmaschinen zu landwirthschaftlichen Zwecken
festgestellt und von der Plenarversammlung der Beschluß gefaßt, denselben
sämmtlichen hohen deutschen Regierungen zur unmaßgeblichen Berücksichtigung
zu empfehlen:1) Jede Locomobile ist mit einem vollständig
wirksamen Funkenfänger zu versehen, etwa nach der Klein'schen Construction, oder von mindestens gleich
vortheilhafter Anordnung.2) Im Allgemeinen darf die Heizung nur mit Steinkohlen oder Kohks geschehen;
bei Verwendung anderer Brennmaterialien, beispielsweise Holz oder Torf, ist
die Locomobile wenigstens 500 Fuß von Gebäuden entfernt aufzustellen.3) Jede Locomobile ist mit einem gehörig großen und derartig mit Wasser
gefüllten Aschenkasten zu versehen, daß herabfallende glühende
Brennmaterialstückchen ganz von Wasser bedeckt werden.* Ueberdieß ist am
Boden unmittelbar vor der Heizthür eine gehörig
vorspringende Blechplatte anzubringen.* Diese Forderung würde bei Anwendung von Kesseln mit Innenfeuer, wie Fig. 1
zeigt, wesentlich zu modificiren seyn.4) Während des Gebrauchs der Locomobile muß ein entsprechendes mit Wasser
gefülltes Gefäß von Eisenblech zum Löschen brennender Kohlen, Kohks oder
Schlacken bereit stehen.5) Eben so müssen wenigstens zwei Löscheimer gehörig zur Hand seyn.6) Auf Gehöften, in Ortschaften und eben so vor Schobern muß die Locomobile
von eigenen Gebäuden wenigstens 20 Fuß entfernt seyn wenn Steindächer
vorhanden sind, dagegen mindestens 25 Fuß bei Holz-, Stroh-,
Rohr- oder ähnlichen Dächern.Die Entfernung von Nachbargebäuden darf unter allen Umständen nicht geringer
als 100 Fuß seyn.7) Die Stelle, auf welche eine Locomobile zu stehen kommt, ist frei von
Stroh, Dünger und anderen brennbaren Stoffen zu halten und zwar auf eine
Entfernung von mindestens 10 Fuß, die jedoch auch nicht über 20 Fuß zu
erstrecken ist.8) Um die Locomobilen auch nach unmittelbar beendetem Gebrauche unschädlich
zu machen, sind sie entweder in einem besonders eingerichteten Häuschen mit
Steindach aufzustellen oder man hat sich durch sofortiges Auslöschen des
Brennmaterials und gleichzeitiges Zustellen eines Schornsteinschiebers
entsprechend zu sichern.
Mit derartigen Sicherheitsmitteln ausgestattete Locomobilen werden sowohl für
landwirthschaftliche als auch für andere temporäre Arbeiten noch bei weitem mehr
Anwendung finden, wenn man sich als Fortpflanzungsmittel der Bewegung der
Stahldrahtfeile bedient, wodurch man die Triebkraft auf verhältnißmäßig große
Entfernungen ohne sehr bedeutende Verluste fortzupflanzen im Stande ist, sobald man
nur deren rationelle Unordnung versteht und besonders Leitrollen von nicht zu
geringem Durchmesser in Anwendung bringt.Man sehe über die Fortpflanzung von Maschinenarbeiten mittelst Drahtseilen
die Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CLXI S. 332.
In England scheint in jüngster Zeit auch diejenige Gattung von Locomobilen einen
eigenthümlichen Fortschritt gemacht zu haben, welche sich auf
gewöhnlichen Straßen selbst fortbewegen (die sogenannten Traction Engines, über welche im Jahrgange 1859 des
polytechn. Journals Bd. CLII S. 248 berichtet wurde), wobei jedoch nicht die Absicht
unterliegt, Pferdefuhrwerke überhaupt damit ersetzen zu wollen. Ihr Zweck ist
vielmehr einfach der, sich selbst und die zugehörige Arbeitsmaschine
(Dreschmaschine, Pumpwerk, Mahlmühle etc.) von einen: Orte der Aufstellung zum
anderen zu schaffen, oder auch Kohlen, Steine und Baumaterialien auf solchen kurzen Strecken zu transportiren, wo die Anlage einer
Eisenbahn der Terrainverhältnisse wegen entweder zu theuer oder des geringen
Verkehrs wegen nicht rentabel seyn würde.
