Titel: | Ueber eine Methode die Kohlensäure in der atmosphärischen Luft zu bestimmen; von Dr. Max Pettenkofer. |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XIII., S. 54 |
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XIII.
Ueber eine Methode die Kohlensäure in der
atmosphärischen Luft zu bestimmen; von Dr. Max Pettenkofer.Im Auszug aus Bd. II S. 1–18 der
„Abhandlungen der naturwissenschaftlich-technischen
Commission bei der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften, München
1858.“
Pettenkofer, Methode die Kohlensäurebestimmung.
Ich hatte mir die Aufgabe gestellt, den Luftwechsel in unseren Wohnräumen einem
genaueren Studium zu unterwerfen, als es bishergeschehen war. Ich glaubte denselben am sichersten darnach
bemessen zu können, in welcher Zeit und in welchem Maaße der Kohlensäuregehalt in
Zimmern ab- oder zunimmt. Da hiebei aber geringe Zeitintervalle bereits sehr
maaßgebend sind, so sah ich mich genöthigt, eine Methode der Kohlensäurebestimmung
zu construiren, welche erlaubte, den Gehalt einer Zimmerluft an diesem Gase von
Viertel- zu Viertel-, oder doch jedenfalls von Halb- zu
Halbstunde zu bestimmen, d. i., eine Methode, mit der sich viel mehr Versuche
anstellen und viel schneller arbeiten ließ, als mit allen bekannten, und die
jedenfalls so genau war, als die besten der bisherigen. Es ist mir dieses mit
Anwendung längst bekannter Mittel vollkommen gelungen, und es ist deßhalb nicht die
Neuheit, sondern lediglich die Zweckmäßigkeit und leichte Ausführbarkeit des
Verfahrens, welche auf das Interesse der Gelehrten und der Praktiker Anspruch haben
dürften.
Meine Methode beruht wie alle die übrigen auf der Absorption der Kohlensäure durch
ätzende Alkalien, und setzt wie alle übrigen voraus, daß in der Luft keine andere
freie Säure in bestimmbarer Menge zugegen sey. Sollte eine solche zu entdecken seyn,
so müßte dieselbe eigens bestimmt werden. Es sind übrigens kaum Umstände denkbar, wo
die Voraussetzung sich nicht statthaft erweisen könnte.
Als alkalische Flüssigkeit ziehe ich für den vorliegenden Fall das gewöhnliche
Kalkwasser allen übrigen Mitteln vor. Der Gehalt desselben an Aetzkalk ist sehr
gering, und schwankt nur innerhalb ziemlich enger Grenzen. Der Kalk sättigt die
Säuren zu vollständig neutralen Salzen und bildet mit Kohlensäure eine unlösliche
Verbindung, so daß die größere oder geringere Trübung des Kalkwassers durch eine
Luft bereits einen Anhaltspunkt für eine wenn auch nur sehr approximative Schätzung
einem geübten Auge darbieten kann.
