Titel: | Ueber die Fabrication des Anilinviolett; von Albert Schlumberger. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LVI., S. 206 |
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LVI.
Ueber die Fabrication des Anilinviolett; von
Albert
Schlumberger.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, März 1862, t. XXXII p. 126.
Schlumberger, über die Fabrication des Anilinviolett.
Die Einwirkung des zweifach-chromsauren Kalis und der Chromsäure auf die
Anilinsalze, welche schon längst durch die Abhandlungen von Fritzsche, Hofmann, Gerhardt und Laurent
bekannt ist, erhielt ihre industrielle Anwendung erst im Jahre 1856–57, nach
den glücklichen und mühsamen Untersuchungen von W. H. Perkin.Man s. Perkin's Abhandlung im polytechn. Journal
Bd. CLXIII S. 372.
Während der Zeit, welche seit Perkin's Untersuchungen bis
jetzt verfloß, hat das Anilinviolett die Oberhand über fast alle im Zeugdruck und
der Färberei bekannten Farben gewonnen; und erst seit wenigen Monaten sank in Folge
der überall sehr groß gewordenen Concurrenz der Preis dieses Artikels auf einen
längst von den Consumenten gewünschten Betrag.
Während zweier Jahre war diese Fabrication fast geheim geblieben, und nur von wenigen
Fabriken, welche für dieses Product das Monopol behaupteten, konnte man es in
vorzüglicher Qualität beziehen.
Das Verfahren mit zweifach-chromsaurem Kali, wovon es sich hier handelt, wurde
in Frankreich zuerst von Monnet und Dury, dann vom Hause Poirier und Chappal Sohn angewandt. Man hat vergeblich versucht es
durch das Verfahren mit Chlor und durch diejenigen mit Bleisuperoxyd,
Mangansuperoxyd, übermangansaurem Kali, Kupferchlorid etc. zu ersetzen; diese und
andere in Vorschlag gebrachte Methoden konnten die ursprüngliche Vorschrift nicht
verdrängen, weil die Ausbeute nicht befriedigte, insbesondere aber, weil man nur
mittelst des zweifachchromsauren Kalis den so beliebten blauen Ton erhalten
konnte.
Das Chlor oder vielmehr der unterchlorigsaure Kalk hat sich zwar der Chromsäure
gegenüber ziemlich lang behauptet, mußte ihr aber dennoch weichen, obgleich man mit
dem Chlor in sehr kurzer Zeit eine verhältnißmäßig größere Menge von Anilincarmin
erhielt, denn das Product war stets zu roth.
Wir wollen im Folgenden zwei von den Methoden beschreiben, welche wir im Hause J. J. Müller und Comp. zu Basel seit
Anfang des Jahres 1860 bis jetzt (Februar 1862) mit Erfolg angewandt haben.
Unser Arbeitslocal enthielt von Anfang an 12 große Kufen von 300 bis 400 Liter
Inhalt, welche über drei Reihen ähnlicher, zur Fällung des extrahirten Products
dienender Kufen aufgestellt waren.
Neben dem großen Arbeitslocal waren 24 andere Kufen von derselben Größe einer Reihe
von Filtern gegenüber aufgestellt, und in diesen Kufen machte man die Mischung von
Anilin, Schwefelsäure und zweifachchromsaurem Kali.
In einer dieser Kufen von beiläufig 400 Liter Inhalt, löste man auf:
4 Kil. Anilin mit
2 Kil. 120 Grm. Schwefelsäure von 66°
Baumé, und
60 Litern Wasser.
Man erhitzte das Gemisch durch ein Dampfrohr, bis das schwefelsaure Anilin
vollständig aufgelöst war; nach vollständigem Abkühlen ließ man dann eine kalte
Auflösung von
6 Kil. 360 Grm. zweifach-chromsaurem Kali
in
40 Litern Wasser
als schwachen Strahl hineinfließen.
Die Masse, welche sich so stark trübt daß sie schwarz wird, rührt man während zwei
Tagen von Zeit zu Zeit um, dann gießt man so viel heißes Wasser darauf, daß die Kufe
gefüllt wird. Nach vollständigem Absetzen decantirt man das Wasser, welches das
überschüssige chromsaure Kali und andere Unreinigkeiten enthält. Man wascht in
dieser Weise den Niederschlag drei- bis viermal aus, und läßt ihn dann auf
Filtern abtropfen. Hernach wascht man diese Filter dreimal mit Wasser aus, welches
mit Schwefelsäure versetzt ist und 2° Baumé zeigt; diese Operation
kann nämlich nicht durch Decantiren geschehen, weil die saure Masse sich nur sehr
langsam absetzt. Nach diesem Auswaschen mit schwefelsaurem Wasser süßt man mit
kaltem Wasser aus, bis die filtrirte Flüssigkeit nur noch eine schwache gelbliche
Farbe zeigt, was erst nach acht- bis zehnmaligem Aussüßen der Fall ist.
