Titel: | Versuche zur Verbesserung der Rübenmelasse; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. LXI., S. 216 |
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LXI.
Versuche zur Verbesserung der Rübenmelasse; von
Dr. C. Stammer.
Stammer's Versuche zur Verbesserung der Rübenmelasse.
Es gibt wohl kaum ein Problem, welches für die betreffende Industrie von solcher
Wichtigkeit wäre, wie dasjenige, die Melasse der Rübenzuckerfabrication zu einem
höheren Preise zu verwerthen, als dieß bis jetzt möglich war, beziehungsweise, aus
derselben eine gewisse Menge Zucker auszuscheiden, oder sie in einen hellen,
wohlschmeckenden, zum Consum geeigneten Syrup umzuwandeln.
Es gibt aber auch wohl kaum ein Problem, dessen Lösung so viele Schwierigkeiten
entgegenstehen. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß wir weder über die Natur
der außer Zucker und Aschenbestandtheilen in der Melasse enthaltenen Stoffe ein
klares Bild haben, noch auch über die Ursache des Nichtweiterkrystallisirens ganz
einig sind, so wie darauf, daß man von jedem im Großen anzuwendenden Verfahren
verlangen muß, daß dasselbe nicht mit großen Kosten verknüpft sey, und daß es die
Anwendung schädlicher oder auch nur verdächtiger Substanzen ausschließe. Hieraus
erklärt es sich, daß zwar zahlreiche Versuche zur besseren Verwerthung der Melasse
angestellt worden sind, daß dieselben aber entweder ganz ohne Erfolg blieben, oder
der Erfolg eine praktische Anwendung nicht finden konnte.
Wenn man bedenkt, daß wohl die meisten Chemiker, die in der Zuckerfabrication mit
Eifer thätig waren, sich Mühe gegeben haben, die in Rede stehende Aufgabe zu lösen,
so ist es gewiß zu bedauern, daß die eingeschlagenen Versuchswege so selten bekannt
geworden sind. Es ist freilichnicht angenehm, eingestehen zu müssen, daß man so viel
Mühe und Zeit ohne positives Resultat verwandt habe, allein es wäre aus solchen
Berichten manches Gute erwachsen, wenn auch nur das, daß vielleicht Andere von
gleichen erfolglosen Bemühungen abgehalten worden wären.
Wer mit den Schwierigkeiten bekannt ist, welche die Verwendung der Melasse zur
Spiritusgewinnung bei unserem Steuersystem darbietet, kann sicher diese Verwendung
nur als einen Nothbehelf betrachten, um so mehr als diese Verwerthung nie eine
constante, sondern eine von verschiedenen Conjuncturen abhängige ist, wie es denn
schon Jahresreihen gegeben hat, in denen eine längere fast gänzliche Entwerthung der
Melasse eintrat, die doch schließlich einen sehr erheblichen Theil des Productes
einer Rübenzuckerfabrik darstellt.
Es erscheint demnach wohl gerechtfertigt, wenn ich mir im Folgenden erlaube, über
eine Anzahl von Versuchen zu berichten, die ich über den in Rede stehenden
Gegenstand anstellte, von Versuchen, die längere Zeit bald in größerem, bald in
kleinerem Maaßstabe fortgesetzt worden sind, und die allerdings einen positiven
praktischen Erfolg nicht gehabt haben, obwohl die zuletzt anzuführenden einige
Aussicht auf einen solchen darboten. Möchten diese Mittheilungen die Veranlassung
seyn, daß von anderen Seiten ähnliche gegeben würden: unsere Kenntniß von der Natur
und den Eigenschaften der Melasse würden dadurch entschieden gewinnen, und so die
Lösung des großen Problems allmählich näher gerückt werden.
Je nachdem man die Eigenschaft des Zuckers, in der Melasse nicht weiter
herauszukrystallisiren, der Gegenwart der Salze oder der übrigen Stoffe zuschreibt,
oder je nachdem man es auf die Abscheidung eines oder des anderen Körpers, oder auch
nur auf Verbesserung der Farbe allein abgesehen hat, wird man verschiedene Wege für
die Melassenbehandlung einzuschlagen haben. Ich glaube nicht nöthig zu haben, bei
jedem der folgenden Versuche auf den leitenden Gesichtspunkt näher einzugehen;
ebenso wenig brauche ich es wohl auszusprechen, daß ich nicht der Ansicht seyn kann,
durch diese Versuche ganz neue Wege gefunden und geprüft zu haben. Da jedoch über
Resultate, welche auf diesen Wegen erlangt wären, Mittheilungen noch nicht gemacht
wurden, so werden die oben angeführten Motive diesen kurzen Bericht wohl
rechtfertigen.
1) Die Salze aus der Melasse wenigstens theilweise auszufällen, bietet die Weinsteinsäure ein naheliegendes Mittel, sogar bei der
Löslichkeit der Kali- und Natronverbindungen so ziemlich das einzige von
praktischer Anwendbarkeit. Die Lösung der Weinsteinsäure wirkt, kalt zur Melasse
zugesetzt, nicht schädlich auf den Zucker; bei Anwendung von 4 Loth Weinsteinsäure
auf 1 Pfd. Melasse wurde nach einigem Stehen ein Quantumvon fast 5 Loth Weinstein
gefällt. Es blieb natürlich ein Ueberschuß an Säure, der durch Kalk entfernt wurde.
