Titel: Ueber die Ursache der blasigen Structur des Kupfers; von Dr. W. J. Russell und Dr. A. Matthießen.
Fundstelle: Band 164, Jahrgang 1862, Nr. CXX., S. 439
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CXX. Ueber die Ursache der blasigen Structur des Kupfers; von Dr. W. J. Russell und Dr. A. Matthießen. Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1862, Bd. CXV S. 637. Mit einer Abbildung auf Tab. VI. Russel, über die Ursache der blasigen Structur des Kupfers. Alle Sorten käuflichen Kupfers erscheinen, wenn man sie einer sorgfältigen Untersuchung unterwirft, mehr oder weniger blasig in ihrer Structur; in manchen Fällen sind die Blasenräume so klein, daß man zu ihrer Entdeckung ein Vergrößerungsglas zu Hülfe nehmen muß, während sie bei anderen Proben zu einer weit größeren Deutlichkeit entwickelt sind. Kupfer und Silber sind unseres Wissens nach die einzigen Metalle, welche leicht geneigt sind, eine blasige Structur anzunehmen. Beim Silber ist es wohlbekannt, daß der Sauerstoff, welchen das geschmolzene Metall absorbirt und welchen es beim Erstarren wieder entläßt, diese Höhlungen erzeugt. Es erschien daher möglich, daß ebenso die blasige Beschaffenheit des Kupfers durch die Absorption von einem Gase veranlaßt werden möchte. Unsere Versuche haben indeß ergeben, daß dieß nicht der Fall ist, sondern sie haben uns, hinsichtlich der Ursache der porösen Structur des Kupfers, zu demselben Schluß geführt, zu dem auch Hr. Dick gekommen ist.Polytechn. Journal Bd. CXLI S. 207. Weil unsere Untersuchungen aber in einigen Punkten wohl eine größere Ausdehnung erfahren haben und jeden Zweifel, wie wir glauben, über den Gegenstand beseitigen, so mag ein kurzer Bericht über dieselben nicht ohne Interesse seyn. Die Menge des in den Höhlungen des Kupfers enthaltenen Gases war offenbar zu gering, als daß wir sie für die Analyse hätten sammeln können; wir waren daher genöthigt, auf synthetischem Wege unsere Nachforschungen anzustellen. Wahrscheinlich erschien es indeß nach den immer blanken inneren Wandungen der Blasenräume, daß sie keinen Sauerstoff enthielten. Um uns nun zuerst zu versichern, ob die blasige Structur von der Absorption irgend eines Gases durch das geschmolzene Metall herrühre, ließen wir eine jede der gewöhnlich vorkommenden Gasarten, sorgfältig gereinigt und getrocknet, fünf Minuten lang durch das geschmolzene Kupfer hindurchgehen. Zu allen unseren Versuchen bedienten wir uns des galvanoplastisch dargestellten Kupfers, als des reinsten Materials, und verwandten zu jeder Probe ungefähr 150 Grm. des Metalls. Die Gase, womit wir experimentirten, waren Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, atmosphärische Luft, Kohlensäure und Kohlenoxyd. Die Versuche mit jedem Gas wurden unter drei verschiedenen Bedingungen gemacht: – 1) das Gas wurde durchgeleitet, wenn das geschmolzene Kupfer weder unter einem Fluß oder einer Decke sich befand; 2) wenn es unter einem Salzflusse war, und 3) wenn es mit Holzkohle bedeckt war. Es ist wohl nicht nöthig, daß wir jeden Versuch besonders beschreiben; es wird genügen, wenn wir das erhaltene Schlußresultat mittheilen, daß nämlich eine blasige Structur des Kupfers nur dann wahrgenommen werden konnte, wenn entweder Sauerstoff oder atmosphärische Luft durch das unter Holzkohle geschmolzene Metall geleitet worden war. Unter diesen Umständen wurde das Metall nicht nur sehr porös, sondern seine Oberfläche erschien auch, nachdem es fest geworden war, erhöht oder ausgewachsen, oft in einem sehr beträchtlichen Maaße. Dieselbe Erscheinung beobachteten wir auch, wenn etwas von dem Heizmaterial in das geschmolzene Metall fiel. In einigen Fällen wurden sogar kleine Theilchen der flüssigen Masse beim Erkalten aus dem Tiegel geschleudert. Ein solches Phänomen ist den Kupferschmelzern wohl bekannt und wird von ihnen „Kupferregen“ oder Spritzkupfer genannt. Um einen soliden und dichten Guß zu erhalten, muß man eine große Sorgfalt auf die Ausführung des Schmelzens verwenden; denn wenn die Oberfläche des geschmolzenen Kupfers, gegen Ende des Versuches durch das