Titel: | Die Baryt-Industrie, dritte Abhandlung von Friede. Kuhlmann. – Anwendung von Barytsalzen statt der Kalisalze in der Färberei und Druckerei. |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. CV., S. 383 |
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CV.
Die Baryt-Industrie, dritte
AbhandlungDie früheren Abhandlungen des Verf. wurden im polytechn. Journal Bd. CL S. 57, 109 und 415 mitgetheilt. A. d. Red. von Friede.
Kuhlmann. – Anwendung von Barytsalzen statt der Kalisalze in der
Färberei und Druckerei.
Aus den Comptes rendus, December 1861, t. LIII p.
1047.
Kuhlmann, über die Baryt-Industrie.
Mein Verfahren, aus den sauren Rückständen von der Chlorbereitung und aus Schwerspath
Chlorbaryum zu fabriciren, führte mich darauf, durch doppelte Zersetzung des Chlorbaryums sehr wohlfeil
andere Barytsalze darzustellen, welche wieder den Ausgangspunkt neuer
Verfahrungsarten zur wohlfeilen Fabrication gewisser sowohl unorganischer als
organischer Säuren bildeten.
Nun will ich meine bisherigen Untersuchungen über die Anwendung der Barytsalze
– besonders des weinsteinsauren Baryts, chromsauren Baryts und
Ferrocyanbaryums (Baryumeisencyanürs) – in der Färberei und Druckerei statt
der entsprechenden Kalisalze mittheilen. Diesem Vorschlage liegt der Zweck zu
Grunde, nicht nur die betreffenden Säuren in einer wohlfeileren Form zu verwenden,
sondern auch den Verlust des Kalis, welches immer seltener und theurer wird, zu
verhüten.
Der Ersatz des Weinsteins durch Weinsteinsäure, welche direct aus dem weinsteinsauren
Baryt durch Schwefelsäure abzuscheiden ist, läßt sich in beiden Beziehungen
vollständig rechtfertigen, wenn man mit 1 Aequivalent freier Weinsteinsäure bei der
Vorbereitung der Wolle für das Färben dasselbe leisten kann, wie mit 1 Aequivalent
Weinstein. In den Werken über Färberei von Berthollet,
Vitalis, Girardin, Chevreul etc. wird ziemlich bestimmt angenommen, daß die
Wirkung des Weinsteins als Mordant ausschließlich von dem zweiten Atom
Weinsteinsäure herrührt, welches diesem Salze seine saure Reaction ertheilt. Ich
habe aber auch selbst Versuche angestellt, welche ebenfalls für die Ansicht
sprechen, daß ein Aequivalent Weinsteinsäure und 1 Aequivalent Weinstein,
vorausgesetzt daß die Quantität von Alaun und die sonstigen Bedingungen beim Beizen
und Färben der Wolle dieselben bleiben, in ihrer Wirkung identisch sind, wenigstens
für die bei diesen Versuchen verwendeten Farbstoffe, nämlich Blauholz, Krapp und
Indigcarmin.
Die bei diesen Versuchen benützten Gewebe hatten folgende Vorbereitung erhalten: Nr.
1 ohne Mordant; Nr. 2 mit Mordant aus 1/4 vom Gewicht der Wolle Alaun und 1/8
WeinsteinIch habe bei diesen Versuchen immer Mordant aus 1/4 vom Gewicht der Wolle
Alaun und 1/8 Weinstein angewendet. Es ist dieß das gewöhnliche Verhältniß,
ich bin aber der Ansicht daß die Quantität des Weinsteins hier für mehrere
Farbstoffe zu groß ist, woraus gewisse bei meinen Versuchen in Folge einer
Verringerung des Zusatzes von Weinstein oder Weinsteinsäure eingetretene
Verbesserungen sich erklären würden.; Nr. 3 mit Mordant aus 1/4 Alaun und so viel krystallisirter Weinsteinsäure,
als das in 1/8 Weinstein enthaltene Weinsteinsäurehydrat beträgt.
Die Proben Nr. 2 und 3 boten nach dem Färben ziemlich gleiche Intensität der Farbe
dar, so daß man wenigstens für die angewendeten Farbstoffe annehmen kann, daß 1
Aequivalent Weinsteinsäure eben so wirksam ist, als 1 Aequivalent Weinstein. Wenn übrigens
ein Mordant aus Alaun und neutralem weinsteinsauren Kali angewendet wurde, so fiel
die Farbe nicht merklich anders aus als in dem Falle, wo bloß Alaun genommen
war.