Die alsdann mit Phosphorsäure neutralisirte Melasse polarisirte etwa 5 Proc. mehr
als vor dem Versuche. Man sollte nun wohl denken, daß eine solche Verbesserung der
Polarisation einen namhaften Gewinn an Zucker verspreche. Allein es ist bekannt, daß
selbst viel größere Verbesserungen der Polarisation nicht den theoretisch zu
erwartenden Effect erreichen lassen – offenbar, weil hier noch andere
Umstände maßgebend eintreten. Dabei ist ferner zu bemerken, daß zwar ein Theil der
Kosten für die Weinsteinsäure durch den gewonnenen Weinstein gedeckt und ein
weiterer Antheil durch Wiederherstellung der Säure aus dem später zu fällenden
weinsteinsauren Kalke erstattet wird, daß aber dennoch die Arbeit zu umständlich
ist, und zu große Massen Weinsteinsäure bedingt (auf je 100 Ctr. Melasse 12 1/2 Ctr.
Weinsteinsäure!), um Erfolg versprechen zu können. Nach der Lösung und Fällung muß
der entstandene Niederschlag abfiltrirt und ausgewaschen, die Melasse mit einem
Kalküberschuß versetzt und gekocht, und dieser zweite Niederschlag abfiltrirt
werden. Endlich muß der Ueberschuß an Kalk durch ein Saturationsmittel – am
besten wohl Phosphorsäure – gefällt und zum drittenmal die Melasse von dem
Niederschlage getrennt und dieser ausgewaschen werden.
Dieß wird genügen, um das Verfahren als ein wenig versprechendes erscheinen zu
lassen. Ich habe daher auch jene Versuche nicht weiter verfolgt.
2) Das Verhalten der Melasse und anderer Producte der Zuckerfabrication gegen Alkohol ist schon öfters der Gegenstand von Versuchen und
Hoffnungen gewesen. Wenn man die Melasse im concentrirten Zustand in Weingeist von
80–85 Proc. gießt, so findet keine Einwirkung statt, weil die Flüssigkeiten
sich nicht miteinander vermischen. Verdünnt man aber die Melasse auf 50 Proc.
Aräometer, so fällt der Weingeist einen reichlichen braunen Niederschlag aus.
Filtrirt man denselben ab, so stellt er sich als ein in Wasser mit brauner Farbe
löslicher, durch Bleiessig fällbarer Körper dar. Die Lösung in Wasser wirkt nicht
auf den polarisirten Lichtstrahl.
Es stand hiernach von einer derartigen, vielleicht wiederholten Behandlung der
Melasse gar keine Verbesserung in der Polarisation, also auch keine erhebliche
Krystallisation, wohl aber eine Entfärbung (vielleicht zugleich mit einer
Geschmacksverbesserung), und mithin eine Wertherhöhung zu erwarten.
Ich habe nun die Wirkung des Weingeistes auf den Farbstoff derMelasse durch einige Versuche,
mittelst Farbebestimmungen durch das Chromoskop ermittelt.
Nachdem vorläufige Proben ergeben hatten, daß eine sehr bemerkliche Erniedrigung der
Farbe durch diese Fällung mit Weingeist bewirkt worden, und daß die abgedampfte und
ihres Weingeistes beraubte Lösung beim abermaligen Zusatze von Weingeist nochmals
Heller werde, wurde zur Festsetzung dieser Entfärbung folgendermaßen verfahren:
a) Eine Probe sehr dunkler Melasse, auf 53 Proc.
Aräometer verdünnt, zeigte beim Vermischen von 60 Volumen Wasser mit 5 Volumen
Melasse die Farbe 200. Wurde Weingeist statt Wasser (in demselben Verhältniß)
genommen und die Mischung filtrirt, so wurde eine Lösung von der Farbe 103 erhalten.
Die Entfärbung betrug also fast 50 Proc. Die weingeistige Lösung wurde nun im
Wasserbad so lange erwärmt, bis aller Weingeist verschwunden war. Mit dem achtfachen
Volumen Wasser vermischt, zeigte diese Substanz die Farbe 212; wurde Weingeist (in
demselben Verhältniß) statt Wasser genommen, so resultirte nach dem Filtriren die
Farbe 89,5. Es hatte also nochmals eine Entfärbung von 57 Proc. stattgefunden.
b) Melasse von 67 1/2 Proc. Ar. wurde mit Wasser auf das
fünffache Volumen, diese verdünnte Lösung dann nochmals auf das fünffache Volumen
verdünnt und so die Farbe 68 erhalten. Hiernach hatte also die Melasse bei 67 1/2
Proc. die Farbe 1700, und die von der gewöhnlichen Schwere von 85 Proc. die Farbe
2140. In gleichem Verhältniß wurde nun diese Melasse mit Weingeist von 83 Proc.
gemischt und filtrirt, die klare Lösung hierauf in einer Retorte der Destillation
unterworfen und schließlich in einer offenen Schale im Dampfbad die letzten Spuren
Weingeist daraus abgedampft. Der Rückstand wurde mit Wasser wieder auf 55 Proc.
gebracht, und dann 150 Kub. Cent. davon mit Weingeist auf 1400 Kub. Cent. gebracht.
Das Filtrat wurde abermals wie das erste behandelt, und dann zum drittenmale auf 140
K. C. von 57 Proc. so viel Weingeist zugesetzt, daß 1600 K. C. resultirten. Die
filtrirte Substanz wurde endlich durch Destillation und Abdampfen im Wasserbad des
Weingeistes beraubt, und der Rückstand nach dieser dreimaligen Fällung auf seine
Farbe untersucht.
Auf 50 Proc. verdünnt, und dann mit dem 12 fachen Volumen Wasser gemischt, zeigte er
die Farbe 71. Hieraus berechnet sich die Farbe solcher Melasse bei 85 Proc.
