Titel: | Skizzen aus der allgemeinen Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Max Eyth. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXI., S. 241 |
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LXI.
Skizzen aus der allgemeinen Londoner
Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Max Eyth.
(Fortsetzung von S. 172 des vorhergehenden Heftes.)
Mit Abbildungen auf Tab. IV.
Eyth, Skizzen aus der Londoner Ausstellung.
Englische Locomobilen.
Wenn wir die transportabeln Maschinen, welche den
naturgemäßen Uebergang zwischen den stationären Maschinen und den Locomobilen bilden
und ohne Zweifel in nicht zu langer Zeit die kleineren Maschinen auf Fundamenten mit
getrennten Kesseln verdrängt haben werden, in den Kreis unserer Betrachtung ziehen,
so finden wir außer den 7 Hauptausstellern noch 13 englische Fabriken vertreten, von
denen 7 in dem Departement für Agriculturgeräthe, die übrigen aber in der
eigentlichen Maschinenabtheilung aufzusuchen sind. Nachdem wir im Vorhergehenden den
Charakter der englischen Locomobile festgestellt haben, können wir über die meisten
derselben in Kürze weggehen, und uns begnügen das wesentlich Unterscheidende und
Eigenthümliche der verschiedenen Constructionsweisen hervorzuheben.
Ruston, Proctor and Comp., Sheaf Ironworks, Lincoln.
Diese Fabrik ist durch ihre Locomobile Nr. 311 vertreten; bei derselben finden
wir wieder die gewohnten seitlichen Cylinder, den diesesmal halbrunden
Schieberkasten mit Deckeln hinten und vorn, den Einströmungsschieber und das
Ausströmungsrohr im Dampfraum, die vier Lineale als Geradführung, die
Gleitstücke von Gußeisen, nicht regulirbar, die Kurbelstange mit geschlossenen
Köpfen – all das, wie bei Clayton. Nur die
Kurbel ist, anstatt wie bei dieser und den meisten Fabriken durch Abbiegen der
Welle, in der früher gewöhnlicheren Art durch Ausstoßen eines angeschweißten
Blocks dargestellt. Außerdem ist Ruston einer der
wenigen englischen Locomobilenbauer, welcher für beide Lager ein
gemeinschaftliches Gußstück anwendet, was entschieden allgemein empfohlen werden
dürfte, wenn es nicht das Gewicht der Maschine so wesentlich vermehrte. In den
Ruston'schen Maschinen ist der Lagerstuhl, um
diesem Uebelstande
aus dem Wege zu gehen, fast zu leicht gehalten, als daß er wirklich den Zweck
einer absolut festen Verbindung der beiden Lager erfüllen könnte. Diese Lager
sind an die Böcke angegossen, und haben viereckige, seitlich verstellbare
Schalen, welche diagonal geschnitten sind. Ruston ist
ferner der einzige, welcher den Giffard'schen
Speiseapparat neben der in gewöhnlicher Weise durch ein Excenter betriebenen
Pumpe anwendet; dieser Apparat ist in sehr bequemer Weise dem Wasserstandsglas
gegenüber an der Stirnwand des Kessels angeschraubt.
Auch in Betreff der Cylinderdurchmesser unterscheiden sich die Ruston'schen Maschinen von den gewöhnlichen.
Dieselben sind für
4
5
6
7
8
10 Pferdekräfte resp.
6 3/4''
7 1/2''
8 1/4''
8 3/4''
9 3/4''
10 3/4'', somit um durchschnittlich
1/2 bis 3/4'' größer, als diejenigen aller anderen
Fabrikanten. Dieß ist um so weniger ein constructiver Vorzug, als die Expansion
bei dem einen Vertheilungsschieber und festen Excenter eine unveränderliche ist,
kann aber für den Käufer unter Umständen von Vortheil seyn.
Neben dem beschriebenen Exemplar finden wir eine zweicylindrige Maschine dieser
Fabrik von durchaus ähnlicher Construction. Die beiden Cylinder haben einen
gemeinschaftlichen Schieberkasten, dessen Deckel nach oben liegt und sind ein
Gußstück. Die beiden Lagerböcke sind getrennt. Die Schieber sind nur von je
einem Cylinder in Bewegung gesetzt, indem die Maschine, wie die eincylindrigen,
weder veränderliche Expansion hat, noch zum Umsteuern eingerichtet ist.
Charles Burrell, St. Nicholas Works, Thetford.
Auch diese Fabrik, welche sich durch ihre nach Boydell's System der endlosen Eisenbahn erbauten Straßenlocomotiven
auszeichnet, zeigt uns Eigenthümlichkeiten der Construction, die im englischen
Departement einzig in ihrer Art sind und welche, wenn der Cylinder ihrer
Locomobile in der Mitte der Feuerbüchse läge, diesen Maschinen ein nahezu
französisches Aussehen verleihen würden.
