Titel: | Selbstthätiger Gasregulator vom Ingenieur Servier in Paris. |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. CXI., S. 419 |
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CXI.
Selbstthätiger Gasregulator vom Ingenieur Servier in Paris.
Aus Armengaud's
Génie industriel, Januar 1862, S. 51.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Servier's selbstthätiger Gasregulator.
Der specielle Zweck dieses Apparates ist, einen constanten Druck in demjenigen Theile
des Gebietes der Gasanstalt zu unterhalten, wo der Gasverbrauch am größten ist; er
unterscheidet sich also von den ähnlichen Apparaten, welche man am Ausgang der
Gasanstalt anbringt, und dieden constanten Druck an diesem Ausgangspunkt bezwecken, ganz unabhängig von den Veränderungen im Innern
der Anstalt oder im Bereiche ihres Gebietes.
Dieß ist allein schon wichtig, allein der Verf. bemerkt, daß es nicht weniger
nothwendig ist, diesen Druck, welchen der Regulator unterhält, hinreichend stark zu machen, um allen Bedürfnissen des Consums
zu genügen, ohne ihn jedoch zu übertreiben, was einen zu großen Verlust durch die
Undichtheiten, sowie durch die Straßenlaternen und die Privatbrenner veranlassen
würde.
Bisher war man nur durch Versuche im Stande, diesen Druck für die verschiedenen
Tages- und Jahreszeiten zu bestimmen, und man ändert demnach durch verschiedene Belastung des Gasometers den Druck beim
Austritt aus der Gasanstalt, je nach dem muthmaßlichen Bedarf des Consums.
Nach dem Verf. müßte man eine bemerkenswerthe Verbesserung dadurch erzielen, daß man
in denjenigen Gebietsantheilen, wo der größte Gasverbrauch stattfindet, einen
constanten Druck unterhält, ganz unabhängig von den Schwankungen des Consums.
Die Lösung dieses Problems würde einerseits eine große Ersparniß für die
Gasanstalten, andererseits für die Abonnenten die Annehmlichkeit zur Folge haben,
daß sie nicht mehr genöthigt wären ihre Brenner mehrmals an einem Abend zu
reguliren.
Der Verf. ist bei seinem System von dem gewöhnlichen derartigen Apparate ausgegangen,
und combinirt dabei die Wirkung des Druckes im Gebiete der Anstalt mit derjenigen
der Gasometer; er erreicht durch seine einfache Combination der bekannten Apparate
einen constanten oder nach beliebiger Regel veränderlichen Druck im ganzen Gebiete
der Anstalt.
Sein Apparat (Auto-Régulateur genannt)
arbeitet selbstthätig, ohne Zuhülfenahme einer anderen Kraft, als der Wirkung des
Gases, nach einfachen hydrostatischen Gesetzen.
Fig. 12
stellt den Regulator im Durchschnitte dar. Er besteht aus einem großen metallenen
Behälter A, worin das Wasser bis zur Linie 1–2
steht; an demselben befinden sich zwei Röhren B und C, die eine für die Zuleitung, die andere für die
Ableitung des Gases. Außerdem ist noch ein drittes Rohr D vorhanden, welches von demjenigen Punkte des Gebietes der Anstalt
abgezweigt ist, wo man den Druck constant erhalten will.
In den Behälter A taucht, wie gewöhnlich, eine Glocke E, die mit einer zweiten ähnlichen F, von etwas kleinerem Durchmesser, aber gleicherHöhe, verbunden ist. In
den zwischen beiden enthaltenen ringförmigen Raum mündet das Rohr D.
Die beiden Röhren B und C
münden in das Innere der Glocke F; die erstere ist ganz
offen, die zweite ist durch einen schmalen Ring verengert, durch welchen der Conus
a hindurchgeht, der an der Doppelglocke befestigt
ist.
Bei diesem Apparat befindet sich der regulirende Conus in dem Ausgangsrohr (statt wie gewöhnlich in der Eintrittsleitung), was sehr
wesentlich ist.
Das Spiel dieses Regulators ist leicht zu erkennen; die Gleichgewichtsgleichung läßt
sich folgendermaßen ableiten:
Es sey P der Druck im Rohre B;
p der Druck im Rohre D;
S die Oberfläche des Kreises von gleichem Durchmesser
wie die äußere Glocke;
s die Oberfläche des Kreises von gleichem Durchmesser
wie die innere Glocke;
Q das Gewicht des ganzen beweglichen Systemes; so
ist
Ps + p (S – s) = Q, mithin
p = (Q
– Ps)/(S – s).
Nimmt man nun an, P und Q
seyen constant, so sind in dieser Gleichung alle Größen constant, mit Ausnahme von
p, welches also, wenn Gleichgewicht stattfinden
soll, ebenfalls constant bleiben muß; die Doppelglocke wird also steigen oder sinken
und dadurch die Oeffnung am Conus verändern, so daß p
constant bleibt.