Aräometer auf 1570. Es waren also bei dieser wiederholten Behandlung mit Alkohol
dennoch nur 22 Proc. der Farbe verschwunden. Das Resultat rechtfertigt also die aus
den anderen Versuchen geschöpfte Erwartung keineswegs, und es ist wohl anzunehmen,
daß bei dem
wiederholten Eindampfen in der Retorte, das ja auch im Großen unvermeidlich wäre,
immer wieder Farbstoff gebildet wird. Eine Veranlassung, die Sache weiter zu
verfolgen, scheint also nicht vorzuliegen, obwohl sich das Verhalten bei einer
Destillation im luftverdünnten Raume doch vielleicht anders gestalten könnte.
3) Auf die niedrige Polarisation der Melasse und gewiß auch auf ihre
Krystallisationsfähigkeit wirkt die Gegenwart von denjenigen Zuckerarten mehr oder
weniger ein, welche unter verschiedenen Namen bekannt sind und sich dadurch
auszeichnen, daß sie die alkalische Kupferlösung reduciren und durch Kochen mit
Basen gebräunt, also zerstört werden. Die Möglichkeit liegt also vor, durch Kochen
der Melasse mit einer reducirbaren Kupferflüssigkeit oder auch mit Kali oder Natron,
diese Zucker so zu zerstören, daß die Qualität der Melasse, wie sie durch die
Polarisation erkennbar ist, dadurch verbessert würde.
Kochen mit Natron gab eine ganz schwarze, auch auf Zusatz von phosphorsaurem Ammoniak
schwarz filtrirende Lösung, die einer Anwendung nicht fähig schien, und daher auch
nicht weiter untersucht wurde.
Eine Melassenlösung von 50 Proc. Aräometer, mit Kalk und schwefelsaurem Kupferoxyd
gekocht, wurde sauer; es wurde also so viel Kalk zugesetzt, daß derselbe in
Ueberschuß blieb, dann nach bewirkter Reduction des Kupferoxydes filtrirt, und der
Kalk durch Neutralisation mit phosphorsaurem Ammon gefüllt. Es entstand eine so hell
gefärbte Lösung, daß sie durch einen geringen Zusatz von Bleiessig fast farblos
wurde. Indessen zeigte sich die Polarisation nicht über 60 Proc. (der trockenen
Substanz) erhöht, und wenn daher auf diese Weise auch Farbstoff und veränderter
Zucker entfernt werden können, so bleibt der Einfluß der Salze zu überwiegend, um
einen solchen Nutzen hoffen zu lassen, daß man die vielen Uebelstände eines
derartigen Verfahrens übersehen könnte.
Spätere Versuche, die ich weiter unten anführen werde, haben diesen Schluß
bestätigt.
4) Da die entfärbende Kraft der Kohle das am leichtesten
anzuwendende Mittel bieten würde, Melasse heller zu machen, so wurde der Versuch
gemacht, ob nicht durch Anwendung einer sehr großen Menge feiner Schwärze und
längeren Kochens ein versprechendes Resultat zu erzielen ist. Zu dem Ende wurde
Melasse erst auf etwa 55 Proc. Ar. verdünnt und mit Blut geklärt. Bei 5 Proc. zeigte
sie nun die Farbe 130. Auf 600 Quart der Melasse von 55 Proc. wurden nun 10 Ctr.
gewöhnliche, sehr fein gekörnte Knochenkohle zugesetzt, und das Gemisch in einem
Scheidekessel 1/4 Stunde lang gekocht. Bei der Verdünnung auf 5 Proc. ergab sich die
Farbe 100. Nachdem das Kochen und Umrührennoch eine halbe Stunde (also im Ganzen 3/4 St.)
fortgesetzt war, zeigte sich bei 5 Proc. die Farbe = 90. Es hatte also nach 1/4 St.
eine Entfärbung von 23 Proc., nach 3/4 St. eine solche von 31 Proc. stattgefunden.
Die Farbe der unverdünnten Melasse würde hiernach bei bloßem Ansehen kaum einen
Unterschied wahrnehmen lassen, und von diesem Wege ist daher ebenfalls kein Vortheil
zu erwarten.
5) Auch die Wirkungen einer sehr starken Filtration sind
näher geprüft worden. Es hat sich daraus, so wie aus der längeren Praxis die Ansicht
gebildet, daß ein möglichstes Filtriren aller Syrupe und Nachproducte vor dem
jedesmaligen Verkochen zwar von großem Nutzen für die Helligkeit der Nachproducte,
und namentlich für die schließlich bleibende Melasse ist, daß auch die Melasse, wenn
sie als solche nochmals auf die übliche Schwere von etwa 55 Proc. verdünnt, über
sehr viel Kohle filtrirt und dann wieder eingekocht wird (wie dieß ja in vielen
Fabriken längst geschieht), eine hellere Farbe erhält, und leichter und besser
verkäuflich ist, daß aber eine etwaige Ausbeute an Zucker bei der Grenze, welche
selbst bei ausschließlicher Melassearbeit im Sommer, der Anwendung der Knochenkohle
durch die Unkosten und andere praktische Verhältnisse gesetzt wird, aus solchen
Melassen nicht zu erwarten ist.
Dieß wird durch folgende Ermittelungen bestätigt. Ein durch Auflösen von Zucker
letzten (vierten) Productes dargestellter Syrup, sog. Braunkläre, wurde vor der
Filtration polarisirt und ebenso eine Probe des filtrirten Syrups, nachdem das
Filter etwa die Hälfte der gewöhnlichen Zeit gedient hatte. Ein bemerkenswerther
Unterschied in der Polarisation trat aber dabei nicht auf. Das Hellerwerden der
Farbe war dem bloßen Auge sichtbar und wurde nicht näher bestimmt.
