Titel: | Ueber die Heliochromie; von Niepce aus Saint-Victor. Vierte Abhandlung. |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. CXVI., S. 436 |
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CXVI.
Ueber die Heliochromie; von Niepce aus Saint-Victor. Vierte Abhandlung.Die früheren Abhandlungen wurden im polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 37, Bd.
CXLIII S. 123 und Bd. CLII S. 453 mitgetheilt.
Aus den Comptes
rendus, Februar 1862, t. LIV p. 281.
Niepce, über die Heliochromie.
Bei meinen Versuchen über Heliochromie habe ich das Princip von Edm. Becquerel immer als Grundlage beibehalten, ich glaube
aber an demselben eine wichtige Modification angebracht zu haben, welche gestattet,
lebhaftere Farbentöne auf einem hellen Grunde zu erhalten, und dann kann man,
nachdem die Farben erhalten wurden, durch eine zweite Operation dieselben für kurze
Zeit fixiren, nämlich die zerstörende Wirkung des Lichtes um mehrere Stunden
verzögern.
Bekanntlich erhält man die heliochromischen Farben auf einer Schicht von Chlorsilber,
welches auf einer Metallplatte gebildet wurde.
Man kann die Silberplatte nach verschiedenen Methoden chloriren; gegenwärtig chlorire
ich sie in unterchlorigsaurem Kali. Dieses alkalische Bad, obgleich sehr wandelbar
in seiner Zusammensetzung, liefert in der Regel schöne Farben, nur bleibt der Grund
des Bildes ein wenig trübe, welchem Umstand sogar durch das Anlassen der Platte
(Erhitzen derselben bis zum Eintritt der rosenrothen Färbung) nicht begegnet werden
kann, und überdieß bewirken verschiedene Ursachen, daß immer gewisse Farben
vorherrschen.
Diese Chlorirung liefert keineswegs gleichbleibende Resultate, wie die von E. Becquerel in seiner Abhandlung vom 3. Juli 1854
(polytechn. Journal Bd. CXXXIV S. 123) angegebene; sie steht auch hinsichtlich der
Empfindlichkeit sogar derjenigen nach, welche ich zu der Zeit anwandte, wo ich die
Farben einer Puppe reproducirte. Das Bad, dessen ich mich damals bediente, bestand
aus einem halben Theil schwefelsauren Kupfers und einem halben Theil wasserfreien
Eisenchlorürs und Chlorids, verdünnt mit 1/10 Wasser. Mit dieser Chlorirung kann
man, nachdem sie der Wirkung des Anlassens unterzogen wurde, an der Sonne in der camera obscura in einer Viertelstunde operiren.
Da aber bei meinen letzten, hier zu besprechenden Untersuchungen, weniger die
Entwickelung als die Fixirung der Farben der Zweck war, so wandte ich die einfachste
Methode an, um die Farben zu erzeugen, und indem ich sie zu fixiren suchte, gelang
es mir sie nebenbei auch lebhafter zu erhalten.
Um die Farben auf einem weißen Grunde zu erhalten, muß man bekanntlich die Platte,
bevor man sie dem Lichte aussetzt, erhitzen, bis das Chlorsilber eine rosenrothe Färbung annimmt; oder man muß die Wirkung der
Wärme durch diejenige des Lichts unter einem vermischten Schirm ersetzen, wie Becquerel in der oben erwähnten Abhandlung angegeben
hat.
Ich komme nun zu meiner Verbesserung in der Präparirung der chlorirten Platte, bevor
man dieselbe dem Licht exponirt; diese Präparirung besteht darin, auf die Platte
einen Firniß aufzutragen, welcher aus einer gesättigten Lösung von ChlorbleiDas zur Bereitung der wässerigen Lösung anzuwendende Chlorblei muß mit
metallischem Blei dargestellt und vorher geschmolzen worden seyn. besteht, der man eine hinreichende Menge von Dextrin zusetzt, um einen
Firniß von gewisser Consistenz zu bilden.
Man läßt den so bereiteten Firniß 24 Stunden lang stehen, dann decantirt man ihn, und
kann ihn hernach während mehrerer Tage benutzen. Man gießt diesen Firniß auf die
Platte, nachdem sie dem Anlassen unterzogen worden ist, wobei man ihn auf ihrer
ganzen Oberfläche ausbreitet, und läßt ihn an einem der Ecken abtropfen, während man
ihn auf der Weingeistlampe trocknet; die Platte kann alsdann dem Licht exponirt
werden.
Unter dem Einfluß des Lichts erzeugen sich die Farben mit einer viel größeren
Intensität, als wenn die Platte nicht mit diesem Firniß überzogen war, wovon man
sich überzeugen kann, wenn man nur die Hälfte einer Platte mit demselben präparirt.
Der mit Firniß überzogene Theil wird einen weißen Grund haben, weil das Chlorblei
die Eigenschaft hat, das Chlorsilber unter dem Einfluß des Lichts weiß zu machen
(besonders wenn das Chlorsilber dem Anlassen unterzogen wurde), und, was noch
merkwürdiger ist, die Schatten eines Kupferstichs reproduciren sich oft ziemlich
intensiv, selbst auf einer bis zur rosenrothen Färbung angelassenen Platte, bevor
man sie dem Licht exponirt.
Nachdem die Farben erhalten wurden, erhitzt man die Platte auf einer Weingeistlampe,
und steigert die Temperatur langsam so hoch als es möglich ist, ohne den Firniß zu
verkohlen, was manchmal ziemlich schnell auf den direct vom weißen Licht getroffenen
Theilen eintritt, besonders wenn das Chlorblei zu sauer oder zu concentrirt ist.
