Titel: | Ueber die Anwendung des Gußstahlblechs zur Construction der Dampfkessel. – Auszug aus einem an den kais. französischen Minister für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten erstatteten Bericht der HHrn. Combes, Lorieux und Couche. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. II., S. 3 |
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II.
Ueber die Anwendung des Gußstahlblechs zur
Construction der Dampfkessel. – Auszug aus einem an den kais. französischen
Minister für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten erstatteten Bericht der HHrn.
Combes, Lorieux und Couche.Die in Paris, bei Dunod 49, Quai des Augustins, erschienene Druckschrift, welcher der in Rede
stehende Bericht entnommen ist, führt den Titel: Rapport A. S. Exc. le Ministre de l'
agriculture, du commerce et des travaux publics, sur l'application de la
töle d'acier fondu à la construction des chaudières
à vapeur, par une commission composée de M. M.
Combes et Lorieux, Inspecteurs généraux des mines, et Couche,
Ingénieur en chef, professeur de construction et de chemins de fer
à l'Ecole des mines, repporteur.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1861, 6te Lieferung, S.
266.
Ueber die Anwendung des Gußstahlblechs zur Construction der
Dampfkessel.
Die HHrn. Jackson, Pétin und Gaudet hatten, für die Pariser Industrie-Ausstellung im Jahre 1855,
einen cylindrischen Dampfkessel aus Gußstahlblech, den ersten dieser Art in
Frankreich construirten, angefertigt, und denselben der französischen Regierung zu
beliebigen, geeignet erscheinenden Versuchen zur Verfügung gestellt. Von dem Hrn.
Minister für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten ward jenes Anerbieten
angenommen und einer, auf Empfehlung der Commission centrale
des machines à vapeur, aus den HHrn. Combes,
Lorieux und Couche gebildeten
Special-Commission der Auftrag ertheilt, die Beschaffenheit des neuen Blechs
zu untersuchen und ein, auf Versuche sich stützendes, motivirtes Gutachten über den
Betrag der etwa zulässigen Reduction der vorschriftsmäßigen Dicke, bei Benutzung
einer solchen Blechgattung zu dem cylindrischen Mantel der Dampfkessel,
abzugeben.
Die am 15. März 1856 ernannte Commission begann ihre Arbeiten mit der Prüfung des Kessels auf seine Festigkeit und Dichtheit unter
hohem inneren Druck.
Der Kessel hatte einen lichten inneren Durchmesser = 1 Meter. Die Dicke seiner Bleche
betrug 6 Millimeter.
Nach der französischen Vorschrift für die Blechstärkeconf.: Recueil
méthodique et chronologique des lois, décrets,
ordonnances; arrêtés, circulaires, etc. concernant le
service des ingénieurs mines, et publié par ordre de S.
Exc. le Ministre de l'agriculture, du commerce et des travaux publics.
Extrait relatif aux appareils à vapeur. Paris. Imprimerie
Impériale. 1856, pag. 37
e = 1,8 (n – 1) d + 3 Millim.
(d Durchmesser in Metern, n Dampfdruck in Atmosphären), welche ohne den
willkürlichen Summand = 3 Millim. einer zulässigen Spannung von 2,87 Kil. per Quadr.-Millim. entspricht, würde der in Rede
stehende Kessel einer Dampfspannung von 2,67 Atmosphären genügt haben, und es hätte
seine Prüfung vorschriftsmäßig unter einem Druck von 3 . 1,67 + 1 = 6 Atmosphären
geschehen müssen.conf.: Recueil etc. pag.
11. Da aber die Verfertiger die Druckprobe bis zu einer Höhe von 17
Atm. gesteigert wissen wollten, so wurde der Kessel am 27. Juli 1856, in Gegenwart
der Commission, einer solchen ausgesetzt. Man bemerkte hierbei nur an zwei oder drei
Stellen eine geringfügige Undichtheit. Bei dieser Probe betrug die transversale
Spannung der Bieche: im vollen Querschnitt des Kessels 13,78 Kil. per Quadr.-Millim., und in seinem, durch die
Niete (16 Millim. Durchm. bei 32 Millim. Abstand der Nietlöcher von Rand zu Rand),
auf 2/3 reducirten Querschnitt, 20,67 Kil. per
Quadr.-Millim.
Zur Prüfung der Festigkeit und Dehnbarkeit der zu diesem
Kessel verwendeten Gußstahlbleche requirirte die Commission von den
Verfertigern einige mit den gedachten Blechen identische Proben, aus welchen
Versuchsstücke in analoger Form hergestellt, im Querschnitt möglichst genau auf 10
Millim. Breite bei 6 Millim. Dicke befeilt, und auf der Seitenfläche mit gleich weit
entfernten Querlinien, als Marken zur Messung der Verlängerungen, versehen wurden.
Die geringe Länge der Stücke (180 Millim. zwischen den äußersten Marken), die
Localitäten und die vorhandenen Hülfsmittel (die Versuche wurden mit Hülfe eines
Krahns in einem Hüttenwerk ausgeführt) gestatteten nur die Messung der, nach
Ueberschreitung der Elasticitätsgrenze eintretenden größeren Verlängerungen.
Bei den, in der 2ten und 4ten Columne der nachstehenden Tabelle mitgetheilten, auf
den Quadrat-Millimeter des ursprünglichen
Querdurchschnitts der Versuchsstücke reducirten, Belastungen: per Kil., ergaben sich die in der 3ten und 5ten Columne
beziehungsweise notirten, auf die ursprüngliche Länge
jener Versuchsstücke als Einheit reducirten
Verlängerungen. Bei den mit * bezeichneten Belastungen erfolgte der Bruch.
