Titel: | Ueber die Hubhöhe der Sicherheitsventile. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. LXXXVI., S. 323 |
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LXXXVI.
Ueber die Hubhöhe der
Sicherheitsventile.
Aus den Verhandlungen des nieder-österreichischen
Gewerbevereins, 1862 S. 150.
Ueber die Hubhöhe der Sicherheitsventile.
Regierungsrath v. Burg, welcher schon seit Jahren mit
einer Subvention von Seite der kais. Akademie der Wissenschaften die bezüglich der
Hubhöhe der Sicherheitsventile nöthigen Versuche begann und fortsetzte, legte
kürzlich der genannten Akademie die Resultate dieser Versuche vor.
Aus diesen nach zwei verschiedenen Richtungen hin vorgenommenen Versuchen geht
unzweifelhaft hervor, daß man bisher bei Bestimmung der Ventilgröße immer von einer
unrichtigen Voraussetzung ausgegangen war, und die Sache so angesehen hatte, als ob,
sobald der Dampf aus dem Kessel zu entweichen beginnt, d. i. das betreffende
Sicherheitsventil „abbläst“, entweder die Ventilöffnung völlig
frei wäre, oder das Ventil sich wenigstens um den vierten Theil des Durchmessers
dieser Oeffnung heben würde, weil nur in diesem Falle die entstehende ringförmige
Oeffnung dem Querschnitt der Ventil-Oeffnung gleich wird.
Muß also z.B. nach den gegenwärtig bestehenden Vorschriften ein Locomotivkessel von
1200 Quadratfuß Heizfläche, in welchem der Dampf keine höhere absolute Spannung als
von 8 Atmosphären erreichen soll, mit zwei Sicherheitsventilen, jedes von 4 Zoll
Durchmesser, versehen werden, so wird dabei angenommen, daß man dadurch schon eine 4
1/2fache Sicherheit
erlangt oder herbeigeführt habe, indem, selbst wenn der Kessel per Quadratfuß Heizfläche stündlich 8 Pfund Dampf von
der genannten Spannung erzeugt, theoretisch genommen, ein einziges Ventil von 2 7/10
Zoll Durchmesser hinreicht, um den sämmtlichen Dampf auch gleichzeitig abzuführen.
Allein dieser Grad der Sicherheit ist nur richtig, wenn sich jedes dieser beiden
Ventile während ihres Abblasens um 1 Zoll oder 12 Linien hebt, und es fällt diese
Ziffer 4 1/2 sogleich unter 1/5 oder 1/10, wenn sich die Ventile, wie eben die hier
in Rede stehenden Versuche nachweisen, beziehungsweise nur um 1/2 oder 1/4 Linie
heben. Ja selbst diese letzte Ziffer ist in der Regel noch um die Hälfte zu groß, da
sich als mittlerer Werth für die größte Hubhöhe 1/8 Linie ergab.
Sollte daher jene bisher immer stillschweigend vorausgesetzte Bedingung wirklich
erfüllt werden, und aller Dampf, wie er vom Kessel erzeugt wird, auch gleichzeitig,
ohne daß der Dampf eine höhere Spannung als von 8 Atmosphären annehmen kann, durch
die Sicherheitsventile entweichen, so müßten im vorliegenden Beispiele bei
Voraussetzung einer Hubhöhe der Ventile von 1/4 Linie nicht weniger als 21 solche
4zöllige oder zwei Ventile, jedes von 42 1/2 Zoll Durchmesser angebracht werden, was
praktisch ganz unausführbar ist.
Es ist daher von der größten Wichtigkeit, daß man von der falschen Sicherheit
hinsichtlich der Sicherheitsventile zurückkomme und diese letzteren auf ihren wahren
Werth zurückführe. Weit gefehlt, daß die Sicherheitsventile, wie fast allgemein
geglaubt wird, eine Kesselexplosion, selbst wenn der Heizer oder Wärter des Kessels
nicht die nöthige Aufmerksamkeit beobachtet, und nur die übrigen Vorsichtsmaßregeln,
wie gehöriger Wasserstand u.s.w., beobachtet werden, verhindern können, sind diese,
nach der Meinung des Hrn. Regierungsrathes v. Burg, nichts Anderes als Regulatoren, mittelst
welcher es dem Heizer oder Maschinisten leichter möglich wird, jeder gefährlichen
Dampfüberspannung vorzubeugen, als ohne solche Ventile; denn auch in diesem
letzteren Falle muß ein geschickter und aufmerksamer Wärter durch gehörige
Regulirung des Feuers, rechtzeitiges Wassergeben u.s.w., sowie im äußersten Falle
durch das Oeffnen der Heizthüren diesen Zweck zu erreichen im Stande seyn.
Endlich macht Regierungsrath v. Burg noch auf einen für
die Praxis wichtigen Punkt aufmerksam, welcher sich nebenbei ebenfalls aus seinen
erwähnten Versuchen herausstellte. Es ist nämlich bekannt, daß die
Dampfkesselbesitzer häufig darüber Klage führen, daß ihnen von der
Prüfungscommission die Belastungsgewichte der Sicherheitsventile zu gering berechnet
werden, indem sich diese immer zu früh heben, d.h. die Ventile schon abblasen, bevor noch der
Dampf im Kessel die beabsichtigte, und von der Commission zugestandene Spannung
erreicht hat.
Der Grund dieser oft lästigen Erscheinung kann allerdings in einem theilweise
undichten Verschluß der Ventile liegen; er kann aber auch darin liegen, daß sich der
Dampf, sey es in Folge einer größeren oder geringeren Porosität der sich berührenden
Metallflächen, oder aus anderen noch unbekannten Ursachen, zwischen der
Ventil- und Sitzfläche durchzwängt, und so nicht auf die kleinere der
Ventilöffnung entsprechende, sondern auf die größere Ventilfläche drückt und dadurch
das Ventil früher hebt.
Nach der Meinung des Hrn. Regierungsrathes
v. Burg sollte daher in der Folge (was natürlich durch ein
modificirtes Gesetz gestattet seyn müßte), vorausgesetzt, daß nur flache oder eben
ausgeschliffene und keine conischen Ventile zugelassen werden, und bei den ersteren
keine breiteren Auflagflächen als von 1/20 Durchmesser der Ventilöffnung, die sich
in keinem Falle über 1 4/5 bis 2 Linien erstrecken darf, gestattet werden, die
betreffende Prüfungscommission nicht mehr wie jetzt den lichten, sondern den äußeren
(um 1/10 oder höchstens um 4 Linien größeren) Durchmesser der Berechnung des
Belastungsgewichtes zu Grunde legen.