Unter dem Einfluß der Wärme sieht man die Farben in der Regel intensiver werden,
besonders wenn das Licht durch die ganze Dicke der Chlorsilberschicht gedrungen ist;
im entgegengesetzten Falle verwandelt die Wärme das Blau in Violett und das Schwarz
in Roth; merkwürdigerweise erhält man aber durch diese Wirkung der Wärme auf den vom
Licht beeinflußten Firniß die oben erwähnte, kurze Zeit andauernde Fixirung der
heliochromischen Farben.
Wenn man den chlorbleihaltigen Firniß anbringt, nachdem die Farben erhalten wurden,
so werden sie belebt, aber sie conserviren sich dann bei weitem nicht so lange, wie
wenn der Firniß vorher aufgetragen wurde, ohne daß sie jedoch langsamer
entstehen.
Im Allgemeinen bewirken alle Substanzen, welche man in Form von Firniß auf der
Chlorsilberschicht anbringt, sey es, bevor oder nachdem die Farben erhalten wurden,
daß die Lichter dieser Bilder sich am Licht schwärzen, während alle Bleisalze, und
insbesondere das Chlorblei, sie weiß machen; man muß es sogar vermeiden, eine zu
concentrirte Auflösung von Chlorblei anzuwenden, weil in diesem Falle zu viel weißes
Chlorsilber entsteht.
Mehrere Substanzen, z.B. das schwefelsaure und salpetersaure Kupfer, bewirken, wenn
sie mit Dextrin auf die Chlorsilberschicht vor der Exposition aufgetragen wurden,
daß gewisse Farben lebhafter und vorherrschend werden, aber keine fixirt sie auch
noch für so lange Zeit wie die Bleisalze und insbesondere das Chlorblei.
Endlich hoffe ich, daß man mit diesem chlorbleihaltigen Firniß das Anlassen der
Platte in dem Falle fast ganz wird unterlassen können, wenn dieselbe entweder durch
die Batterie, oder in einem sauren Bade (wie dem oben angegebenen) chlorirt worden
ist; bei Anwendung des alkalischen Bades, welches ich für die hier mitgetheilten
Versuche benutzt habe, muß noch ein halbes Anlassen der Platte vor dem Auftragen des
Firnisses vorgenommen werden: wenn die Platte ganz angelassen, d.h. bis zum Eintritt
der rosenrothen Färbung erhitzt wird, so entstehen die Farben rascher und die
Lichter sind weißer, aber die Farbentöne sind im Allgemeinen weniger lebhaft,
andererseits sind dieselben dauerhafter.
Ich fasse schließlich die erhaltenen Resultate zusammen:
1) Das Chlorblei, welches auf die Chlorsilberschicht vor der Exposition aufgetragen
wurde, erzeugt zum Theil die Wirkung des Anlassens, d.h. das weiße Licht wirkt
weißmachend auf die Lichter des Bildes, und gestattet alle Farbentöne viel lebhafter
zu erhalten, als auf einer bloß durch Erhitzen bis zur rosenrothen Färbung
präparirten Platte.
2) Die Wirkung der Wärme, nach derjenigen des Lichtes, erzeugt auf dem mit
chlorbleihaltigem Firniß überzogenen Theile des Chlorsilbers eine Fixirung der
heliochromischen Farben, welche kurze Zeit andauert.
3) Das weiße Licht macht das Chlorsilber in Gegenwart von Chlorblei weiß, während es,
für sich allein vorhanden, violett gefärbt würde.
4) Durch Anwendung des chlorbleihaltigen Firnisses lassen sich dauerhaftere Farben
erzielen, denn dieselben werden im zerstreuten Lichte erst nach zehn bis zwölf
Stunden zerstört, während die nach dem bisherigen Verfahren dargestellten schon in
einigen Minuten verschwinden.
5) Durch meine Versuche ist zwar das Problem der Fixirung der heliochromischen Farben
noch nicht gelöst, dieselben stellen aber doch dessen Lösung in Aussicht.
Nachtrag von Professor Chevreul.Comptes rendus t. LIV p. 299.
In der vorstehenden Abhandlung des Hrn. Niepce sind zwei
wichtige Thatsachen zu beachten:
Die erste ist, daß das durch die Sonne erzeugte Bild ein
directes ist, nicht ein umgekehrtes wie die durch die
gewöhnlichen Verfahrungsarten erzeugten Bilder.
Die zweite ist, daß das Licht die Theile, welche es
trifft, durch die eigenthümliche Wirkung des chlorbleihaltigen Dextrinfirnisses weiß
macht, während es ohne diesen Firniß das Chlorsilber der Daguerre'schen Platte
violett färben würde, ein merkwürdiges Resultat, weil Niepce beobachtet hat, daß die Schatten eines Kupferstiches sich auf den
mit seinem Firniß präparirten Platten in Schwarz reproduciren.
Die Farben des Originals werden nicht gleichzeitig hervorgebracht; das Gelb z.B.
erscheint vor dem Grün, und wenn sich letzteres zeigt, ist das Gelb schon schwächer
geworden oder vollends ausgelöscht.
Ein Mittel, die Farben des Originals getreu zu reproduciren, bestünde daher in der
Anwendung von Schirmen mit Ausschnitten, um die Theile zu bedecken, wo sich die
zuerst erscheinenden Farben zeigen, damit die nachher erscheinenden Farben Zeit
erhalten zum Vorschein zu kommen.
Es wäre sehr zu wünschen, daß ein geschickter und geübter Chemiker sich mit der
Erforschung der Molecularwirkungen beschäftigte, welchen die empfindlichen
Substanzen bei der gewöhnlichen Photographie und bei der Heliochromie unterworfen
sind.