Melasse, in derselben Weise behandelt, und über drei verbundene frische Filter
filtrirt, zeigte in der allerersten durchgelaufenen Menge
allerdings eine sehr helle Farbe und eine Polarisation von 68 Proc. (der trockenen
Substanz), allein schon der Durchschnitt des ersten Sudes (gewiß einer geringen
Menge für 3 Filter zu etwa 66 Ctr. Schwärze) ergab eine Polarisation von
58–60 Proc.; die unfiltrirte Melasse ergab dieselbe Zahl. Nimmt man die
Anwendung der Knochenkohle als unbegrenzt an, so würde allerdings der erste Versuch
die theoretische Möglichkeit erweisen, auf diesem Wege
die Melasse so erheblich zu verbessern, daß eine weitere Krystallisation erfolgen
müßte; allein die Anwendung von drei frischen Filtern für
einen Sud liegt gewiß schon außerhalb des in der großen
Praxis dauernd Ausführbaren, und nach dem Vorliegenden würde dieses
Verhältniß mindestens verzweifacht werden müssen, da ja
ein Erfolg hiebei nicht, sondern nur bei der allerersten sehr
geringenMenge beobachtet wurde, die gewiß noch bei weitem nicht 1/20 Sud
ausmachte. An irgend einen Gewinn ist daher beim Verfolgen dieses Weges keinenfalls
zu denken.
b) Die Gewinnung des Zuckers aus der Melasse mittelst
Baryt hat bekanntlich so mancherlei Schwierigkeit, daß die geringe praktische
Anwendung, welche eine Zeit lang davon gemacht wurde, schon wieder aufgehört hat.
Daß der Kalk, dessen Verbindung mit Zucker zu den schwer löslichen Körpern gehört,
in ähnlicher Weise zum Fällen des Melassenzuckers angewandt werden könne, ist zwar
bestritten, meines Wissens jedoch durch directe Versuche hierüber nichts
nachgewiesen worden. Ich habe den Gegenstand durch lange fortgesetzte Versuche
möglichst zu erforschen mich bemüht, und die Fällung in jeder Weise, auf kaltem und
warmem Wege, bei den verschiedensten Verdünnungen mit und ohne Zusatz von Alkohol
versucht, und bin dabei zu sehr merkwürdigen Resultaten gelangt. Ohne die früheren
Versuche specieller anzuführen, will ich nur die hauptsächlichsten Ergebnisse
derselben hier zusammenstellen.
Wenn man Melasse mit Kalkbrei oder gar Kalkmilch mischt, so wird bei keinem
Verhältniß Zuckerkalk ausgefällt. Durch Anwendung von Alkohol wird ein günstigeres
Resultat, welches praktisch verwendbar wäre, ebenfalls nicht erzielt.
Gebrannter Kalk, ungelöscht, ist ebenfalls nicht zu benutzen.
Allein wenn man zu trockenem staubigem Hydrat gelöschten Kalk zu der in einem ganz bestimmten Verhältniß verdünnten Melasse hinzufügt,
so erhält man einen schönen, körnigen, leicht abzuscheidenden und abzuwaschenden
hell-gelben Niederschlag. Setzt man aber dem Kalk auch nur eine geringe Menge
Wasser mehr zu, oder verdünnt man die Melasse ein wenig weiter, so fällt fast nichts
aus. Nimmt man die Melasse zu concentrirt, so gesteht sie nach einiger Zeit mit dem
Kalk zu einer steifen Gallerte, die weiter nicht zu verarbeitenverabeiten ist.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß das richtige Verhältniß bei etwaigen früheren
Versuchen in dieser Richtung nicht getroffen und daher die Fällbarkeit des Zuckers
aus der Melasse bisher übersehen wurde.
Das erforderliche Verhältniß erhellt aus folgenden, leicht zu wiederholenden
Proben:
2 Pfd. unverdünnte Melasse wurden mit 12 Loth trocken gelöschtem Kalk gemischt, und
dem Gemisch rasch 1/2 Quart Wasser zugesetzt. Nach kurzem Umrühren und
Absitzenlassen wurde die Lösung abgegossen; der mit der Hand ausgepreßte
Niederschlag wog 1 1/4 Pfd. In dieser Weise gelingt die Fällung nicht immer, da
mancherlei Umstände darauf zu viel Einfluß haben.
Mischt man dagegen die Melasse mit so viel Wasser, daß sie genau 53 Proc. am Balling'schen Aräometer zeigt, und fügt man nun trockenes
Kalkhydrat hinzu, so erhält man unter allen Umständen einen schönen Niederschlag von
der oben bezeichneten Beschaffenheit. Hält man nur das Verhältniß zwischen Wasser
und Melasse genau ein, so kommt die Menge Kalk nicht so sehr in Betracht; man kann
nach und nach die Fällung bewirken und zu der abgegossenen Lösung wieder Kalk
zusetzen. Die Temperatur scheint dabei keinen erheblichen Einfluß auszuüben. Der
Niederschlag löst sich, einmal gebildet, so schwer in Wasser, daß man ihn ohne
großen Verlust wiederholt abwaschen und so von hellerer Farbe erhalten kann.
Es wurde beispielsweise aus 1 Pfd. Melasse, auf 53 Proc. verdünnt, und 6 Loth Kalk in
dieser Weise 14 Loth gelber Zuckerkalk erhalten.
Bei einem Versuche in größerem Maaßstabe lieferten 180 Pfd. Melasse, wenn der Kalk
nach und nach zugesetzt und jedesmal der Niederschlag herausgenommen wurde, bis zu
125 Pfd. an Niederschlag.
Dieser Niederschlag enthielt etwa 27 Proc. Wasser und 30 Proc. unverbrennlichen
Rückstand (wohl zumeist Kalk).