Länge des Stücks in der Walzrichtung
Länge des Stückssenkrecht gegen die
Walzrichtung
Nr.
p
λ
Nr.
p
λ
1.
57,98*
0,178
5.
29,81
0,017
39,57
0,046
2.
40,53
0,055
47,91*
0,133
44,15
0,078
47,35*
0,155
6.
30,51
0,020
39,45
0,040
3.
40,10
0,050
40,40
0,067
46,87*
0,178
44,40
0,094
deßgl. nach 5 Min.
0,108
4.
38,00
0,041
45,23
0,125
45,57*
0,123
46,20*
0,178
Hiernach erfolgte der Bruch
im
Mittel
von
Nr. 1–4
bei p = 49,44 Kil.; λ = 0,158
„
„
„
Nr. 5 u. 6
bei p = 47,05 Kil.; λ = 0,155
„
„
„
Nr. 1–6
bei p = 48,65 Kil.; λ = 0,157.
Von den Fabrikanten war die Festigkeit des zu dem Kessel verwendeten Blechs auf 80
Kil. per Quadr.-Millim. angegeben worden.
Die entsprechenden Werthe für die Versuchsstücke liegen, wie die mit * bezeichneten
Zahlen der Tabelle ergeben, zwischen den Grenzen: 45,57 und 57,98 Kil. Es ist
hiernach die Festigkeit der untersuchten Blechproben eine erheblich geringere als die der zu dem Kessel verwendeten
Bleche.
Die Verfertiger glaubten diesen wesentlichen Unterschied durch die Verschiedenheit
erklären zu müssen, welche bezüglich der Qualität und Beschaffenheit der Bleche des
Kessels und der eingelieferten Proben besteht. Auch fanden sich dieselben zu der
weiteren Bemerkung veranlaßt, daß sie im Stande seyen, die sich entgegenstehenden
Eigenschaften des Gußstahlblechs: Festigkeit und Dehnbarkeit, die eine auf Kosten der anderen, durch
sichere Fabrications-Methoden beliebig zu erhöhen. Diese Erklärung ist übrigens durch die
gewonnenen Versuchsresultate bestätigt worden, denn es zeigten die Proben, bei ihrer
mittelmäßigen Festigkeit, eine sehr bemerkenswerthe Dehnbarkeit. In der Nähe der Bruchstelle
mußte die Dehnung noch viel größer gewesen seyn, als vorstehend im Mittel für die
Entfernung der beiden äußersten Marken angegeben ist; es wurde nämlich bei den
Versuchen 1, 2 und 4 auch noch der Bruchquerschnitt ausgemessen, und es ergab sich
derselbe beziehungsweise
= 0,444; 0,355; 0,367; im Mittel = 0,388
des ursprünglichen Querschnitts bei einer mittleren Dehnung =
0,152 zwischen den äußersten Marken.
Eine andere Versuchsreihe, welche am 28. April 1857 angestellt wurde, betraf die Festigkeit der Vernietung. Dieselbe äußert sich, wenn man
von der, in der Regel zutreffenden, Annahme ausgeht, daß die Niete nicht ganz genau
in die Nietlöcher passen, in zweifacher Weise. In diesem Falle ist nämlich, bevor
bei allmählich gesteigerter Spannung der vernieteten Bleche die Abscherung der Niete
eintritt, zunächst ein dem Spielraum entsprechendes Gleiten der Bleche längs
einander zu erwarten, welchem sich die Reibung, entsprechend der nicht
unbeträchtlichen Längenspannung in den rothwarm angetriebenen und nachher erkalteten
Nietbolzen, mit solcher Kraft widersetzt, daß die (gewöhnlich allein in Betracht
gezogene) Abscherungsfestigkeit möglicherweise gar nicht zur Entwickelung kommt.
Um den Widerstand gegen dieses Gleiten zu messen, wurden drei Streifen des 6 Millim.
dicken Gußstahlblechs von je 50 Millim. Breite durch ein rothwarm angetriebenes, 16
Millim. im Durchmesser (201 Quadr.-Millim. Querschnitt) starkes Niet von
Gußstahl in solcher Weise auf einander liegend verbunden, daß das ovale Nietloch des
mittleren Blechstreifens ein Gleiten desselben gegen die beiden äußeren gestattete.
Demnächst wurde die Belastung beobachtet, bei welcher ein solches Gleiten eintrat.
Diese Belastung, dividirt durch den Querschnitt des Nietbolzens, ergab sich
bei einem Versuch
= 11,98 Kil.,
bei einem andern
= 14,23 „
im Mittel also
= 13,10 „ per Quadr.-Millim. Querschnitt.
Bis zur Ueberwindung der Abscherungsfestigkeit konnte, wegen unzureichender
Festigkeit der Aufhängungsvorrichtung, die Belastung nicht gesteigert werden.
Durch zwei weitere Versuche, bei welchen nur zwei Blechstreifen, der eine mit ovalem
Nietloch, durch ein rothwarm angetriebenes Gußstahlniet verbunden waren, wurde das
wirkliche Verhalten der Nietung eines Dampfkessels richtiger dargestellt, wenn auch
die Erscheinung des Gleitens weniger rein hervortreten mochte, wegen der etwas
excentrischen Richtung des Zuges und der dadurch verursachten einseitigen Pressung
der Nietköpfe gegen die Bleche.
Der Widerstand gegen das Gleiten wurde = 17,09 resp. 17,47, im Mittel also = 17,28
Kil. per Quadr.-Millim. Querschnitt des
Nietbolzens gefunden.