Man gibt alsdann das auf den Filtern befindliche Product in eine der Extrahirkufen,
und läßt es zwei Stunden lang unter beständigem Umrühren mit Wasser kochen. Nach dem
Kochen reicht 1–2stündige Ruhe hin, um durch ein Filter aus doppelter
Leinwand, welches auf den Fällungskufen angebracht ist, decantiren zu können.
Nach diesem ersten Kochen wird dasselbe noch fünf- bis sechsmal wiederholt,
bis das Wasser keinen Farbstoff mehr aufnimmt. Diese gefärbten Bäder werden hernach
in der Wärme durch 1 Liter Aetznatron
per Kufe gefällt; man zieht das Aetznatron dem Kochsalz
oder kohlensauren Natron vor, weil es die Fällung viel rascher bewirkt.
Nach hinreichendem Absetzenlassen decantirt man, und filtrirt das auf dem Boden der
Kufen befindliche gefällte Violett, indem man es auf dem Filter läßt, bis der Teig
eine gewisse Consistenz erlangt hat; dann wascht man ein- oder zweimal mit
heißem Wasser, um das überschüssige Alkali zu entfernen. Dieses Product hat
ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln Spuren vom ersten schwarzen Niederschlag mit
sich gerissen, weßhalb es gereinigt werden muß; man rührt daher den Teig mit
beiläufig dem zwanzigsten Theile seines Gewichts Essigsäure an, um seine Auflösung
zu erleichtern, und kocht ihn wieder in einer Kufe, welche bloß zu diesem Zweck
dient. Man decantirt nochmals durch ein Filter in eine darunter befindliche Kufe,
und fällt wieder mit Aetznatron.
Um das langwierige Extrahiren mit Wasser zu vermeiden, denn es waren manchmal vier
Tage erforderlich um die Rückstände vollständig zu erschöpfen, haben wir das Wasser
durch Alkohol ersetzt.
Behufs der Behandlung mit Alkohol mußte man aber den zu extrahirenden rohen Teig
vorher auf Dampfplatten trocknen, weil er in dem zertheilten Zustande worin er sich
vor dem Trocknen befindet, die Filter und Siebe des Extractionskessels verstopfen
würde.
Man brachte das getrocknete rohe Product, welches durch Verarbeitung von 24 Kil.
Anilin gewonnen war, in einen großen kupfernen Kessel von beiläufig 1 Meter Höhe und
gleichem Durchmesser. In 10 Centimeter Entfernung vom Boden dieses Kessels ist darin
ein starkes kupfernes Sieb angebracht und mit grober Leinwand bedeckt; auf diese
Leinwand legt man noch ein feines Sieb und auf letzteres eine sehr dicke Strohmatte.
Im unteren Theil des Kessels und nahe an seinem Boden circulirt eine Dampfschlange,
welche ihr sämmtliches condensirtes Wasser nach Außen entleert, und in der Mitte
dieser Schlange geht ein kupfernes Rohr nach dem Sieb hinauf, von welchem es nur
beiläufig 2 Centimeter entfernt ist. Dieses Rohr führt zu einem tiefer unten
angebrachten Kessel mit doppeltem Boden; letzterer nimmt den mit Farbstoff beladenen
Alkohol auf, welchen man neuerdings im oberen Kessel destilliren läßt, nachdem man
ihn vorher mittelst eines Kühlrohrs condensirt hat, welches ganz nahe an dem den
kupfernen Kessel luftdicht schließenden Deckel angebracht ist. Es versteht sich, daß
dieser Apparat mit einem Sicherheitsventil versehen ist. Um den großen kupfernen
Kessel vollständig von der gefärbten Flüssigkeit zu entleeren, welche sich am Boden
desselben unter dem Austrittsrohr anhäuft, bringt man am Boden ein kleines Rohr an,
welches mit einem Hahn versehen ist, den man am Ende jeder Operation öffnet.
Um den beschriebenen Extractions-Apparat zu beschicken, schüttet man das
schwarze Pulver auf das Sieb, und begießt es dann mit 250 bis 300 Litern Alkohol;
nachdem man hernach den Deckel gut geschlossen und die zum doppelten Boden des
unteren Kessels führenden Röhren angebracht hat, läßt man den Dampf in die Schlange
einströmen um die Flüssigkeit zu erhitzen, welche sich bald unter dem Sieb anhäuft
und erst ablaufen kann, nachdem sie das Niveau des Rohrs erreicht hat, dessen
Oeffnung ein wenig unter dem Sieb endigt.