Es ließ sich von vornherein erwarten, daß, wenn es solchergestalt gelungen war, durch
Kalk einen anscheinend reinen Niederschlag in der Melasse zu erzeugen, dieser außer
Kalk und Wasser fast nur Zucker enthalten könne, daß also, nach Abscheidung des
Kalkes durch irgend eine Säure, eine Lösung bleiben müsse, welche eine sehr hohe
Polarisation der trockenen Substanz, d.h. einen hohen Zuckerquotienten zeigen müsse.
Das Verhältniß zwischen Zuckergehalt und Trockensubstanz überhaupt, wie es auf dem
gewöhnlichen Wege gefunden wird, ist bedingt durch die Aräometeranzeige, und alle
Erfahrungen beweisen, daß das Aräometer so sehr von den Salzen afficirt wird, daß
man dabei die übrigen fremden Substanzen außer Acht lassen kann. Es ist aber
durchaus nicht denkbar, daß der Kalk im Stande seyn soll, von den in der Melasse
enthaltenen Salzen etwas Namhaftes niederzuschlagen. Kommen aber die Salze nicht in
den Niederschlag, so muß nach dem oben Gesagten, allgemein Bekannten, der relative
Zuckergehalt der aus demselben zu erzielenden Lösung sehr hoch ausfallen. Es muß
mithin daraus eine erhebliche Menge Zucker zu gewinnen seyn.
Das Verhalten des Baryts bietet zum Ueberfluß eine solche Analogie, daß das
Gegentheil nicht in Betracht kommen zu können scheint.
Dennoch haben sehr zahlreiche Polarisationen der Lösung,
wie sie nach vollkommener Entfernung des Kalkes durch Saturiren erhalten wurde, stets dieselben Zahlen ergeben, wie die unveränderteMelasse.
Geringe Unterschiede kommen nicht in Betracht. Die Polarisation der Melasse variirte
zwischen 59 und 61 Proc. der trockenen Substanz. Die von Kalk befreite Lösung aus
Melasse-Zuckerkalk ergab ebenfalls 59, 60, 61 bis 63 Proc. Ein Einfluß des
Saturationsmittels konnte, wenn mit Vorsicht verfahren wurde, nicht bemerkt werden;
ich habe alle in Betracht kommenden versucht, ohne auch nur einmal ein günstigeres
Resultat zu erlangen.
Da es, wie gesagt, nicht denkbar ist, daß der Salzgehalt die Ursache sey, so war es
möglich, daß vielleicht eine Täuschung obwalte, und die Angabe des
Polarisationsinstrumentes durch irgend eine in der Lösung enthaltene Substanz
herabgedrückt werde. In diesem Falle mußte man erwarten, daß die Krystallisation,
die durch die Gegenwart der Salze gehindert war, jetzt wieder sich zeigen werde.
Um die Sache zu einem praktischen Abschluß zu bringen, wurde daher ein Versuch im
Großen angestellt.
Eine beträchtliche Menge Melasse wurde in der angegebenen Weise mit Kalt gefällt, der
körnige und lockere Niederschlag wiederholt mit Wasser abgespült und dann in dem
Saturationsapparat der Fabrik unter Zusatz von heißem Wasser mit
Holzkohlen-Kohlensäure saturirt, gekocht und die Lösung durch Sackfilter
abfiltrirt. Hierauf wurde diese mit einer beträchtlichen Menge Knochenkohle einige
Zeit gekocht und durch Säcke mit feiner Knochenkohle abfiltrirt. Der so erhaltene
Saft wurde in einem mit Dampf geheizten Kessel mit Doppelboden bis zur Blasenprobe
eingedampft und dann in einige Melisformen gefüllt, die behufs langsamer Abkühlung
bis zum Rande in große mit frisch eingekochtem Syrup gefüllte Krystallisirbehälter
gesenkt wurden.
Es sind hier allerdings noch nicht alle Bedingungen vorhanden, die eine Abscheidung
von Zucker sichern, wenn dieselbe in geringem Maaße
möglich ist. Allein, wenn die Verbesserung durch das Ausfällen in der Weise
stattgefunden hätte, wie zu erwarten stand, so hätten sich doch nach Wochen, wenn
auch nur wenige Krystalle zeigen müssen.
Es fand aber auch nicht die geringste Spur von Krystallisation statt, und die
Voraussage der Polarisation war also auch für die Praxis eingetroffen.
Es bleibt dieses abnorme Verhalten äußerst merkwürdig, und nach den bisher bekannten
Thatsachen gewiß kaum erklärbar; daß aber hier kein Irrthum weiter obwalten kann,
kann man indirect durch reinere Säfte nachweisen, bei denen die Operation sich
leicht ausführen läßt. Findet nämlich durch Kalk die Abscheidung von Zucker in
größerem Verhältniß als die der fremden Stoffe statt, so müßte die Polarisation der
zurückbleibendenLösung, nach Entfernung des Kalkes geringer seyn, als die des ursprünglichen
Saftes.
Von den öfter wiederholten Versuchen in dieser Beziehung, die alle ein negatives
Resultat gaben, will ich nur einen anführen: Es wurde ein aus 4tem Product und
Melissyrup zusammengesetzter Dicksaft nach der Filtration über Knochenkohle
genommen. Derselbe polarisirte 83,5 Proc. (der trockenen Substanz). Nach möglichstem
Ausfällen mit Kalkhydrat wurde die abgegossene Lösung mit Kohlensäure neutralisirt
und dann polarisirt; es zeigten sich 83,2 Proc. Die Verbesserung ist nicht der Rede
werth. Mit gewöhnlichem Dicksaft erhält man dasselbe Ergebniß.
