Titel: | Ueber das Maaß der Pferdekraft; vom Civilingenieur Julius Quaglio. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LXIII., S. 247 |
Download: | XML |
LXIII.
Ueber das Maaß der Pferdekraft; vom
Civilingenieur Julius
Quaglio.
Aus den Verhandlungen des nieder-österreichischen
Gewerbevereins, 1862 S. 161.
Quaglio, über das Maaß der Pferdekraft.
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlichte im Juli 1860 folgende für
alle Industriellen interessante Verfügung:Polytechn. Journal Bd. CLVII S.
394.
In Anbetracht der Uebelstände, welche mit der bisherigen
willkürlichen Annahme der, als dynamische Maaßeinheit in der industriellen Mechanik
dienenden sogenannten Pferdekraft verbunden waren, wurde einstweilen festgestellt,
daß die Pferdekraft als Maaßeinheit zu 430 Wiener Fuß-Pfunden, das ist: 430
Wiener Pfunden in der Secunde einen Wiener Fuß hoch gehoben (76 Kilogrammeter, das
ist 76 Kilogramme in der Secunde einen Meter hoch gehoben) zu berechnen ist. Dieses
Ausmaaß ist sonach im öffentlichen Verkehre bei Beurtheilung der
Leistungs-Fähigkeit einer Maschine und bei Entscheidung streitiger Fälle zu
Grunde zu legen.
Der Ausdruck „Pferdekraft“ (horse-power, cheval vapeur) stammt sowie die
Dampfmaschine von England, und stellte sich dort allmählich aus einem unbestimmten Begriffe
als jene Kraftleistung fest, welche 550 englische Pfund per Secunde einen englischen Fuß hoch zu heben vermag. Die Einheit, 1 Pfd.
1 Fuß hoch gehoben, heißt Fußpfund. Es ist hiebei bemerkenswerth, daß ein gutes
Pferd im Mittel nur 480 bis 500 engl. Fußpfund per
Secunde zu bewältigen vermag, und zwar nur im Anfange der Arbeit; daß man mit einem
Pferde nicht 24 Stunden continuirlich arbeiten könne, wie mit der Maschine, weiß
Jedermann. Sonach kann man ohne Uebertreibung annehmen, daß man mit einer
zweipferdigen Maschine viermal so viel Arbeit verrichten
kann, als mit zwei Pferden.
Die gesetzliche Annahme der Pferdekraft ist in Frankreich die Leistung: 75 Kilogramme
per Secunde 1 Meter, in Preußen 510 preußische Pfund
1 preuß. Fuß hoch zu heben.
Die Pferdekraft, eine Maaßeinheit der Neuzeit, ist sohin in verschiedenen Ländern
ebenso verschieden wie die alten Ellen, Fuße, Pfunde etc.
Für die Käufer von Dampf- oder Wasser-Maschinen ist es wichtig, das
Verhältniß der verschiedenen Pferdekräfte und Krafteinheiten kennen zu lernen, und
wir lassen eine Zusammenstellung folgen:
Eine
österreichische
Pferdekraft
=
1,00107 englische,
„
„
„
=
1,01333 französische,
„
„
„
=
1,017 preußische.Die preußische Pferdekraft ist sohin die kleinste, und weicht von der
österreichischen, welche der englischen nahezu gleich ist, um circa 2 Procent ab.
Ein
österreichisches
Fußpfund
=
1,2805 englische Fußpfund,
„
„
„
=
0,177 franz. Kilogrammeter,
„
„
„
=
1,128 neue preuß. Fußpfund.
Ueber den Unterschied zwischen Nominal- und Effectiv-Pferdekraft ist
Folgendes zu bemerken:
Zur leichteren Bestimmung der Leistung einer gegebenen Maschine stellte Watt eine einfache Formel auf, die sich weiter vererbt
hat, und nach welcher noch jetzt die Dampfmaschinen berechnet werden, mit dem
Unterschiede, daß die so gefundene Arbeitsleistung Nominal-Pferdekraft nach
Watt bezeichnet wird.
Die Formel ist für einen Dampfdruck von 7 Pfd. per
Quadratzoll berechnet; ist d der Durchmesser des Kolbens
in Zollen, so ist 1/4 πd² = 0,7825 d² der Querschnitt des Kolbens, und folglich 7
× 0,7825 d² der Dampfdruck auf den Kolben
in Pfunden. Dieser Druck Mal der Geschwindigkeit des Kolbens
in Fuß per Minute (f) gibt den Effect in Fußpfund per Minute, und
dividirt durch 60
× 550 die Pferdekraft-Anzahl (nominal) Pn.
I. Pn
= (7 × 0,7825 d² × f)/33000 = d²f/6000;
es ist aber, wenn
c = Höhe des Hubes in Fuß,
n = Spiele per Minute,
f = 2cn und daher
II. Pm = d²cn/3000 (Formel zur Berechnung der
Nominal-Pferdekraft nach Watt).