Man erhält so den Apparat zwei Tage lang im Gang, indem man beständig den Alkohol
wieder auf den ersten Kessel überdestillirt, so daß man am Ende nur noch die
alkoholische, stark mit Farbstoff beladene Flüssigkeit in einen anderen
Destillirapparat überzufüllen braucht, um daraus allen Alkohol wieder zu gewinnen.
Es bleibt alsdann am Boden der Blase ein sehr concentrirtes Extract zurück, welches
man in einem großen Kessel mit Wasser kochen läßt, und hernach in gewöhnlicher Weise
fällt. Der gewaschene Teig wird behufs der Reinigung wieder in kochendem Wasser
aufgelöst und noch einmal gefällt.
Später hat man dieses Verfahren abgeändert und beträchtlich abgekürzt, indem die
ersten Producte der Oxydation des Anilins bloß mit Wasser durch viermaliges
Decantiren gewaschen, dann filtrirt wurden, um hernach mit Wasser in großen Kufen,
jede von 1200 Liter Inhalt, extrahirt zu werden. Man erschöpfte in jeder dieser
Kufen das Product von 12 Kil. Anilin, welches je nach seiner Güte in 7 bis 8 Kil.
Schwefelsäure aufgelöst und durch 17 Kil. zweifach-chromsaures Kali oxydirt
worden war, indem man dabei eine der schwefelsauren Anilinlösung entsprechende Menge
Wasser, nämlich 100 Liter für jede Mischung anwandte. Das Kochen jeder Portion wurde
achtmal wiederholt, und dauerte jedesmal drei Stunden; um die Arbeit zu
beschleunigen, wurde das Auskochen Tag und Nacht fortgesetzt. Die violetten
Flüssigkeiten decantirt man in eine Reihe großer Kufen, welche unter den anderen
angebracht sind, und macht dann das Violett auf oben angegebene Weise fertig.
Wir müssen nun die verschiedenen Zufälle besprechen, welche bei der Fabrication des
Anilinviolett mittelst zweifach-chromsauren Kalis eintreten können.
Während unseres zweijährigen Betriebes dieser Fabrication haben wir beobachtet, daß
sich die Ausbeute in den Sommermonaten beträchtlich verminderte, was bloß daher
rührte, daß sich die Gemische von Anilin und Oxydationsmittel nicht hinreichend
abkühlten. Im Winter hingegen, wo man ganz kalte Auflösungen mit einander mischen
kann, erfolgt wegen der langsameren Reaction niemals eine Verbrennung des
Farbstoffs. Wir bemerkten keinen Unterschied, als wir das chromsaure Kali auf das schwefelsaure
Anilin zwei Tage oder längere Zeit einwirken ließen, denn nachdem die Einwirkung
vollständig stattgefunden hat, was in der Regel schon nach 24 Stunden der Fall ist,
hat man keine Verbrennung mehr zu befürchten.
Ein anderer sehr wesentlicher Punkt bei der Fabrication des Anilinviolett ist die
Wahl des Anilins. Im Handel kommt nämlich sogenanntes Anilin für Roth und Anilin für
Violett vor; der Unterschied zwischen beiden besteht nach Angabe einiger Fabrikanten
bloß darin, daß man zur Darstellung des Anilins für Violett nur französisches Benzin
anwendet, während das Anilin für Roth in der Regel mit englischem Benzin bereitet
wird, welches weniger rein ist und einen höheren Siedepunkt hat. Das Anilin für
Violett hat ein specifisches Gewicht von 1007, wogegen das Anilin für Roth, welches
wir bezogen, stets 1012 bis 1016 spec. Gew. zeigte. Letzteres Anilin enthält
offenbar viel Unreinigkeiten, denn wenn man es in einem Ueberschuß von kochender
verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure auflöst, so hinterläßt es stets einen
beträchtlichen Rückstand, welcher bis 26 oder 28 Proc. betragen kann. Dieser
Rückstand besteht aus den in den Säuren unauflöslichen Oelen, nämlich Benzin,
Naphtalin und Spuren von Phenylsäure. Das Anilin, welches wir auf Violett
verarbeiteten, hinterließ keine auffallenden Spuren dieses unlöslichen
Rückstandes.
Offenbar hängt von der Reinheit des Anilins die Ausbeute an Farbstoff ab; wir
erhielten manchmal 95 bis 100 Proc. concentrirten violetten Teig, meistens aber
nicht über 70 Proc., und manchmal verminderten verschiedenartige Umstände die
Ausbeute auf 70 bis 50 Proc. Wir nehmen daher als Durchschnitt an, daß 1 Kil. Anilin
700 Gramme Violett als Teig liefert, welcher 7 Procent vollständig lösliches
trockenes Product enthält.
