Titel: | Versuche über den Gang der Verbrennung von Zündruthen bei verschiedenem Luftdruck; von Dr. E. Frankland. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LXXIV., S. 275 |
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LXXIV.
Versuche über den Gang der Verbrennung von
Zündruthen bei verschiedenem Luftdruck; von Dr. E. Frankland.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik, 1862, Bd. CXV S.
296.
Frankland's Versuche über den Gang der Verbrennung von Zündruthen
bei verschiedenem Luftdruck.
In einem Briefe vom 6. Januar 1855, welcher auszugsweise in den Proceedings of the Royal Society vol. VII p. 716 erschienen ist, theilt Quartiermeister Mitchell eine Reihe sorgfältig angestellter Versuche mit,
welche zeigen, daß der Gang der Verbrennung von Zündruthen eine beträchtliche
Verzögerung erleiden kann, welche er dem verminderten Luftdruck an höheren Stationen
und dem dadurch bewirkten spärlicheren Zufluß von Sauerstoff zuschreibt. Folgendes
ist ein kurzer Abriß der Resultate dieser Versuche, bei welchen dreizöllige
Zündruthen unter verschiedenen atmosphärischen Drücken abgebrannt wurden:
Barometerstandbei 0° C.
Höhe überdem Meere.
Zeit derVerbrennung.
1) Mittel aus 6 Versuchen
29,61 Zoll
14,25 Sec.
2)
„ „
6 „
26,75 „
3000 Fuß
15,78 „
3)
„ „
4 „
23,95 „
6500 „
17,10 „
4)
„ „
2 „
22,98 „
7300 „
18,125 „
Vergleicht man den Betrag der Verzögerung mit der entsprechenden Druckverminderung,
so erhält man folgende Resultate:
VerglicheneVersuche.
Verringerungder Drucks.
Verzögerungder Verbrennung.
1 und 2
2,86
1,53 Sec.
2 und 3
2,80
1,32 „
3 und 4
0,97
1,025 „
Der Verf. hat nun eine Wiederholung und Erweiterung dieser Versuche in künstlich
verdünnter Luft vorgenommen. Zu dem Ende wurde ein großer Eisencylinder einerseits
mit einer Luftpumpe und andererseits mit einem 6 Fuß langen Stück einer Gasröhre von
4 Zoll innerem Durchmesser verbunden, und das entgegengesetzte Ende dieser Röhre mit
einer Vorrichtung versehen, mittelst welcher das Ende der zu verbrennenden Zündruthe
luftdicht in die Röhre eingefügt werden konnte, während das verschlossene Ende der
Zündruthe ungefähr 2 Zoll in die äußere Luft hineinragte. Die Zündruthen wurden in
einem gegebenen Augenblick angesteckt durch eine Volta'sche Vorrichtung, bestehend aus zehn Grove'schen Elementen, einem instantanen Schließer (contact-maker) und einem Stück dünnen Platindrahts, welcher in die
Anfeuerung der Zündruthe (priming of the fuse)
eingesteckt war. Um den Moment, wann die Verbrennung beendigt war, mit Genauigkeit
zu ermitteln, wurde das seitliche Loch am hinteren Ende der Zündruthe bis zur
gegenüberstehenden Seite durchbohrt, und durch diese Oeffnung ein Faden senkrecht
hindurch geführt, welcher oben an einem passenden Gestell befestigt war, und unten
eine eiserne Kugel trug, einige Zoll über einer Eisenplatte, auf welche die Kugel
herabfallen mußte, wenn das Feuer den Faden erreichte, und somit den Zeitpunkt
anzeigte, wo unter den gewöhnlichen Umständen das Feuer der Zündruthe sich dem
Inhalt der Granate mittheilte. Der Druck wurde durch ein in die Gasröhre
eingelassenes Quecksilbermanometer angezeigt.
Die Versuche wurden mit sechszölligen Zündruthen aus dem königl. Arsenal zu Woolwich
angestellt, und zwar in folgender Weise: Nachdem die Zündruthe in das Ende der
Gasröhre eingefügt, und in letzterer, sowie in dem Eisencylinder, der erforderliche
Grad von Luftverdünnung hergestellt worden, wurde die Zündruthe auf ein gegebenes
Zeichen angesteckt. Während der Verbrennung arbeitete ein Gehülfe an der Luftpumpe,
um einen irgend
großen Anwuchs des Drucks zu verhüten, während ein anderer das Manometer in dem
Moment beobachtete, wo die Eisenkugel herabfiel. Das Mittel zwischen dem Druck zu
Anfange und zu Ende der Verbrennung wurde als der mittlere Druck betrachtet, unter
welchem die Zündruthe verbrannt war. Es ist jedoch klar, daß dieser angenommene
Mitteldruck nur ein angenäherter seyn konnte, obwohl das Manometer während des
Verlaufs der Verbrennung sehr regelmäßig und allmählich fiel.