Die englische Admiralität hat die Formel I adoptirt, und ist in der Bestimmung noch
weiter gegangen, indem sie nur aus der Hubhöhe allein die
Spiele und folglich auch die Geschwindigkeit des Kolbens herleitete; hiezu entwarf
sie folgende Tabelle:
A.
Angenommene
Folglich
Hubhöhe (c).
Spiele (n).
Geschwindigkeit in Fuß
Fuß.
Zoll
per Minute (f).
3
0
30
180
3
6
27
189
4
0
24 1/2
196
4
6
22 2/3
204
5
0
21
210
5
6
19 1/2
216
6
0
18 1/2
222
6
6
17 5/33
226
7
0
16 1/2
231
7
6
15 11/15
236
8
0
15
240
8
6
14 6/17
244
9
0
13 2/3
247
Nach der Formel I Pn = d²f/6000 und obiger Tabelle sind
die officiellen statistischen Angaben der englischen Marine und Industrie berechnet,
und ist also der officielle Werth der „Nominal-Pferdekraft“ dadurch
bestimmt.
Um zur Beurtheilung des Werthes dieser Formeln einen Maaßstab zu haben, ist es
nothwendig, sie mit einer auf einer anderen Maaßeinheit beruhenden Formel zu
vergleichen, und als diese zweite Maaßeinheit wollen wir die „Indicator-Pferdekraft“ setzen, das
ist jener Effect, welcher dem durch den Indicator gemessenen mittleren Druck im
Cylinder entspricht, ohne Rücksicht auf die Reibung.
f₁
= Geschwindigkeit des Kolbens per
Minute,
p
= mittlerer Dampfdruck, durch den Indicator gemessen in Pfund per Quadratzoll.
P
i
= Indicator-Pferdekraft.
E
i
= 1/4 π d² f₁ p
(dynamischer Effect).
Es ist
P
n
= d²f/6000 daher
III.
Ei/Pn
= 4715 p f₁/f
d.h. der einer
Nominal-Pferdekraft entsprechende dynamische Effect in Fußpfunden per Minute ist gleich dem mittleren Dampfdrucke Mal dem
Quotienten aus der wirklichen Geschwindigkeit durch die angenommene Mal 4715,
33000 Ei = Pi,
folglich
P/Pn = p/7 × f₁/f
oder
IV. Pi. = pf₁/7f Pn
Nach Formel II, in welcher die Geschwindigkeit 2cn der
Wirklichkeit entspricht, wird
f = f₁
und es wird daher bei Anwendung dieser Formel
V. Pi = 1/7 pPm.
Für die Annahme dieser Formel
p = 7 gesetzt
wird daher auch
Pi = Pm
,
während bei Annahme der Formel I, daher auch der Formel IV
Pi =
f₁/f Pn wird,
woraus wir sehen, daß die Formel der Admiralität zwar dadurch
einfach ist, daß sie aus nur zwei bekannten Größen, dem Durchmesser und dem Hube des
Kolbens, welche man auch bei jeder nicht in Gang
befindlichen Maschine messen kann, die Anzahl der Nominal-Pferdekräfte
bestimmt, daß aber das Verhältniß dieser Nominal-Pferdekraft zur
Indicator-Pferdekraft (IV) ein complicirteres ist, als bei Anwendung der
Formel II (siehe V).
Der Effect einer Nominal-Pferdekraft nach I und III wird z.B.
für p = 15 Pfund und f₁/f = 1,5:
Ei/Pn = 106080 Fußpfund per Minute, oder
Pi = 3 3/14 Pn
für dieselben Annahmen dagegen nach II f₁ = f:
Ei/Pm=
70720 Fußpfund per Minute, oder
Pi = 2 1/7 Pm
Zwischen Pm und
Pn sind
folgende Relationen nach I und II:
Pm/Pn =
2cn/f = f₁/f,
Pm = f₁/f
× Pn
So viel zur Feststellung des Verhältnisses zwischen Watt's
Nominal-Pferdekraft (Pm), Nominal-Pferdekraft der
Admiralität, wobei f nach der Tabelle A genommen (Pn), und Indicator-Pferdekraft (Pi).
Man sieht daraus, daß die Nominal-Pferdekraft überhaupt nur ein Maaß für die
Größe der Maschine ist, und im Verhältnisse der 7 Pfd. Druck übersteigenden
Dampfspannung hinter der wirklichen Leistung zurückbleibt, d.h. die Maschine leistet
mehr. Dagegen ist die Rechnung nach Nominal-Pferdekräften bei calorischen und
Lenoir'schen Maschinen eine trügerische, da diese
Maschinen in der Regel weniger leisten, indem ihr Druck selten 7 Pfd. per Quadratzoll erreicht.