Eine derartige locomobile Dampfmaschine hatte unter anderen der Ingenieur Corlett zu Güstrow zur dießjährigen bereits erwähnten
Schweriner Maschinen-Ausstellung eingesandt, die von Aveling in Rochester (England) gefertigt und zum Betriebe und zum
Transporte einer großen sogenannten DampfdreschmaschineDie Dreschtrommel der Maschine hatte 22 Zoll englisch Durchmesser, 64 Zoll
Länge und war mit 8 eigenthümlich gestalteten Schlagleisten versehen. bestimmt war, auch bereits viele Reisen von einem mecklenburgischen Orte zum
anderen gemacht, und sowohl im freien Felde als auf Höfen zur Zufriedenheit der
Betheiligten gearbeitet hatte.Die großherzoglich Mecklenburg-Schweriner Regierung hat sich wegen
allgemeiner Benutzung der von Hrn. Corlett
eingeführten Locomobilen mit Selbsttransport bereits zu folgenden zwei
Bekanntmachungen veranlaßt gesehen:1) Dem Civil-Ingenieur Corlett zu Güstrow
ist auf sein Ansuchen nach vorgängiger Prüfung versuchsweise und bis auf
Weiteres gestattet, die Chausseen und öffentlichen Wege mit einer für den
Transport und Betrieb einer Dreschmaschine von ihmangeschafften
Dampfmaschine, jedoch nur zum Zwecke des Transportes dieser Maschine,
befahren zu dürfen.Zur Verhinderung der aus solcher Benutzung möglicherweise zu befürchtenden
Nachtheile sind folgende Bestimmungen getroffen:1) Die Passage durch die Städte und auf den Straßen
innerhalb derselben darf nur nach erwirkter obrigkeitlicher Erlaubniß in
jedem besonderen Falle stattfinden.2) Beim Passiren bewohnter Orte oder von Wegen in
unmittelbarer Nähe derselben darf die Schnelligkeit der Fortbewegung nur in
dem Maaße von höchstens 20 Ruthen auf die Minute stattfinden.3) Der Gebrauch der Dampfmaschine auf den öffentlichen
Straßen darf bei stürmischer Witterung nicht stattfindenstatfinden und darf dieselbe nur mit Anwendung eines, das Aussprühen von
Funken verhindernden Funkenfängers arbeiten.4) Die Heizung darf während der Passage nur mit Kohks
geschehen, und darf das Feuerungsmaterial nur zu einer Zeit in den Feuerraum
gebracht und dazu die Heizthür geöffnet werden, wenn keine feuerfangenden
Gegenstände in der Nähe sind.5) Eine Dampfpfeife darf an der Maschine nicht ertönen,
sondern es muß dafür, wenn nöthig, eine Glocke angewendet werden.6) Die Brücken in den Wegen und Chausseen dürfen nicht
mit der Maschine und dem ihr angehängten Werke gleichzeitig belastet werden.
Das Verbindungsmittel derselben muß in solcher Länge angewendet werden, daß
das nachfolgende Werk die Brücke erst erreicht, wenn das vorausgehende
dieselbe schon verlassen hat. Für etwaige
Beschädigungen der Brücken ist der Maschinenführer, und für ihn der
Eigenthümer der Maschine haftend.7) Der Eigenthümer der Maschine ist zum Ersatze aller
Schäden verpflichtet, welche durch den Gebrauch der Maschine an den
passirten Wegen und deren Umgebung erweislich entstanden sind, ohne daß
dawider eine Berufung auf die gefährliche Natur des gebrauchten
Transportmittels statt hat.8) Der Maschinenführer ist verpflichtet, Sorge zu
tragen, daß Fuhrwerke und Reiter auf den passirten Wegen den Maschinenzug
ohne Nachtheil Passiren können und durch das Scheuwerden der Pferde keine
Gefahr entstehe. Er muß daher allen Fuhrwerken
ausbiegen und für deren Vorüberfahrt die Maschine vollständig in Ruhe
setzen, bevor das nachfolgende oder begegnende Fuhrwerk bis auf 10 Ruthen
Entfernung nahe gekommen ist. Auf schmalen, für eine
Ausbiegung nicht geeigneten Wegen ist ein Vorläufer zu halten, der das
entgegenkommende Fuhrwerk an einer paßlichen Stelle bis zur Annäherung der
Maschine halten läßt. Wenn Zug- oder Reitpferde
aus den passirten Wegen oder in deren Nähe vor der Maschine scheu werden, so
ist dieselbe sofort anzuhalten und die Entfernung der scheuenden Thiere oder
deren genügende Beherrschung abzuwarten.9) Beim Passiren von Chausseen ist an jeder passirten
Hebestelle bis auf Weiteres für die Maschine der volle Satz für
durchgehendes Fuhrwerk auf 6 Pferde nach dem Tarifsatze sub 1 a, und für die
