Titel: | Ueber unauslöschliche Schrift; von D. R. Brown. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LX., S. 225 |
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LX.
Ueber unauslöschliche Schrift; von D. R. Brown.
Der Royal Scottish Society
of Arts vorgetragen. – Aus dem Mechanics'
Magazine, Januar 1862, S. 13.
Brown, über unauslöschliche Schrift.
Was zunächst den Begriff des Ausdrucks „unauslöschlich“
betrifft, so ist darunter nicht etwa Unzerstörbarkeit zu verstehen, da wir etwas
Unzerstörbares nicht herzustellen im Stande sind. Wollten wir selbst Zeichen auf
Diamanten eingraben, so könnte man durch Gegeneinanderreiben zweier Diamanten oder auch durch
Zerstoßen oder Verbrennen des beschriebenen Diamantes die Schrift zerstören. Wir
können also unter unauslöschlicher Schrift nur eine solche verstehen, welche, sich
selbst überlassen, der Zerstörung durch die Kräfte welche wir
„Zeit“ nennen, einen langen und unbestimmt ausgedehnten
Widerstand entgegenstellen kann, und welche sich ebenso dauerhaft gegenüber
denjenigen Mitteln erweist, die wir, mit Ausnahme der Zerstörung des Stoffes, worauf
geschrieben ist, anwenden können.
Die Betrachtung alter Schriften lehrt uns, daß von alten bekannten Substanzen der
Kohlenstoff sich in feinem schwarzen amorphen Zustand am besten zum Material für
lange aufzubewahrende Aufzeichnungen eignet.
Die Eigenschaften des Kohlenstoffs lassen denselben als einen der beständigsten
Körper erscheinen. Schon in sehr alter Zeit ist er, durch Zufall oder durch
absichtliche Wahl, als Mittel gebraucht worden, der Zukunft Nachrichten
aufzubewahren. Die Ruinen Assyriens, Aegyptens, Griechenlands und Italiens
überliefern uns bis auf den heutigen Tag den schwarzen Kohlenstoff mit allen seinen
Eigenthümlichkeiten, wie ihn die Alten zu ihrer Schrift gebrauchten; noch nach
3–4000 Jahren finden wir ihn unzerstört. Auch die Gelehrten unserer Zeit
bezeichnen den Kohlenstoff als das einzige zu unauslöschlicher Schrift geeignete
Material, und es ist wenigstens sicher daß bis jetzt kein besseres bekannt ist.
Der Kohlenstoff muß aber, wenn er als Material für die unauslöschliche Schrift dienen
soll, nicht allein auf die Oberfläche des Papiers niedergelegt werden, sondern im
Innern der Masse des Papiers selbst abgelagert seyn. Er muß einen integrirenden
Theil des Papiers ausmachen und nicht entfernt werden können, ohne daß das Papier
selbst zerstört wird.
Diese beiden Bedingungen können unter Berücksichtigung des Umstandes erfüllt werden,
daß das Papier in feiner Zusammensetzung Kohlenstoff enthält und daß dieser durch
Hitze so wie durch gewisse chemische Agentien daraus ausgeschieden werden kann.
Indem ich nun bedachte, daß man einen Platindraht durch Galvanismus glühend machen
kann, schien es mir nicht unmöglich, daß man sich eines auf diese Weise erhitzten
Drahtes wie einer Feder bedienen könne, um damit auf gewöhnlichem Papier
unauslöschliche Schriftzüge auszuführen.
Bei den in dieser Richtung angestellten Versuchen wurden die Schriftzüge allerdings
anfangs durch und durch eingebrannt, allein es zeigte sich, daß man zwar mit einer
heißen Feder und bei einer bestimmten Geschwindigkeit nicht das Papier ganz zu
zerstören brauche, daß aber Geschwindigkeit und Hitze so genau zusammenpassen
müssen, daß diese Schreibweise unausführbar bleibt.
