Titel: | Ueber zwei neue Nahtarten, welche mit einer Nähmaschine hergestellt werden können; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in Berlin. |
Autor: | Robert Schmidt |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. XXIV., S. 90 |
Download: | XML |
XXIV.
Ueber zwei neue Nahtarten, welche mit einer
Nähmaschine hergestellt werden können; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in
Berlin.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Schmidt, über zwei neue Nahtarten, welche mit einer Nähmaschine
hergestellt werden können.
Die Nähte, zur Verbindung von gewebten Stoffen, welche bis jetzt überhaupt in der
Praxis mit Maschinen hergestellt wurden, sind dreierlei Art, nämlich:
a) die Tamburin- oder
Kettenstichnaht, welche mit nur einem Faden
ausgeführt wird, und deren Verschlingungen Fig. 16 zeigt;
b) die Shuttle- oder
Hakenstichnaht, welche mittelst zweier Fäden ausgeführt wird, und in
Fig. 17
in zweierlei Formen, die von der Fadenspannung abhängig sind, dargestellt ist;
c) die doppelte
Tambourinstichnaht von Grover und Baker, gleichfalls mittelst zweier Fäden ausgeführt, und
in Fig. 18
gezeichnet.
Jede der erwähnten Nähte hat ihre Vortheile und Nachtheile, welche ihre Anwendung zu
den verschiedenen Näharbeiten bedingen und darin ihren Grund haben: daß einerseits
jede Naht sich mehr oder weniger leicht auftrennt, wenn ein Fehler in derselben
entstanden ist; anderseits durch ihre Bildung mehr oder weniger fähig ist, derartige
Fehler durch äußere Einflüsse, wie Bügeln Waschen u.s.w. zu erhalten; endlich daß
jede Naht ein mehr oder weniger schönes Ansehen hat.
Die unter a) erwähnte Tambourinnaht z.B. besitzt zwar,
wegen der Länge ihres verbindenden Fadens viel Elasticität, und stellt auf der einen
Seite eine schöne Steppnaht dar, zieht sich aber, sobald an einer Stelle der Faden
reißt, ganz leicht von selbst auf. – Bedeutend weniger Elasticität hat die
unter b) erwähnte Naht, weil die verwendeten Fäden
verhältnißmäßig kürzer als bei der vorigen Naht sind, beim Bügeln, Waschen u.s.w.
deßhalb leichter Platzen; in Betreff des Auftrennens der Naht, wenn ein Fehler in
derselben vorgekommen ist, hat sie aber Vortheile vor jener, da die Stoffe bei jedem
Stich fest zusammengezogen sind. Bei vollkommen guter Ausführung liefert diese Naht
übrigens auf jeder Seite eine schöne Steppnaht. – Am vollkommensten in Bezug
auf Elasticität und Nichtauftrennbarkeit der Naht, erweist sich die unter c) angeführte, doch wird dieselbe auf der einen Seite
dick, wulstig, und erfordert außerdem viel Garn für den Unterfaden. – Ein
Hauptübelstand der erwähnten Nähte besteht aber noch darin, daß zu jeder derselben
eine Maschine von ganz bestimmter Construction erforderlich ist, und deßhalb
mittelst einer Maschine auch nur bestimmte Arbeiten hergestellt werden können.
Bemerkenswerth möchte noch seyn, daß die unter b)
angeführte Naht sowohl mit der sogenannten Schützenmaschine als mit der Greifermaschine,
welche letztere ihrer Construction nach von Wheeler und
Wilson herrührt, entsteht und gebildet wird.
Ein hiesiger Nähmaschinenfabrikant, welcher schon mehrere Verbesserungen an
Nähmaschinen machte, die den Zweck hatten, ein und dieselbe Maschine für Arbeiten in
verschiedenen Stoffen verwendbar zu machen, hat ganz neuerdings die schon oben
erwähnte Greifermaschine mit solchen Verbesserungen versehen, daß durch ein und
dieselbe Maschine nicht bloß die unter b) erwähnte
Nahtart gebildet werden kann, sondern noch zwei andere Nahtarten, welche die unter
a) und c) angeführten
nicht bloß zu ersetzen im
Stande sind, sondern dieselben in mancher Beziehung noch übertreffen. Dabei kann,
was wichtig ist, die in Rede stehende Veränderung an jeder Maschine mit sehr
geringen Kosten gemacht werden.
Gegenwärtig damit beschäftiget, die Patentirung des beregten Gegenstandes für den
Erfinder in den vorzüglichsten Staaten zu veranlassen, sind wir selbstverständlich
außer Stande, schon jetzt Mittheilungen über die nöthigen Constructionen zu machen,
dieß werden wir später thun. In Bezug auf die neuen Nahtarten selbst aber können wir
Folgendes mittheilen.
In Fig. 19 ist
die eine d) der neuen Nähte gezeichnet. Man erkennt bei
Vergleichung derselben mit der a), daß diese von jener
sich nur dadurch unterscheidet, daß die auf der unteren Seite liegende Schleife hier
gekreuzt ist, was den Vortheil haben muß, daß diese Naht einerseits noch
elastischer, andererseits fester als jene seyn wird. – In Fig. 20 ist die zweite
e) der neuen Nahtarten gezeichnet, welche der unter
c) gegebenen Concurrenz machen wird. Man erkennt
zunächst die unter d) angeführte Nahtbildung wieder, die
aber hier noch mit einem Unterfaden, ganz ähnlich wie bei der unter b) gezeichneten Naht, durchgezogen ist, der sich
gleichsam als Riegel vor jede Schleife legt, und das leichte Auftrennen der Naht
verhindern wird. In Bezug auf Elasticität und Festigkeit wird diese Naht der unter
c) erwähnten nicht nachstehen, wohl aber sich
dadurch von derselben vortheilhaft unterscheiden, daß sie auf der einen, unteren
Seite, weniger dick und wulstig erscheint.
Dem Gesagten fügen wir vorläufig noch hinzu, daß die in Rede stehende Verbesserung
der Nähmaschinen mit Greifer sich in der Praxis vollkommen bewährt hat, und daß
schon jetzt Anträge in Bezug auf den Ankauf ausländischer Patente durch mein
„Bureau für die mechanischen
Gewerbe“ angenommen werden.