Erwägt man, daß in beiden Fällen die Reibung in zwei Gleitflächen stattfindet, und
daß der Reibungscoefficient. auf höchstens 1/3 geschätzt werden kann, so mußte in
den Nietbolzen eine beständige Längenspannung von wenigstens
13,10/2 . 3 = 19,65 resp. 17,28/2 . 3 = 25,92 Kil.
per Quadr.-Millim. Querschnitt vorhanden seyn,
d.h. eine ungefähr eben so große Spannung, als im Blech selbst an der schwächsten
Stelle erst bei der Probe unter einem inneren Druck von 17 Atm. erreicht wurde.
Die Berichterstatter weisen aus Veranlassung dieses einigermaßen überraschenden
Resultats darauf hin, daß, wenn auch bei Dampfkesseln ein solcher Spannungszustand
der Niete durch die Rücksicht auf möglichste Dichtheit der Fugen sich motiviren
lasse, derselbe doch bei der gewöhnlich auf ganz gleiche Weise – bei
Rothglühhitze der Niete – gebildeten Vernietung von Blech- und
Gitterbrücken kaum ein normaler genannt werden könne. Es werden hierdurch zwar die,
in Folge unregelrechter Bohrung der Nietlöcher, eintretenden schädlichen Wirkungen
einigermaßen aufgehoben, es geschieht eine solche Ausgleichung aber stets auf Kosten
einer beständigen und oft sehr großen Längenspannung der
Niete, welche verursacht, daß die von der Belastung abhängige transversale Spannung,
auf Grund welcher ihre Dimensionen berechnet werden, vielleicht gar nicht zur
Entwickelung gelangt. Zugleich wird erwähnt, daß bei mehreren in Deutschland
ausgeführten Brücken dieser abnorme Zustand – freilich mit größeren Unkosten
– durch eine sehr sorgfältige Herstellung der Nietlöcher in Verbindung
entweder mit kalter Nietung oder Ersetzung der Niete durch Schraubenbolzen –
Pauli'sche Brückenträger – umgangen worden
sey.
Auf Grund der in dem Vorstehenden näher erörterten günstigen Versuchsresultate und in
besonderer Berücksichtigung des einstimmigen Gutachtens der Commission centrale des machines à vapeur, fand sich die Regierung
bestimmt, den aus Gußstahlblech verfertigten Dampfkesseln eine Toleranz von 1/3 der
gesetzlichen Blechstärke zu gewähren. Auf Locomotivkessel sollte eine solche Ausnahme
jedoch vorläufig noch keine Anwendung finden. Durch Verfügung des Hrn. Ministers vom
18. Mai 1859 wurde die Commission zur Ausführung weiterer Versuche, insbesondere zur
Untersuchung des während eines Zeitraumes von beinahe drei Jahren in
ununterbrochenem Betrieb gewesenen Dampfkessels veranlaßt.
Nach Entfernung der Ummauerung des Dampfkessels ergab die sorgfältige Prüfung seiner äußeren Beschaffenheit, daß sich dieselbe
in tadellosem Zustand befand. Die der directen Wirkung des Feuers ausgesetzt
gewesenen Bestandtheile des Kessels hatten keine sichtbare Aenderung erfahren; die
Wandungen waren durchweg wohlerhalten, die Blechkanten scharf und fest anschließend,
und es waren die Nietköpfe unversehrt.
Der Kessel wurde nunmehr einer dreimal wiederholten, bis zu 21 Atmosphären
gesteigerten, Druckprobe unterworfen. Es zeigten sich
auch hierbei nur wenige undichte Stellen. Der ausgeübte Druck entsprach einer
Umfangsspannung von circa 17 Kil. per Quadr.-Millim. im vollen Querschnitt, also einer Spannung von
circa 25,5 Kil. in dem durch die Nietreihen auf 2/3
verminderten Querschnitt, eine Ziffer, welche als sehr beträchtlich zu erachten ist
bei einem Versuch, welcher nicht sowohl zur Messung der normalen Festigkeit des
Bleches selbst, als vielmehr zur Erkennung schadhafter Stellen im Blech und in der
Nietung dienen sollte.
Der Kessel wurde jetzt zerstört, nachdem die Bleche mit Zeichen zur Erkennung ihrer
früheren Lage im Kessel versehen worden waren. Zur Prüfung der
absoluten Festigkeit und Dehnbarkeit seiner, der Wirkung des Feuers ausgesetzt
gewesenen Bestandtheile wurden Versuchsstücke in derselben Weise wie die
früher gelieferten Blechproben gebildet, und es wurden jetzt, mit einer Belastung
von 36–40 Kil. per Quadr.-Millim.
Querschnitt beginnend, für allmählich bis zum Bruch gesteigerte Belastungen, nicht
nur die unter der Last eingetretenen Dehnungen, sondern auch die bleibenden
Dehnungen nach Aufhebung der Last gemessen; für kleinere Belastungen war bei der
Beschränktheit der disponiblen Mittel eine sichere Messung nicht möglich. Die
Versuchsresultate sind nachstehend verzeichnet, wobei wieder p die Belastung in Kil. per
Quadr.-Millim. Querschnitt, λ die
verhältnißmäßige Dehnung während der Belastung, λ' aber die nach der Entlastung bleibende Dehnung bezeichnet.
P
λ
λ'
Probe von der directenHeizfläche,
senkrecht gegendie Walzrichtung
36,3640,9045,4546,9351,1854,0057,48
0,00730,00980,01960,02320,03670,04900,0980
–0,00730,01710,02080,03670,0490–
Bruch.
Probe von der directenHeizfläche, im
Sinne derWalzrichtung
40,1849,7651,6955,9260,66
0,00740,02220,02970,03960,0990
0,00490,01730,02720,0396–
Bruch.
