Titel: | Neue Methode für die Reinigung der Zuckersäfte und Syrupe, und neues Wiederbelebungsverfahren für Knochenkohle; von H. Leplay und J. Cuisinier. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XVI., S. 60 |
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XVI.
Neue Methode für die Reinigung der Zuckersäfte
und Syrupe, und neues Wiederbelebungsverfahren für Knochenkohle; von H. Leplay und J. Cuisinier.
Aus den Comtes rendus, Februar 1862, t. LIV p.
270.
Leplay's, Methode für die Reinigung der Zuckersäfte und Syrupe, und
Wiederbelebungsverfahren für Knochenkohle.
Die Bestrebungen, Verbesserungen in der Zuckerfabrication einzuführen, sind in den
letzten Jahren hauptsächlich auf die Umgehung der Anwendung von Knochenkohle
gerichtet gewesen. Wir haben jedoch in Betracht der vielen von dieser Substanz der
Fabrication geleisteten Dienste, unseren Untersuchungen eine entgegengesetzte
Richtung gegeben, nämlich vorzugsweise die Wirkung der Knochenkohle in jedem Stadium
der Fabrication, die Dauer und das Ende dieser Wirkung untersucht. Wir haben leicht
anwendbare Mittel aufzufinden uns bestrebt, um ihr die beim Gebrauche eingebüßten
Eigenschaften in kurzer Zeit sämmtlich wieder zu verleihen. Wir haben uns bemüht,
der Ursache der verschiedenen Absorptionsfähigkeiten auf den Grund zu kommen, über
welche die Chemie bis jetzt noch so wenig Licht verbreitet hat. Wir konnten, so zu
sagen, ihre Kraft nach Willkür vermehren und so bei Säften und Syrupen eine viel
vollständigere Reinigung als bisher erzielen. Diese Untersuchungen haben uns auf die
Entdeckung einer neuen Reinigungsmethode für Zuckerlösungen und auf eine neue
Wiederbelebungsmethode für Knochenkohle geführt, welche für die
Rübenzuckerfabrication folgende Hauptvortheile bietet:
1) vollkommener Wegfall der Anwendung von neuer Knochenkohle;
2) vollkommener Wegfall der Wiederbelebung bei hoher Temperatur (Wiederbelebungsöfen
etc.);
3) erhebliche Verminderung des in der Fabrik im Laufe der Arbeit angewandten
Knochenkohlenquantums und bedeutende Verminderung der Kosten bei dessen
Anwendung;
4) Erzielung von besseren Producten in größerer Menge, ohne Veränderung der
vorhandenen Apparate;
5) erhebliche Verminderung der Gestehungskosten des Zuckers.
Wir wollen nun die neue Methode beschreiben.
Bei dem gewöhnlichen Verfahren nimmt man an, daß die Absorptionsfähigkeit der Kohle
für alle Substanzen zugleich aufhört, und die Wiederbelebung derselben geschieht
ebenfalls für die verschiedenen Eigenschaften zugleich. Die Fundamentalidee unseres Verfahrens besteht
dagegen hauptsächlich:
1) darin, daß wir erkannt haben, daß die gekörnte Knochenkohle eine mehrfache Rolle
erfüllt und verschiedene Fähigkeiten der Absorption besitzt, welche unabhängig von
einander zur Wirkung kommen und nicht gleichzeitig erschöpft werden;
2) in der successiven Wiedererzeugung der Absorptionseigenschaften, in dem Maaße wie
sie sich erschöpfen, unter Anwendung verschiedener der Natur der absorbirten Masse
entsprechenden Mittel:
3) in der Möglichkeit, nach Willkür die Absorptionskraft der Knochenkohle zu erhöhen,
und so die Reinigung der Säfte und Syrupe zu vervollkommnen;
4) in der Vermeidung jeglicher Anwendung einer höheren Temperatur als derjenigen des
kochenden Wassers oder des freien Dampfes.
Bei der Untersuchung der Vorgänge bei der Filtration der Säfte und Syrupe haben wir,
der allgemeinen Annahme entgegen, gefunden, daß die Erschöpfung der Absorptionskraft
sich in drei Perioden eintheilen läßt, welche wir nach einander betrachten
wollen.
Die erste Reihe der Absorptionen ist nach wenigen Stunden
der Filtration fast ganz erschöpft, unter gewöhnlichen Umständen nach etwa vier
Stunden. Es ist dieß die Absorption der schleimigen stickstoffhaltigen
ammoniakalischen, schmeckenden und riechenden Stoffe, welche die Flüssigkeit der
Syrupe, ihre Krystallisationsfähigkeit, die Härte und Festigkeit des Korns so wie
die Menge und Güte des Zuckers benachtheiligen, und welche dem Rohzucker den Geruch
und Geschmack der Rüben mittheilen. Wir stellen die ursprüngliche Absorptionskraft
vollkommen wieder her, indem wir einen Dampfstrom durch die im Filter enthaltenen
Kohlen gehen lassen. Man kann diese Kraft auf solche Weise beliebig oft wieder
herstellen.
