Titel: | Bemerkungen über die nach oben erweiterten Essen; von Jul. v. Hauer, k. k. Bergbeamter zu Wien. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. IX., S. 37 |
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IX.
Bemerkungen über die nach oben erweiterten Essen;
von Jul. v. Hauer, k.
k. Bergbeamter zu Wien.
Aus der Zeitschrift des österreichischen
Ingenieurvereins, 1861 S. 244.
Mit Abbildungen.
v. Hauer, die nach oben erweiterten Essen
Zur Bestimmung der Ausflußgeschwindigkeit der Luft aus einer Esse dient die
Formel
Textabbildung Bd. 164, S. 37
welche Weisbach in der 3. Auflage
seines Lehrbuches der Mechanik Bd. II S. 872 ableitet, und worin die einzelnen
Größen folgende Bedeutung haben:
v die Geschwindigkeit der Verbrennungsluft beim Austritte aus der Esse, ohne Rücksicht auf den Verlust,
welcher durch Reibung etc. entsteht (richtiger wäre es, den unter der Wurzelgröße
stehenden Bruch noch mit p/p¹ multipliciren, wobei p und p₁ die Pressung in und außer der Esse bezeichnen;
wegen des geringen Unterschiedes zwischen beiden kann indessen im vorliegenden Falle
genau genug p = p₁
gesetzt werden);
g die Acceleration der Schwere;
h die verticale Höhe der Ausströmungs- über der
Einströmungsöffnung;
t die mittlere Temperatur der in der Esse befindlichen
Verbrennungsluft;
t die Temperatur der äußeren Luft.
Diese Formel ist aus der Verschiedenheit des mittleren specifischen Gewichtes der
Essenluft gegen jenes der äußern Luft abgeleitet, welche Verschiedenheit den
Auftrieb durch die Esse bewirkt; sie bezieht sich lediglich auf den
Austrittsquerschnitt, und bestimmt die Geschwindigkeiten an allen übrigen Orten der
Esse. Bezeichnen v und a
Geschwindigkeit und Essenquerschnitt an der Austrittsstelle, v' und a' dieselben Großen an irgend einem
andern Orte der Esse, so ist, wenn man von den Bewegungshindernissen und der
geänderten Temperatur absieht,
v'/v =
a/a',
gerade wie für die Bewegung des Wassers durch eine
Röhrenleitung.
Diesem Gesetz, welches man u.a. in Rittinger's
Ventilatoren-Theorie (Formel [100] auf Seite 48) abgeleitet findet, wird die
wirkliche Bewegung des Wassers und der Luft um so näher folgen, je allmählicher die
Querschnitte in einander übergehen. Es kann daher der von Hrn. Dr. H. Wedding im polytechn.
Journal Bd. CLXI S. 432 ausgesprochenen
Ansicht nicht beigestimmt werden, welche den Vortheil der in neuerer Zeit
empfohlenen Erweiterung der Essen nach oben dadurch zu erklären sucht, daß die
Temperatur t₁, folglich laut der Eingangs
citirten Formel die Geschwindigkeit v der Essenluft in
dem unteren Theile größer sey; es beruht diese Erklärung in sofern auf einem
Mißverständniß als v und t₁ nicht die Geschwindigkeit und Temperatur an einem beliebigen Orte,
sondern v die Austrittsgeschwindigkeit und t₁ die
mittlere Temperatur der Essenluft bedeuten, wie dieß in der Weisbach'schen Ableitung der genannten Formel ausdrücklich gesagt ist.
Abgesehen davon, daß die Zunahme der Temperatur in der Esse nach abwärts eine sehr
geringe ist, so würde eine solche Zunahme zur Folge haben, daß ein und dasselbe
Luftgewicht im unteren Theil der Esse ein größeres Volum einnimmt, als im oberen;
daß man mithin, um an allen Orten gleiche Geschwindigkeit zu erzielen, die Esse nach
unten zu erweitern habe.