Probe vom oberen Theildes Kessels
senkrecht gegendie Walzrichtung
39,3248,6850,5754,7157,8259,93
0,01720,03700,04440,07400,09130,1164
0,01480,03700,04440,07400,0913–
Bruch.
Aus der Vergleichung der vorstehenden Resultate mit den betreffenden Zahlen der
früheren Versuchsreihe (vergl. S. 5) ergibt sich zunächst die bemerkenswerthe und
den bereits erwähnten gegensätzlichen Zusammenhang zwischen Festigkeit und
Dehnbarkeit bestätigende Thatsache, daß erstere (59,36 im Mittel) größer als früher
(48,65 i. M.), letztere dagegen (0,104 i. M.) kleiner als früher (0,157 i. M.)
gefunden wurde.
Nachdem die verhältnißmäßige Dehnung bei nach und nach gesteigerter Belastung eine
Größe von 0,038 im Mittel erreicht hatte, ließ sich mit den vorhandenen
Beobachtungsvorrichtungen eine Verminderung derselben bei der Entlastung nicht mehr
mit Sicherheit wahrnehmen. Diese Dehnung entspricht einer Belastung von im Mittel
51,93 Kil. per Quadr.-Millim. Querschnitt.
Letztere Zahl dürfte in dem vorliegenden Falle als das wahre Maaß der Festigkeit zu
betrachten seyn, indem sich erwarten läßt, daß jene Belastung, wenn nur längere Zeit
hindurch wirkend, den Bruch herbeigeführt haben würde. (Die Berichterstatter
verwahren sich dabei ausdrücklich gegen den Anspruch auf wissenschaftliche
Genauigkeit dieser Resultate, welche vielmehr dem vorliegenden Zweck entsprechend,
einen bloß praktischen Werth haben, und mit Hülfsmitteln erreicht wurden, wie eine
mechanische Werkstatt sie darbietet.)
Von praktischer Wichtigkeit ist aber die Thatsache, daß weder die Walzrichtung, noch
die Einwirkung des Feuers während eines dreijährigen Dienstes einen wesentlichen
Einfluß auf die Festigkeit und Dehnbarkeit des Stahlblechs ausüben.
Schließlich wurde versucht, wenigstens eine untere Grenze für die Festigkeit der Gußstahl-Niete zu erhalten, indem
aus dem Kesselblech zwei durch ein Niet verbundene Streifen geschnitten, und diese
nach und nach einer Belastung von 8000 bis 11000 Kil. unterworfen wurden. Bei 10500
Kil. Belastung entstand ein Riß in dem (äußeren) conischen Nietkopf, der sich bei
11000 Kil. erweiterte, und zu einem leichten gegenseitigen Gleiten der beiden
Blechstreifen führte. Weiter als bis 11000 Kil., d. i. 54,7 Kil. per Quadr.-Millim. des Nietquerschnitts konnte
wegen begrenzter Festigkeit des Krahns und der Suspensionskette die Belastung nicht
gesteigert werden.
In dem ferneren Verlauf ihres Gutachtens erörtern die Berichterstatter die Gründe,
welche sie zur Ausführung selbstständiger Versuche über die absolute Festigkeit und Dehnbarkeit der
Gußstahl- und Eisenbleche veranlaßt haben. Sie heben die bessere
Vergleichbarkeit der unter ähnlichen Bedingungen gewonnenen Versuchsresultate
besonders hervor, und legen auch noch darauf ein Hauptgewicht, daß, weil man bei den
früher stattgehabten Ermittelungen der absoluten Festigkeit von Blechen auf die
Dehnbarkeit des Metalls keine Rücksicht genommen habe, gerade diesem Umstande in dem
vorliegenden Falle besondere Aufmerksamkeit zu widmen sey. Sie weisen darauf hin,
daß es unter den zahlreichen Anwendungen des Eisens nur zwei gebe, bei welchen man
dieser letzteren Eigenschaft wegen sich Sorgen zu machen pflege, nämlich: bei der
Verfertigung von Ketten und Hängestangen für Kettenbrücken, so wie von Ankerketten
für die Marine. Wenn nun aber auch bei Dampfkesseln das Metall nicht wie bei jenen
Anwendungen der Einwirkung von Stößen ausgesetzt sey, denen es durch seine
elastische Deformation müsse Widerstand leisten können, so sey doch namentlich mit
Rücksicht auf die Bearbeitung, welcher das Blech bei der Fabrication der Kessel
unterworfen wird, genügende Dehnbarkeit nicht weniger nöthig: das Lochen und
Verstemmen verbietet ein sprödes Blech, und wenn auch selbst diese Arbeiten nicht
unmittelbar zu Rissen führen, so erhöhen sie doch die Sprödigkeit eines an sich
schon spröden Blechs und vermindern also die Widerstandsfähigkeit eines Kessels
gerade an den Stellen, in den Nietreihen, wo er derselben des verminderten
Querschnitts wegen am meisten bedarf.
Die Explosion des Kessels der Locomotive la Turquie
(Station Dormans, Linie Paris-Straßburg) am 20. August 1857 wird als Beispiel
angeführt, wobei der erwähnte Umstand augenscheinlich die Explosion verursacht habe.