Das Wesentliche dieser Abweichung von der englischen Normalform liegt in der
Geradführung, der Kurbelstange und der Speisepumpe (Fig. 1). Die zwei
Lineale, welche das Gleitstück halten, bilden einen auf dem Cylinderdeckel
aufgeschraubten Bock, dessen äußeres Ende durch ein am Kessel angeschraubtes
Säulchen gestützt ist. Natürlich ist dadurch eine förmlich gespaltene
Kurbelstange bedingt, die mit drei mit Bügeln und Keilen versehenen
geschlossenen Köpfen nahezu wieder aufhebt, was durch die einfacheren Lineale
gewonnen ist. Der im Gleitstück festgekeilte Zapfen verlängert sich nach der
einen Seite und nimmt den Kolben der eine Speisepumpe mit. Diese ist an der
Seite des Cylinders angeschraubt, Construction, welche im französischen Departement die gewöhnlichere ist und die verschiedene,
namhafte Nachtheile hat. Die Geschwindigkeit des langen und dünnen Kolbens ist
einerseits viel zu groß, als daß die Pumpe einen guten Nutzeffect geben könnte;
andererseits drückt der Kolben auf das Gleitstück seitlich, und dazu an einem
ziemlich langen Hebelarm, so daß dadurch ein weiteres Ecken in demselben
hervorgebracht wird. Allerdings wird ein Excenter erspart, was jedoch auf
anderen Wegen auch erreicht werden kann.
Die Lager sind auf unter sich getrennten Lagerböcken aufgeschraubt, sicher eine
Verbesserung im Vergleich mit den an die Böcke angegossenen Lagern Clayton's etc., selbst wenn sie so unschön seyn
sollten wie sie Burrell construirt. Ueber den Kessel
und die weiteren Theile der Maschine können wir weggehen, da sie nicht von den
gewöhnlichen Verhältnissen abweichen. Die Cylinderdurchmesser sind für
4
5
6
7
8
9
10
und
12 Pferdekräfte resp.
6 1/2''
7''
7 3/4''
8 1/2
9''
9''
10''
12''.
Brown and May, North
Wilts Foundry, Devizes.
Der Hauptvortheil, den wir in den Dampfgehäusen der Cylinder von Locomobilen
sehen, ist, daß dieselben gewöhnlich in einer Weise angebracht sind, welche den
Dampfraum des Kessels vergrößert und den gewöhnlichen Mangel eines Domes bei
englischen Locomobilen einigermaßen ersetzt. Dieß findet auch im vorliegenden
Falle statt, indem der untere Theil des Cylindergußstückes als förmlicher
Dampfdom benutzt ist (Fig. 5). Der Dampf
umspült dann den Cylinder und tritt von oben in den nach der Seite hin mit einem
Deckel versehenen Schieberkasten. Die Geradführung ist durch zwei in
horizontaler Ebene liegende Rundstangen gebildet, die an der verlängerten
Stopfbüchsenflantsche einerseits, andererseits an einem Bock festgeschraubt
sind. Der Kreuzkopf ist eigenthümlicherweise durch eine Mutter mit der
Kolbenstange verbunden, und hat zwei angedrehte Hälse, welche durch die
geschlossenen Köpfe der Kolbenstange gefaßt werden. Eigenthümlich ist die Art,
wie der Kreuzkopf die Führungsstangen faßt, indem die runden Köpfe, welche sie
umgreifen, durch eine einfache messingene Mutter in eine förmliche Stopfbüchse
verwandelt werden (Fig. 6). Hiedurch kann
natürlich die Führung stets satt erhalten werden, aber dennoch bei einseitiger
Ausnützung kaum wirklich richtig gestellt werden. Die Lager sind mit den unter
sich getrennten Lagerböcken zusammengegossen und die einzigen in England, welche
nach der dem Cylinder abgekehrten Seite geneigt sind.
Die ausgestellte achtpferdige Maschine ist einfach und nicht besonders schön gearbeitet.
Ihr Gewicht beträgt 65 Ctr. Die von der Fabrik eingehaltenen Cylinderdimensionen
sind für
3 1/2
4
6
8
10
Pferdekräfte
5 1/2''
6 1/2''
8''
9''
10''
Durchmesser,
9''
10''
12''
14''
14''
Hub.
