Titel: | Zum Nachweis organischer Alkaloide; von J. Erdmann. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LVII., S. 213 |
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LVII.
Zum Nachweis organischer Alkaloide; von J. Erdmann.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXX
S. 188.
Erdmann, über Nachweis organischer Alkaloide.
Bei der Wichtigkeit, welche die genaue Erkenntniß der giftigen Alkaloide für die
gerichtlich-chemische Analyse hat, wobei in den meisten Fällen nicht allein
nur wenig Substanz zur Prüfung vorliegt, sondern auch dieselbe nicht im Zustande
vollkommener Reinheit abgeschieden werden kann, ist es einmal nöthig, solche
Reactionen zu kennen, welche unter jenen Umständen immer sicher bleiben, sodann aber
wünschenswerth mit ein und der nämlichen Probe verschiedene aufeinanderfolgende
Reactionsreihen ausführen zu können. Der Verf. hat zur Lösung dieser Frage mit dem
Morphin, Narcotin, Strychnin, Brucin und Veratrin (als reine Alkaloide angewandt) eine Reihe von
Reactionen ausgeführt, der wir das Folgende entnehmen.
Erste Reihe.
Reagens: concentrirte Schwefelsäure, die eine sehr
geringe Menge Salpetersäure enthält.
Darstellung der Säure. – Man nehme 6 Tropfen einer
Salpetersäure von 1,25 spec. Gewicht und mische sie mit 100 Kub. Centm. Wasser.
Davon lasse man 10 Tropfen zu 20 Grm. reiner concentrirter Schwefelsäure fließen.
– Je nach der Menge der zur Prüfung genommenen Substanz (1 bis mehrere
Milligramme) füge man von der Probesäure 8–20 Tropfen hinzu und warte etwa
1/4–1/2 Stunde.
1.Morphin: wird violettroth
gefärbt. Die durch Zusatz von 2–3 Tropfen Wasser bewirkte gelinde
Erwärmung befördert den Eintritt der prächtig
violettrothen Färbung.
2.Narcotin: wird zwiebelroth. Zusatz von 2–3 Tropfen Wasser bewirkt ebenfalls den
raschen Eintritt der Reaction.
3.Strychnin: bleibt unverändert, auch nach Zusatz von 1 bis 2 Tropfen Wasser.
4.Brucin: wird vorübergehend
roth und dann gelb. Wasser befördert wie
vorhin den Eintritt der gelben Farbe.
6.Veratrin: wird erst gelb
dann gleich ziegelroth, nach Zusatz von 2–3
Tropfen Wasser gleich blutroth und dann bleibend prächtig kirschroth.
Zweite Reihe.
Reagens: die in erster Reihe angegebene Schwefelsäure und
Braunstem.
Man übergießt die Substanz mit 8–12 Tropfen Schwefelsäure und fügt kleine
linsengroße Stückchen Braunstein hinzu. Man wartet eine Stunde lang.
1.Morphium: gibt dann eine mahagonibraune Lösung.
2.Narcotin: eine gelbrothe
bis blutrothe Lösung.
3.Strychnin: eine erst violettpurpur- und dann zwiebelrothe
Lösung.
4.Brucin: eine vorübergehend
rothe, dann gleich gummiguttgelbe
Lösung.
5.Veratrin: eine dunkel-schmutzigkirschrothe Lösung.
Dritte Reihe.
Die nach Verlauf von einer Stunde erhaltenen farbigen Lösungen werden mit dem
4–6fachen Volumen Wasser allmählich und unter Vermeidung von Erhitzung verdünnt und dann vorsichtig mit nicht zu
schwachem Ammon dem Neutralitätspunkt möglichst nahe gebracht (nicht ammoniakalisch
gemacht).
1. Die Morphiumlösung wird schmutziggelb.
2. Die Narcotinlösung bleibt unverändert roth, der Verdünnung entsprechend.
3. Die Strychninlösung wird prächtig
violettpurpur.
4. Die Brucinlösung bleibt stark goldgelb.
5. Die Veratrinlösung zeigt eine
schwach braune Farbe, die auf Zusatz von Ammon mehr gelblich wird.
Nach dem schwachen Uebersättigen mit Ammon geht die Farbe:
1. Der Morphiumlösung in eine braunrothe über (ohne einen bemerkenswerthen
Niederschlag fallen zu lassen, dieser erscheint erst später).
2. In der Narcotinlösung entsteht
sogleich ein reichlicher dunkelbrauner
Niederschlag.