Der Gehalt eines Kalkwassers an Aetzkalk (CaO) ist mit großer Leichtigkeit und
Schärfe durch Titriren mit einer sehr verdünnten Säure von bekanntem
stöchiometrischen Werthe zu ermitteln. Im Grade der Verdünnung der Säure liegt das
Mittel, die Empfindlichkeit der Bestimmung bis zu beliebig kleinen Graden
auszudehnen. Für meine Zwecke habe ich es genügend gefunden, eine Säure anzuwenden,
deren Menge in 1 Kubikcentimeter Flüssigkeit das stöchiometrische Aequivalent von 1
Milligramm Kalk repräsentirt. Jede in Wasser lösliche Säure von bekannter
Sättigungscapacität ist dazu brauchbar. Ich habe die Oxalsäure mehreren, die ich
versuchte, vorgezogen, erstlich weil sie leicht rein zu erhalten ist, dann weil sie
ein fester Körper ist, der bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft an Gewicht weder
zu- noch abnimmt, und sich deßhalb mitLeichtigkeit genau abwägen läßt. Sollte man von der
Reinheit der zu verwendenden Oxalsäure nicht völlig überzeugt seyn, so läßt sie sich
durch mehrmaliges Umkrystallisiren leicht rein erhalten. Es ist am bequemsten, reine
krystallisirte Säure (C₂HO₄ + 2 HO) zu verwenden, welcher man durch
Stehenlassen über Schwefelsäure bei gewöhnlicher Temperatur das etwa adhärirende
Wasser entzieht, wenn sie nicht ganz trocken seyn sollte. Von solcher reiner
krystallisirter Säure wägt man nun auf einer empfindlichen Waage mit einem justirten
GrammengewichtIn diesem Falle genügt nicht, wie in so vielen anderen, die bloße
Uebereinstimmung der Gewichtsabtheilungen unter sich, sondern es muß eine
Uebereinstimmung mit dem Normalkilogramm erlangt werden, da zuletzt aus dem
verwendeten Gewichte das Volumen berechnet werden muß. 2,250 Gramme ab, und bringt sie in 1 Liter destillirtes Wasser von 12 bis
16° C. Nach erfolgter Auflösung und Mischung ist die Probesäure zum Gebrauche
fertig. Es ist nicht gut, sich größere Mengen für länger als 8 Tage vorräthig zu
bereiten, da die Lösungen stets nach einiger Zeit schimmlig werden. Ich habe das
selbst bei so verdünnter Schwefelsäure mehrmals beobachtet. Um sich jederzeit
schnell eine Probesäure mischen zu können, thut man am besten, sich in kleinen
Gläsern die für 1 Liter Wasser abgewogenen Mengen (2,25 Gramme) der festen Säure
vorräthig zu halten. Mit einem genauen Litermaaß läßt sich dann innerhalb weniger
Minuten die Probesäure fertig herstellen.
Eine Mohr'sche Bürette mit Quetschhahn, deren Theilung circa 50 Kub. Cent, umfaßt und noch 1/4 Kubikcentimeter
abzulesen gestattet, wird mit der verdünnten Säure gefüllt, wenn man Kalkwasser auf
seinen Gehalt an Aetzkalk untersuchen will.
Die Bereitung des Kalkwassers geschieht auf gewöhnliche Weise. Man übergießt
gelöschten Kalk in einer großen Flasche mit Wasser. Nach dem Sedimentiren gießt man
das erste Kalkwasser, welches die etwa im Kalke befindlichen geringen Mengen von
Kali oder Natron enthält, weg, und kann diese Operation noch ein paarmal
wiederholen. Wenn aber auch etwas Aetzkali oder Aetznatron neben dem Aetzkalke
gelöst ist, so hat das nicht den mindesten Einfluß auf die Genauigkeit der Methode,
da die Flüssigkeit nicht dazu bestimmt ist, Kalksalz zu liefern, sondern lediglich
eine bekannte Menge Oxalsäure zu neutralisiren. Zu diesem Zwecke können sich alle
fixen Alkalien nach Aequivalenten vertreten. Wenn sich das Kalkwasser in der großen
Flasche gesättigt und völlig geklärt hat, so gießt man dasselbe in Flaschen, die
etwa 1/4 Liter fassen, und deren Hals so weit ist, daß man den Körper von
Saugpipetten für 30 bis 45 Kubikcentimeter einbringen kann, und verkorkt sie sorgfältig. In diesem Zustande
kann das Kalkwasser Monate lang für den Gebrauch tauglich aufbewahrt werden: es
zieht nur sehr allmählich Kohlensäure an. Eine Flasche, welche am 6. December 1857
mit Kalkwasser gefüllt wurde, welches in 30 Kubikcentimetern 38 1/2 Milligramme
Aetzkalk enthielt, wurde in meinem Arbeitszimmer aufbewahrt und am 9. April 1858
geöffnet. Nach dieser Zeit zeigten 30 Gramme Kalkwasser noch einen Gehalt von 35 1/2
Milligrammen Aetzkalk.