In gewissen anderen Fällen der Färberei wirkt die freie Weinsteinsäure jedoch
energischer als die im Weinstein enthaltene. Da aber hier die Art der Modification
der Farben durch die Weinsteinsäure dieselbe ist und die Verschiedenheiten sich nur
auf die Intensität der Farbe beziehen, so wird man ohne Zweifel auch hier mit
Weinsteinsäure dasselbe erreichen können, wie mit Weinstein, wenn man nur von
derselben verhältnißmäßig weniger nimmt.
Wenn, wie aus den angestellten Versuchen hervorzugehen scheint, das im Weinstein
enthaltene neutrale weinsteinsaure Kali beim Färben ohne Nutzen ist, so erscheint es
als vortheilhaft, dasselbe durch Zusatz von Salzsäure zu zersetzen, so daß das
zweite Atom Weinsteinsäure, welches im Weinstein enthalten ist, ebenfalls frei wird,
und somit dieselbe Quantität Weinstein eine doppelt so große Wirkung gibt. Ich habe
diese Vermuthung ebenfalls bestätigt gefunden, denn alle Färbeversuche, bei denen
statt 1/8 Weinstein 1/16 dieses Salzes, dessen ganzen Kaligehalt man vorher durch
Zusatz von Salzsäure gesättigt hatte, verwendet wurde, gaben eben so lebhafte
Farben, als die mit 1/8 Weinstein ohne Salzsäurezusatz ausgeführten Versuche. Man
kann also die Wirksamkeit des Weinsteins durch Zusatz von Salzsäure auf das Doppelte
erhöhen und folglich die von demselben anzuwendende Quantität auf die Hälfte
verringern.
Was die Anwendung des weinsteinsauren Baryts anbetrifft, so gibt es zwei Arten,
dieses Salz zu zersetzen, um die Säure desselben in der Färberei wirksam zu machen,
nämlich die Zersetzung durch Schwefelsäure und die Zersetzung durch Salzsäure. Wenn
der weinsteinsaure Baryt durch Schwefelsäure zersetzt wird, so ist die Wirkung
dieselbe wie diejenige, welche die in gewöhnlicher Art im freien Zustande
dargestellte Weinsteinsäure hervorbringt, und dieselbe Wirkung findet auch statt,
wenn die Schwefelsäure des Alauns den ganzen Baryt in schwefelsauren Baryt
verwandeln kann, jedoch mit dem Unterschiede, daß in diesem Falle weinsteinsaure
Thonerde entsteht. Bei Anwendung von Salzsäure, welche zugleich mit dem
weinsteinsauren Baryt in das zum Beizen bestimmte Bad gebracht wird, tritt, wenn der
Alaun nicht alles Barytsalz zersetzt hat, durch die Gegenwart eines oder mehrerer
löslichen Barytsalze ein complicirterer Erfolg ein.
Die Gegenwart des Barytsalzes in dem Bade ist entweder auf die Färbung ohne allen
Einfluß, so daß die Wirkung sich lediglich auf die Weinsteinsäure beschränkt, wie
bei Cochenille und Fisetholz, oder das aufgelöste Barytsalz macht die Farbe
kräftiger, wie es besonders bei Blauholz und Orseille der Fall ist. Kalksalze
bringen eine ähnliche Wirkung hervor. Bei den Versuchen über die Anwendung des
weinsteinsauren Baryts als Ersatzmittel des Weinsteins präparirte ich die Probe Nr.
1 in der Art, daß ich so viel Salzsäure hinzufügte, um den Baryt vollständig zu
binden, also die Weinsteinsäure gänzlich frei zu machen; bei der Probe Nr. 2
verringerte ich dagegen den Zusatz von Salzsäure auf ein Drittel, und bei der Probe
Nr. 3 auf die Hälfte dieser Quantität. Mit Blauholz erhielt ich bei diesen drei
Proben gleich gesättigte Farben, welche selbst in ihrem mehr oder weniger violetten
Farbenton nur geringe Abweichungen zeigten. Beim Färben mit Krapp und Indigcarmin,
auf welche das Barytsalz keinen merklichen Einfluß hat, war die Intensität der Farbe
ziemlich proportional der Quantität von Salzsäure, welche dem weinsteinsauren Baryt
zugefügt war.