Wir wollen nun die Gestehungskosten des Anilinviolett
unter der Voraussetzung berechnen, daß bei dieser Fabrication 22 Arbeiter Tag und
Nacht beschäftigt sind.
Der Preis des trockenen und reinen Violett kann den 60fachen
Preis des angewandten Nitrobenzins nicht erreichen:
Nimmt man nämlich den Preis des Nitrobenzins zu 8 Fr. per
Kil. an, so erhält man 700 Gramme Anilin für 8 Fr. Nitrobenzin.
700 Grm. Anilin liefern 420 Grm. violetten Teig, wenn man nur 60 Procent Ausbeute
rechnet.
Da 420 Grm. Teig à 7 Proc. trockenen Products 29,4
Grm. von letzterem geben, so würden diese 29,4 Grm. ohne Veranschlagung der Handarbeit für 8 Fr. Nitrobenzin
repräsentiren; man hat also:
1000 Grm. trockenes Violett à
270 Fr.
während 60 × 8 Fr. Nitrobenzin machen
480 Fr.
1 Kil. trockenes Violett kann aber nicht 210 Fr. Handarbeit erheischen, wie folgende
Berechnung der Auslagen einer Fabrik bei einmonatlichem Betriebe zeigt:
Anilin
Kil. 1400
à
Fr. 15
21000 Fr.
– Cent.
Schwefelsäure
„ 1350
„ 0,30
405 „
– „
Zweifach-chromsaures Kali Kil.
„ 2235
„ 2,30
5140 „
50 „
Aetznatron
„ 1200
„ 0,50
600 „
– „
Filter
100 „
– „
22 Arbeiter à 2
Fr. 50 Cent. für 28 Tage
1540 „
– „
Amortisation, Beleuchtung, Interessen etc.
1200 „
– „
Kohlen
1000 „
– „
Verluste, Verpackung, unvorhergesehene
Ausgaben
800 „
– „
––––––––––––––––
30785 „
50 „
Der Preis von 15 Fr., welchen wir für das Anilin ansetzten, ist viel höher als die
Gestehungskosten, denn wenn man das Nitrobenzin zu 8 Fr. annimmt, so kann das Anilin
auf höchstens 12 Fr. zu stehen kommen; man hätte also 1400 Kil. Anilin
à Fr. 12
Fr. 16800
was eine Differenz macht von
„
4200
––––––––
Zieht man diese Ziffer vom Gestehungspreis ab, so hat
man
Fr. 26585
Nimmt man an, daß das Anilin 60 Proc. seines Gewichts violetten Teig liefert, so hat
man 840 Kil. Carmin, welche zum gegenwärtigen Preise von 45 Fr. die Summe 37800 Fr.
ergeben.
Da diese 840 Kil. nur 7 Proc. trockenes Product geben, so liefern sie davon 58,8
Kil., welche mit dem 60fachen Preise des Nitrobenzins multiplicirt, 28224 Fr.
betragen würden.
Nimmt man die Ziffer von 30785 Fr. 50 Cent. als die Gestehungskosten einmonatlicher
Fabrication, und 37800 Fr. als Erlös beim Verkaufe des Products an, so stellt sich
ein Gewinn von 7015 Fr. heraus.
Dabei haben wir den Gewinn nicht berücksichtigt, welchen die Verarbeitung der
Rückstände vom Violett abwerfen kann, welche in unserer Fabrik wieder in
zweifachchromsaures Kali verwandelt wurden.
Das Violett ist hier fast zum niedrigsten Preise angesetzt, welchen es bis jetzt
(Februar 1862) in Folge der Preiserniedrigung des Anilins erreicht hat; früher
kostete das Kil. Anilin 28 bis 30 Fr., und diesem Preise entsprechend das Violett 80
Fr. Ein wirklicher Fortschritt fand daher nur in der Fabrication des Anilins statt,
welche sich so verbreitet hat, daß zum Besten der Industrie die mittelst desselben
erzeugten Producte auf den halben Preis herabsanken.
Wir glauben im Vorstehenden über die Fabrication des Anilinviolett mittelst
zweifach-chromsauren Kalis genug gesagt zu haben, obgleich wir überzeugt sind, daß uns Manches
entgangen ist; was in dieser Abhandlung wegblieb, läßt sich aber auch nicht genügend
beschreiben; man muß nämlich eine gewisse praktische Schule durchgemacht haben, wenn
man Anilinviolett fabriciren will.