Was nun die wirkliche Bestimmung der Alkalinität eines Kalkwassers anlangt, so wird
sie am besten auf folgende Weise ausgeführt. Man hebt mit einer Saugpipette 30
Kubikcentimeter Kalkwasser aus, und läßt sie in ein Medicinfläschchen von circa 3 Unzen (90 Kubikcentim.) Inhalt fließen. Aus der
Bürette läßt man nun die verdünnte Oxalsäure durch Oeffnen des Quetschhahnes in das
Kalkwasser fließen. Um beiläufig die Mengen zu wissen, welche man zusetzen darf,
ohne den Punkt der Neutralität zu überschreiten, dient die Erfahrung als
Anhaltspunkt, daß in 30 Kub. Cent. Kalkwasser durchschnittlich nicht weniger als 34
und nicht mehr als 39 Milligramme Aetzkalk enthalten sind. Man wird also 32 Kub.
Cent. Oxalsäure auf einmal zusetzen können, ohne die alkalische Reaction des
Kalkwassers aufzuheben. Von diesem Punkte an nähert man sich vorsichtig dem Punkte,
wo die alkalische Reaction verschwindet und die saure noch nicht auftritt. Bevor man
einen Tropfen zur Reaction aushebt, muß die Flüssigkeit jederzeit wohl umgeschüttelt
werden.
Sollte der Punkt der Neutralisation durch einen zu großen Zusatz von Säure
überschritten seyn, ohne daß man denselben auf 1/2 Kub. Cent. genau angeben könnte,
so fügt man neuerdings 10 Kub. Cent. Kalkwasser mit einer kleinen Pipette zu, und
nähert sich durch allmählichen Zusatz der Säure wieder dem Punkte des Verschwindens
der alkalischen Reaction. Einige Uebung läßt an der Intensität der alkalischen
Reaction eines Tropfens bald erkennen, ob man noch 2 oder 1 oder 1/2 Kub. Cent.
Oxalsäure zusetzen soll. Ein zweiter Versuch läßt, falls man beim ersten nicht die
größte Genauigkeit erzielt zu haben fürchtet, diese sicher erreichen.
Es ist klar, daß die Genauigkeit der ganzen Bestimmung abhängig ist von der Schärfe,
mit der sich das Verschwinden der alkalischen Reaction beobachten läßt. Anfangs
richtete ich mein Augenmerk auf das Eintreten der sauren Reaction durch Röthung der
Lackmustinctur. Das Mittel erwies sich aber so unzuverlässig, daß ich bei Bestimmung
des Gehaltes von 30 Kub. Cent. ein und desselben Kalkwassers an Alkali auf 2 Kub.
Cent. Oxalsäurelösung und
darüber nicht sicher war. Ich wendete mich deßhalb von der Beobachtung des Eintritts
der sauren zu der des Verschwindens der alkalischen Reaction. Das Eintauchen kleiner
Streifen von Curcumapapier gab mir viel übereinstimmendere Resultate. Dabei fiel mir
jedoch auf, daß man von dem Punkte an, wo die Flüssigkeit auf Curcumapapier bereits
nicht mehr alkalisch reagirte, bis zu dem Punkte, wo sie auf Lackmuspapier zu
reagiren begann, stets noch 4 1/2 bis 5 Kub. Cent. Oxalsäurelösung zusetzen konnte.