Die Kessel haben 20 Quadratfuß Heizfläche per
nominelle Pferdekraft. Zweicylindrige Maschinen werden für
9
10
12
und
14
Pferdekräfte
mit
6 1/2''
7 1/2''
8''
und
8 1/2''
Cylinderdurchmesser und
11''
11''
12''
und
14''
Hub versehen, und um
durchschnittlich 100 Pfd. Sterl. in selbstbewegliche
Locomobilen verwandelt.
Die drei nächsten Fabrikanten fassen wir kurz zusammen, da sie in jeder Beziehung
sich und den allgemeinen Constructionsformen ähnlich bleiben, und bei jedem nur
die eine oder andere unbedeutende Eigenthümlichkeit hervorzuheben ist. Dieselben
sind:
a) Turner, St. Peters Ironworks, Ipswich;
b) Wilkinson , Wright
and
Comp
., Boston;
c) Gray, Glasgow.
Turner (Fig. 2) ist der
einzige, welcher den Absperrschieber in ein besonderes Gehäuse hinter dem
seitlichen Schieberkasten legt. Der Vortheil, den Schieberkasten leicht während
des Heizens untersuchen zu können, wird wohl durch den Nachtheil überwogen, den
Dampf durch einen unnöthig langen, der Abkühlung ausgesetzten Weg in den
Cylinder zu leiten. Auch er hat die Lager auf unter sich getrennten Lagerböcken
aufgeschraubt. Eigenthümlicherweise ist das eine davon mit geradem Deckel
versehen, das andere, auf der Schwungradseite liegende, ist schräg geneigt.
Außerdem ist bemerkenswerth, daß die Schieberstange außerhalb des
Schieberkastens durch den Regulatorbock auf sehr billige und hübsche Weise
geführt ist.
Gray (Fig. 4) hat ebenfalls
seine Lager auf einem, bei ihm jedoch für beide gemeinschaftlichen Lagerstuhle
aufgeschraubt. Die Lager sind hier gerade, mit viereckigen diagonal
geschnittenen Schalen und seitlichen Stellschrauben versehen. Eine fernere
Eigenthümlichkeit ist, daß die Excenterringe aus zwei Stücken bestehen, welche
in schiefer Richtung zusammengeschraubt sind. Dieß vermindert natürlich den Zug,
den die Schrauben auszuhalten haben, wesentlich. Die sehr große Feuerbüchse des
gewöhnlichen Locomotivkessels ist für Holz berechnet.
Wilkinsons Geradführung (Fig. 3) besteht,
ähnlich wie bei Exall oder Brown und May, aus zwei runden Stangen in
horizontaler Ebene. Die metallenen Schalen, welche die Stangen fassen, sind
horizontal geschnitten, und werden von drei Seiten durch den Kreuzkopf umfaßt.
Die Deckelchen, welche die mit Schrauben verstellbaren Schalen halten, sind seitlich
angeschraubt. Das Ganze ist, wie man sieht, ziemlich theuer. Auch die
Schieberstange ist außerhalb des Schieberkastens ausnahmsweise durch den sehr
hübsch dazu verwendeten Regulatorbock geführt, wie bei Turner.
D'avy Brothers, Sheffield.
Eine weitere vierpferdige Locomobile von gewöhnlichem englischen Schlage finden
wir eigenthümlicherweise im österreichischen Departement – dorthin kam
dieselbe in Folge einer Herrn Hubazi patentirten Vorrichtung zum Brennen von Stroh. Dieselbe, Fig. 7,
besteht einfach in einem circa 2' langen conischen
Rohr aus Blech, dessen engere Mündung an das runde Heizthürchen des sonst ganz
gewöhnlichen Locomobilkessels angenietet ist. Die weitere, schief abgeschnittene
Mündung des Rohres ist mit einem nach oben aufzuschlagenden Deckel versehen,
durch den das Stroh eingebracht wird.
Die Maschine selbst ist – als englisches Product – nur wegen der
centralen Lage ihres Cylindermittels bemerkenswerth, die sie, wie wir sahen, nur
mit Ransomes und Sims'
Locomobilen theilt. Der Schieberkasten, welcher besonders aufgeschraubt und mit
einem seitlichen Deckel versehen ist, erfordert demnach eine dampfdichte
Verbindung mehr als gewöhnlich. Die vier Lineale, die Kurbelstange mit
geschlossenen Köpfen, und die unter sich getrennten Lagerböcke mit angegossenen
Lagern sind durchaus englischer Construction.
ThwaitesandComp., Bradford.
