Titel: | Universalsetzwaage von Gottlieb v. Göhl, Lehrer der praktischen Mechanik zu Landau. |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XXI., S. 85 |
Download: | XML |
XXI.
Universalsetzwaage von Gottlieb v. Göhl, Lehrer der praktischen Mechanik zu Landau.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen
Gewerbevereins, 1861 S. 152.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
v. Göhl Universalsetzwaage.
Die Bestimmung einer scheinbaren Horizontallinie wurde bisher in der Bautechnik, wie
bei den geodätischen Arbeiten, entweder durch das Loth oder durch die Oberfläche
einer leicht beweglichen Flüssigkeit vorgenommen, weßhalb die hierzu gebrauchten
Instrumente in zwei Classen oder in statische und hydrostatische Instrumente
abgetheilt wurden.
Von ersteren ist das einfachste, billigste und heutzutage noch am häufigsten
angewendete die von Holz oder Eisen ausgeführte Blei- oder Setzwaage, welche
gewöhnlich aus einem rechtwinkeligen gleichseitigen Dreiecke besteht, an dem oben an
der Spitze des rechten Winkels eine Schnurmit einem Bleigewichte befestigt und dessen richtige
Stellung durch einen Riß an dem Mittelstege des Dreiecks bemerkt ist.
An solchem Instrumente wurde auch statt des so bezeichneten Mittelsteges ein vom
Mittel aus rechts und links bis 45 Grad getheilter Gradbogen, an welchem der Faden
des Lothes auch noch den Grad eines Neigungswinkels abschneiden kann, angebracht,
und so eingerichtete Instrumente sind als Bergwaage (Clitometer) bekannt.
Diese sogenannten statischen Nivellir-Instrumente wurden nun in neuester Zeit
durch hydrostatische zu ersetzen gesucht, d.h. man wendete statt der Lothe
Röhrenlibellen an, und nennt sie daher Libellensetzwaagen, und da zu bloßen
Horizontal-Rectificationen eine Libelle genügt, wurde eine solche auf einem
circa 2 Fuß langen, genau gerade und parallel
gearbeiteten Stück Holz oben eingesetzt und befestigt.
Um mittelst solcher Libellensetzwaagen aber auch senkrechte Flächen untersuchen zu
können, wurde auf der Hirnseite desselben Holzstückes, zur ersteren genau im rechten
Winkel stehend, eine zweite angebracht, und solche Libellensetzwaagen, mit welchen
aber nur die horizontale und verticale Lage eines Gegenstandes ermittelt werden
kann, bisher Universalsetzwaagen genannt.
Es wurden auch noch Libellensetzwaagen gefertigt, bei denen die Röhrenlibellen in
einem gußeisernen Gehäuse eingekittet und mit diesem auf einem lattenförmigen Stück
Eichenholz festgeschraubt sind, und damit das Einrichten von verticalen Graden auch
vorgenommen werden kann, wurde das gußeiserne Gehäuse mit zwei Ansätzen und mit
einem angegossenen Lappen für eine Klemmschraube, um sie an einem rechten Winkel
befestigen zu können, versehen.
Obwohl diese Libellensetzwaagen, mit welchen aber immer nur horizontale und verticale
Linien gemessen werden können, allerdings einen Fortschritt in der Technik
bezeichnen, so ist doch die Zerbrechlichkeit der Libellengläser, welche durch einen
Stoß oder Fall leicht zerspringen und meistens dem Lieferanten zur Ergänzung
gesendet werden müssen, die Hauptursache, daß diese Libellensetzwaagen in der
Bautechnik noch nicht die Anwendung und Verbreitung gefunden, die sie verdienen.
In Nachstehendem soll nun eine Setzwaage, die in Fig. 23 in der vorderen
Ansicht und in Fig.