Die Versuche mit den, dem explodirten Kessel entnommenen 6 Probestücken ergaben eine
Festigkeit = 28,4 bis 37,6 Kil., im Mittel = 33,85 Kil. per Quadr. Millim., Zahlen welche für Blech aus Puddeleisen genügend erscheinen. Die
ungenügende Festigkeit der Bleche konnte daher nicht die Ursache der stattgehabten
Explosion gewesen seyn; auch deuteten alle Umstände darauf hin, daß ein zu niedriger
Wasserstand nicht vorhanden und die Dampfspannung bei weitem nicht so hoch gewesen
seyn konnte, daß dadurch eine Ueberwindung der normalen Festigkeit der Bleche,
selbst in dem durch die Niete um 0,44 verminderten Querschnitt, hätte eintreten
können. Es wurde aber auch die verhältnißmäßige Dehnung jener 6 Proben bei der
Bruchbelastung gemessen und als zwischen den weiten Grenzen 0,013 und 0,069 liegend
gefunden, woraus hervorgeht, daß wenigstens einige der Bleche große Sprödigkeit besaßen. Diese Eigenschaft des Metalls offenbarte sich
bei den Versuchen schon dadurch, daß der Bruch plötzlich, ohne vorhergehende
Anzeichen, erfolgte, und daß der Bruchquerschnitt keine meßbare Reduction erfuhr.
Schließlich wird hervorgehoben, daß die Sprödigkeit der Bleche nicht nur die
Explosion eines Kessels veranlassen, sondern auch die Gefahr derselben erhöhen
könne, indem sie, wie auch im angeführten Falle geschah, ein Zerspringen in viele
Stücke zur Folge hat, die auf weite Entfernungen weggeschleudert werden.
Die Versuche der Commission mit Blech aus englischem
Puddeleisen und aus weichem Holzkohleneisen (von Audincourt) lieferten
folgende Resultate für die Dehnungen λ bei den
Belastungen p in Kil. per
Quadr.-Millim. des anfänglichen Querschnitts, welche Dehnungen sämmtlich
innerhalb der Genauigkeitsgrenzen der Beobachtung als bleibend bei der Entlastung
erkannt wurden.
Blech von englischem
Puddeleisen.
Blech von
Holzkohleneisen vonAudincourt.
p
λ
p
λ
Zug in derWalzrichtung
2332
––
Bruch.
Zug in derWalzrichtung
3537,9
0,050–
Bruch
Zug senkrecht gegendie
Walzrichtung
22,628323435
–0,0050,0100,015–
Bruch
Zug senkrecht gegendie
Walzrichtung
32,833,534,535,4
0,0350,0450,060–
Bruch
Aus einer Vergleichung der vorstehenden Versuchsreihen läßt sich folgern, daß die
Sprödigkeit des Puddeleisens ein Hauptmangel desselben ist, und daß die Vorzüge des
Holzkohleneisens weniger in seiner größeren Festigkeit, als vielmehr in seiner großen Dehnbarkeit
beruhen, hinsichtlich welcher dieses Blech in der Mitte steht zwischen dem Blech aus
Puddeleisen und aus Gußstahl, wobei jedoch zu erwägen, daß es einen in der
Unvollkommenheit der Schweißung begründeten wesentlichen Fehler hat, der es unter
der Einwirkung des Feuers geneigt macht, sich zu spalten. –
Nach den mitgetheilten, für die Einführung des Gußstahlblechs zur Verfertigung der
Dampfkessel höchst günstigen eigenen Erfahrungen glaubte die Commission auch die
Urtheile renommirter Ingenieure und Fabrikanten einholen zu sollen, und zwar nicht
nur Solcher, welche bereits von diesem Metall zu dem in Rede stehenden Zweck
Gebrauch gemacht hatten (die HHrn. Pétin und Gaudet lieferten von Juli 1857 bis December 1860 an
Gußstahlblechen zu Dampfkesseln 109,000 Kilogr.), als auch Solcher, welche etwa
principieller Bedenken wegen von der Verwendung desselben bisher Abstand genommen
haben möchten.
Der Bericht resumirt die von den betreffenden Fachmännern der
Commission zugegangenen gutachtlichen Aeußerungen, welchen hier nur einige
Notizen entnommen werden mögen:
1. Herr Delacour, ingénieur
des constructions navales et des ateliers de la Ciotat, welcher das
Gußstahlblech zu zwei kleinen Kesseln an Bord des Packetboots la Néva benutzt hat, constatirt seine leichte Bearbeitung, seine
Biegsamkeit, welche die Anwendung von Winkeleisen zur Verbindung unter rechtem
Winkel entbehrlich macht, seine vollständige Homogenität und die schätzbare
Eigenschaft, unter der Einwirkung des Feuers sich nicht zu spalten und abzublättern
wie Eisenblech. Für den cylindrischen Theil des Kessels hält er die Reduction der
Dicke auf die Hälfte, im Vergleich mit Eisenblech, mit Sicherheit für zulässig; bei
ebenen Kesselwänden hält er aber eine im Verhältniß der geringeren Dicke stehende
Vervielfältigung der Bolzen für nöthig, wodurch die Abmeißelung des Kesselsteins
sehr erschwert werden wird.
2. Herr Mazeline von Havre hat n. A. bei 6 in der
Raffinerie der Herren Clerc zu Ingouville aufgestellten
Kesseln alle dem Feuer ausgesetzten Theile aus Gußstahlblech verfertigt; sie sind
seit zwei Jahren in Betrieb, und verspricht sich Herr Mazeline von ihnen die vierfache Dauer eiserner Kessel. Mit dem
Marine-Ministerium steht derselbe in Unterhandlung wegen Verwendung des
Gußstahlblechs, wenn nicht zur Construction der ganzen Kessel, so doch wenigstens
der dem directen Feuer ausgesetzten Theile. Auch er führt an, daß sich das
Gußstahlblech niemals im Feuer spalte, ferner, daß es bei Hellrothglühhitze sich
vortrefflich verarbeiten lasse, und eine nur mit derjenigen des reinen
Roth-Kupfers vergleichbare Hämmerbarkeit besitze; für die cylindrischen
Kesselwände hält er die
Reduction der Dicke um 1/2, für die ebenen Wände um 1/3 für zulässig.
