Titel: | Ueber die technische Werthbestimmung der violetten und rothen Anilinfarben; von Guido Schnitzer in Wien. |
Autor: | Guido Schnitzer |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XVI., S. 57 |
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XVI.
Ueber die technische Werthbestimmung der
violetten und rothen Anilinfarben; von Guido Schnitzer in
Wien.
Schnitzer, über die technische Werthbestimmung der violetten und
rothen Anilinfarben.
In demselben Maaße, in welchem im vergangenen Jahre die Anwendung der Anilinfarben
für Färberei und Zeugdruck zugenommen hat, wurde zugleich der Markt dieser Artikel
von Erzeugnissen der verschiedensten Art überschwemmt. Die allgemeine Concurrenz
begann die Wahl zu erschweren, und es mußten daher besonders die Techniker von
Druckfabriken, welche mit Angeboten der neu auftauchenden Farbengeschäfte bestürmt
wurden, auf die Gewinnung fester Anhaltspunkte hinarbeiten, nach welchen die
Qualität der zu so enorm differirenden Preisen angebotenen Waaren richtig beurtheilt
werden könnte. An eine directe chemische Bestimmung des Farbstoffgehaltes dieser Materialien ist
vorläufig für den Praktiker nicht zu denken, so lange die wissenschaftlichen
Chemiker selbst noch uneinig in ihren Ansichten über die wahre Constitution dieser
Farbstoffe sind.
Die nächstliegende technische Prüfungsweise muß das Probefärben und Probedrucken
seyn. Für die Färberei ist die Schwierigkeit weniger groß als für den Zeugdruck,
denn der Färber von Wolle oder Seide kann sich leicht eine vergleichende Uebersicht
über die ihm angebotenen Waaren verschaffen, wenn er in gleiche Gläser mit warmem
Wasser gleich viel Tropfen einer alkoholischen Lösung dieser Farben gibt und gleiche
Stückchen Seide- oder Wollegarn darin liegen läßt, bis die Flüssigkeit
wasserhell geworden und aller Farbstoff auf die Faser übergegangen ist. Die Stärke
der Färbung dieser Proben gibt ihm dann Aufschluß über den Werth der Farbe. Der
Färber erreicht so in rascher und einfacher Weise sein Ziel durch ein Verfahren,
wobei ungehörige Beimengungen die Probe kaum beeinträchtigen können, da die Faser
nur den Farbstoff aus der Lösung anzieht, alles andere aber zurückläßt. Anders
verhält es sich beim Druck. Hier liegt die Gefahr nahe, daß die gesammte Farbmasse,
wie sie nothwendig aufgedruckt werden muß, durch die etwaigen Verunreinigungen, die
sie enthält, die Schönheit des Musters benachtheilige. Es sind uns Fälle
vorgekommen, wo an sich sehr gute Farben, durch Reste von Beimengungen, welche der
Farbenfabrikant gänzlich auszuziehen versäumt hatte, große Parthien bedruckter Waare
verdorben haben, indem die schädliche Einwirkung dieser Beimengungen nicht immer
unmittelbar beim Bedrucken, sondern oft erst nach dem Dämpfen der Waare ins Auge
fällt. Man hat deßhalb überall, wo die Befestigung und Belebung der Farben durch
Dämpfen bewerkstelligt wird, bei dem Probedrucken darauf Rücksicht zu nehmen, daß
der Musterfleck auch in den Dampfkasten komme, so wie daß überhaupt schon die Probe
das gleiche Verfahren durchzumachen habe, welchem nachher die ganzen Stücke
unterworfen werden.
Um eine Idee zu geben, welche Arten von Verunreinigungen manche in den Handel
gebrachte Anilinfarben mit sich zu führen pflegen, werden wir einige der häufiger
vorkommenden Beispiele anführen. Die Hauptfarben, welche aus Anilin bereitet werden,
sind bekanntlich Violett und Roth in verschiedenen Nüancen. Die violetten Farben
tragen Namen wie „Anilinviolett,“
„Violettliqueur,“
„Anilein“ u.s.w. Die rothen kennt man hauptsächlich unter den
Namen „Rosein“ und „Fuchsin.“ Wir haben
alle diese Farben schon in den mannichfaltigsten Gestalten bekommen: bald in Lösung,
bald als Pulver, bald in Teigform feucht oder trocken, bald in körnig krystallinischer Gestalt
u.s.f. Dabei herrscht der größte Wechsel der Farbenabstufungen, so daß es oft schwer
hält, selbst von einer und derselben Fabrik die gleichen Qualitäten, wie man sie
schon verwendet hatte, wieder zu bekommen. Was die Ursache der Beimengungen
anbelangt, welche sich in Violett und in Roth mitunter finden, so rühren dieselben
meist von der Art und Weise der Darstellung der betreffenden Farben her. Es ist das
Vorhandenseyn derselben also selten einer betrügerischen Absicht, sondern gewöhnlich
nur der Nachlässigkeit in der Reinigung der Producte zuzuschreiben. So kam eine Zeit
lang aus England ein Violett in Form eines feuchten braunen Teiges, welches eine
bedeutende Quantität Chlornatrium mit sich führte, das offenbar das Mittel gewesen
war, den Farbstoff aus seiner ursprünglichen Lösung niederzuschlagen. Unterläßt man
es nun, einen solchen Farbstoff vor der Auflösung in Holzgeist oder Essigsäure erst
mit Wasser auszuwaschen, so wird bei längerem Stehen der Lösung das Kochsalz seine
Wirkung dadurch geltend machen, daß es aus der violetten Flüssigkeit einen Theil des