3. Die Strychninlösung wird gelbgrün bis gelb.
4. Die Brucinlösung bleibt gelblich.
5. In der Veratrinlösung entsteht gleich ein grünlichhellbrauner Niederschlag.
Werden diese Lösungen wieder mit verdünnter Schwefelsäure schwach sauer gemacht, so
treten die ursprünglich in saurer Lösung vorhandenen Farben wieder auf. Nur die Brucinlösung zeigt eine schwach röthliche Färbung, was,
wie der Verf. glaubt, einer äußerst geringen Verunreinigung derselben an Strychnin zugeschrieben werden muß. Am reinsten und
intensivsten tritt die purpurviolette Strychninfarbe hervor.
Da nun diese farbigen Veränderungen der zweiten und dritten Reihe auch zum Vorschein
kommen, wenn die der ersten schon stattgefunden haben, so läßt sich aus der
Combination beider ein kurzer methodischer Gang gewinnen. Berücksichtigt man hierbei
zugleich die durch die Einwirkung von concentrirter ganz
reiner Schwefelsäure auftretenden bekannten Farbenveränderungen, die Brucin,
Narcotin und Veratrin erleiden, so kann man folgenden Weg einschlagen.
A. Man übergießt die zu untersuchende Substanz mit
4–6 Tropfen reiner concentrirter
Schwefelsäure.
a) Die Flüssigkeit zeigt keine
Veränderung, also sind abwesend Brucin, Narcotin, Veratrin.
b) Es tritt eine rosa Farbe auf, die später gelb wird: Brucin.
c) Es tritt sogleich eine gelbe Farbe auf, die gelb
bleibt: Narcotin.
d) Es zeigt sich eine gelbe Farbe, die sehr bald in eine rothe übergeht: Veratrin.
B. Gleichgültig, ob Farben aufgetreten sind, oder nicht,
man fügt zu der durch Verfahren A. erhaltenen
Flüssigkeit 8–20 Tropfen der bei der ersten Reactionsreihe angegebenen
salpetersäurehaltigen Schwefelsäure hinzu, und hierauf 2–3 Tropfen Wasser.
Nach Verlauf von 1/4–1/2 Stunde zeigt die Flüssigkeit
a) eine violettrothe Farbe: Morphium;
b) eine zwiebelrothe Farbe: Narcotin;
c)keine Farbenveränderung: Strychnin;
d) eine gelbe
Farbe: Brucin;
e) eine intensiv kirschrothe Farbe: Veratrin.
C. Gleichgültig, ob nach dem Verfahren von B. Farben aufgetreten sind, oder nicht, man fügt zu der
Flüssigkeit 4–6 linsengroße Stückchen pulverfreien Braunsteins.
Nach Verlauf einer Stunde zeigt die Flüssigkeit:
a) eine mahagonibraune Farbe: Morphium;
b) eine gelbrothe bis blutrothe Farbe:
Narcotin;
c) eine dunkel
zwiebelrothe Farbe: Strychnin;
d) eine gummiguttgelbe Farbe: Brucin;
e) eine schmutzig-dunkel-kirschrothe Farbe: Veratrin.
D. Man gießt die erhaltenen gefärbten Flüssigkeiten in
ein Probeglas, verdünnt vorsichtig unter gutem Abkühlen
etwa mit dem vierfachen Volum Wasser und fügt so lange langsam Ammon hinzu, bis fast der Neutralitätspunkt erreicht ist. Es erscheint
a) eine schmutziggelbe Farbe, die beim Uebersättigen mit Ammon braunroth wird,
ohne gleich einen bemerkenswerthen Niederschlag abzusetzen: Morphium;
b) eine der Verdünnung entsprechende röthliche Farbe, beim Uebersättigen mit Ammon
entsteht ein reichlich dunkelbrauner Niederschlag:
Narcotin;
c) eine prächtig violettpurpurfarbene Lösung, die durch einen Ueberschuß von Ammon gelbgrün bis gelb wird:
Strychnin;
d) eine goldgelbe Lösung, die durch einen Ueberschuß von Ammon nicht
wesentlich verändert wird: Brucin;
e) eine schwach
bräunliche Lösung, die auf Zusatz von Ammon gelblich wird und nach dem Ueberschuß einen grünlich hellbraunen Niederschlag absetzt: Veratrin.
Verdünnt man die mit der Probesäure der ersten Reactionsreihe erzeugten farbigen
Lösungen mit reiner concentrirter Schwefelsäure, so
bleiben die Farben unverändert, und scheinen sich sehr lange Zeit aufbewahren zu
lassen, ja treten dadurch noch besser hervor. Die purpurviolette Reaction des
Strychnins, welche in der dritten Reihe gegen den Neutralitätspunkt auftritt, läßt
sich durch Zusatz von einem gleichen Volum starkem Alkohol haltbarer machen, so daß
man sie fast einen Tag lang aufbewahren kann.