Dieser todte Gang erschien mir zu verdächtig, um genaue Bestimmungen erwarten zu
können. Ich hatte auch den Kalkgehalt von 100 Kub. Cent. Kalkwasser durch Fällung
mit Oxalsäure und Ueberführung des Niederschlages in schwefelsauren Kalk auf
gewöhnliche Weise bestimmt, und wußte deßhalb auch, wie viel Kalk ich mindestens in
30 Kub. Cent. Kalkwasser haben mußte: es zeigte sich, daß ich mit der Titrirmethode
stets um 1 bis 2 Milligramme zu wenig Kalk erhielt. Ich wußte nun, daß das bloße
Eintauchen eines Curcumapapierstreifens den Punkt nicht mit Schärfe gab, wo die
alkalische Reaction verschwindet. Ich hob nun mittelst eines Glasstabes einen
Tropfen aus einem mit Oxalsäure soweit neutralisirten Kalkwasser, daß der
eingetauchte Curcumapapierstreifen keine Reaction mehr anzeigte, heraus, und ließ
ihn auf ein größeres Stück desselben Curcumapapiers fallen. Dieser Tropfen wurde an
seiner Peripherie von dem Papier eingesogen, und zeigte dabei noch einen lebhaft
braunen Ring. Das Auflegen eines Tropfens einer alkalischen Flüssigkeit und das
Einsaugen durch das Papier ist gleich zu achten einer beträchtlichen Concentrirung
derselben. Alle alkalischen Theilchen des Tropfens verbreiten sich lediglich durch
seine peripherische Linie ins Papier. Da der Farbstoff der Curcuma, ebenso seine
Verbindung mit Kalk, im Wasser fast unlöslich ist, so concentrirt sich die
alkalische Wirkung eines Tropfens zuletzt in einer Linie, in der Peripherie, durch
welche fast seine ganze Masse gehen muß, ehe sie sich im Papiere verbreiten kann.
Diese Concentrirung der alkalischen Reaction in der Peripherie eines Tropfens
gestattet nun eine hinlänglich scharfe Beobachtung. Wenn man mit dem Zusatz der
Oxalsäure zu 30 Kub. Cent. Kalkwasser bis zum Verschwinden der alkalischen Reaction
gegangen ist, und gibt zu der neutralisirten Flüssigkeit nur 4 bis 5 Tropfen
Kalkwasser, so zeigt ein Tropfen des Gemenges bereits wieder eine sehr sichtbare
alkalische Reaction. Die Empfindlichkeit dieser Reaction ist so groß, daß sich die
Wirkung eines Zusatzes von 1/4 Kub. Cent. Oxalsäurelösung, mithin 1/4 Milligramm
Kalk, noch beobachten läßt.
Die Bestimmung der Kohlensäure in der Luft wird nach meiner Erfahrung am besten auf
folgende Weise ausgeführt. Zuvörderst warendafür Anhaltspunkte zu gewinnen, welches Volumen Luft zu
einer Bestimmung erforderlich ist. Es zeigte sich, daß man je nach dem Gehalte der
Luft an Kohlensäure mit verschiedenen Mengen Luft ausreicht. Da in allen der
atmosphärischen Luft nicht ganz frei zugänglichen Räumen der Kohlensäuregehalt
größer seyn wird, als in dieser, so kann man das Volumen, welches zur Bestimmung der
Kohlensäure in der freien Luft ausreicht, als Maximum betrachten. Ich habe gefunden,
daß ein Volumen von circa 6 Liter Luft hinreichend ist,
um Resultate zu erhalten, welche mit denen nach unseren bisherigen anerkannt besten
Methoden vollkommen übereinstimmen. – Mit dem Wachsen des Kohlensäuregehaltes
kann das der Untersuchung zu unterwerfende Luftvolumen abnehmen. Wenn für eine Luft
von 5 Zehntausendtheilen Kohlensäuregehalt 6 Liter ausreichend sind, so werden für
eine Luft von 5 Tausendtheilen 0,6 Liter hinreichend seyn. Ich habe bisher für die
Luft stark bewohnter Räume meist Flaschen von 3 Liter Inhalt, und für die freie Luft
oder für die Luft sehr wenig bewohnter oder stark ventilirter Räume Flaschen von circa 6 Liter Inhalt benützt. – Ich wählte dazu
Glaskolben oder Wasserflaschen mit einem so weiten Halse, daß eine längliche, 45
Kub. Cent, fassende Saugpipette bequem eingeführt werden konnte. Der Rand des Halses
wurde horizontal abgeschliffen, und der Inhalt der Flasche bis auf ein Paar Kub.