Ein Zweifel ist hiernach wohl kaum noch zulässig, und die Erscheinung der Fällbarkeit
durch Kalk, die so viel versprechend schien, bleibt somit wahrscheinlich für die
Praxis ohne Wichtigkeit.
Ich habe indessen noch einige Versuche gemacht, bei welchen ich von dem Gedanken
ausging, daß diejenigen organischen Substanzen – wenn es organische Substanzen sind, welche die Polarisation so niedrig
erhalten – die außer Zucker gefällt werden, sich in ihrer Verbindung mit Kalk
gegen verschiedene Agentien vielleicht in so weit anders als der Zuckerkalk
verhalten, daß eine Trennung möglich sey.
Ich habe daher mit dem „Zuckerkalk,“ wie ich den durch Kalk aus
der Melasse gefällten Niederschlag der Kürze halber nennen will, eine große Zahl von
Versuchen angestellt, von denen ich hier nur einige wenige anführen will, da die
Beschreibung aller der vielen gescheiterten Bemühungen doch nicht viel Interesse
beanspruchen kann.
Setzt man zu dem Zuckerkalk eine hinreichende Menge Wasser, so wird er mit brauner
Farbe gelöst. Aus dieser Lösung fällt Weingeist von 84 Proc. Alles wieder aus. Es
schien möglich, durch eine fractionirte Fällung eine Verbesserung zu erreichen.
Nachdem also mit wenig Weingeist ein Theil des Zuckerkalks abgeschieden worden,
wurde die bleibende Lösung saturirt und polarisirt. Sie ergab 55 Proc., lieferte
also den Beweis, daß das Gefällte und Gelöste im Gehalte zwar verschieden, aber doch
nicht hinreichend verschieden ist, um eine Reindarstellung des Zuckers erwarten zu
lassen.
Die Reduction des Kupferoxydes wurde auch auf den Zuckerkalk angewandt, indem seine
Lösung im Wasser mit Kupfervitriol gekocht, dann wieder mit Kalk und endlich mit
Phosphorsäure behandelt wurde. Die Polarisation zeigte sich aber auf 52 Proc.
vermindert.
Von der Vermuthung ausgehend, daß vielleicht die fremden Verbindungen von geringerer
Beständigkeit bei höherer Temperatur seyen, als die des reinen Zuckers mit dem
Kalke, setzte ich den „Zuckerkalk“ nachund nach und längere Zeit
Temperaturen von 135° C., 150° C. und 165–172° C. aus.
In allen Fällen zeigte sich nur Entweichen von ammoniakalisch reagirendem Wasser,
ohne bemerklichen Geruch oder sichtbare Veränderung der Substanz. Nach der
Saturation zeigten sich die entsprechenden Polarisationen mit 63 Proc., 61 Proc. und
56 Proc. der trockenen Substanz. Auch dieser Weg bietet also keine Aussicht auf
Erfolg, und es muß ferneren Versuchen vorbehalten bleiben, zu ermitteln ob nicht in
anderer Weise die Fällung mit Kalk einer Anwendung fähig seyn wird.
7) Da der Strontian in chemischer Beziehung zwischen Kalk
und Baryt steht, so habe ich auch mit dieser Base Fällungsversuche angestellt.
Allein trotz der verschiedensten Modificationen der Experimente konnte ich irgend
eine erhebliche Fällung des Zuckers nicht erlangen. Erwägt man die Vortheile, welche
bei dem jetzt so häufigen Vorkommen des Strontians diese Substanz bieten würde, so
ist vielleicht die Veranlassung gegeben, die Sache doch noch weiter zu verfolgen;
vielleicht gelingt es, wie beim Kalk, eine Combination zu finden, wo eine Fällung
stattfindet, obwohl sie bis jetzt nicht erlangt wurde, wie dieß ja auch beim Kalk in
ähnlicher Weise längere Zeit der Fall war.
8) Im vorigen Jahrgang dieses Journals, Bd. CLXII S. 223, macht Graham neuerdings auf die Wirkung aufmerksam, welche mehr oder weniger von
Flüssigkeiten durchdringbare Scheidewände auf Gemische von Flüssigkeiten ausüben.
Der auf diese Weise zu bewirkenden Trennung verschiedener Körper legt er den Namen
Dialyse bei. Die Wirkung der durch eine Thierblase
bewirkten Endosmose auf Rübenmelasse ist bekanntlich schon früher der Gegenstand
specieller Untersuchungen gewesen, welche indessen zu einem positiven Resultate
nicht geführt haben, ohne daß jedoch Näheres über die Ausführung im Einzelnen
veröffentlicht worden wäre.
Da nun in neuerer Zeit das vegetabilische Pergament oder Pergamentpapier als ein
Präparat auftritt, welches vielfache Vorzüge vor der Thierblase gewährt, so schien
eine Wiederaufnahme derartiger Versuche, wie sie durch obigen Aufsatz angeregt
werden, wohl gerechtfertigt. Die Leichtigkeit, womit Pergamentpapier sich in großen
Flächen darstellen läßt, scheint eher eine technische Benutzung zu ermöglichen, als
dieß für die Thierblase der Fall seyn kann.
Die angestellten Versuche haben in der That ergeben, daß durch die
„Dialyse“ mittelst Pergamentpapier eine namhafte
Verbesserung der Melasse bewirkt werden kann, obschon mancherlei Umstände für jetzt
nicht mit Bestimmtheit erkennen lassen, ob diese
Verbesserung einer praktischen Verwerthung fähig ist, der jedenfalls gewisse
Aussichten zugesprochen werden müssen.
