Titel: | Die Schmelzung des Platins mittelst Holzkohlen; von Carl Aubel, fürstl. Demidoff'scher Berg- und Hütteningenieur. |
Autor: | Karl Aubel [GND] |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXXI., S. 278 |
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LXXI.
Die Schmelzung des Platins mittelst Holzkohlen;
von Carl Aubel, fürstl. Demidoff'scher Berg- und
Hütteningenieur.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Aubel, über die Schmelzung des Platins mittelst
Holzkohlen.
Als ich im Winter des Jahres 1861 auf den Hüttenwerken des Fürsten Demidoff zu Nischne Tagilsk am Ural, nahe unter dem
56° nördlicher Breite gelegen, in den von Herrn General Raschette daselbst erbauten neuen Eisenhohöfen (sog. Normal- und
Universal-Schachtöfen) die Ausmessungen, resp. Temperaturen in den
verschiedenen Ofenzonen feststellte, gelang auch mein Versuch: in dem Brennpunkt
einer jeden Düse Platin mit der größten Leichtigkeit zu schmelzen.
Um die wahre und beziehungsweise höchste Temperatur des
Eisenhohofens zu ermitteln, konnte in keiner Weise anders
operirt werden, als das zur Bestimmung derselben nothwendige Metall oder die
Legirung direct, ohne die Zuführung der Gebläseluft zu unterbrechen, durch die Form
in das Innere des Ofens, d.h. in den Focus der Düse einzuführen, welcher in der
Richtung des Luftstroms gemessen, eine Ausdehnung von etwa 5 Zoll engl. zeigte und
bei circa 2 1/2 Zoll Entfernung von der inneren
Ofenwandung anfing (man s. Fig. 20 u. 21), woselbst
eben wegen der alleinigen und directen Verbrennung des Kohlenstoffs gerade aufgehend
zu Kohlensäure, auch die höchste Temperatur herrscht.
Der Ausführung stellten sich anfänglich unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen,
denn alle zur Unterlage für die Schmelzproben angewendeten Materialien zeigten sich
unbrauchbar, indem dieselben entweder einer zu frühen Zerstörung, beziehungsweise
Schmelzung preisgegeben wurden oder durch die allzurasche Einwirkung derselben,
unterstützt durch den plötzlichen Wechsel der zugeführten, stark gepreßten, dabei
kalten Gebläseluft, zersprangen oder sonstwie
zerstört wurden. Porzellanröhren von Meißen, welche bekanntlich sehr feuerfest sind,
versuchte ich anfänglich durch die Formen einzubringen, um durch diese wieder die
Schmelzprobe einzuführen und ein Verbatzen derselben zu verhindern, aber selbst nach
vorhergegangener vorsichtiger Abwärmung derselben bis zur hellen Rothgluth war ein
Zerspringen nicht zu vermeiden. Kleine, mit der Säge geschnittene,
parallelepipedische Stäbchen von Chamottsteinmasse, welche an ihrem Ende in einem
kleinen Grübchen die betreffende Legirung eingeschlossen enthielten, waren wegen
desselben Uebelstandes nicht brauchbar; feuerfester Talkschiefer, der frisch aus der
Grube gefördert sich leicht mit dem Messer schneiden läßt, später aber, wenn er
trocken wird, vollkommen erhärtet, entblätterte sich, in derselben Weise angewandt,
bevor noch die eingeschlossene Probe auf die zur Schmelzung nothwendige Temperatur
erhitzt war. Auch ein Eisenstab, welchen ich durch Einhiebe mit dem Meißel in der
Art eingekerbt hatte, daß ein Ueberzug von reiner Kaolinmasse leicht haften konnte,
und welcher in einer Vertiefung am Ende einen kleinen ächten Porzellantiegel zur
Aufnahme der Legirung enthielt, zeigte sich untauglich, insofern das äußerste Ende
schon anfing abzuschmelzen, bevor noch der Tiegel selbst in den eigentlichen Focus
des Verbrennungsraumes zu stehen kam.
