Titel: | Einige Anwendungen des Paraffins zu chemischen Zwecken; von Dr. August Vogel. |
Autor: | Prof. Dr. August Vogel [GND] |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. XXXVIII., S. 140 |
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XXXVIII.
Einige Anwendungen des Paraffins zu chemischen
Zwecken; von Dr. August Vogel.
Vogel, über einige Anwendungen des Paraffins zu chemischen
Zwecken.
Da das Paraffin gegenwärtig im Detailhandel zu billigen Preisen bezogen wird (loco München das Zollpfund zu 54 kr.), so dürfte es in
Kurzem neben seiner Benützung als Leuchtmaterial auch zu anderen nützlichen
Anwendungen, namentlich in chemischen Laboratorien Veranlassung geben. Bekanntlich
wirken weder Chlor, noch ätzende Alkalien, noch Säuren darauf ein, ja es erträgt
sogar, ohne Zersetzung zu erleiden, die Destillation mit concentrirter
Schwefelsäure. Diese ungewöhnliche Stabilität, welcher es auch seinen Namen
verdankt, macht es in der chemischen Technik zu einem werthvollen Material.
Im Folgenden will ich nur einige Anwendungen des Paraffins zu chemischen Zwecken
andeuten, welche ich theils seit längerer Zeit zu erproben Gelegenheit hatte, theils
zu weiterer Verfolgung empfehlen möchte.
Da das Oel beim Erhitzen, und zwar schon bei einer Temperatur die den Kochpunkt des
Wassers nicht bedeutend übersteigt, bekanntlicheinen unangenehmen und belästigenden Geruch entwickelt, so
hat man in neuerer Zeit angefangen, sehr zweckmäßig die Oelbäder durch Paraffinbäder
zu ersetzen.Fresenius' Anleitung zur quantitativen Analyse,
S. 56. Die Vortheile des Paraffins vor dem Oele in dieser Beziehung sind, wie man
sich leicht überzeugen kann, sehr wesentlich. Abgesehen von der größeren
Reinlichkeit, indem durch Umfallen der gerade nicht im Gebrauche stehenden Oelbäder
nicht selten die Tische in sehr unangenehmer Weise beschmutzt werden, verträgt das
Paraffin eine mehrmalige und lang fortgesetzte Erhitzung, bis gegen 300° C.,
ohne wie das Oel eine Zersetzung zu erleiden. Während das Oel nach öfterem Erhitzen
schwarz und dickflüssig wird, bleibt das erwärmte Paraffin dünnflüssig und
wasserhell, ohne sich zu schwärzen, so daß die im Paraffinbade befindlichen
Trockenapparate deutlich gesehen werden können. Ohne zu kochen, entwickelt das
erhitzte Paraffin weiße, fast geruchlose Dämpfe in geringer Menge. Erst bei einer
sehr hohen Temperatur, über 300° C., ist es unzersetzt flüchtig. Da es schon
bei 45° C. schmilzt, so können die Glasgefäße, worin sich die zu trocknende
Substanz befindet, ohne Gefahr des Zerspringens eingesetzt werden. Die Reinigung der
Trockengefäße geschieht, wie nach dem Gebrauche des Oelbades, mittelst Benzol, worin
sich das Paraffin löst. In einem kupfernen Kessel von ungefähr 500 Kub. Cent. Inhalt
bediene ich mich seit Monaten einer Quantität von 300 Grammen Paraffin als
Trockenvorrichtung, ohne daß eine Schwärzung oder überhaupt eine Aenderung desselben
wahrgenommen werden konnte, obgleich sehr häufig eine Temperatur über 250° C.
andauernd erhalten wurde.