Farbstoffes als dunkelbraune Masse wieder abscheidet. Eine noch schädlichere
Verunreinigung sind die, theils durch Verharzung, theils auch durch Verkohlung
entstandenen unlöslichen schwarzen Körperchen, welche nur zu häufig in violetten,
mitunter auch in rothen Anilinfarben sich vorfinden. Bei solchen Producten ist es
fast unumgänglich nothwendig, die gemachte Lösung zu filtriren oder wenigstens nach
längerem Stehen zu decantiren, weil, falls die in der Lösung suspendirten schwarzen
Körperchen mit der Albuminverdickung aufgedruckt werden, nach dem Dämpfen das ganze
Muster durch unansehnliche schwarze Punkte entstellt erscheint. Eine ähnliche, aber
graue Punktirung wird durch Zinnoxyd veranlaßt, welches in manchen Fuchsinsorten in
nicht unbedeutender Menge gegenwärtig ist. Wir haben Zinnoxyd am häufigsten in
denjenigen Fuchsinsorten gefunden, welche als ein rothes Pulver in den Handel
kommen; aber auch mehrere Proben von krystallisirtem Fuchsin, die wir untersuchten,
zeigten sich keineswegs ganz frei von Zinnsäure. Davon nehmen wir übrigens unter
anderm das krystallisirte Fuchsin von Gebrüder Renard und
Franc in Lyon aus, welches sich stets als rein und
als vollkommen in Holzgeist löslich erwies. Daß man mit derartigen Beimengungen
fremde Körper, die kein Farbstoff sind, ziemlich theuer kauft, liegt auf der Hand;
es dürften deßhalb alle die genannten und sonstige mögliche Fälle Aufforderung genug
seyn, nach einer ausreichenden Methode der Werthbestimmung solcher Handelsproducte
zu suchen. Aus dem Nachstehenden wird hervorgehen, daß unsere zu diesem Zweck
versuchte Aufstellung eine Combination der Prüfung nach dem Geldwerth und der Frage nach dem
Qualitätsbefund der Waare ist, – ein Verfahren, welches sich überdieß schon
in einer bedeutenden Druckfabrik Oesterreichs bewährt hat.
Da vorausgesetzt werden darf, daß jede Zeugdruckfabrik, welche sich seit längerer
Zeit der Anilinfarben bedient, erfahrungsgemäß gewissen Fabricaten, die sie immer in
guter Qualität aus der gleichen Quelle erhielt, den Vorzug gibt, so nehmen wir dieß
zum Ausgangspunkt unseres Verfahrens. Ich setze z.B. den Fall, daß eine Druckfabrik
für Violett sich mit Vorliebe des in der That ausgezeichneten Anilinvioletts von Knosp in Stuttgart, welches unter dem Namen
Violettliqueur in den Handel kommt, bediene, daß sie aber für Roth wieder dem
„Rosein“ von Nestle, Andrae u.
Comp. in London den Vorzug gebe: so nehme ich diese beiden constant
gleichen Handelsartikel zur Norm, um darnach alle übrigen, von anderen Fabriken zu
verschiedenen Preisen mir angebotenen Anilinfarben zu beurtheilen. Dabei hat man
zunächst auf den jeweiligen Preis der einmal zur Norm gewählten Waare Rücksicht zu
nehmen. Würde z.B. Violettliqueur von Knosp gerade 11 fl.
per Zollpfund, Rosein von Nestle 3 fl. per Pfund kosten und diese
Farbstofflösungen hätten sich so, wie sie gekauft werden, als vortheilhaft zum Druck
erwiesen, für welchen sie nur noch mit Albumin und Gummi verdickt zu werden
brauchten, so wird man den sichersten Anhaltspunkt zur Werthbestimmung neu
angebotener Anilinfarben darin finden, daß man die Probelösungen der Muster von
Violett auf 11 fl. per Pfund, die der Muster von Roth
genau auf 3 fl. per Pfund stellt. Der Deutlichkeit wegen
sey es erlaubt, dieß durch ein Beispiel zu erläutern: es ist mir ein Violett in
fester Form angeboten zu 220 fl. per Pfund. Um nun
hievon das Pfund Lösung auf 11 fl. zu stellen, muß ich aus 1 Pfd. festem Violett
220/11 = 20 Pfund Lösung machen, so daß also die 20 Pfund Lösung den Werth von 220
fl. repräsentiren, folglich 1 Pfund Lösung den 20sten Theil oder 11 fl. Zu der Probe
im Kleinen macht man dem entsprechend aus 1 Grm. festem Violett 20 Grm. Lösung. Der
Werth des Lösungsmittels (Weingeist, Holzgeist oder Essigsäure mit Wasserzusatz) ist
dabei nicht mit in Anschlag gebracht, kann aber, wo es wünschenswerth scheint,
ebenfalls hereingezogen werden.
Verdickt man nun die nach solcher Berechnung gemachten Lösungen in gleicher Weise wie
die als normal angenommenen Anilinfarben, bedruckt ebenso gleiche Musterstecke mit
denselben und läßt die Proben alle Proceduren der Druckfabrication durchmachen, so
wird man sich am Ende dieses Ganges d.h. nach 24 bis 36 Stunden durch einen kurzen
Ueberblick vergewissern,
welche der angebotenen Waaren die besten Resultate
geliefert hat, und man wird hiedurch nicht nur Aufschluß über die Qualität, sondern
auch über den wahren Geldwerth der Farbe bekommen haben. Zeigt sich z.B., daß durch
eine der Proben das Normalmuster noch übertroffen wird, so ist damit zugleich
angedeutet, daß der Fabrikant Geld erspart und bessere Producte erzielt, wenn er
statt seines Normalmusters fortan mit der neueren als vorzüglicher erkannten Waare
arbeitet. Zu seinen Proben kann er aber nach wie vor die einmal von vorn herein
angenommenen Normalmuster als leitend beibehalten.