Die zweicylindrige Maschine dieser Fabrik, Fig. 8 und 9, welche
im westlichen Annex zu finden ist, kann sich einer großen historischen Bedeutung
rühmen. Dieselbe versah nämlich während des Baues des Ausstellungsgebäudes die
Dienste des kräftigsten, billigsten und unverdrossensten Taglöhners, und die
Riesenrippen der gläsernen Dome unter denen jetzt der Reichthum der Welt steht,
wurden von ihr auf die schwindelnde Höhe geschafft, auf der wie sie heute
bemerken.
Der Locomotivkessel ist verhältnißmäßig nicht viel größer, als gewöhnlich, doch
hat er einen großen Dom, der sich in viereckiger Form als Verlängerung des
Kessels über der Feuerbüchse erhebt. An der Wand dieses Doms sind mit ihren
hinteren Deckeln die beiden Cylinder angeschraubt, welche mittelst angegossener
Füße auf dem Rücken des Kessels ruhen. Die Schieberkasten liegen seitlich nach
außen, so daß jeder Schieberkasten sein eigenes im Dampfdom liegendes
Absperrventil hat und die Maschine leicht durch Abkuppeln der Kolbenstange nur
mit einem Cylinder arbeiten kann. Die Schieber sind natürlich durch Coulissen
zum Umsteuern eingerichtet. Die Wellen, von welchen aus die Coulissen verschoben
werden, liegen nicht, wie gewöhnlich, oberhalb der Excenterstange, sondern unter denselben;
zugleich dienen die Gelenkschienen, welche die Coulissen mit dem sie regierenden
Hebel verbinden, denselben zur Führung (Fig. 9). Die
Geradführung der Kolbenstange besteht aus den zwei Linealen wie sie Tuxford bei seinen horizontalen Maschinen anwendet,
und aus einem zugleich den Kreuzkopf vertretenden hohen Gleitstück. Die
Lagerböcke sind von der hübschen Form, wie wir sie bei Hornsby gesehen, und tragen die geraden besonders aufgeschraubten
Lager.
Ashton's Dampfwinde.
Mittelst eines Schwungrades von 1 1/2 Meter Durchmesser und eines 12 Centim.
breiten Riemens stand diese Maschine mit der einfachen Frictionswinde in
Verbindung, von der wir in Fig. 10 und 11 eine
Skizze geben. Zwei gußeiserne Rahmen bilden das Gestell und die Lager für vier
Wellen. Auf der mittleren und untersten derselben sitzt die treibende
Riemenscheibe von 90 Centim. Durchmesser. Zwischen den Gestellplatten, auf einer
Feder verschiebbar und durch einen Hebel nach Bedürfniß zu verstellen, sitzen
auf derselben Welle zwei Rädchen von 12 Zähnen, von denen entweder das eine in
das auf der darüber liegenden Welle sitzende Rad von 60 Zähnen eingreift, oder
das andere direct die eigentlichen die Bremsrollen tragenden Wellen mittelst
Rädern von je 66 Zähnen in Bewegung setzt. In ersterem Falle werden dieselben
durch ein Zwischenrad von 28 Zähnen auf der oberen
Welle in Bewegung gesetzt. Diese Bremsrollen sind gußeiserne,
abgedrehte Cylinder von 41 Centimeter Durchmesser, von denen jeder 8 je 4 1/2
Centim. weite Rinnen enthält, in die sich das Seil legt, welches die Last zu
heben hat und das noch über starke Flaschenzüge gehen kann.
Die Rollen sitzen außerhalb des Gestelles auf den verlängerten Achsen der
seitlich liegenden Wellen, deren Enden durch eine mit verstellbaren Lagerschalen
versehene Traverse solid verbunden sind. Der Apparat wirkt nun in einfacher
Weise folgendermaßen: das Seil wird 3, 4 oder auch 8 mal über die beiden Rollen
geschlungen und an dem einen Ende von einem Mann festgehalten. Die durch das
Anziehen des Seils entstehende Reibung nimmt die Last leicht in die Höhe, wobei
der Mann nur das ihm in die Hände laufende Seil stets straff zu halten hat.
Durch eine gehörige Anzahl von Windungen um die Rinnen der Rollen kann
selbstverständlich auf diese Weise jede Last bei der genügenden Kraft der
Dampfmaschine von einem Mann gehoben werden. Dasselbe Princip wird in einigen
deutschen Hüttenwerken zum Heben der Tische beim Blechwalzen angewendet, und
führt dort wie in unserem Falle zu einem äußerst einfachen und bequemen Weg
rasche unregelmäßige Leistungen auszuführen.Unter den Hebevorrichtungen befindet sich in der Ausstellung auch der
sinnreiche Differenzflaschenzug von Weston, welcher von S. und E. Ransome u. Comp.
ausgeführt wird und im polytechn. Journal Bd. CLXI S. 169 beschrieben
ist.
(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)