Titel: | Ueber die Verwendung des Leuchtgases zum Heizen der Kirchen. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. VIII., S. 32 |
Download: | XML |
VIII.
Ueber die Verwendung des Leuchtgases zum Heizen
der Kirchen.
Ueber die Verwendung des Leuchtgases zum Heizen der
Kirchen.
Hr. Schnuhr theilt in
einem ausführlichen Aufsatz in Erbkam's Zeitschrift für Bauwesen, 1861 S.
649, in dieser Hinsicht die folgenden werthvollen Notizen mit, welche er
sorgfältig von Berliner Kirchen sammelte und zusammenstellte.
1. Die Gasheizung in der Katharinenkirche in Hamburg,
welche einen Rauminhalt von 1,100,000 Kubikfuß haben soll, besteht aus 8
kastenförmigen Oefen aus Eisenblech, jeder mit 32 Sieben von 11 1/2 Zoll Länge und 4
1/2 Zoll Breite oder in Summe mit 4608 Quadratzoll Rostfläche, daher pro 1000 Kubikfuß Raum 4,2 Quadratzoll Rostfläche. Das
einmalige Heizen der Kirche (3 1/2 Stunden lang) erforderte 7200 Kub. F. Gas, und
kostete 14 1/2 Thaler. Zum Anheizen sind pro 1000 Kub.
F. Raum 3 Kub. F. Gas, und zur Erhaltung der Temperatur alsdann nur 1/4 hiervon pro Stunde erforderlich gewesen. Die Messung des Gases
erfolgt durch 4 Gasmesser, jeder für 150 Flammen. Die Heizung ist seit dem 2. Januar
1857 im Gange.
2. Die Domkirche in Berlin hat 560,000 Kub. F. Rauminhalt,
zur Heizung 8 kastenförmige Oefen aus Eisenblech mit je 24 Sieben à 11 Zoll lang, 1 1/2 Zoll breit, oder in Summe
3168 Quadratzoll Rostfläche, also pro 1000 Kubikfuß Raum
5,7 Quadratzoll Rostfläche. Für einmalige Heizung (3 Stunden) sollen 2700 Kub. F.,
oder zum Anheizen pro 1000 Kub. F. Raum 3,4 Kub. F. Gas
und zur Unterhaltung der Temperatur 0,7 Kub. F. Gas pro
Stunde erforderlich seyn. (Endenthum im polytechn.
Journal Bd. CLIII S. 76.)
3. Die Parochialkirche in Berlin hat 450,000 Kub. F. Rauminhalt, bei 60 Fuß hoher, gewölbter Decke 4
kastenförmige Oefen von Eisenblech, jeder mit 15 Rosten von 12 Zoll Länge und 1 1/2
Zoll Breite, oder in Summe 1080 Quadratzoll Rostfläche, also pro 1000 Kub. F. Raum 2,4 Quadratzoll Rostfläche; die Zahl der
Gasausströmungs-Oeffnungen unter den Sieben ist 1860. Die Messung des Gases
geschieht durch 2 Gasmesser für je 100 Flammen, und die Zuführung durch eine 2 Zoll
und eine 2 1/2 weite Gasrohrleitung, da zur Erleuchtung der Kirche noch 83 Stück
Zweilochbrenner vorhanden sind. Die Oefen sind für die Vertheilung der Wärme günstig
aufgestellt und seit dem 21. Januar 1855 im Gebrauch. Der jährliche Gasverbrauch ist
durchschnittlich 119,500 Kub. F. gewesen, wovon nach Abzug von 48,000 Kub. F. für
die Erleuchtung, für die
Heizung 71,500 Kub. F. bleiben, die etwa 130 Thlr. jährliche Heizungskosten
verursacht haben. Dieß macht pro Ofen jährlich 17,875
Kub. F. oder 32 1/2 Thlr., pro 1000 Kub. F. Rauminhalt
jährlich 160 Kub. F. oder 8 3/4 Sgr. und pro Quadratzoll
Rostfläche jährlich 66 Kub. F. Gasverbrauch.