Nach den in der Graham'schen Mittheilung enthaltenen
Notizen sollte es scheinen, als ob die Melasse an das Wasser, von dem sie durch eine
Scheidewand von Pergamentpapier getrennt ist, vorzugsweise Zucker abgeben und daher
die neu entstehende verdünnte Lösung die reinere seyn
müsse. Nach Ausweis der folgenden Experimente findet aber eher das Umgekehrte
statt.
Die Melasse befand sich in einem gläsernen, mehrere Zoll hohen Cylinder, dessen
untere Oeffnung durch Pergamentpapier dicht verschlossen war, so daß ein
cylindrisches oben offenes Gefäß mit gläserner Wandung und papierenem Boden gebildet
war; dieses hieng in einem größeren Gefäße mit Wasser, und zwar so tief, daß die
Oberfläche der Melasse im inneren Gefäße stets höher als die des Wassers im äußeren
war, damit die Wirkung des Pergamentpapiers nicht etwa durch den Druck des Wassers
gestört werde, sondern das Resultat, als allein der Dialyse zugehörend erkannt
werden mußte.
Von Zeit zu Zeit wurde Melasse und Wasserlösung (wie wir die durch Diffusion im
äußeren Wasser entstehende Lösung nennen wollen) mit Aräometer und
Polarisationsapparat geprüft.
Versucha. Nach 24 Stunden wog die Wasserlösung 4 Proc. Ar.;
nach 48 St. wog sie 14,5 Proc.; die Polarisation betrug 4,24 Proc., der
Zuckerquotient also 28. Da der Quotient (Polarisation in Procenten der trockenen
Substanz) der Melasse 59 betrug, so war hiernach die Wasserlösung von weit
geringerem Gehalte als die Melasse; es müssen also vorzugsweise die Salze etc.
übergegangen und mithin die Melasse verhältnißmäßig zuckerreicher geworden seyn.
Dieses schon oben angedeutete unerwartete Resultat fand sich durch alle weiteren
Versuche bestätigt.
Versuchb. Nach Erneuerung von Melasse und Wasser zeigte sich
nach 24 St. die Wasserlösung zu 1 Proc. Ar.; die Melasse hatte einen
Zuckerquotienten von 70,2. Sie war also offenbar erheblich verbessert. Nach 30 St.
(vom Anfang des Versuchs an gerechnet) wog die Wasserlösung 2 Proc., und polarisirte
0,64 Proc., Quotient 32. Die Melasse war von 84 Proc. auf 31 Proc. herabgekommen.
Nach 24 St. betrug der Zuckerquotient der Wasserlösung 34, der der Melasse (welche
nur noch 23 Proc. schwer war) 72.
Nach 4mal 24 Stunden war die Wasserlösung von 4 Proc. sauer und übelriechend
geworden; die Melasse hatte bei 15 Proc. einen Quotienten von 71,8.
Nach 5mal 24 St. war auch die Melasse in Zersetzung übergegangen.
Versuchc. Da nach diesen Versuchen eine weitereweiteee Verbesserung der Melasse nach der schon früh erreichten Erhöhung auf einen
Quotientenvon 72
nicht mehr bemerklich war, so wurde nunmehr bei einer weiteren Probe das Wasser
öfter erneuert.
Der Zuckerquotient der Melasse wurde hierbei am dritten Tage zu 80 gefunden. Er stieg
jedoch nicht höher; die bis auf 11 Proc. verdünnte Melasse gieng vielmehr in
Zersetzung über.
Versuchd. Um diese Zersetzung möglichst zu verhüten, wurde nun
von Zeit zu Zeit eine ganz geringe Menge Kalkhydrat zur Melasse hinzugesetzt. So
gelang es nach 4mal 24 St. unverdorbene Melasse zu erhalten; sie wog nun 9,6 Proc.
und zeigte einen Zuckerquotienten von 80.
Aus diesen Versuchen a–d folgt also, daß während der Dialyse der Zuckerquotient bis zu 80 steigen
kann, eine Zahl, welche aber unter gewöhnlichen Verhältnissen, d.h. wenn eine
unbeschränkte Verdünnung und eine zu große Zeitdauer vermieden werden soll, nicht
überstiegen zu werden scheint. Selbst hierzu ist ein Kalkzusatz zur Erhaltung der
gesunden Beschaffenheit der Melasse erforderlich; tägliches Erneuern des Wassers hat
keinen erheblichen Einfluß auf das Resultat.
Da nun aber in der Wasserlösung ebenfalls Zucker enthalten ist, so fragt es sich
zunächst, ob nicht die Verbesserung der Melasse dadurch werthlos wird, daß zu viel
Zucker in die Wasserlösung übergeht und in Folge von deren sehr geringem
Zuckerquotient ganz verloren bleibt.
Diese Frage kann am einfachsten dadurch gelöst werden, daß das Gewicht der
zurückbleibenden Melasse, sowie die darin enthaltene Trockensubstanz (mittelst des
Aräometers) in den verschiedenen Stadien des Processes bestimmt wird. Diese Methode
ist, weil das Aräometer die Trockensubstanz nicht genau angibt, keine strenge;
indessen für den vorliegenden Zweck bei den geringen Schwankungen des Quotienten
wohl hinreichend sicher, um daraus wenigstens einen annähernden Ueberblick über den
Verlust an Masse zu gewinnen. Die gefundenen Zahlen sind nun folgende.
Versuche. Angewandt: Melasse von
84 Proc. Aräometer
202 Grm.
Hierin feste Substanz (84
Proc.)