Nach mancherlei fehlgeschlagenen Versuchen mit verschiedenen Papierarten, die auch
mit verschiedenen Substanzen getränkt worden, fand ich endlich, daß braunes
PackpapierBrown paper ist eine eigene Sorte Packpapier,
die in England aus alten getheerten Seilen verfertigt wird.A. d. Red. am leichtesten anwendbar ist, und es war nicht schwer, eine besonders
passende Dicke desselben zu finden, die die Herstellung einer deutlich lesbaren
– obwohl der gewöhnlichen immer nachstehenden – Schrift gestattete,
und zwar kann diese Schrift nur durch die kräftigsten Mittel angegriffen und kaum
zerstört werden. Papier und Schrift sind freilich unansehnlich, doch ist wohl hier
die Nützlichkeit Hauptsache. Die geringe im Papier zurückgehaltene Theermenge hat
einen vierfachen Zweck: es wird dadurch das Schreiben leichter und deutlicher; die
Insecten und die Feuchtigkeit werden abgehalten. Es braucht nur der Papiermasse
größere Gleichförmigkeit verliehen, die Oberfläche des Fabricats ebener –
aber nicht ganz platt – gemacht zu werden, um das Papier als ganz brauchbar
erscheinen zu lassen. Löschpapier aus wollenen Lumpen gibt zwar auch ein gutes
Resultat, ist aber den Angriffen der Insecten zu sehr ausgesetzt; Pergament
erfordert besondere Sorgfalt beim Schreiben mit der heißen Feder, doch sind diese
Versuche noch nicht ganz abgeschlossen.
Die galvanisch erhitzte Feder bot bei den Versuchen mancherlei Unbequemlichkeiten.
Sie bog sich leicht, und wurde zu heiß in der Hand; auch fanden leicht Störungen in
der Batterie und in der Leitung statt. Es wurden daher Proben mit anderen Drähten
und anderen Wärmequellen gemacht. Nach verschiedenen Versuchen zeigte sich ein
dicker Kupferdraht, mit einer einfachen Windung und einer abgerundeten Spitze unten,
als die beste Feder. Die Erhitzung des Drahtes geschah am besten mit einer
Gasflamme, die denselben dicht über dem Papier traf. Durch diese Stellung der Flamme
wurde das Papier vorgewärmt und der Draht gewissermaßen durch seine Stellung über
der Flamme leichter erhitzt. Indessen oxydirte sich das Kupfer bald, worauf ein
etwas dünnerer Platindraht sich in jeder Beziehung vollkommener erwies, indem er
sich leichter erhitzte, eine bessere Schrift gab und stets rein blieb. Indessen ist
nicht zu läugnen, daß diese Art zu schreiben noch mancher Verbesserungen fähig
ist.
Was nun die Anwendung chemischer Agentien zur Isolirung des Kohlenstoffes aus dem
Papier betrifft, so kommen hier zwei Substanzen in Betracht, die zwar beide als sehr
corrosiv gelten, deren Benützung für den vorliegenden Zweck aber doch möglich ist. Diese
Substanzen sind concentrirte Schwefelsäure und eine Auflösung von Phosphor in
Schwefelkohlenstoff.
Diese letztere ist indessen von allzu energischer Wirkung, um eine Anwendung
zuzulassen. Beim Ausfließen derselben aus einer Oeffnung von etwa 1/100 Zoll im
Durchmesser wurden, obgleich sie durchaus nicht concentrirt war, auf Papier schwarze
Striche von einem Zoll an Breite erhalten; selbst starke und dicke Kartenblätter
wurden durch und durch verkohlt. Natürlich ist es auch sehr gefährlich, mit einer
solchen Substanz umzugehen.
Die Schwefelsäure wendet man zu diesem Zwecke in einer Dichtigkeit von
1,825–1,830 (etwa 66° Baumé) und in vollkommener Klarheit an,
damit die feine Oeffnung der Schreibröhre nicht verstopft wird. Diese kann so sein
wie möglich seyn, muß aber sehr dicke Wände haben. Man braucht sehr wenig Säure;
eine ganz geringe Menge füllt eine große Seite mit Schriftzügen. Natürlich muß man
mit einer so corrosiven Flüssigkeit mit der gehörigen Vorsicht umgehen.
Die Schwefelsäure gibt nur dann deutliche und scharfe Züge, wenn man das starke
Papier, auf welches geschrieben wurde, innerhalb einer halben Stunde einer mäßigen
Hitze aussetzt, oder wenn man gleich auf mäßig warmes Papier schreibt. Das
beschriebene Papier kann man, ohne die Schrift zu benachtheiligen, in Wasser, in
Potaschelösung, Salpetersäure, oder in Chlorwasser waschen; beim Eintauchen in eine
Chlorkalkmilch verschwindet dagegen die Schrift, hinterläßt jedoch tief ins Papier
eingefressene Züge, die bei einiger Vergrößerung vollkommen scharf erscheinen: man
kann ihnen sogar wieder Farbe geben, indem man irgend ein gefärbtes Pulver auf das
Papier streut und wieder abbürstet. Die Züge sind so scharf, daß man vielleicht auf
diese Weise eine Art Gravirung bewirken kann. Die Wirkung des Chlorkalks kann man
sich vielleicht dadurch erklären, daß ein Rückhalt von Säure im Papier unterchlorige
und Chlorwasserstoff-Säure entwickelt, welche beim Entweichen als Gase das
verkohlte Papier abblättern; vielleicht hat auch die Bildung von schwefelsaurem Kalk
einen Einfluß dabei. Wenn man das Papier vorher gut wäscht, so ist die Wirkung des
Chlorkalks gering und man kann so der Schrift schon mehr Dauerhaftigkeit geben,
obwohl auch nach der Einwirkung des Chlorkalks ein starkes Reiben unter einem
Wasserstrahl erforderlich ist, um jede Spur der Kohlenschrift wegzunehmen. Dieß ist
ein noch näher zu untersuchender Gegenstand.