4. Die Französische Kirche auf dem Gendarmen-Markt in
Berlin hat bei 30 Fuß Höhe bis zur Decke 200,000 Kub. F. Rauminhalt und zur
Heizung 4 kastenförmige Oefen von Eisenblech, 3 1/4 Fuß lang, 1 1/3 Fuß breit und 3
1/4 Fuß hoch; in jedem Ofen sind 15 Stück 9 Zoll lange, 3/8 Zoll weite Messingröhren
mit je 25 kleinen Löchern, die Siebfläche jeden Rostes ist 12 Zoll lang, 1 1/2 Zoll
breit, daher ist in Summe 1080 Quadratzoll Rostfläche vorhanden, oder pro 1000 Kub. F. Raum 3,6 Quadratzoll. Die Heizung ist
seit dem 18. December 1857 im Gebrauch; die Messung des Gases geschieht durch einen
Gasmesser für 150 Flammen, die Gaszuführung durch eine 2 Zoll weite Rohrleitung. Man
ist mit den Resultaten der Heizung unzufrieden, und dieß hat hauptsächlich seinen
Grund darin, daß die Decke, aus Bretern hergestellt, welche im Laufe der Zeit
bedeutend zusammengetrocknet sind, klaffende Fugen zeigt und daher eine große
Ventilation verursacht; theilweise ist auch die Röhrenleitung, deren Weite nicht
genügende Gasmengen beim Anheizen in den ersten Stunden herbeischassen kann, und der
zu kleine Gasmesser an den schlechten Erfolgen der Heizung schuld. Dabei sind
natürlich der Gasverbrauch und die Heizkosten verhältnißmäßig groß gewesen, nämlich
durchschnittlich jährlich im Ganzen 72,000 Kub. F. Gas oder 131 Thlr., also pro 1000 Kub. F. Raum jährlich 240 Kub. F. Gas oder 13
1/6 Sgr., pro Ofen jährlich 18,000 Kub. F. Gas oder 32
3/4 Thlr. und pro Quadratzoll Rostfläche jährlich 66
Kub. F. Gas. Das einmalige Heizen während 4 Stunden erforderte 3400 Kub. F. Gas oder
pro 1000 Kub. F. Raum und Stunde 11,3 Kub. F. Gas;
dabei blieb bei 6 Grad äußerer Kälte die innere Temperatur auf Null, und stieg auf
den Emporen bis zu 5 Grad Wärme. Die Gasheizung ist daher ungenügend.
5. Die Philippus-Apostel-Kirche in Berlin
hat etwa 90,000 Kub. F. Rauminhalt, 2 Stück Gas-Oefen von Eisenblech, 4 1/2
Fuß hoch, 3 2/3 Fuß lang, 2 Fuß breit, mit je 7 Rosten von 15 Zoll Länge, 2 Zoll
Breite, also in Summe 420 Quadratzoll Rostfläche, oder pro 1000 Kub. F. Raum 4,3 Quadratzoll Rostfläche. Dieselbe ist seit dem
22. Januar 1853 mit Gas geheizt worden. Die Messung des Gases geschieht durch zwei
Gasmesser für 50 Flammen. Der jährliche Gasverbrauch ist durchschnittlich 48,000
Kub. F. gewesen, davon 11,000 Kub. F. ab für die Erleuchtung durch 30 Flammen,
bleiben für Heizung 37,000 Kub. F. Gas oder pro 1000 Kub. Raum 410 Kub. F.
Gas oder 3/4 Thlr. jährlich und pro Quadratzoll
Rostfläche 88 Kub. F. Gas. Hierbei ist zu bemerken, daß die Decke von dem Dach
gebildet wird, dessen Theile sichtbar sind, und daß der Gottesdienst wöchentlich
dreimal stattfindet. Das einmalige Heizen (3 Stunden) erforderte 580 Kub. F. Gas,
und kostete 1 1/22 Thlr. oder pro 1000 Kub. F. Raum 6,4
Kub. F. Gas.
Bei allen diesen Kirchen geschieht die Heizung durch Siebbrenner. In Berlin sind noch
mehrere andere Kirchen, wie die Gertraudtenkirche, die beiden
Invalidenhaus-Kirchen u.s.w. mit derartigen Gasheizungen versehen; es mögen
jedoch vorstehende Beispiele genügen, um Anhalt für die Praxis bei ähnlichen
Ausführungen zu geben. Hierzu wird es erwünscht seyn, obige Resultate
zusammenzufassen und daraus folgende Schlüsse zu ziehen: pro 1000 Kub. F. Rauminhalt ist die Rostfläche zwischen 2,4 und 5,7
gewählt worden; es wird besser seyn, das letztere Maaß beizubehalten und also
zwischen 5 und 6 Quadratzoll Rostfläche pro 1000 Kub. F.