Anwendung des Apparates. Der Verf. hält es nicht für
nothwendig, daß eine Gesellschaft, welche mehrere Gasanstalten für die Beleuchtung
einer Stadt hat, eben so viele Selbstregulatoren besitzen müsse. Um dieses zu
beweisen, gibt der Verf. folgende Erläuterung.
Jede Anstalt hat ein System von Gasometern von einem bestimmten Gewicht und von
Leitungsröhren von einem bestimmten Durchmesser, welche ihr das, was der Verf. eine
bestimmte Vertheilungskraft nennt, geben. Diese ist das
Maximum an Gas, welches eine Anstalt stündlich liefern kann, wenn alle Gasometer
gefüllt und alle Leitungen geöffnet sind, und an dem Ende des Gebietes ein
hinreichender Druck für eine gehörige Beleuchtung gegeben wird.
Betrachtet man nun ein System von mehreren Anstalten für eine Stadt, deren
Leitungsnetze überall verbunden sind, so nimmt der Druck, welchen jede Anstalt
während der vollen Beleuchtung gibt, vom Ausgangspunktjeder Anstalt bis zu dem Punkt
hin ab, wo sich die Druckhöhen der einzelnen Anstalten das Gleichgewicht halten;
diesen Punkt kann man den Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Gebietes nennen.
Dieser Punkt kann je nach den Jahreszeiten verschieden seyn, da nicht immer der volle
Druck aller Gasometer nothwendig ist, um am äußersten Ende jedes Gebietes
hinreichenden Druck zu erhalten, und man Gründe haben kann, die eine oder andere
Anstalt verhältnißmäßig stärker zu betreiben, wodurch natürlich das betreffende
Gebiet auf Kosten der übrigen erweitert wird.
Der Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Gebietes ist aber der Punkt, wo sich die
verschiedenen Druckhöhen das Gleichgewicht halten, wenn der größte Consum und die
größte Gaszuströmung stattfindet.
Wenn nun bloß eine Anstalt mit einem Selbstregulator versehen ist, der mit dem
entferntesten Ende ihres Gebietes in Verbindung steht, so werden sämmtliche
Anstalten den richtigen Druck liefern, da, wenn eine zu hohen Druck gäbe, der Druck
am Mittelpunkt des Gebietes steigen und mithin auf den Regulator wirken würde, der
sofort die Zuströmung der regulirenden Anstalt so vermindern muß, daß der
Centraldruck constant bleibt; ebenso wird die Regulirung im entgegengesetzten Falle
eintreten.
Dieß beweist: 1) daß für ein ganzes System von Anstalten ein einziger Regulator
genügt, und 2) daß man diesen am besten der stärksten Anstalt zutheilt, nämlich
derjenigen, welche am meisten Gas fabricirt und die geräumigsten Gasometer besitzt,
weil diese zu gewissen Zeiten im Stande seyn muß, der zu schwachen Gaslieferung der
übrigen nachzuhelfen, oder das zuviel gelieferte Gas aufzusammeln. Uebrigens sind
die Grenzen, in denen die Gaserzeugung der regulirenden Anstalt sich zu bewegen hat,
sehr beschränkt, da die Production der übrigen sich jeden Tag nach dem Consum
richtet.
Es brauchen also für ein System verbundener Anstalten nur die Kosten eines einzigen
Regulators bestritten zu werden, was gegen die dadurch erzielte Ersparniß gar nicht
in Betracht kommen kann.
Durchmesser der Rückleitung (der Röhre D der obigen Beschreibung). Der Verf. bespricht nun
einen wichtigen Einwurf, nämlich den Umstand, daß das Rohr, welches auf den Apparat
den Druck p des Gebietes der Anstalt überträgt,
möglicherweise undicht werden kann; daraus würde für einen kleinen Durchmesser des
Rohres eine solche Gasentweichung folgen können, daß der Druck im Rohre beim
Eintritt in die Glocke auf Null reducirt würde.
Es wäre aber ein großer Fehler, wenn man dieser Rückleitung einenso kleinen Durchmesser geben
wollte, wie ihn die Theorie zu gestatten scheint. Man muß die Umstände in Erwägung
ziehen, denen alle Gasleitungen in Städten wegen Undichtheiten und in Folge der
Erschütterung bei Ausgrabungen im Erdboden unterworfen sind, weßhalb denn auch der
Verf. die Dimension dieses Rohres den Bedingungen der Hauptleitungen unterwirft und
annimmt, daß es 1 Liter Gas per laufenden Meter und per Stunde verliert.