24 im Durchschnitt abgebildet ist, näher erläutert werden, die dauerhaft
gebaut und billig ist und genaue Arbeiten liefert; aber abgesehen davon, können
durch diese Setzwaage nicht nur waagrechte und senkrechte Linien, sondern auch
Höhen- oder Tiefenwinkel bis über 90 Grad gemessen werden; außerdem gewährt
sie die Genauigkeit, daß sie eben so gut zur Aufnahme von steilen Bergprofilen oder
zurAbsteckung von
Böschungen angewendet werden kann, wie sie jeder Maurer, Zimmermann, Steinmetz,
überhaupt jeder Bautechniker mit Vortheil gebrauchen kann, und die ihrer allseitigen
Verwendbarkeit halber auch Universalsetzwaage heißen soll.
Auf die untere Fläche einer aus gut trockenem Holze rechteckig geformten, etwa 80
Centimeter langen Latte L ist eine eiserne Schiene P gleich einer Sohle mit Holzschrauben festgeschraubt,
damit sich die Basis des Instrumentes nicht so bald abnutzen, eine Beschädigung
erhalten, oder uneben werden kann.
An die hintere Seitenfläche der Latte L ist in ihrer
Mitte senkrecht zur Grundfläche eine Platte T von Eisen
oder Messing in Holz eingelassen und festgeschraubt, in welche an der oberen Kante
der Latte und deren Mitte ein Loch als Lager für die Drehungsachse A gebohrt ist. Von diesem Loch aus ist die metallene
Platte T, wie in Fig. 23 der Zeichnung
ersichtlich, an der Peripherie oberhalb der Latte halbrund bearbeitet, und auf deren
vorderen Seite ist zur Ablesung von Neigungswinkeln, die der Zeiger Z anzeigt, ein Bogen eingetheilt.
An der vorderen Seite der Latte ist noch ein Plättchen C
von Metall befestigt, welches auch in derselben Höhe, Richtung und Größe wie die
Platte T durchbohrt ist, und ebenfalls als Lager der
Drehungsachse A dient.
In diesen beiden Lagern kann sich nun die stählerne Achse A drehen, an der ein bis an den getheilten Bogen reichender Zeiger Z unveränderlich befestigt ist, welchen das an ihm
unterhalb der Drehachse A angebrachte Gewicht G immer in senkrechter Lage hält.
Da nun der Nullpunkt der Theilung auf dem Bogen senkrecht zur Basis stehend durch
dessen Mittelpunkt geht, d.h. da der Zeiger, wenn die Basis genau horizontal steht,
auf den 0 Punkt der Theilung zeigt, und wenn die Basis an senkrecht stehende Flächen
angelegt wird, auf den mit 90 bezeichneten Theilstrich = 90 Grad einspielt, so kann
jeder dazwischen liegende Neigungswinkel an der Theilung des Bogens abgelesen oder
gemessen werden. Damit das Gewicht mit dem Zeiger sich frei bewegen kann, ist das
Holz auf der hinteren Seite so weit als nöthig ausgedehnt.
Ein aus Metallblech gebogener, an die Peripherie der Platte T genau anschließender und mit der hinteren Fläche ebener Deckel D steht auf der vorderen Seite über der Platte T und den Zeiger Z, so breit
die hölzerne Latte L ist, vor, sitzt mit seinen zwei
geraden Lappen auf der oberen Fläche der Latte L auf,
und ist durch zwei Holzschrauben daran festgeschraubt.
Dieser Deckel D schützt nicht nur den Zeiger Z und die eingetheilte Platte T vor jeder Beschädigung, sondern hält auch den Einfluß des Windes auf den
Zeiger ab.
Eine solche Universalsetzwaage, die auch zum genauen Vorzeichnen bei Bearbeitung des
Materials Anwendung finden kann, wird daher Jedem, der von solchen Instrumenten
Gebrauch machen muß, immerhin sehr nützliche Dienste leisten.
Von der Richtigkeit des Instrumentes kann man sich jeden Augenblick dadurch
überzeugen, daß man die Setzwaage auf eine beliebige, aber möglichst horizontal
stehende gerade Fläche aufsetzt und nachsieht, wie viele Grade der Zeiger vom
Nullpunkte nach rechts oder links abweicht. Wird nun die Setzwaage umgekehrt, und
wieder mit ihrer Basis auf dieselbe Fläche gesetzt, so muß die Abweichung des
Zeigers vom Nullpunkt eben so groß auf entgegengesetzter Seite seyn.