Raum anzunehmen. Die erhaltene Größe wird auf die Oefen dergestalt vertheilt, daß in
jedem derselben nicht unter 7 und nicht über 32 Roste sich befinden. Im allgemeinen
wird die Aufstellung mehrerer Oefen für die schnelle Vertheilung der Wärme nur
günstig wirken, daher werden pro Ofen 12 bis 18 Roste zu
wählen seyn. Das einmalige Heizen erforderte pro 1000
Kub. F. Raum und Stunde zwischen 5,1 und 11,3 Kub. F. Gas. Man wird je nach der
Construction des Raumes und nach localen Verhältnissen die entsprechende Quantität
veranschlagen müssen. Der jährliche Gasverbrauch pro
1000 Kub. F. Raum betrug nach obigen Angaben zwischen 160 und 410 Kub. F. Gas oder
pro Quadratzoll Rostfläche zwischen 66 und 88
Kubikfuß, und wird derselbe sich theils nach der Construction des Raumes, theils
nach der Dauer und der mehr oder weniger häufigen Wiederholung der einzelnen
Benutzungen richten.
Die Anwendung Bunsen'scher Brenner zur Heizung großer
Räume ist mir nicht bekannt, dagegen sind die aus beiden Systemen combinirten
Kopfbrenner in Berlin in zwei Kirchen zur Heizung angewendet, deren Resultate
folgende sind:
1. Die St. Marienkirche in Berlin hat 500,000 Kub. F.
Rauminhalt, eine gewölbte Decke in 46 Fuß Höhe, und seit dem 8. Decmber 1859 10
runde gußeiserne Gas-Oefen mit je 3 Kopfbrennern. Die Aufstellung der Oefen
ist nicht günstig, da sie zu nahe den Umfassungswänden stehen; die Heizung hat
theils deßhalb, theils weil zu kleine Gasmesser und Rohrleitungen verwendet sind,
nicht befriedigt. Der jährliche Gasverbrauch betrug durchschnittlich 254,000 Kub.
F., dabei brannten zur Erleuchtung 44 Flammen, welche vor Einrichtung der Gasheizung
jährlich 34,600 Kub.
F. Gas verbraucht haben. Die Gasheizung hat also 219,400 Kub. F. Gas consumirt, oder
pro 1000 Kub. F. Raum 438 Kub. F. und pro Kopfbrenner jährlich 7310 Kub. F. Das einmalige
Heizen (4 Stunden) erforderte 4900 Kub. F. Gas und 8 11/12 Thlr. Heizkosten, oder
pro 1000 Kub. F. Raum und pro Stunde 2,4 Kub. F., wobei, bei einer Kälte von 1 Grad äußerlich, im
Innern unten eine Wärme von 5 Grad erzielt wurde.
2. Die St. Nicolaikirche in Berlin hat auch einen
Rauminhalt von 500,000 Kub. F., ebenfalls gewölbte Decke bei 48 Fuß Höhe, und 10
Gas-Oefen mit je 3 Kopfbrennern zur Heizung; aber die Aufstellung der Oefen
ist eine für die Erwärmung günstigere, daher befriedigt diese Heizung bis jetzt,
obgleich die Rohrleitung und besonders die Gasmesser (2 Stück zu 80 Flammen)
ebenfalls zu klein gewählt sind. Die Heizung ist seit dem 19. December 1860 im
Gebrauch, und hat jährlich, nach Abzug des Consums der zur Erleuchtung dienenden 40
Brenner, 158,200 Kub. F. Gas, pro Brenner 5273 Kub. F.
Gas und pro 1000 Kub. F. Raum 316 Kub. F. Gas oder 17
1/4 Sgr. erfordert.
Hieraus ergeben sich nun folgende Resultate: Der jährliche Gasverbrauch pro Brenner ist 5273 bis 7310 Kub. F., also
durchschnittlich 6300 Kub. F. Gas und pro 1000 Kub. Raum
316 bis 438 Kub. F., also durchschnittlich 377 Kub. F. (= 20 1/2 Sgr.) gewesen.
Daher ist die Heizung mit Kopfbrennern theurer als die mit Siebbrennern, welche pro 1000 Kub. F. Raum jährlich durchschnittlich nur 14
5/6 Sgr. betrug; doch ist hierbei zu berücksichtigen, daß in den beiden Beispielen
mit Kopfbrennern theils die Oefen ungünstig gestellt sind, theils diese Kirchen
höher als die Mehrzahl der anderen sind, besonders aber auch die Benutzung erst ein
Jahr gedauert hat, man also noch nicht auf Ersparung von Gas hingearbeitet haben
wird. Hiernach würde also die Heizung mit Kopfbrennern nicht theurer seyn, als die
mit Siebbrennern, und hat dabei den Vortheil, weniger Grundfläche zur Aufstellung zu
erfordern, was besonders bei Kirchen wohl in Anschlag zu bringen ist.