Die Schwefelsäure hat den Uebelstand, sehr corrosiv zu seyn und außerdem beim
Schreiben die Unannehmlichkeit, anfangs farblose Zeichen zu geben. Indessen
verdanken wir gerade diese Anwendung der Schwefelsäure ihrer Zerstörungskraft und
müssen uns schon in diesen Umstand fügen. Bei den betreffenden Versuchen wurden
keine anderen Vorsichtsmaßregeln getroffen, als daß die Außenseite der Schreibröhre
gut abgeputzt und diese beim Nichtgebrauch mit dem feinen Ende zu unterst hin gelegt
wurde; dabei stellte sich kein Nachtheil heraus. Man braucht nur äußerst wenig Säure
und reicht schon mit dem Inhalt einer kleinen Röhre für einen ganzen Tag aus, so daß
in der That bei gewöhnlicher Vorsicht die Gefahr nur gering ist. Der Farblosigkeit
kann man durch Färben der Schwefelsäure auf mancherlei Weise abhelfen, doch darf
dieß nicht durch Zusatz einer unlöslichen Substanz geschehen, da diese die Oeffnung
der Röhre verstopfen und leicht Unfälle veranlassen könnte. Röhre und Säure müßen
beide vollkommen rein seyn.
Ein begründeter Einwand gegen die Anwendung der Schwefelsäure beruht auf der
Zerstörung, welche ein Rückhalt an freier Säure später im Papier bewirken kann.
Schon der Umstand, daß sie Feuchtigkeit anzieht, ist erheblich. Indessen läßt sich
dem leicht durch Eintauchen des Papiers in eine schwach alkalische Lösung vorbeugen.
Alles dieß ist freilich mühsam; es fragt sich nur, ob die Aufbewahrung der
betreffenden Schrift diese Mühe verlohnt oder nicht. Wenn eine Sache der
Aufbewahrung während tausend und mehr Jahren werth ist, so wird sie auch wohl werth
seyn, daß man sich etwas Mühe darum gibt.
Es ist möglich, daß gewisse Substanzen gefunden werden, mit denen man das Papier
tränken kann, und die dann eine noch bessere und leichter entstehende Schrift
liefern, allein es fehlt noch an den bezüglichen endgültigen Versuchen.
So weit die Erfahrungen vorliegen, gibt die heiße Feder noch das beste Resultat. Zwar
hat die Schwefelsäure den Vortheil, daß sie ganz wie andere Tinte anzuwenden ist und
eine schwärzere und schärfere Schrift liefert. Dagegen gibt die heiße Feder Zeichen,
welche, wenn die Hitze stark genug war, durch keines der bis jetzt versuchten Mittel
auszulöschen sind, was bei der Schwefelsäureschrift nicht der Fall ist.
Ist die Hitze nicht stark genug gewesen, so scheidet sich auch wohl ein Theil des
Kohlenstoffs neben dem amorphen schwarzen als eine braune Zwischenstufe aus, die in
Wasser oder chemischen Agentien mehr oder weniger löslich oder durch dieselben
zerstörbar ist. Möglichste Einhaltung der zur vollkommenen Abscheidung des
Kohlenstoffs erforderlichen Temperatur ist daher von Wichtigkeit. Auch kann man nach
Verbesserung von Feder und Papier die heiße Schrift der mit Schwefelsäure erzeugten
Schrift in allen Punkten gleich stellen.
Um eine Seite eines Papierblattes mit einer heißen Feder zu beschreiben, braucht man nicht ganz die
doppelte Zeit wie zum Schreiben derselben Worte mit gewöhnlicher Tinte und
Feder.
Hiermit ist dieser interessante Gegenstand noch bei weitem nicht abgeschlossen. Ich
hoffe, daß auch Andere sich damit beschäftigen und denselben einer größeren
Vervollkommnung entgegenführen werden.