Durch schmelzendes Paraffin gezogenes Filtrirpapier erträgt die Berührung mit
concentrirter Schwefelsäure wochenlang, ohne im mindesten davon angegriffen zu
werden. Es kann demnach das Paraffin vortheilhaft angewendet werden zur Deckung von
Etiketten auf Standgefäßen für Säuren und Alkalien, an welchen bekanntlich
Papieretiketten, wenn sie auch mit einem Harzfirniß versehen sind, sehr schnell
zerfressen und daher oft erneuert werden müssen. Um das Eindringen des Paraffins in
das Papier, wodurch letzteres durchscheinend würde, zu verhindern, ist es zu
empfehlen, die auf Gefäße aufgeklebten Aufschriften vorher mit einer dünnen Lösung
von arabischen: Gummi zu überziehen und trocknen zu lassen. Man überstreicht nun die
Etiketten mit schmelzendem Paraffin, wobei aber das Paraffin über den Schmelzpunkt,
ungefähr bis zu 100° C. zu erhitzen ist, um die Schichte nicht zu dick zu
erhalten.
Auch der Einwirkung der Flußsäure widersteht das Paraffin; erstbeim Erwärmen flußsäurehaltiger
Schwefelsäure bemerkt man eine geringe Schwärzung desselben. Man kann daher
wässerige Flußsäure in Glasflaschen aufbewahren, welche an der inneren Wandung mit
einer dünnen Schichte Paraffin überzogen sind. Dieß bewerkstelligt man dadurch am
einfachsten, daß man in die erwärmte Glasflasche geschmolzenes Paraffin bringt,
dieses durch Schütteln gleichmäßig an den Wandungen vertheilt und nach dem Ausgießen
des flüssigen Paraffins die Glasstasche in kaltes Wasser taucht. Die
Paraffinschichte scheint an den Glaswandungen sehr fest zu haften, wenigstens konnte
ich nach mehreren Wochen noch kein Ablösen derselben bemerken.
Schwämme und Papier, mit Paraffin getränkt, liefern ein Präparat, welches den
bekannten Wachsschwämmen und dem Wachspapier in Hinsicht auf Stabilität noch
vorzuziehen ist. Auch zum Conserviren der Früchte scheint das Paraffin anwendbar zu
seyn; Aepfel und Birnen, welche in schmelzendes Paraffin eingetaucht und dadurch mit
einer Schichte Paraffin überzogen waren, haben sich seit mehreren Monaten, auch
unter ungünstigen Umständen aufbewahrt, in unveränderter Frische erhalten. Weitere
Beobachtungen werden zeigen, in wiefern diese Art der Conservirung für sehr
saftreiche Früchte, für Eier etc. geeignet erscheint.
Endlich erwähne ich noch einer zuerst von Hrn. Professor v. Kobell beobachteten Anwendung des Paraffins, auf welche derselbe mündlich
mich aufmerksam zu machen die Güte hatte. Sie besteht darin, die Auflösung leicht
oxydirbarer Substanzen in Säuren unter einer schützenden Decke von schmelzendem
Paraffin vorzunehmen. Wie man weiß, muß z.B. die Auflösung von eisenoxydulhaltigen
Mineralien in einer Atmosphäre von Kohlensäure oder mittelst des Mohr'schen Ventilrohres vorgenommen werden, um den
Zutritt des oxydirenden Sauerstoffs abzuhalten. Unter gleichen Vorsichtsmaßregeln
wird bekanntlich auch die Reduction der Eisenerze durch Kochen mit Salzsäure und
Zink zur Titrirung mit Chamäleon bewerkstelligt. Diese Operationen können nun in
offenen Porzellanschalen ausgeführt werden, indem man einige Stücke Paraffin, so daß
diese beim Schmelzen die ganze Oberfläche der Schale bedecken, mit erwärmt. Wie ich
mich durch wiederholte Versuche überzeugt habe, geschieht die Lösung unter der
Paraffindecke vollkommen von der Luft abgeschlossen. Auch durch die wieder
festgewordene Paraffinschichte wird der Zutritt der Luft so vollständig abgehalten,
daß nach mehrtägigem Stehen eine durch Zink reducirte Eisenoxydsalzlösung noch keine
Veränderung zeigte. Da das Paraffin vom Chamäleon nicht afficirt wird, so darf es
ohne Gefahr mit der Lösung in ein Becherglas zur Titrirung gespült werden.