Folgendes waren die erhaltenen Resultate. Es verbrannte:
1.
Beim
Barometerdruck
von
30'',4
der Zünder
Nr. 1
in 31 Sec.Die
ersten drei Zünder wurden in freier Luft abgebrannt, allein die
Vorkehrungen zum Anzünden derselben und zur Bestimmung des Aufhörens
der Verbrennung waren dieselben wie bei den übrigen
Versuchen.
2.
„
Druck
„
30'',4
„ „
„ 2
in 30 „
3.
„
Druck
„
30'',4
„ „
„ 3
in 30 „
4.
Beim
Mitteldruck
von
28'',4
der Zünder
Nr. 4
in 32 Sec.
5.
„
„
„
28'',1
„ „
„ 5
in 32,5 „
6.
„
„
„
25'',55
„ „
„ 6
in 35 „
7.
„
„
„
25'',85
„ „
„ 7
in 34,5 „
8.
„
„
„
22'',35
„ „
„ 8
in 38 „
9.
„
„
„
22'',55
„ „
„ 9
in 37,5 „
10.
„
„
„
19'',9
„ „
„ 10
in 42 „
11.
„
„
„
19'',4
„ „
„ 11
in 41 „
12.
„
„
„
16'',15
„ „
„ 12
in 46 „
13.
„
„
„
15'',75
„ „
„ 13
in 45 „
Aus einem Blick auf vorstehende Zahlen wird man ersehen, daß man, nach den ersten
drei Versuchen unter atmosphärischem Druck, bemüht war, zwei Zünder unter
gleichmäßigem Druck zu verbrennen, daß aber, weil das Manometer während der
Verbrennung um etwa 2 Zoll sank, der mittlere Druck, unter welchem jedes Zünderpaar
verbrannte, nie genau coincidirte. Zum Behufe der Vergleichung wird es jedoch
zweckmäßig seyn, das Mittel sowohl aus den Drücken als aus den Verbrennungszeiten
für jedes Paar zu nehmen, und die Resultate folgendermaßen auszudrücken:
Mittlerer Druck.ZollQuecksilber.
MittlereVerbrennungszeit dersechszölligen
Zünder.
Zunahmeder Verbrennungszeitgegen jede
voranstehendeBeobachtung.
Reduction des Drucks,entsprechend
derZeitzunahme.
Zunahmeder Zeit für jeden
ZollDruckabnahme.
30,40
30,33 Sec.
28,25
32,25 Sec.
1,92 Sec.
2,15 Zoll.
0,893 Sec.
25,70
34,75 „
2,50 „
2,55 „
0,980 „
22,45
37,75 „
3,00 „
3,25 „
0,925 „
19,65
41,50 „
3,75 „
2,80 „
1,339 „
15,95
45,50 „
4,00 „
3,70 „
1,081 „
Es sind hier offenbare Andeutungen, daß der Gang der Verzögerung bei niederen Drücken
etwas größer ist als bei verhältnißmäßig hohen; allein, vernachlässigt man diese
Andeutungen, so geben die obigen Zahlen 1,043 Secunden als die mittlere Verzögerung
bei einer sechszölligen oder 30 Secunden-Zündruthe für jeden Zoll Abnahme des
Quecksilberdrucks. Dieß Resultat stimmt genau mit dem vom Quartiermeister Mitchell erhaltenen, wenn wir diejenigen Zündruthen
ausnehmen, welche er bei der größten Höhe abbrannte, und bei welchen sich offenbar
ein Fehler eingeschlichen haben muß, sey es rücksichtlich der Höhe der Station oder
der Dauer der Verbrennung. Die letztere Fehlerquelle ist vielleicht weniger
unwahrscheinlich, da in der größten Höhe nur zwei Versuche gemacht wurden, während
er sechs an der zweiten, und vier an der dritten der übrigen Stationen anstellte.
Die folgende Tafel zeigt die Uebereinstimmung der Mitchell'schen Resultate mit denen der letzten Tafel. Die angewandten
Zündruthen waren 15-secundliche oder dreizöllige. Ihre Verbrennungszeiten
sind mit 2 multiplicirt, um sie in Vergleich zu bringen mit den sechszölligen, die
zu des Verf. Versuchen gebraucht wurden.
Mittlerer Druck.ZollQuecksilber.
MittlereVerbrennungszeit dersechszölligen
Zünder.
Zunahmeder Verbrennungszeitgegen jede
voranstehendeBeobachtung.