Der Verf. nimmt also hiemit sehr ungünstige Verhältnisse an: denn der Durchmesser der
meisten Hauptleitungen ist sehr groß, und da der Gasverlust der Anzahl und Größe der
Verbindungsstellen proportional ist, so ist er für engere Röhren auch bei weitem
geringer.
Außerdem ist der mittlere Druck für ein Leitungsnetz viel kleiner als derjenige in
der Rückleitung des Regulators.
Endlich muß diese Leitung, ihres speciellen Zweckes wegen, mit größerer Sorgfalt
ausgeführt werden und aus einer Substanz bestehen, welche die größte Sicherheit
gegen Verlust bietet, nämlich aus Blei.
Wenn der Verf. also seine Rechnung auf die Resultate einer schon älteren Leitung von
einem mittleren Durchmesser von 24 Cent. basirt, so nimmt er sehr ungünstige
Verhältnisse an. Sind folglich seine Schlüsse in diesem Falle richtig, so müssen sie
für den speciellen Fall dieser Rückleitung um so mehr Geltung haben.
Der Verf. geht alsdann auf einen anderen wesentlichen Punkt über; er zeigt nämlich,
daß es nicht nothwendig ist, den Druck des Gebietsmittelpunktes vollständig auf den
Regulator zu übertragen, sondern daß es genüge, daß die eintretenden Schwankungen
desselben übertragen werden. Wenn man nämlich annimmt, daß in Folge von
Undichtheiten in der Rückleitung ein Gasverlust stattfindet, so muß dieser Verlust,
da der Druck am Anfang des Rohres constant ist, ebenfalls constant seyn, und also
auch der Druckverlust auf der ganzen Leitungslänge constant bleiben; hieraus folgt,
daß in obiger Gleichung
p = (Q
– Ps)/(S – s)
für p der Werth p – p/n gesetzt werden muß. Es wird also p um einen gewissen Bruchtheil kleiner als derjenige
Werth, welcher zur Bestimmung der Dimensionen des Apparates gedient hat; diese
Gleichung zeigt aber zugleich, daß die Abhülfe leicht ist, daß man nämlich, um das
Gleichgewicht herzustellen, nur das Gewicht Q der Glocke
zu vermindern braucht. Wenn also in der Rückleitung Undichtheiten stattfinden,
welche auf den Regulator nicht die ganze Druckhöhe des Gebietes übertragenlassen, so wird dadurch
die Thätigkeit des Apparates doch nicht behindert.
Es fragt sich nun, welchen Durchmesser man der Rückleitung geben muß, damit, bei
einem Verlust von 1 Liter per Meter und Stunde, der
Druck sich für die ganze Leitung der Röhren nur um 1 Millimeter vermindere.
Diese Frage löst sich leicht mittelst der Formel
Textabbildung Bd. 163, S. 423
worin der Verlust Q gleichförmig
auf die ganze Röhrenleitung vertheilt gedacht ist, während der Coefficient 2,7 aus
Girard's Versuchen am Spital St. Louis abgeleitet
wurde, bei welchen die Durchmesser der Röhren zwischen 2 Centimet. und 1 Decimet.
variirten.
Setzt man z.B.
H – h = 0cm,1 als Gesammt-Druckverlust,
L = 5000 MeterWas schon für sehr bedeutende Anstalten
ausreicht. als Länge der Leitung,
Q = 1¹,38, Gesammtverlust per Secunde = (1lit.
× 600m)/3600'',
so ergibt obige Formel für D den
Werth 0m,096.
Es würde also eine Leitung von 1 Decimeter Durchmesser, unter gewöhnlichen
Verhältnissen gelegt, vollkommen zweckentsprechend seyn.
Der Verf. gibt noch ein anderes Auskunftsmittel an, um dem Einfluß des Gasverlustes
zu begegnen, nämlich das Rückleitungsrohr in das Innere einer Hauptleitung zu legen.
Wenn also eine Undichtheit stattfände, so würde dieselbe sogar der Leitung Gas
zuführen, und folglich das Umgekehrte der oben angegebenen Wirkung hervorgebracht
werden, so daß man das Gewicht der Glocke des Regulators vermehren müßte; größere
Undichtheiten würden sich dagegen nahe am Regulator bemerklich machen, da der Druck
des die Rückleitung umgebenden Gases auf den Regulator übertragen werden würde. Die
Auffindung und Ausbesserung der undichten Stelle ist also sehr leicht.
Wie die vorhergehenden mathematischen Betrachtungen zeigen, ist diese
Vorsichtsmaßregel aber nicht nothwendig, und man führt daher die Rückleitung am
besten selbstständig und von hinreichendem Durchmesser aus, weil dann bei
erforderlicher Aufstellung des Apparates in einer andern Anstalt das
Rückleitungsrohr ohne weiteres wieder gebraucht werden kann.