Titel: | Schwarzbeersaft als Surrogat für Kirschsaft; von H. Creuzburg. |
Autor: | H. Ch. Creuzburg [GND] |
Fundstelle: | Band 164, Jahrgang 1862, Nr. CXXV., S. 454 |
Download: | XML |
CXXV.
Schwarzbeersaft als Surrogat für Kirschsaft; von
H.
Creuzburg.
Creuzburg, über Schwarzbeersaft als Surrogat für
Kirschsaft.
Die Schwarzbeere, Heidelbeere, vaccinium myrtillus,
wächst in vielen Waldgegenden in so großer Menge, daß die Beeren derselben von armen
Leuten in Masse gesammelt und zu Spottpreisen verkauft werden; aber dennoch verfault
ein großer Theil dieser Beeren ungenützt im Walde. Dieselben würden aber emsiger
gesammelt werden, wenn sich die Speculation ihrer mehr bemächtigte, um in größeren
Massen, z.B. zur Saftbereitung, verbraucht zu werden.
Der Heidelbeersaft wird an sich wohl wenig Glück im Handel haben, er würde aber
vielleicht zu einem schwunghaften Handelsartikel gebracht werden können, wenn man
ihn den Eigenschaften des Kirschsaftes mehr anzunähern verstände, damit man
denselben für gewisse Zwecke anstatt des Kirschsaftes verwenden könnte, zumal in
Jahren, in denen es an Kirschen fehlt, was an manchen Orten in diesem Jahr wirklich
der Fall ist.
Der Heidelbeersaft hat eine intensiv rothe Farbe, welche derjenigen des Kirschsaftes
zum Verwechseln ähnlich ist; allein jener enthält neben dem rothen Farbstoff auch
einen blauen, was bei diesem nicht der Fall ist, und dieß ist die Ursache, warum
Kirschsaft auf Leinentuch oder Holz einen rothen, der Heidelbeersaft aber einen mehr
blauen Fleck zurückläßt, was sogar als Unterscheidungszeichen für beide dient.
Dem Heidelbeersaft muß der blaue Farbstoff entzogen, der fehlende Zuckerstoff ihm
aber gegeben werden, wenn man ihn auf einen höheren Werth bringen und dem Kirschsaft
als einigermaßen brauchbares Surrogat in gewissen Fällen substituiren will.
Bekannt ist meines Wissens noch kein Verfahren, jenem Saft den blauen Farbstoff zu
entziehen, und ihn überhaupt mancherlei nützlichen Verwendungen zugänglich zu
machen. Daher wird die Mittheilung meines Verfahrens manchem Waldbewohner, dem die
Heidelbeere billig zu Gebote steht, willkommen seyn.
Mein Verfahren gründet sich auf die Erfahrung, daß die weiße Thonerde oder
Porzellanthon, sowie auch der Eiweißstoff, die Eigenschaft besitzen, den blauen
Farbstoff der Heidelbeeren, nicht aber den rothen, an sich zu ziehen, zu absorbiren
und sich damit blau zu färben.
Das Praktische bei Bereitung eines schön rothen, dem Kirschensaft ähnlichen
Heidelbeersaftes besteht speciell in Folgendem:
Die Schwarzbeeren oder Heidelbeeren werden zunächst in einem reinen Holz- oder
Steingefäße zerquetscht, die zerquetschte Masse acht Tage lang in offenen Gefäßen
hingestellt, um bei gewöhnlicher Temperatur etwas zu gähren, und dann erst der Saft
davon abgepreßt.
Man hat nöthig auf
60 Maaß1 Maaß = 2 Pfd.
Wasser. Heidelbeersaft:
15 Pfund Zucker,
2 Pfund Porzellanthon,
2 Pfund rohen Weinstein und
das Weiße von 4 Eiern.
Zunächst wird der Saft in einen Kessel gethan, das zu Schaum geschlagene Eiweiß
darunter gerührt, und nun der Saft zum Sieden erhitzt. Währenddem wirft man auch den
Zucker, den Weinstein und den zuvor gesiebten Porzellanthon hinein, läßt das Ganze
unter Umrühren etwa 10 Minuten lang sieden, und wenn man den Schaum abgenommen hat,
im Kessel erkalten, oder besser, man füllt den Saft noch heiß in ein reines Faß,
worin man ihn erkalten und liegen läßt, bis er sich abgeklärt hat.
Wenn man den abgeklärten Saft auf ein anderes reines Faß von dem Bodensatz abgezogen
hat, muß derselbe nunmehr mit einem fuselfreien Spiritus
vini versetzt werden, um als Handelsware verkäuflich zu seyn. Dieser
Spirituszusatz ist aber relativ, richtet sich nach gewissen Umständen, und wird
auch, sowie der des Zuckers, von den Käufern oft selbst bestimmt. 15 Maaß Spiritus
auf 60 Maaß des fertigen Saftes sind meistens hinreichend. Soll der Saft weit
versendet werden, so ist es gut, den Spiritus- wie auch den Zuckergehalt zur
Vorsicht zu vergrößern, damit derselbe beim Transport nicht in Gährung komme.
Gleiche Vorsicht ist nöthig, wenn der Saft lange auf dem Lager sich halten soll.
Als Liqueur- und Weinfarbe ist dieser Saft ausgezeichnet schön, und so
intensiv, daß man nur eines Eßlöffels voll bedarf, um eine Maaß Liqueur schön roth
zu färben. Cochenille gibt keine schönere Farbe. Uebrigens nimmt man zu Liqueuren
gewöhnlich die getrockneten Heidelbeeren, die man sich alljährlich selbst trocknet,
um sie nicht in der Apotheke oder beim Droguisten kaufen zu müssen, wo man zuweilen
alte verlegene Waare bekommt.
Soll aus dem Heidelbeersaft selbst ein Liqueur, ein Kirschratafia gemacht werden, so
nimmt man z.B. auf eine Maaß Saft 3 Tropfen Zimmtöl, 2 Tropfen Nelkenöl, 2 Tropfen ätherisches
Bittermandelöl und etwa noch 4 Tropfen Ananasäther, macht denselben durch Zusatz von
Zuckersyrup etwas süßer, und vermischt ihn endlich mit so viel Spiritus, daß er
seine gehörige Stärke erhält.
In den bei dieser Saftbereitung verbleibenden Rückständen hat man aber noch Material
genug, um daraus noch mehr als einen Eimer Liqueur von ganz dunkler Farbe
herzustellen.
Die Kuchen, welche beim Pressen von circa 100 Maaß Beeren
zurückbleiben, gibt man in das Faß, das den Bodensatz enthält, von welchem man den
klaren Saft abzog, fügt noch den beim Saftkochen erhaltenen Schaum hinzu, übergießt
das Ganze mit wenigstens 60 Maaß Wasser, rührt tüchtig durcheinander, läßt einige
Tage stehen, zieht dann so viel als möglich der Flüssigkeit davon ab, preßt das
Uebrige wieder aus, und erhält so noch eine große Quantität ganz dunkelrothen
Saftes, welchen man, wenn er sich abgeklärt hat, durch Versetzung mit Zucker und
Sprit, nebst den bereits oben angedeuteten Gewürzölen, als einen angenehmen Liqueur
verwerthen kann.