Haben zwei Essen gleichen Querschnitt im unteren Theil und gleiche Höhe, und sey die
eine cylindrisch oder prismatisch geformt und die andere nach oben erweitert, so
wird durch die letztere mehr Luft streichen als durch die erstere, weil die
Luftmenge das Product aus der Ausflußgeschwindigkeit in den Austrittsquerschnitt
ist, mithin auch der Zug bei der zweiten Esse ein lebhafterer seyn. Es tritt hiebei
dasselbe Verhältniß ein, als ob man Luft durch ein cylindrisches oder conisch
erweitertes Rohr auszublasen hätte; bei letzterem wird die Anwendung eines
geringeren Druckes auf den Gebläsekolben nothwendig seyn, um die gleiche
Ausflußmenge zu erzielen, mithin bei gleichbleibendem Druck eine größere Luftmenge ausgeblasen
werden. Der Druck ist dabei nicht mit der Arbeit zu
verwechseln, welche natürlich im zweiten Falle größer seyn wird.
Um Anhaltspunkte zur Beurtheilung zu gewinnen, ob bei gleicher Höhe der Esse eine
cylindrische oder nach oben erweiterte Form derselben vorzuziehen sey, muß man zwei
Essen vergleichen, welche die bezeichneten Formen besitzen und dabei die gleiche
Luftmenge liefern. Sieht man vorläufig von der Reibung ab, und nimmt die mittlere
Temperatur in beiden gleich groß an, so muß zur Erzielung desselben Zuges der
Ausflußquerschnitt beider Essen ebenfalls gleichgroß seyn. Wegen der nöthigen
rückwirkenden Festigkeit muß die Mauer nach abwärts zunehmende Stärke erhalten, so
daß beide Essen etwa die Form Fig. 1 und 2 erhalten. Bei der Esse Fig.
2 ergibt sich die Verstärkung der Mauer nach abwärts theilweise oder ganz
durch die Verjüngung des lichten Querschnittes; es kann daher die äußere Wand ganz
oder näher senkrecht gehalten werden als in Fig. 1;
die Esse Fig. 2 erhält mithin im untern Theile, bei
gleicher Wandstärke, einen geringeren massiven Querschnitt als nach Fig. 1, sie erfordert also geringeren Materialaufwand
und daher geringere Baukosten. In dieser Beziehung wäre die Verengung des
Querschnittes nach abwärts zu empfehlen.
Fig. 1., Bd. 164, S. 39
Fig. 2., Bd. 164, S. 39
Die letztere Anordnung hat jedoch zur Folge, daß die Geschwindigkeit im unteren Theil
der Esse größer wird; dadurch vergrößern sich aber auch die Reibungshindernisse, und
bewirken daß die Geschwindigkeitszunahme nicht im gleichen Maaße mit der
Querschnittsabnahme stattfindet. Der Ausflußquerschnitt muß also größer gemacht
werden als bei cylindrischen Essen, welcher Umstand auf Erweiterung der ganzen
Essen, mithin auf
Erhöhung der Baukosten wirkt. Es ließe sich zwar unter Zuhülfenahme der für den
Reibungswiderstand der Verbrennungsluft gegebenen empirischen Formeln ermitteln, in
welchem Verhältniß der Materialaufwand für nach abwärts verengte Essen zu jenem für
cylindrische Essen, bei gleicher durchgehender Luftmenge, stehe, und welcher
Verjüngung der geringste Materialaufwand entspreche; es
wäre dann doch noch zu ermitteln, ob eine solche Esse bei der geringeren
Grundfläche, die sie erhält, gegen den Winddruck hinreichende Stabilität besitzt;
allein wegen der Unsicherheit der Coefficienten in den erwähnten Formeln stehen von
dieser Untersuchung keine für die Praxis maaßgebenden Resultate zu erwarten, weßhalb
eine Entscheidung der Frage lediglich der Erfahrung überlassen bleiben muß. So viel
ist gewiß, daß eine Erweiterung der Essen nach abwärts sich nicht empfiehlt.