Reduction des Drucks,entsprechend
derZeitzunahme.
Zunahmeder Zeit für jeden
ZollDruckabnahme.
29,61
28,50 Sec.
26,75
31,56 „
3,06 Sec.
2,86 Zoll.
1,070 Sec.
23,95
34,20 „
2,64 „
2,80 „
0,943 „
22,98
36,25 „
2,05 „
0,97 „
2,113 „
Schließt man hier die letzte Bestimmung als anomal aus, so haben wir die mittlere
Verzögerung in der Verbrennung einer sechszölligen Zündruthe für jeden Zoll
Quecksilber Druckabnahme gleich 1,007 Secunde, was fast genau mit der aus des Verf.
Versuchen abgeleiteten Zahl 1,043 übereinstimmt.
Die Resultate beider Beobachtungsreihen lassen sich demnach unter folgendes Gesetz
bringen: Die Zunahmen der Zeit sind proportional den Abnahmen des Drucks.
Für alle praktische Zwecke kann man folgende Regel annehmen: jede Verminderung von
einem Zoll Barometerdruck bewirkt bei einer sechszölligen oder
30-secundlichen Zündruthe eine Verzögerung von einer Secunde. Oder jede
Verminderung des Luftdrucks um einen Zoll Quecksilber verlängert die
Verbrennungszeit um ein Dreißigstel.
Diese Verzögerung in der Verbrennung von Zeit-Zündruthen bei Abnahme des
atmosphärischen Drucks wird wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der
Artillerie-Officiere verdienen. Bis zu gegenwärtigem Augenblick sind diese
Zündruthen sorgfältig so zubereitet worden, daß sie zu Woolwich eine gewisse Anzahl
von Secunden brennen, und die Vollkommenheit, mit welcher dieß erreicht wird, ist
höchst merkwürdig; allein eine solche Verbrennungszeit am Meeresniveau findet nicht
mehr statt, wenn die Zündruthen an höher gelegenen Orten gebraucht werden. Selbst
die gewöhnlichen Schwankungen des Barometers in unserer Breite müssen die
Verbrennungszeit dieser Zündruthen einer Veränderung von etwa einem Procent
aussetzen. So würde eine Zündruthe, die darauf berechnet ist, beim Barometerstand
von 31 Zoll 30 Secunden zu brennen, 33 Secunden brennen, wenn das Barometer auf 28
Zoll gefallen ist. Die Höhe, welche ein Hohlgeschoß (shell) in seinem Fluge erreicht, muß einen wahrnehmbaren Einfluß auf das
Verbrennen seiner Zeit-Zündruthen ausüben. In noch größerem Maaße muß jedoch
die Verbrennungszeit afficirt werden durch die Lage der Zündruthe während des Fluges
eines gerieften Hohlgeschosses (rifled shell). Da bei
einem solchen Geschoß die Zündruthe immer vorangeht, so muß bei ihm die
Verbrennungszeit offenbar viel kürzer seyn, als wenn Geschoß und Zündruthe in Ruhe
sind. Bei einem gewöhnlichen Geschoß, welches um eine horizontale Achse rotirt,
werden die abwechselnden Verdichtungen und Verdünnungen der Luft an der Mündung der
Zündruthe, obwohl sie einander zu compensiren trachten, doch ein bedeutendes
Uebergewicht von Zusammendrückung hinterlassen, welches eine merkliche Verzögerung
in dem Gange der Verbrennung veranlassen wird.
Der Verf. erklärt die im Vorstehenden beschriebene Erscheinung folgendermaßen: Unter normalen
Umständen brennt die Zündruthe nur in einer auf ihrer Achse winkelrechten Scheibe,
und die zu ihrer Verbrennung erforderliche Zeit hängt nothwendig von der
Geschwindigkeit ab, mit welcher jede folgende Lage der Mischung bis zu der
Temperatur erhitzt wird, bei welcher die chemische Verbindung stattfindet. Diese zur
Verbrennung nothwendige Hitze entspringt offenbar aus den Producten der Verbrennung
der unmittelbar vorhergehenden Schicht der Mischung, und der Betrag der hierdurch
der nachfolgenden Schicht mitgetheilten Hitze muß zu großem Maaße abhängen von der
Anzahl der Theilchen dieser erhitzten und mit jener Schicht in Berührung kommenden
Producte. Da nun ein großer Theil dieser Producte gasförmig ist, so folgt, daß wenn
der Druck des umgebenden Mediums abnimmt, auch die Anzahl der glühenden Theilchen,
die in jedem Moment mit der noch nicht entzündeten Schicht der Mischung in Berührung
kommen, verringert wird. Daher denn der langsamere Verbrennungsgang in verdünnter
Luft.