Nach allen diesen und ähnlichen vergeblichen Versuchen kam mir endlich der glückliche
Einfall, Kohlenstoff in Form eines dichten Kohksstückes, besser noch geschnittener
Stäbchen aus den Kohlenelementen der Bunsen'schen
Batterie zu benutzen, welche sich auch wirklich bei allen Versuchen als in jeder
Hinsicht vortheilhaft erwiesen, wenn dieselben in folgender Weise angestellt
werden.
Wie aus der Skizze Fig. 20 und 21 hervorgeht, wird das
etwa 1 Quadratzoll starke, dabei 3 bis 5 Zoll lange Kohksstäbchen a in die eiserne Hülse b
gesteckt, welche nach der anderen Seite hin in einen eisernen Stab von etwa 5 Fuß
Länge ausläuft, und zur Vorsicht noch durch einen durchgehenden Nagel c gehalten; alsdann wird die betreffende Schmelzprobe in
die unterschnitten ausgearbeiteten Grübchen d, e u.s.w. gebracht, und um ein Herausschleudern
derselben durch die Gebläseluft, sowie ein Verbatzen durch die schmelzenden Massen
im Ofen zu verhindern, mit einem Lutum, bestehend aus feinem Kohkspulver und etwas
feuerfestem Thon oder Kaolien, vollkommen dicht abgeschmiert. Weiter wird das
Kohksstäbchen, um ein Abspringen zu verhindern, zunächst über Kohlenfeuer etwa bis
zur Rothgluth erhitzt, und so, nachdem man die Form von etwa vorgetretenem
Schmelzgut geräumt hat, in möglichst horizontaler Richtung durch dieselbe in den
Brennpunkt der Düse, welche man etwas zur Seite drückt, eingeführt.
Die Exposition Hierselbst richtet sich natürlich nach der Quantität und Natur der
Schmelzproben, sowie der Stärke des Kohksstäbchens; um 8 bis 16 Gramme Platin zu
schmelzen, ist unter den später näher erwähnten Umständen eine Zeitdauer von 4 bis 5
Minuten vollkommen ausreichend, was für andere Schmelzproben zum Anhalte dient.
Diese Methode ist darum so geeignet, weil man:
1) dasselbe Kohksstäbchen zu mehreren Versuchen hintereinander anwenden kann, indem,
vorausgesetzt daß dasselbe gut präparirt ist, trotz der bedeutenden Hitze nur ein
sehr geringes und vollkommen gleichmäßiges Schwinden resp. Verbrennen der Kohksmasse
stattfindet;
2) mehrere Proben bis zu dreien, wie schon angeführt, auf einmal anstellen kann, also
verschiedenartige Körper eine genaue Vergleichung in Hinsicht auf ihre
Feuerbeständigkeit zulassen, da dieselben unter gleichen Umständen d.h. genau
dieselbe Zeitdauer ein und derselben Temperatur ausgesetzt werden; hierzu kommt
noch
3) daß man in raschester Aufeinanderfolge ohne ängstliches
Verfahren und auf das BilligsteAuf Eisenhüttenwerken ist diese Methode z.B. aufs vortheilhafteste geeignet,
um die Eisensteinproben anzustellen, sowie um die verschiedenen Thonsorten
auf ihre Feuerfestigkeit zu prüfen etc. alle derartige Schmelzproben ausführen kann.
Bei dem Herausziehen der Schmelzproben aus dem Ofen, welches, um ein Verschütten
derselben zu vermeiden, sorgfältig und in horizontaler Richtung geschehen muß, ist
anfangs das äußerste Ende des Kohksstäbchens wegen der blendenden Weißgluth gar
nicht zu erkennen, und man befürchtet schon, daß ein vollkommenes Abbrennen
desselben stattgefunden haben könnte; bei allmählicher Abkühlung aber tritt, zur
größten Ueberraschung, auch dieser mit den Schmelzproben versehene Theil unversehrt
hervor.
Nachdem ich auf diese Weise eine Reihenfolge der schwerschmelzbarsten Legirung, aus
Platin und Silber bestehend, zum Fluß gebracht hatte, ging ich endlich zu dem
Versuche über, selbst Platin zu schmelzen, was auch zu meiner größten Freude
vollkommen gelang.