angehängte Dreschmaschine die Hälfte desselben nach der Bemerkung sub 3 des Tarifes vom 22. Mai 1857 zu
entrichten.10) Contraventionen gegen die Vorschriften sub 1 bis 8 sind, abgesehen von der Haftung für
dadurch etwa entstandene Nachtheile, die der Eigenthümer der Maschine auch
für den Führer derselben zu übernehmen hat, mit einer nach Maaßgabe der
Verschuldung und des angerichteten Schadens zu bemessenden Polizeistrafe von
5 Thlrn. bis 100 Thlrn. zu beahnden, und ist im Wiederholungsfalle die
Entziehung der ertheilten Erlaubniß zu erwarten, deren Zurücknahme überhaupt
nach den zu machenden Erfahrungen über etwaige Nachtheile der gestatteten
Benutzungder öffentlichen Wege durch die in Frage stehende Maschine für den
allgemeinen Verkehr auf denselben zu jeder Zeit vorbehalten bleibt.Vorstehende Bestimmungen werden hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht,
und haben sich die betheiligten Behörden darnach zu achten.Schwerin am 17. Julius 1861.Großherzoglich Mecklenburgisches
Ministerium des Innern.Im Auftrage: Brandt.2) Mit Bezug auf die Bekanntmachung vom 7. Julius dieses Jahres, wodurch dem
Civil-Ingenieur Corlett zu Güstrow auf
sein Ansuchen nach vorgängiger Prüfung versuchsweise und bis auf Weiteres
gestattet ist, die Chausseen und öffentlichen Wege mit einer, für den
Transport und Betrieb einer Dreschmaschine von ihm angeschafften
Dampfmaschine, jedoch nur zum Zwecke des Transportes dieser Maschine,
befahren zu dürfen, und zur vollständigeren Sicherung der etwa für nöthig
erachteten besonderen Vorsichtsmaßregeln wird hierdurch weiter zur
allgemeinen Kenntniß gebracht:daß, unter Aufhebung der Bestimmung sub 1 des gedachten Notificatoriums, dem Civil-Ingenieur
Corlett zur Pflicht gemacht ist, zu der
Passage seiner Dampfmaschine durch alle bewohnten Ortschaften, wo Gebäude
mit Strohdach 100 Fuß oder näher, mit anderer Bedachung aber 20 Fuß oder
näher am Wege liegen, zuvor der ortsobrigkeitlichen Erlaubniß in jedem
einzelnen Falle sich zu versichern.Hiernach haben alle betheiligten Behörden sich zu
richten.Schwerin am 23. September 1861.Großherzoglich Mecklenburgisches
Ministerium des Innern.J. v. Oertzen.
Fig. 6 zeigt
die Corlett'sche Locomobile in ihren Hauptumrissen, wobei
die großen Treibräder (Hinterräder), jedes von 64 Zoll engl. Durchmesser, mit den
Buchstaben in, die kleineren Laufräder (Vorderräder) mit p bezeichnet sind.
Mit dem Drehschemel der beiden letzteren Räder ist ein rahmenförmiger Schnabel r (der von oben gesehen ein gleichschenkeliges Dreieck
bildet, dessen Spitze unter s liegt) verbunden, der am
äußersten Ende mit einer scharfkantigen eisernen, um eine Horizontalachse drehbaren
Laufscheibe q versehen ist, durch dessen geeignete
Wendung der Locomobile die Richtung ertheilt wird, nach welcher sie sich beim
Fortlaufe bewegen soll. Während der Lenker (Fuhrmann, Kutscher) bei r zwischen den Laufrädern sitzt, erfaßt er gleichzeitig
den Hebel t, der mit einer Verticalwelle s in Verbindung steht, durch deren entsprechende Drehung
die Lenkung des ganzen Fuhrwerks erfolgen kann.
Der zur Maschine gehörige Röhrenkessel (aus 27 Röhren von 2 11/12 Zoll äußerem
Durchmesser bestehend) ist durch den Buchstaben a
angedeutet, während d den Feuerkasten, c den Rauchkasten, d den
Dampfdom, e den Schornstein bezeichnet, in welchem
letzteren zugleich der Dampfmaschinencylinder f Platz
findet, dessen Kolben 9 Zoll Durchmesser und 12 Hub hat. Das Schwungrad k, welches zugleich als Riemenscheibe für den Betrieb
der erwähnten Dreschmaschine dient, hat 5 Fuß 2 Zoll Durchmesser, und macht bei der
vortheilhaftesten Arbeit 176 Umläufe pro Minute.Sorgfältig angestellte Bremsversuche ergaben bei 60 Pfd. Dampfdruck pro Quadratzoll und den gedachten 176
Schwungradumgängen (welche der Dreschmaschinenbetrieb erfordert) eine
Nutzarbeit von reichlich 16 Pferdekräften, wobei die Maschine ohne Anwendung
der übrigens noch vorhandenen Expansionsmechanismen arbeitete.