Cent, genau durch Füllen mit Wasser ermittelt. Eine Calibrirung kann man durch
Messen, eine andere durch Wägen des Wassers ausführen, wozu eine Wage gehört, welche
bei einer Belastung von 6 Kilogrm. noch einen Grm. sicher angibt. Die Anzahl von
Kub. Cent., welche den Inhalt der Flasche ausdrücken, wird mit Diamant auf die
Flasche geschrieben. Diese Zahl kann zugleich als Unterscheidungsmerkmal für mehrere
Flaschen dienen, da es kaum vorkommen wird, daß selbst unter 20 Flaschen 2 die
gleiche Anzahl von Kub. Cent, fassen.
Vor Anwendung zur Kohlensäurebestimmung müssen die Flaschen inwendig ganz trocken
seyn. Man trocknet sie in einem Sandbade oder auf einem Ofen, und beschleunigt die
Verdunstung des Wassers in den so erwärmten Flaschen durch öfteres Einblasen von
Luft mittelst eines kleinen Handblasebalges. Die getrockneten Flaschen stellt man an
den Platz, wo man die Luft untersuchen will, damit das Glas die Temperatur der zu
untersuchenden Luft annehme. Neben die Flasche stellt man ein Thermometer. Sobald
sich die Temperatur constant zeigt, kann man damit beginnen, die Flasche mit Luft zu
füllen. Hiezu bedient man sich eines kleinen Handblasebalges, über dessen
Ventilöffnung ein Messingrohr vom Durchmesser des Ventiles befestigt ist, um die
Luft an einer beliebig bestimmten Stelle einsaugen zu können. Die Düse des
Blasebalges verbindetman
mit einem Kautschukrohre, und dieses mit einem Glasrohre, welches weiter ist, alsdie
Oeffnung der Düse, und bis auf den Grund der Flasche reicht. Um von der
Zerbrechlichkeit des Glases nichts befürchten zu müssen, thut man gut, das Ende des
Glasrohres, welches auf dem Grunde der Flasche aufsteht, mit einem kleinen Stück
Kautschukrohr zu umgeben. Das Volumen eines Blasebalgstoßes muß man beiläufig
kennen, um annähernd bemessen zu können, wie viel Luft man durch 10 oder 20 Stöße in
die Flasche schafft. Man bläst die Luft unter eine mit Wasser graduirte gefüllte
Glocke, welche in einer pneumatischen Wanne steht, und mißt mehrmals das Volum der
eingeblasenen Luft. Der Blasebalg, dessen ich mich bediene, fördert nahezu 1/2 Liter
bei jedem Stoße. Wenn ich eine Flasche von 6 Liter Inhalt zu füllen habe, mache ich
in der Regel 60 Stöße mit dem Blasebalge, wodurch ich circa 30 Liter oder das Fünffache des Inhaltes der Flasche in diese
treibe. Bei der Flasche von 3 Liter Inhalt mache ich 30 Stöße.
Sobald man sich auf diese Weise versichert hat, daß alle ursprünglich in der Flasche
enthaltene Luft ausgetrieben und durch solche, die man untersuchen will, ersetzt
ist, bringt man 45 Kub. Cent. Kalkwasser in die Flasche und verschließt sie
luftdicht. Das Kalkwasser saugt man mittelst einer eigens für dieses Volum
verfertigten und genau geaichten Pipette an, hält diese in die Flasche und läßt sie
nicht zu hoch über dem Boden der Flasche ausfließen. Das Kalkwasser verdrängt
natürlich sein gleiches Volum Luft, welches in Abzug zu bringen ist. Sollte die
Pipette vor dem Aufsaugen des Kalkwassers nicht ganz trocken gewesen seyn, so spült
man sie zuvor mit dem dazu bestimmten Kalkwasser etwas aus. Der Verschluß der
Flaschen oder Kolben geschieht mit eng anschließenden, übergreifenden Deckeln oder
Kappen von vulcanisirtem Kautschuk. Diese können einen Tubulus haben oder nicht.