3. Herr Houel, ingénieur des
établissements de la société Cail, stimmt in Betreff
der vorzüglichen Eigenschaften des Metalls mit den zuvor genannten Fachmännern
überein, glaubt aber, daß die Reduction der Blechstärke auf die Hälfte an die
Bedingung einer doppelten Nietreihe geknüpft und außerdem der Umstand in Betracht
gezogen werden müsse, ob die Bleche dem directen Feuer oder der Einwirkung des
Meerwassers ausgesetzt sind oder nicht. Für die dem Feuer oder der Einwirkung des
Meerwassers ausgesetzten Flächen schlägt er die Formeln vor:
e = 0,90
(n – 1) d +
2
Millim. bei doppelter Nietreihe,
e = 1,4
(n – 1) d +
3
„ „ einfacher
Nietreihe;
anderenfalls die Formeln:
e = 0,65
(n – 1) d +
2
Millim. bei doppelter Nietreihe,
e = 0,80
(n – 1) d +
2
„ „ einfacher
Nietreihe;
endlich für die einem äußeren Druck ausgesetzten cylindrischen
Flächen:
e = 1,8 (n – 1) d + 3 Millim.
4. Die Ingenieure der Oftbahn machten mit einem 1858
gebauten, mit Herd und Feuerbüchse von Gußstahl versehenen Locomotivkessel
anfänglich nicht ganz günstige Erfahrungen; es zeigten sich Risse im unteren Theil
des Herdes, und es stellte sich die Meinung fest, daß es dem Stahl etwas an
Weichheit fehle. Nach einigen Reparaturen hielt sich übrigens der Kessel gut;
derselbe hatte bei ihrer Berichterstattung bereits 400 Kilometer durchlaufen.
5. Herr Boutmy, ingénieur du
matériel de la section sud du réseau de Paris à la
Méditerranée, theilt Beobachtungen mit, welche mit denjenigen
der Ingenieure der Ostbahn übereinstimmen. Bei zwei Locomotiven mit einem Feuerherd
von Gußstahl (Bleche von 10 bis 11 Millim. Dicke, außer der vorderen durchlochten
Platte, welche 18 Millim. stark ist) hat man Anfangs große Schwierigkeiten gehabt,
die 0,09 bis 0,10 Meter entfernt liegenden Bolzen dicht zu halten; sie waren von
Eisen, und mußten durch solche von Rothkupfer ersetzt werden. Bei der letzten
Besichtigung zeigten sich einige von den Bolzlöchern als dem Anschein nach in der
Walzrichtung verlaufene leichte Risse. Uebrigens wurden weder blasige noch
abgeblätterte Bleche beobachtet; bei der Herstellung ließen die Blechränder sich
sehr gut biegen, und es haben die Vernietungen sich gut gehalten.
6. Das Comité für Mechanik der gleichfalls um ihre Meinung befragten Société industrielle de Mulhouse benutzte
die Gelegenheit, über die Bestimmungen des in Kraft stehenden französischen
Regulativs überhaupt seine Erfahrungen und Wünsche auszusprechen, welche auf die Annahme des in England
herrschenden und kürzlich auch in Preußen angenommenen Princips, d.h. auf das
Weglassen jeder Vorschrift über die Blechstärke hinauslaufen.
7. Im Gegensatz zu der Ansicht seiner Collegen befürwortet Herr Hirn von Logelbach die Aufrechthaltung und strengste Ueberwachung der
Ausführung des Reglements in fraglicher Beziehung, und scheint selbst eine
Rücksichtnahme auf die Qualität des Metalls nicht befürworten zu wollen.
8. Herr Farcot geht nicht so weit wie Herr Hirn, indem ihm wenigstens eine beträchtliche Toleranz zu
Gunsten des Gußstahlblechs unbedenklich erscheint. –
Die weitere Verfolgung dieser Sammlung von Erfahrungen und gutachtlichen Aeußerungen
glaubte die Commission unterbrechen zu dürfen, da inzwischen die Commission centrale des machines à vapeur mit der
Bearbeitung einer durchgreifenden Revision der reglementarischen Bestimmungen von
1843 beauftragt worden war.
Nur die außerhalb Frankreich gemachten Erfahrungen glaubte
die Commission noch in Erwägung ziehen zu müssen.
In Betreff Deutschlands wird bemerkt, daß, so vielfältig
dort, insbesondere in Preußen, die Verwendung des Gußstahls im Maschinenbau auch
sey, dieß doch von demselben in Form von Blech viel weniger gesagt werden könne; es
wird ferner des die Anwendung des Gußstahlblechs zu Dampfkesseln betreffenden
provisorischen preußischen Ministerial-Rescripts vom 11. October 1859
Erwähnung gethan, welches übrigens durch das neue Regulativ, betreffend die Anlage
von Dampfkesseln, vom 31. August 1861, bereits anderweite Erledigung gefunden
hat.Polytechn. Journal Bd. CLXIII S.
71.