Erwähnt werde noch, daß durch den Buchstaben r ein
prismatischer Kasten bezeichnet wird, dessen oberer Theil zur Aufnahme von
Brennmaterial (Steinkohlen oder Kohks) dient, während sein unterer Theil einen
Vorrath von Speisewasser enthält.
Um die Kraft der Dampfmaschine, je nach Bedürfniß, zum Fortlauf der ganzen Locomobile
verwenden, die Umdrehbewegung des Schwungrades auf die der großen Treibräder in
übertragen zu können, hat man folgende Anordnung getroffen.
Auf die entsprechend verlängerte Kurbelachse hat man ein Zahnrad i gekeilt, welches 12 Zähne hat, und mit letzteren in
ein anderes Stirnrad l von 36 Zähnen greift, welches auf
einer tiefer liegenden Welle sitzt. Auf derselben Achse wie l befindet sich ein kleines Rad u, an dessen
Umfange sich 5 derartig gestaltete Erhöhungen (Zähne) vorfinden, daß sie bequem in
die Glieder einer starken endlosen Kette greifen, welche gleichzeitig über ein
großes Rad n mit 24 eben so geformten Erhöhungen
geschlagen ist.
Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, daß, wenn alle mit einander in Verbindung
stehenden Mechanismen stark genug sind, so daß sie sich weder biegen, strecken, noch
brechen, je 76 Umdrehungen der Kurbel- (oder Schwungrad-) welle immer
5 Umläufe des großen Treibrades in veranlassen, folglich, da der Umfang des
letzteren 16 3/4 Fuß ist, das ganze Fuhrwerk während der bemerkten Umlaufszahl auf
die Strecke von 5 × 16 3/4 = 83 3/4 Fuß fortgeschafft wird.
Die Felgen der Treibräder m haben die ungewöhnliche
Breite von 12 1/4 Zoll, auch sind diese am äußeren Umfange nicht glatt, sondern mit
länglichen prismatischen Erhöhungen von 4 Zoll Breite versehen, womit sich das Rad
beim Fortlaufe mehr oder weniger in den Boden eindrückt (oder in den Stadtstraßen
gleichsam zwischen das Steinpflaster klemmt), um so viel wie möglich jedes Gleiten
der Treibräder zu verhindern. Beim Fahren über weichen oder sandigen Boden werden an
den äußeren Felgenflächen noch mehrere über die ganze Breite von 12 1/4 Zoll
wegreichende Schuhe mit schmalen hohen Rücken (die Kanten der letzteren parallel der
Radachse) befestigt, um so viel als möglich das unzweckmäßige Einschneiden der
Treibräder zu vermeiden.
Das Gesammtgewicht dieser Locomobile wurde zu 7 3/4 Tonnen = 155 englischen Centnern
angegeben, während ihr Anschaffungspreis 3000 Rthlr. betrug.
So weit Referent Gelegenheit hatte, die Fahrt der Maschine sowohl auf
Stadtstraßenpflaster wie auf guter Steinschlagchaussee (von einigenerheblich ungünstigen
Steigungen) zu beobachten, erfüllte sie alle Bedingungen einer brauchbaren
Maschine.
Als ein nicht geringer Uebelstand wurde das Scheuen der Pferde anderer
Straßenfuhrwerke wahrgenommen, welche der Maschine begegneten, ungeachtet diese
während des Vorbeipassirens der ersteren immer zum Feststehen gebracht wurde.
Jedenfalls werden sich bei allgemeiner Verwendung derartiger Maschinen in Deutschland
die Pferde anderer Fuhrwerke eben so an die Erscheinung gewöhnen müssen, wie dieß
bereits überall der Fall ist, wo Eisenbahndampfwagen mit Straßenfuhrwerken in
Berührung kommen.
Specielleres über die Leistung der Corlett'schen
Locomobile wird der Bericht über die Maschinenausstellung der XXII. Versammlung
deutscher Land- und Forstwirthe in Schwerin enthalten.Die Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen Nr. 34 (25.
Oct. 1861) enthält S. 450 nachstehende, nicht uninteressante Notiz unter der
Rubrik „Straßendampfwagen:“
In Zürich fand am 7. September die Probefahrt eines Straßendampfwagens mit
angehängtem Personendampfwagen statt, in welchem sich 9 Personen befanden.
Die Maschine war leicht zu lenken, und hatte einen sehr sichern Gang; sie
überwindet Steigungen mit Leichtigkeit und kann nach Belieben angehalten,
langsam oder schnell bewegt werden. Ihre Geschwindigkeit war die eines
trabenden Pferdes. Die Maschine, eine Locomobile aus dem berühmten
Etablissement der HHrn. Escher, Wyß und Comp., soll bestimmt seyn, um damit Versuche für
den Gütertransport über den St. Gotthard zu machen.