Die zweite Reihe der Absorptionen dauert weit länger,
nämlich sechs- bis achtmal so lange wie die erste; es ist die Absorption der
freien Alkalien, des Kalkes, des Kalis, Natrons, der Kalk- und anderen Salze.
Die Erschöpfung dieser Kraft hängt von dem Alkaligehalt der Säfte ab. Die genannten
Stoffe bewirken hauptsächlich die Färbung der Syrupe während des Kochens in Folge
einer Zerstörung von Zucker, und verhindern bei zu großer Menge die Erreichung der
richtigen, zur Krystallisation nothwendigen Concentration. Wir stellen die
betreffende Fähigkeit der Kohle dadurch wieder her, daß wir eine schwache
Salzsäurelösung in das Filter geben, und dann hinreichend mit Wasser waschen.
Die dritte Reihe begreift die Absorption der Farbstoffe;
sie hört erst nach der
dreißig- bis vierzigfachen Zeit auf. Uebrigens ist die Gegenwart des
Farbstoffes in den Syrupen von untergeordneter Wichtigkeit, wenn sie nur vollkommen
klar und glänzend sind. Auch mit gefärbten Syrupen kann man weiße Zucker erhalten,
und wir stellen, wenn die Farbe des Syrups durchaus dieses verlangt, die
Entfärbungskraft der Kohle durch kochende caustische Alkalilaugen wieder her.
Wir bewirken diese verschiedenen Operationen entweder in den Filtern selbst, oder in
besonderen, denselben ähnlichen Apparaten.
Die verschiedenen, eben angegebenen Wiederbelebungsarten stellen die ursprünglichen
Eigenschaften der Knochenkohle wieder her, vermehren sie aber nicht. Letzteres
bewirken wir durch Fixirung eines neuen Productes in der Knochenkohle selbst.
Wenn man in einem Versuchsglas 1 Aequiv. zweifach-phosphorsauren (biphosphate) und 1 Aequiv. dreibasischen phosphorsauren
Kalk mischt, welcher letztere identisch mit dem in der Knochenkohle enthaltenen ist,
so verbinden sich beide, und bilden ein drittes Salz, welches 2 Aequivalente Basis
enthält. Folgendes ist die Formel dieses Vorganges:
PhO⁵, 3(CaO) + PhO⁵, CaO, 2(HO) = 2 [PhO, 2(CaO), HO].
Dieser neue phosphorsaure Kalk ist in Wasser unlöslich, ohne saure Reaction; er
verändert den Zucker nicht, und ist mit der kräftigsten Absorptionsfähigkeit
ausgestattet. Was in dem Glase mit dem dreibasischen phosphorsauren Kalk geschieht,
geht ebenso in einem Filter mit Knochenkohle vor, wenn man eine verdünnte Lösung von
zweifach-phosphorsaurem Kalk hineingießt. Dasselbe gilt für feinpulverige
Knochenkohle. Die so behandelte Kohle besitzt ein weit beträchtlicheres
Absorptionsvermögen, welches wir nach Willkür variiren lassen können, um so eine
vollkommenere Reinigung der Säfte und Syrupe zu bewirken.
Wir haben auch noch zur Klärung und Reinigung der Zuckerlösungen die merkwürdige
Eigenschaft des phosphorsauren Kalkes mit 3 Aequiv. Kalk benutzt, sich in
gelatinöser Form niederzuschlagen, und dabei alle Trübungen der Syrupe viel
vollkommener als das Eiweis, das Blut oder andere zum Klären benutzte Körper
einzuschließen.
Im Ganzen sind unsere Verfahrungsarten auf das aufmerksame Studium der
eigenthümlichen Eigenschaften der verschiedenen Verbindungen der Phosphorsäure mit
dem Kalke und auf ihre Anwendung zur Klärung der Säfte und Syrupe der
Rübenzuckerfabriken begründet.
Die angegebenen Methoden wenden wir praktisch in zwei großen Zuckerfabriken des
Oise-Departements an, nämlich in derjenigen von Bachoux u. Comp. in Francières und in
derjenigen von Daniel u. Comp.
in Froyères.
Die Menge des in diesen Fabriken nach unseren Methoden hergestellten Zuckers beträgt
bis jetzt etwa 300000 Kilogr. (6000 Ctr.)In diesem Augenblick ist die Zuckerproduction beendet, allein es wird in den
genannten Fabriken auch das zweite und dritte Product in derselben Weise
bearbeitet. Die Dünnflüssigkeit der Syrupe läßt sogar auf die Erzielung von
viertem Producte hoffen. A. d. O.
Diese Fabrication war hinreichend, um den Werth und die Vorzüge unserer
Fabricationsmethoden darzuthun.
Dieselben können mit demselben Erfolge auch auf die Fabrication des Rohrzuckers und
auf die Zuckerraffinerien angewandt werden.