In Betreff Englands wird Hr. D. K. Clark, Verfasser der Schrift: „Recent
prctice in the locomotive engine. London, 1860“ als
Autorität angeführt, welcher die günstigste Meinung über die Verwendung des neuen
Materials zu Dampfkesseln ausspricht. Nach seinen Angaben werden in Sheffield
Gußstahlbleche zu Dampfkesseln fabricirt, deren absolute Festigkeit im Durchschnitt
67 Kil. per Quadr. Millim. beträgt, während die
vorzüglichen Eisenbleche von Yorkshire durch eine Belastung von 39,4 Kil.,
diejenigen von Staffordshire durch eine Belastung von 31,5 Kil. per Quadr. Millim. zerrissen werden. Die
Berichterstatter bedauern, daß bei der Ermittelung der Festigkeit der gedachten Blechgattungen nicht auch
gleichzeitig ihre Dehnbarkeit gemessen worden sey. – Es wird ferner auf die
im Jahre 1858 durch das Mining Journal veröffentlichten
Mittheilungen hingewiesen, denen zufolge Blech von Puddelstahl bereits mit Erfolg
angewendet worden sey, so namentlich bei einem zur Auskundschaftung des Niger
bestimmten Dampfboot. Bei diesem Schiff wurden, um das Gewicht desselben auf ein
Minimum zu beschränken, die ganze Bekleidung und die Kessel aus diesem Material
angefertigt, und zwar in der halben Stärke, in welcher man Eisenblech zu dem
gedachten Zwecke würde angewendet haben. Uebrigens spricht der Bericht die Meinung
aus, daß dem Gußstahl, wegen seiner gerade so besonders schätzbaren Garantie der
Homogenität, unbedingt der Vorzug vor dem Puddelstahl zu fraglichem Zweck gegeben
werden müsse.
Alles zusammengenommen, halten die Berichterstatter es für hinlänglich erwiesen, daß
Gußstahlblech bei einem angemessenen Grade der Kohlung eine doppelt so große
Festigkeit sowie eine wesentlich größere Dehnbarkeit besitzt, als das zu
Dampfkesseln gewöhnlich verwendete Eisenblech. Weitere
Versuche halten sie aber für nöthig, um den zwischen
jenen beiden Eigenschaften der Festigkeit und Dehnbarkeit bestehenden
Zusammenhang genauer festzustellen, damit die Fabrication des
Gußstahlblechs in den Stand gesetzt werde, auf rationelle und sichere Weise
dasjenige Fabricat willkürlich zu erzielen, welches für den jedesmaligen Zweck das
geeignetste ist. Die Herren Pétin und Gaudet fabriciren zwar zweierlei Sorten Gußstahlblech
unter den Namen: tôle douce und tôle vive, ersteres zu Feuerherden und solchen
Theilen, welche getrieben und stark gebogen werden müssen, letzteres zu den
cylindrischen und äußeren Theilen der Kessel bestimmt; ob aber unter diesen
Bezeichnungen in der That ganz constante Fabricate erzielt und geliefert werden,
glauben die Berichterstatter gegenwärtig noch bezweifeln zu müssen.
Vorschläge der Commission.
In der Voraussetzung, daß es sich im Hinblick auf die in Aussicht stehende
durchgreifende Revision der Ordonnanz vom 22. Mai 1843Fleurypag. 7. Bulletin des Lois
No. 1032. bei ihren Vorschlägen nur um eine provisorisch ergänzende Bestimmung handeln
könne, nahm die Commission auf Grund der von ihr angestellten Ermittelungen keinen
Anstand, für Kesselbleche aus Gußstahl eine Reduction der
vorschriftsmäßigen Dicke auf die Hälfte zu befürworten. Sie gieng jedoch
dabei von der Voraussetzung aus, daß es den die Befolgung des Reglements
überwachenden Beamten zur Pflicht gemacht werden müsse, die zur Fabrication der
Kessel bestimmten Gußstahlbleche vor ihrer Verwendung in
den betreffenden Fabriken zu besichtigen, einzelne Proben zu prüfen und sodann
sämmtliche Bleche, auf welche die reglementarische Toleranz Anwendung findet, durch
Stempelung als solche kenntlich zu machen.
Von dem Comité für Mechanik der Société
industrielle de Mulhouse war hervorgehoben worden, daß eine solche
Vorprüfung, bei welcher die Blechstärke, sowie die Beschaffenheit des Materials
zugleich in Betracht gezogen werden solle, praktisch unausführbar sey, und es hatte
das gedachte Comité insbesondere auf diesen Umstand das Verlangen basirt, daß
für die Folge von einer gesetzlichen Vorschrift über die Blechstärken gänzlich
Abstand genommen werden möge, denn es könne die Production guter Bleche nur dadurch
gehoben und gefördert werden, daß man dem fabricirten Material eine freie, seiner
Beschaffenheit entsprechende, Verwendung zu Theil werden lasse.
Die Commission vermag diesen Ausführungen nicht in allen Punkten beizutreten. Sie
erkennt zwar an, daß alle gesetzlichen Vorschriften in Sachen der Industrie einen
progressiven Charakter haben, daß sie mit der Zeit veralten und periodisch dem
Zustand und den Bedürfnissen der Industrie auf Neue angepaßt werden müssen, und daß
daher in Betreff der Dampfkessel das Bedürfniß einer Revision und Aenderung der
bestehenden gesetzlichen Vorschriften vorhanden sey. Durch das vollständige
Freigeben der Blechstärken aber würde man aus dem einen Extrem in das andere geführt
werden. Die in Kraft stehenden Bestimmungen hätten bisher große Dienste geleistet,
die Sicherheit begründet und zu dem guten Ruf der französischen Kesselfabriken
wesentlich beigetragen; Garantien bei einem neuen Material, wie Gußstahlblech, seyen
wenigstens in der ersten Zeit nöthig, und es sey endlich die Zahl der
Etablissements, welche sich mit der Fabrication von Gußstahlblech befassen, nicht
eine so große, daß die befürchteten praktischen Schwierigkeiten in's Gewicht fallen
dürften.