Haben sie einen Tubulus, so wie man sie gegenwärtig häufig statt der durchbohrten
Korke bei Gasentwickelungsflaschen anwendet, so bleibt während des Aufsetzens der
Kappe der Tubulus unverschlossen, damit die Luft im Innern der Flasche mit der
äußeren communiciren kann. Sobald die Kappe aber festsitzt, verschließt man den
Tubulus mit einem massiven Glasstabe oder einer an den Enden zugeschmolzenen
Glasröhre, daß sie das Lichte des Tubulus ganz luftdicht ausfüllt. Hat die
Kautschukkappe keinen Tubulus, so legt man während des Aufsetzens an den Hals des
Kolbens ein kleines rundes Stäbchen, daß es so viel Zwischenraum zwischen Kautschuk
und Glas erhalte, um keine Compression der Luft in Folge des Aufsetzens und
Anziehens der Kappe eintreten zu lassen. Sobald die Kappe festsitzt, zieht man das
Stäbchen heraus.
Man bemerkt nun Thermometer- und Barometerstand, um das in der Flasche
eingeschlossene Luftvolum auf 0° und 760 Millim. Barometerstand reduciren zu
können.
Nun bringt man die Flasche in eine fast horizontale Lage und schwenkt sie so, daß das
Kalkwasser den größten Theil der Wandungen des Glases benetzt. – Diese
Bewegungen wiederholt man zeitweise, und inzwischen ermittelt man den Gehalt des
Kalkwassers an Aetzkalk oder überhaupt dessen alkalisches Aequivalent. Bei einem
größeren Gehalt der Luft an Kohlensäure als 1 pro mille,
kann man nach einer halben Stunde bereits zur Untersuchung des Kalkwassers in der
Flasche schreiten, bei einem Gehalt wie der der atmosphärischen Luft kann man zwei
Stunden als Grenze annehmen. Es ist nicht gut, viel länger mit der Untersuchung zu
warten, da bei der geringsten Mangelhaftigkeit des Verschlusses eine beständige
Vermehrung der Kohlensäure in der Flasche durch Diffusion erfolgt. – Ist aber
ein vollständiger Verschluß vorhanden, so erhält man nach 24 Stunden noch dieselben
Resultate, wie nach 2 Stunden. Ich habe auch einige Flaschen benützt, welche mit
genau eingeschliffenen Glasstöpseln verschlossen werden, die mit etwas Talg
eingerieben, sehr gut schließen. Da aber vulcanisirter Kautschuk gleichfalls sehr
dicht schließt und in der Anwendung viele Bequemlichkeiten darbietet, so ziehe ich
diesen Verschluß vor.
Ist die Absorption der Kohlensäure beendigt, was man durch fleißiges Schwenken des
Kalkwassers beschleunigen kann, so wird durch Titriren mit der nämlichen Säure, mit
welcher man den Gehalt der 30 Kub. Cent, frischen Kalkwassers ermittelt hat, auch
die Alkalinität von 30 Kub. Cent, des zur Absorption der Kohlensäure verwendeten
Kalkwassers bestimmt. Zu diesem Behufe gießt man das Kalkwasser aus der Flasche in
ein enges Becherglas. Um dasjenige was an den Wänden etc. hängen bleibt, nicht
sammeln zu müssen, wendet man zur Absorption 45 Kub. Cent, an, untersucht deren nur
30, und berechnet daraus den Gehalt der übrigen 15 Kub. Cent. – Man erhält so
viel Kalkwasser in das Becherglas, daß man einige Kub. Cent, auch zum Ausspülen der
30 Kub. Cent, haltenden Pipette verwenden kann. Die in der Luft des Zimmers, wo man
die Untersuchung vornimmt, enthaltene Kohlensäure kann das Resultat nicht alteriren,
wenn man das Becherglas ruhig stehen läßt, und mit der Pipette die Flüssigkeit vom
Grunde des Glases ansaugt. Es kann dann das Kalkwasser höchstens in der obersten
Schichte etwas Kohlensäure anziehen, welche aber nicht mehr in die Pipette gezogen
wird. Man läßt die 30 Kub. Cent. Kalkwasser wie oben in ein Medicinfläschchen
laufen, und neutralisirt mit der verdünnten Oxalsäure bis zum Verschwindender alkalischen Reaction ganz
so, wie beim frischen Kalkwasser. Wie viele Kub. Cent. Säure man jetzt weniger
braucht, so viele Milligramme Kalk wurden von Kohlensäure neutralisirt. – Da
mit 14 Gewichtstheilen Kalk sich genau 11 Gewichtstheile Kohlensäure verbinden, so
hat man nun alle Anhaltspunkte zur Berechnung der Kohlensäure in dem in der Flasche
eingeschlossenen Luftvolumen. Ein Paar Beispiele werden die ganze Methode, deren
Beschreibung viel umständlicher ist, als deren Ausführung, für jeden Chemiker leicht
faßlich machen.