169,7 „
Zucker (bei einem Quotienten
von 59)
100,0 „
Nach 24 Stunden vorhandene
Melasse von 33 Proc
408 „
Mithin
trockene Substanz
134,6 „
Nach den früheren Versuchen
kann die Polarisation in dieser
Periode
zu 70 angenommen werden; mithin vorhandener Zucker
94 „
Nach 2mal 24 Stunden
vorhandene Melasse von 13 Proc.
678 „
Mithin
Trockensubstanz
88,1 „
Unter
Annahme der Polarisation von 72 Proc. ist hierin
Zucker vorhanden
63,4 „
Nach 4mal 24 Stunden
vorhandene Melasse von 9,6 Proc.
468 „
Mithin
Trockensubstanz
46 „
Zucker (bei
80 Proc. Polarisation)
37 „
Diese Zahlen deuten offenbar darauf hin, daß nach 24 Stunden die Verbesserung so zu
sagen ihre ökonomische Grenze erreicht haben wird. Es ist alsdann erst ein
Zuckerverlust von 6 Proc. bei einer Verbesserung des Quotienten um 10 Proc.
eingetreten. Verkocht man die Melasse in diesem Punkte, so wird wohl eine
Krystallisation zu gewärtigen seyn, die reichlich lohnt, da außer dem einmaligen
Einkochen fast keine Kosten erwachsen. Nach weiteren 24 Stunden ist der
Zuckerverlust schon bis über 1/3 des vorhandenen gestiegen, und dabei die
Polarisation gegen den ersten Tag nur wenig verbessert. Der Verlust an Masse (50
Proc. der Trockensubstanz) ist jetzt so groß, daß er den Gewinn an krystallisirbarem
Zucker mindestens ausgleichen würde. Es dürfte demnach gewiß angezeigt seyn, nach
einer 24stündigen Wirkung die Dialyse abzuschneiden und die Verbesserung nicht über
70 steigen zu lassen.
Ein letzter Versuch ließ ähnliche Resultate gewinnen.
Versuchf. In Anwendung kamen 231 Grm. Melasse von 84 Proc.; sie
hatte einen Zuckerquotienten von 59. Nach 24 St., während deren das Wasser viermal
erneuert worden, um zu versuchen, ob nicht durch einen Wechsel in so kurzen
Zwischenräumen eine raschere Aufbesserung zu bewirken ist, blieben zurück 446 Grm.
Melasse von 38 Proc., welche einen Quotienten von 67 zeigte. Hieraus läßt sich
erkennen, daß bei richtiger Leitung der Operation und bei einer Polarisation der
Melasse von 61 Proc., wie sie ja sehr häufig vorkommt, eine Polarisation derselben
von 70 Proc. zu erreichen ist. Nehmen wir dieß an, und stützen wir uns zugleich in
Bezug auf den Verlust an Masse auf die Ergebnisse dieses letzten Versuches, so kann
man folgende Rechnung als dem zu erreichenden Erfolge nahe kommend, aufstellen.
Nach der Theorie, wenn man den Zuckerquotienten der Melasse zu Grunde legt, müßte ein
Syrup vom Quotienten 70 bei der Krystallisation 25 Proc. Zucker liefern. Bedenkt man
aber, daß theoretische Ausbeuten selten in der Praxis erreicht werden, und
berücksichtigt man die Rohzuckererträge von Füllmassen ähnlicher Polarisation, so
kann man wohl 20 Proc. als eine Auslieferung von Rohzucker betrachten, die von der
solchergestalt verbesserten Melasse zu erwarten steht.
Die bei dem letzten Versuche erhaltenen 446 Thle. Melasse von 38 Proc. Ar. gab aber
eine Füllmasse (von 90 Proc.) im Gewicht von 188 Thln., woraus also 37 Thle.
Rohzucker, mithin 16 Proc. der ursprünglich in Arbeit genommenen Melasse (231 Thle.)
zu gewärtigen sind. Es bleiben aber in Folge des Verlustes durch die Dialyse nur 446
Thle. von 38 Proc., entsprechend 202 Melasse von ursprünglicher Schwere. Von dieser
sind also in der Wasserlösung verloren gegangen 29 Thle. oder 12,6 Proc. Das
wahrscheinliche Resultat für 100 Thle. Melasse stellt sich demnach wie folgt:
Rohzucker
16
Melasse
71,4
Verlust
12,6
–––––
100,0
Daraus läßt sich entnehmen, daß von einem derartigen Verfahren Nutzen zu erwarten
steht, da die geringen Unkosten, so wie die 12,6 Proc. Verlust jedenfalls vom Preise
des erzielten Zuckers überwogen werden.
Schließlich bemerke ich, daß der Farbstoff nur in geringer Menge durch das
Pergamentpapier hindurchgeht. Denn, während die Farbe der Melasse vor Anfang des
Versuches bei 10 Proc. 164 betrug, war sie nach 24 Stunden auf 250 für dieselbe
Schwere gestiegen. Es erklärt sich dieß nicht genügend durch die Concentrirung des
Farbstoffes in der geringer gewordenen Menge, sondern es müssen hier noch andere
Reactionen stattfinden, über deren Wesen erst weitere Versuche Aufschluß geben
können.
Jedenfalls dürften die letzten Resultate, wie sie durch die Anwendung der Dialyse
gewonnen wurden, geeignet seyn, zur weiteren Verfolgung des Gegenstandes, und zwar
zunächst in etwas größerem Maaßstabe, zu veranlassen, und sind derartige
Untersuchungen vielleicht bestimmt, interessante Aufschlüsse und Ergebnisse zu
liefern.