Aufbrennen der Holzkohle oder irgend einen andern zufälligen Umstand, nur auf wenige Augenblicke der Luft ausgesetzt ist, genügt das vollkommen, um eine blasige Structur in dem Metalle herbeizuführen. Nachdem so hinreichend festgestellt war, daß atmosphärische Luft und Sauerstoff die einzigen Gase sind, welche das Kupfer blasig machen, und auch diese nur bei Gegenwart von Kohle, so schlossen wir natürlich, daß die blasige Structur nicht herrühren könne von irgend einer Absorption oder chemischen Verbindung des geschmolzenen Kupfers mit dem Gase, sondern daß sie wahrscheinlich zuzuschreiben sey der Bildung von Kohlenoxyd, welches durch die Reduction des Kupferoxyduls vermittelst der Holzkohle gebildet wurde. Wir glauben, daß die folgenden Versuche geeignet sind, diese Annahme zu rechtfertigen. Kupfer wurde nur bei Zutritt von atmosphärischer Luft geschmolzen; unmittelbar, nachdem es aus dem Ofen genommen war, wurde gepulverte Holzkohle auf seine Oberfläche geschüttet; beträchtliches Auswachsen erfolgte und nach dem Zerbrechen erschien es ganz blasig. Eine andere Probe Kupfer wurde wie vorher bei Gegenwart von Luft geschmolzen; nach dem Herausnehmen aus dem Ofen ließ man jedoch, anstatt Holzkohle darauf zu streuen, auf die Oberfläche des geschmolzenen Metalls einen Strom von Leuchtgas spielen. Der Erfolg war genau ähnlich dem, welcher mit der Holzkohle erzielt war, indem die Kohle des Leuchtgases das Oxydul reducirte. Bei einem andern Versuch derselben Art änderten wir die Bedingungen dadurch, daß wir Holzkohle auf das geschmolzene Kupfer schütteten, noch ehe es aus dem Ofen genommen worden; das Volumen des ausgewachsenen Kupfers betrug beinahe die Hälfte der angewandten Menge. Um eine genauere Vorstellung davon zu geben, welche große Porosität das Metall annehmen kann, haben wir das specifische Gewicht von einigen Kupferproben, in denen wir eine blasige Structur fanden, bestimmt. Das specifische Gewicht des Kupfers von dem zuletzt erwähnten Versuche war nur 5,7, während das wahre des Kupfers 8,952 ist. Hr. Dick beschreibt in seiner vorhererwähnten Abhandlung einige sehr interessante Versuche; er goß unter Holzkohle geschmolzenes Kupfer in eine Form, wobei es durch eine Atmosphäre von Leuchtgas verhindert wurde, mit der Luft in Berührung zu kommen; er erhielt alsdann einen vollständig dichten Guß; wenn er indessen statt unter Leuchtgas, den Guß bei Zutritt von Luft ausführte, so erhielt er, obwohl er sogar zu beiden Versuchen Metall aus demselben Tiegel nahm, ein sehr blasiges Product. Unsere Experimente bestätigen vollkommen die Versuche des Hrn. Dick. Die specifischen Gewichte der so erhaltenen Producte zeigten aufs Deutlichste, wie sehr die Dichtigkeit des Kupfers gestört werden kann. Eine Probe galvanoplastischen Kupfers, einfach unter Holzkohle geschmolzen und erkalten gelassen, gab uns ein specifisches Gewicht von 8,952. Der Guß, in Leuchtgas ausgeführt, hatte ein specifisches Gewicht von 8,929, ein anderer, ebenso gemacht, von 8,919; dagegen hatte eine dritte Probe von demselben Metall und aus demselben Tiegel, aber bei Zutritt von Luft gegossen, ein specifisches Gewicht von 6,2. Um uns noch mehr von der Richtigkeit unserer Versuche zu überzeugen, schmolzen wir nun Kupfer bei freiem Zutritt der Luft und gossen einen Theil des Metalls in Formen, welche mit Luft, einen andern Theil in solche, welche mit Leuchtgas gefüllt waren. Zu letzterem Zwecke bedienten wir uns einer Form wie in Fig. 8; in die durch den Deckel A geschlossene Form B wurde durch die Röhre a Leuchtgas zugeleitet und vor dem Gusse bei b angezündet. Zwei Proben des bei Zutritt von Luft geformten Kupfers hatten resp. das specifische Gewicht von 8,618 und 8,665, während Proben von in Leuchtgas gegossenem Metall nur eine Dichtigkeit von 6,9 und 6,4 zeigten. Die Ursache der blasigen Structur im Kupfer scheint demnach eine Folge zu seyn von der Reduction des Kupferoxyduls durch die Holzkohle, welche mechanisch unter die Metallmasse gerissen wird durch die fortwährenden Ströme, die von der sich abkühlenden Oberfläche ausgehen. Das