Titel: | Verbesserungen an Nähmaschinen, von Louis Bollmann in New-York. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XXIII., S. 88 |
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XXIII.
Verbesserungen an Nähmaschinen, von Louis Bollmann in
New-York.
Nach dem Scientific American durch das württembergische
Gewerbeblatt, 1862, Nr. 12.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Bollmann's Verbesserungen an Nähmaschinen.
In der Construction der Nähmaschinen, welche mit Schiffchen arbeiten, wurden in
letzter Zeit von Louis Bollmann, einem Deutschen in
New-York, sehr wesentliche Verbesserungen angebracht, wodurch gewisse Theile
des Mechanismus, welche man bis jetzt für absolut nothwendig hielt, entbehrlich
werden, und es ist die nähere Untersuchung dieser sinnreichen Verbesserungen für
jeden Mechaniker höchst interessant.
Fig. 7 ist
eine perspectivische Ansicht der hauptsächlichsten Theile der Maschine von unten
gesehen. Die Zunge a ist am Schiffchenführer d befestigt, und bewegt sich mit demselben hin und her.
Wenn das Schiffchen e vorwärts geht, so streift die
Zunge a dicht an der Nadel vorbei und fängt die
Fadenschleife, zieht dieselbe herunter und vergrößert sie dadurch, daß sie bei der
Vorwärtsbewegung über den breiten Theil der Zunge gezogen wird, während zur
nämlichen Zeit die Schleife durch einen feststehenden Doppelhaken b, c gehalten wird.
Wenn das Schiffchen zurückgeht, wird die Fadenschleife von der anderen Seite des
Doppelhakens c gefaßt und erst jetzt, also beim
Zurückgang des Schiffchens, und wenn die Nadel bereits in die Höhe geht, schlüpft
das Schiffchen durch die Fadenschleife. Im Augenblick, wo das Schiffchen am Ende
seiner Bahn ankommt, löst sich der Faden von dem Doppelhaken ab und die
Fadenschleife wird unter dem Schiffchen weggezogen.
Fig. 8 zeigt
die Art, wie der Stich festgezogen wird. Während das Schiffchen mit der Zunge a nach links geht, wird der obere und untere Faden zu
gleicher Zeit fest angezogen, und zwar nach unten, wodurch eine ganz eigenthümliche
runde Naht erzeugt wird, ohne den Stoff zusammenzuziehen oder runzelig zu
machen.
Das Schiffchen erhält seine Bewegung durch einen auf der Seite der Riemenscheibe k excentrisch angebrachten Stift. Der nämliche Stift
bewegt auch den Hebel l, welcher seinen Drehpunkt am
anderen Ende der Maschine hat und dessen oberer Theil den Nadelarm bildet.
Man hat beobachtet, daß wenn der Faden von der Spule, welche im Schiffchen steckt,
auf die gewöhnliche Weise abgezogen wird, die Spannung desselben ungleich wird, weil
der Faden sich schneller von einer Stelle als von der anderen abwickelt. (Der Faden
wird von der Mitte der Spule rechtwinkelig, von den beiden Enden der Länge nach
abgezogen.) Dieser Uebelstand wird auf eine sehr einfache Weise durch eine weitere
Erfindung des Hrn. Bollmann beseitigt, indem der Faden
von der Spule über eine gebogene Stange f geführt und in
Folge dessen immer rechtwinkelig von der Spule abgezogen wird. Die Abbildung, auf
welcher das Schiffchen offen dargestellt ist, verdeutlicht solches zur Genüge.
Die dritte Verbesserung ist die in Fig. 9 dargestellte
Spulvorrichtung. Die Spule wird der Länge nach zwischen den Hebel m und die Spindel n
gesteckt. Letztere erhält ihre Bewegung dadurch, daß eine am anderen Ende derselben
befestigte Scheibe gegen den Rand der Riemenscheibe k
gedrückt wird, sobald eine Spule in den Hebel m
eingesetzt wird. Es ist dieses eine Anwendung der Frictionsräder, welche jetzt in
England so häufig gebraucht werden und welche auch bei uns mehr in Anwendung kommen
dürften.
Die Vortheile, welche durch diese Verbesserungen bezweckt werden, sind:
1) Die Fadenschleife wird nicht direct durch das Schiffchen von der Nadel abgenommen,
sondern durch eine Zunge, welche so geformt ist, daß sie den Faden nicht zieht oder
schnellt, so lange die Nadel in dem Stoff steckt, sondern denselben bloß hält, bis
die Nadel oben ist. Es werden in Folge dessen sowohl die Nadel als auch der Faden
weniger angestrengt, und beide können deßhalb viel feiner seyn, als bei anderen
Schiffchen-Maschinen.
2) Durch die Anwendung der Zunge a wird es unnöthig, den
Gang der Nadel behufs der Schleifenbildung und während das Schiffchen durch die
Schleife geht, zu unterbrechen. Schiffchen und Nadel werden durch einfache Kurbel
bewegt und größere Geschwindigkeit ist anwendbar.
3) Da das Schiffchen erst dann durch die Schleife geht, wenn die Nadel schon in der
Höhe ist und weil mittelst der Zunge a der Faden, der
die Schleife bildet, schon vorher durch das Nadelöhr gezogen wurde, kann das Oehr
viel kleiner seyn, als bei anderen Maschinen, welche mit ebenso feinem Faden nähen.
Auch können weit größere Bobinen angewendet werden.
4) Durch eine und dieselbe Bewegung des Schiffchenführers werden beide Fäden zu
gleicher Zeit, und zwar von unten angezogen und die Stiche befestigt. Dadurch wird
die obere Naht voll und rund (perlartig), eine starke Spannung beider Fäden kann
angewandt werden, ohne den Stoff zusammenzuziehen, und es wird überhaupt eine bessere Naht
hervorgebracht.
5) Federn oder sonstige Vorrichtungen, um die Fadenschleife bei jedem Stich durch das
Nadelöhr rück- und vorwärts zu ziehen, sind hier nicht mehr nöthig, und es
kann deßhalb auch eine feinere Nadel für den nämlichen Faden gebraucht werden. Dieß
ist beim Nähen mit Schiffchen von der größten Wichtigkeit, weil ein feiner Faden
große Nadelstiche nicht auszufüllen vermag, wodurch die Haltbarkeit der Nähte sehr
beeinträchtigt wird, besonders bei Stoffen, welche wenig dehnbar sind. Es ist
hinlänglich bekannt, daß bei Maschinen, deren Construction ein Zurückziehen der
Fadenschleife nöthig macht, der Faden bedeutend leidet, oft aufgerieben wird und in
Folge der außerordentlich schnellen Rück- und Vorwärtsbewegung, welche
derselbe durch das Nadelöhr zu erleiden hat, bricht. Um dieses einigermaßen zu
vermeiden, muß mit solchen Maschinen langsamer genäht und eine stärkere Nadel
angewendet werden, damit die Reibung im Nadelöhr vermindert wird.
6) Es ist beinahe keine Reibung am Schiffchen, denn es drückt nur vorn gegen die
Führung, während bei anderen Schiffchen-Maschinen eine große Reibung auf der
ganzen Länge der Bahn stattfindet.
7) Die Unterbrechung des Aufwärtsganges der Nadel, während das Schiffchen durch die
Schleife geht, und die Vorrichtung zum Zurückziehen des Fadens fallen hier weg,
wodurch die Maschine sehr vereinfacht wird. Auch näht die Maschine geräuschlos.