1) Luft aus dem Freien.
Volumen der Flasche 6140 Kub. Cent., mithin nach Abzug der 45 Kub.
Cent. Kalkwasser 6095.
Temperatur der Luft – 1° Cels.
Barometerstand 732 Millimeter.
Volumen der eingeschlossenen Luft auf 0° C. und 760
Millimeter Barometerstand reducirt 5891 Kub. Cent.
30 Kub. Cent, des verwendeten Kalkwassers erforderten 38,7 Kub.
Cent. Oxalsäurelösung.
30 Kub. Cent. Kalkwasser erforderten nach Absorption der
Kohlensäure 34,2 Kub. Cent. Oxalsäurelösung, mithin um 4,5 Kub. Cent, weniger, so
daß 4,5 Milligramme Kalk durch Kohlensäure gesättigt waren. In den nicht
untersuchten 15 Kub. Cent, des gebrauchten Kalkwassers sind mithin noch ferner 2,2
Milligramme Kalk durch Kohlensäure neutralisirt worden. In den 5891 Kub. Cent. Luft
war mithin so viel Kohlensäure, daß sie 6,7 Milligramme Kalk neutralisirte. Dazu
sind 5,3 Milligramme Kohlensäure erforderlich. 1 Milligramm Kohlensäure ist in
Gasform bei 0° und 760 Millim. Barometerstand 0,503 Kub. Cent., und somit
waren in diesem Falle in 5891 Kub. Cent. 2,6659 Kub. Cent, oder 0,452 pro mille enthalten.
2) Luft aus einem schlecht gelüfteten
Arbeitszimmer.
Volumen der Flasche 3430 Kub. Cent., nach Abzug von 45 Kub. Cent.
Kalkwasser 3385 Kub. Cent.
Temperatur 17° C.
Barometerstand 709 Millimeter.
Reducirtes Volumen 2974 Kub. Cent.
Gehalt des Kalkwassers: in 30 Kub. Cent. 37 Milligramme
Aetzkalk.
Von den zur Absorption der Kohlensäure in die Flasche gebrachten
45 Kub. Cent. enthielten darnach 30 Kub. Cent, nur noch 27 Milligramme Aetzkalk. Es
sind somit von 37 Milligrammen Aetzkalk in 30 Kub. Cent. Kalkwasser 10 Milligramme
durch die Kohlensäure der Luft in der Flasche gesättigt worden. Für die nicht
untersuchten 15 Kub. Cent. des gebrauchten Kalkwassers kommen deßhalb noch 5
Milligramme Kalk in Rechnung, welche von der Kohlensäure derselben Luft gesättigt
worden sind. In dem reducirten Luftvolum von 2974 Kub. Cent, war somit so viel
Kohlensäure, daß 15 Milligramme Aetzkalk davon gesättigt wurden. Diese erfordern zur
Sättigung 11,7 Milligr. Kohlensäure, was 5,8851 Kub. Cent, entspricht, wonach in
1000 Volumtheilen dieser Luft 1,97 Volumtheile Kohlensäure enthalten waren.