so ausgebildete und durch die ganze Masse verbreitete Kohlenoxyd wird dann so lange ausgegeben, als die Oberfläche flüssig bleibt; sobald diese aber festgeworden ist, wird die Kruste in die Höhe gehoben, durchbrochen und ein Auswachsen veranlaßt. Das Kohlenoxyd, welches sich während des Erstarrens bildet und nicht im Stande ist zu entweichen, bleibt vertheilt in dem Metalle zurück und ertheilt ihm die blasige Structur. Bei Anwendung von Lampenruß (Kohle im fein vertheilten Zustande) anstatt Holzkohle scheint die Einwirkung noch heftiger zu seyn, und man kann leicht, wenn man ihn auf das geschmolzene Kupfer schüttet, die Entwicklung des Gases beobachten. Daß die blasige Structur nicht herrührt von irgend einer besondern Verwandtschaft des geschmolzenen Kupfers zum Kohlenoxyd, kann daraus ersehen werden, daß, wenn man durch unter Holzkohle oder einem Salzflusse geschmolzenes Kupfer einen Strom Kohlenoxyd leitet, das Metall nach dem Erkalten aller porösen Structur entbehrt, wofür ein weiterer Beweis das zu 8,943 gefundene spec. Gewicht ist. Daß Kohlenstoff einen Einfluß von der Art auszuüben vermag, wie ihm in den vorhergehenden Versuchen zugeschrieben wird, zeigt auch seine Wirkung auf geschmolzenes Silber; wenn Silber unter einer Schicht Holzkohle geschmolzen wird und man längere Zeit Sauerstoffgas hindurchleitet, so wird beim Erstarren kein Spratzen stattfinden. Auch wird diese Erscheinung nicht beobachtet, wenn Silber bei Zutritt von Luft geschmolzen und Holzkohle auf das geschmolzene Metall geschüttet wird, eine den Silberschmelzern wohlbekannte Thatsache; Sand oder irgend ein anderer fein vertheilter Körper übt keinen ähnlichen Einfluß auf das Silber aus.Während wir mit diesem Gegenstande beschäftigt waren, machten wir auch eine Reihe von Versuchen, um uns zu versichern, ob noch irgend ein anderes Gas außer Sauerstoff vom Silber absorbirt werde. Das geschmolzene Silber wurde genau auf dieselbe Weise wie das Kupfer behandelt und durch dasselbe Sauerstoff, Wasserstoff, atmosphärische Luft, Stickstoff, Kohlensäure und Kohlenoxyd geleitet. Wir fanden, daß das Spratzen des Silbers nur von Sauerstoff oder atmosphärischer Luft veranlaßt wird, und weiter, daß dieser Umstand, wie oben erwähnt, durch die Gegenwart von Holzkohle gänzlich vermieden wird. In Gmelin's Chemie (Bd. III S. 592) wird gesagt, daß die Erscheinung des Spratzens auch stattfinde bei Silber, welches unter salpetersaurem Kali geschmolzen worden; wir glauben, daß diese Beobachtung nicht richtig ist; denn wir haben niemals, wenn Silber sorgfältig geschmolzen wurde, so daß es in keine Berührung mit atmosphärischer Luft kam, unter einer Schicht salpetersauren Kalis oder Chlorkaliums, ein Spratzen bemerken können. Dieß Resultat findet darin seine Erklärung, daß beide Salze unter dem Schmelzpunkte des Silbers zersetzt werden. Demnächst versuchten wir die Einwirkung von Schwefel auf oxydulhaltiges Kupfer, und fanden, daß er gleichfalls nicht nur eine blasige Structur erzeugt, sondern auch ein Auswachsen des Kupfers veranlaßt. In der That, wenn Schwefel auf Kupfer geschüttet wird, welches bei Zutritt von Luft geschmolzen ist, so beobachtet man ähnliche Erscheinungen, wie sie der Kohlenstoff unter gleichen Umständen hervorbringt. Zwei Proben von Kupfer, welches bei der Einwirkung des Schwefels blasig geworden war, hatten ein specifisches Gewicht von resp. 6,6 und 5,1. Es ist eine etwas auffallende Thatsache, daß das Phänomen des Kupferregens in größerem Maaße bei der Einwirkung des Schwefels als bei der der Kohle stattfindet. Der Schwefel verhält sich daher in derselben Weise gegen das Kupfer wie der Kohlenstoff; die blasige Structur, sowie der Kupferregen, rührt in diesem Falle von der Entwickelung von schwefliger Säure her. Endlich ließen wir noch Jod und Phosphor auf oxydulhaltiges Kupfer wirken; sie schienen indessen niemals eine blasige Structur zu veranlassen. Die vorstehend beschriebenen Versuche wurden theils in Prof. Percy's, theils in Prof. Williamson's Laboratorium ausgeführt. London, im Februar 1862.

Tafeln

Tafel Tab. VI
Tab. VI