Was den Umstand betrifft, ob die Blechs der directen Einwirkung des Feuers ausgesetzt
sind oder nicht, so ist die Kommission nicht der Meinung, daß die Reduction der
vorschriftsmäßigen Stärke auf die Hälfte nur auf die letzteren sich beziehen, für
die ersteren aber ein geringeres Maaß der Reduction genommen werden solle. Eine
solche Unterscheidung, wenn auch nicht ganz und gar ohne Grund, werde gleichwohl
auch durch das in Kraft befindliche Reglement nicht gemacht, denn je dicker das Blech, desto mehr sey
es, unter übrigens gleichen Umständen, der Gefahr des Verbrennens und Abblätterns
ausgesetzt.
Die für Locomotivkessel in Frankreich bereits gewährte Toleranz von 1/3 der
Blechstärke empfiehlt die Commission, neben der Toleranz von 1/2 zu Gunsten des
Gußstahlbleches, für die Bleche jener Kessel aufrecht zu erhalten, so daß danach die
Gußstahlbleche für Locomotivkessel nur 1/3 so dick zu seyn brauchten wie Eisenbleche für stationäre Kessel bei gleichem Durchmesser und gleicher Dampfspannung.
In allen Fällen aber glaubt die Commission ein Hauptgewicht auf die Art der
Vernietung der in der Richtung der Länge des Kessels laufenden Fugen legen zu
müssen. Sie empfiehlt daher an die Toleranz von 1/2 der Blechstärke ausdrücklich die
Bedingung zu knüpfen, daß jene Vernietung stets mit doppelter Nietreihe ausgeführt
seyn müsse, und zwar in solcher Weise, daß die Niete der einen Reihe mit den Mitten
der Zwischenräume der anderen Reihe correspondiren. Nach Versuchen von Fairbairn, vom Jahre 1858, wird nämlich durch eine in
üblicher Weise proportionirte einfache Nietreihe die
Zerreißungsfestigkeit des Blechs in der Richtung senkrecht gegen die Nietreihe auf
0,56 reducirt nahe übereinstimmend mit dem theoretischen Werth = 0,61, welcher sich
streng genommen nur für sehr dünne Bleche ergibt, wenn der Querschnitt eines Niets
gleich demjenigen eines Intervalls und der Durchmesser eines Niets gleich der
zweifachen Blechstärke gesetzt wird), wohingegen bei zweifacher Nietreihe nur eine Reduction = 0,70 eintritt. Die
Berichterstatter würden es daher für unverzeihlich halten, wenn man auf eine so
wesentliche und zu den größeren Kosten ganz außer Verhältniß stehende Vermehrung der
Widerstandsfähigkeit Verzicht leisten wollte.
Es wird außerdem hervorgehoben, daß jene Reduction der Zerreißungsfestigkeit durch
die Vernietung auf 0,56, resp. 0,70 keine absolute Größe, sondern eine Function der
Blechstärke seyn müsse (wenn auch immer der Durchmesser der Niete dasselbe
Verhältniß zur Blechstärke behält); in der That ist bei stärkeren Blechen eine
größere Abweichung ihrer Mittelebenen von der mittleren Zugrichtung, also eine
größere Neigung zur Biegung um die Nietreihe, mithin eine größere Schwächung unter
sonst gleichen Umständen zu erwarten. Diese Erscheinung ist übrigens auch durch
directe in England angestellte Versuche, worüber Hr. D. K. Clark berichtet, bestätigt worden: ein Argument mehr zu Gunsten der
Anwendung eines Materials, welches bei gleicher Widerstandsfähigkeit eine
wesentliche Reduction der Blechstärke ermöglicht.
Die Commission benutzt diese Gelegenheit, um die Constructeure auf ein die Vernietung
betreffendes Detail aufmerksam zu machen. Bekanntlich entstehen die meisten
Undichtheiten an Dampfkesseln in der Gegend der directen Heizflächen. Hier sind die
äußeren Nietköpfe der Wirkung der Stichflammen ausgesetzt. Ihre Verbrennung hat zur
Folge, daß die Bleche sich von einander trennen und Undichtheiten entstehen. Zur
Abhülfe dieses Uebelstandes schlägt die Commission vor, der äußeren Hälfte des
Nietbolzens eine nach außen sich erweiternde conische Form zu geben, das Loch im
äußern Blech also entsprechend conisch auszuarbeiten, so daß das Niet auch nach dem
gänzlichen Abbrennen des eigentlichen Kopfes noch wie ein Niet mit versenktem Kopfe
wirksam bleibt.
(Anmerkungsweise wird hier in Betreff der Nietung noch auf die Versuche hingewiesen,
welche in Woolwich von Herrn Bertram mit der von ihm
erfundenen Schweißungsmethode angestellt wurden, wodurch unter Beseitigung aller
Niete dem Blech seine volle Widerstandsfähigkeit erhalten zu werden scheine. Herr D.
K. Clark zweifelt nicht, daß über Kurz oder Lang durch
solche Schweißung die Nietung verdrängt werden würde.)
Mit Untersuchungen über die zu ebenen Wänden erforderliche Stärke der Gußstahlbleche,
bedingt durch die Vertheilung der Verankerungen, hatte die Commission sich nicht zu
beschäftigen, da diese Frage auch bei Anwendung von Eisenblech dem Ermessen der
Constructeure überlassen ist; nur wird darauf aufmerksam gemacht, daß bei gleicher
Vertheilung jener Anker oder Bolzen die Reduction der Dicke des, hier in anderer Art
als bei einfachem Zuge in Anspruch genommenen Bleche selbst eine andere (geringere)
seyn müsse.
(Obige Vorschläge der Commission sind von der Commission
centrale des machines à vapeur gebilligt, von der Regierung
genehmigt und demnächst durch Verfügung vom 26. Juli 1861, in Gemäßheit des
§. 67 der Ordonnanz vom 22. Mai 1843, in Kraft gesetzt worden.)