Beim Entwurf eines Projectes zur Gasheizung mit Kopfbrennern für Kirchen und ähnliche
Räume wird man pro 1000 Kub. F. Raum 3 Kub. F. Gas pro Stunde rechnen müssen und die Zahl der Brenner
finden, wenn man mit 40 in den gefundenen Gasconsum pro
Stunde dividirt; diese Anzahl Brenner vertheilt man zweckmäßig zu drei auf einen
Ofen, und stellt diese möglichst von den Umfassungswänden ab.
Die Anlagekosten der Gasheizungen für Kirchen kann man bei großen mit 4 Thlr., bei
kleineren mit 5 Thlr. pro 1000 Kub. F. Raum
veranschlagen, und wird damit sicher ausreichen.
Bemerken will ich noch, daß die Petrikirche in Berlin durch Wasserheizung erwärmt
wird, und daß die einmaligen Heizungskosten 2–3 Thlr. betragen, die bei
Gasheizung 9 5/6 Thlr. ausmachen würden; die Anlagekosten der Gasheizung würden
höchstens 3000 Thlr. seyn, während die der Wasserheizung 4000 Thlr. gewesen seyn
sollen.
Die Vortheile der Gasheizung, besonders für Kirchen, sind nun: die Möglichkeit, in
kurzer Zeit bedeutende Wärmemengen entwickeln, also schnell heizen zu können,
Einfachheit in der Behandlung der Oefen, Leichtigkeit in der Regulirung der
entwickelten Wärme durch Stellung der Hähne, Vermeidung jeder Feuersgefahr, da die
Flammen in bestimmten eisernen Kästen oder Oefen ohne Rauch, Ruß oder
Asche-Rückstände verbrennen, leichte Bedienung der Apparate durch den
Kirchendiener, Vermeidung der Schornstein-Anlagen, welche bei Kirchen in der
Hinsicht immer einen störenden Eindruck machen, Ersparung von Räumen zur Anbringung
der Ofen-Anlagen und für Aufbewahrung des Feuerungsmaterials, wie der Zinsen
für die Beschaffung desselben, endlich verhältnißmäßig billige Einrichtungskosten,
besonders wenn in schon bestehenden Kirchen beim Bau derselben keine Rücksicht auf
künftige Heizung genommen ist.
Diesen Vortheilen gegenüber darf man aber auch nicht die entstehenden Nachtheile
unerwähnt lassen, wozu besonders ein beim Betreten der mit Gas geheizten Kirche
sofort bemerkbarer unangenehmer Geruch gehört, welchen die Verbrennung der in der
Luft schwebenden Staubtheilchen erzeugt. Diese lagern sich während der Zeit, daß die
Kirche nicht benutzt wird, auf den Heiz-Apparaten ab und werden alsdann beim
Heißwerden derselben verkohlt. Hiergegen würde zwar jedesmalige vorhergehende
sorgfältige Reinigung helfen, doch nicht gänzlich, denn durch das Verbrennen des
Gases wird in der Nähe der Oefen ein sehr starker Luftzug erzeugt. Dieser ist nicht
nur für die zunächst Sitzenden höchst lästig, sondern er führt auch fortwährend
neuen Staub in die Flammen, welcher durch sein Verbrennen die sonst blaue Flamme mit
röthlichen, sprühenden Funken versieht und durch seine Verbrennungsproducte auf die
Geruchsnerven wirkt.
Die Verbrennungsproducte des Gases sind Kohlensäure und Wasser; erstere theilt sich,
so wie sie in einem gewissen Grade in der Luft der Kirche sich angesammelt hat,
vermittelst der natürlichen Ventilation sofort der äußeren Luft mit, und gleichen
sich die Gehalte an Kohlensäure in beiden schnell gegeneinander aus, wie dieß
praktische Versuche vielfach gezeigt haben. Der Wasserdampf dagegen schlägt sich an
den kalten Fensterscheiben, den Wänden, auf den Metallen und dem Holzwerk als Wasser
nieder; es leidet die Orgel in Folge dieser Wasser-Ausdünstung, theils läßt
der Leim des Leders los, theils verziehen sich die hölzernen Pfeifen, so daß man bereits aus diesem
Grunde angefangen hat, angelegte Gasheizungen in Kirchen wieder zu beseitigen; die
Kirchengefäße, Leuchter und andere Silbergeräthe laufen an und müssen häufiger, denn
sonst, geputzt werden.
Alle diese Nachtheile würden vermieden werden, wenn man die Verbrennungsproducte
nicht in die Luft der Kirche, sondern in die äußere Atmosphäre führen würde, wenn
man also die Oefen mehr als Wärmesammler construiren und die Verbrennungsproducte in
langen Metallröhren so weit fortleiten würde, bis sie fast alle Wärme an die Luft
der Kirche abgesetzt haben. Dann würde aber die Heizung mit Gas noch theurer werden
und besonders nicht so schnell wirken.