Bei einer Pressung der Gebläseluft von nur 1 1/2 Zoll engl. Quecksilbersäule, bei
einer Temperatur derselben von nur – 3° C., bei einem Durchmesser der
Düse von 1 Zoll engl., wurden zu verschiedenen Malen bis zu 1 1/2 Loth Platin in dem
Brennpunkte derselben und in einer Zeit von kaum sieben
Minuten zu einem wohlgeflossenen Regulus vereinigt, welcher öfters nach dem
Herausziehen aus dem Ofen und sicher noch durch Ueberhitzung auf's Schönste die
Erscheinung des Spratzens zeigte, noch in weit vollkommenerem Maaße, als es das
Feinsilber zu thun pflegt.Nach Sainte-Claire Deville muß man
wenigstens eine Masse von 500 bis 600 Grm. Platin im Kalk lange Zeit in
Schmelzung erhalten und dann das Metallbad plötzlich aufdecken, um das
Aufschäumen desselben wahrnehmen zu können. Es dürfte interessant seyn zu erwähnen: daß an demselben Tage, an welchem es
mir als dem Ersten gelang, Platin in einem Eisenhohofen,
welcher noch dazu mit Holzkohlen betrieben wurde, zu
Nischne Tagilsk bei sibirischer Winterkälte zu schmelzen, wozu bekanntlich circa 2700° C. erforderlich sind, das
Quecksilber, bei natürlicher Kälte in gefrornem Zustande verharrte, was eine
Temperatur von – 40° C. bezeichnete. Die höhere Temperatur der
Gebläseluft, im Gegensatz zu der äußeren Atmosphäre, hatte ihren Grund in der
Aufstellung der Gebläsemaschinen in geheiztem Locale; durch die freiliegenden und
langen Windleitungsröhren wurde aber die warm geschöpfte Luft von circa 10° C. wieder bis auf – 3° C.
abgekühlt.
Iridium, in den bekannten kleinen, zinnweißen metallglänzenden Blättchen und
Schüppchen von Osmium-Iridium aus den Goldwäschen des Orenburg'schen
Gouvernements, konnte ganz unter denselben Umständen wie
Platin, nicht zum Schmelzen gebracht werden, frittete jedoch vollständig zusammen;
dieß möchte hinlänglich verbürgen, daß bei Anwendung von erhitzter Gebläseluft, selbst ohne die
Pressung derselben zu erhöhen oder den Durchmesser der Düse zu vergrößern, die
Temperatur eines Eisenhohofens sogar Iridium zum Flusse bringen kann.
Zu erwähnen ist, daß, falls man nicht durch Verflüchtigung des Platins bedeutenden
Verlusten ausgesetzt seyn will, man sich hüten muß die Probe zu lange dem
Brennpunkte der Düse zu exponiren; einige Versuche sind jedoch ausreichend, um je
nach der Quantität des Platins die eben nur zur Schmelzung nothwendige Zeitdauer für
den betreffenden Hohofen zu bestimmen. Die höchste Temperatur in einem Eisenhohofen
also, d.h. in dem Brennpunkt einer Düse desselben, welche in diesem Falle durch
bloße Verbrennung von Holzkohle bei genügender Zuführung
von Gebläseluft erzeugt wird, übersteigt noch die sogenannte Blaugluth des Hrn.
Sainte-Claire Deville
Polytechn. Journal Bd. CXI. S. 428., welche derselbe durch rasche Verflüchtigung und Verbrennung des
Terpenthinöls auf einer künstlich construirten Lampe erzeugt. Dieselbe, resultirend
also bei der Verbrennung des Kohlenstoffs gerade aufgehend zu Kohlensäure, steht
vielmehr etwa in der Mitte zwischen der bisher nur durch eine theilweise Verbrennung
zu Wasser und Kohlensäure (resp. von Leucht- und Sauerstoffgas) erreichten
und von Deville zur Umschmelzung des PlatinsPolytechn. Journal Bd. CLIV S. 130. angewandten – und derjenigen, welche
erreicht wird bei Anwendung eines reinen Knallgas-Gebläses, mithin bei der
Verbrennung von Sauerstoff und Wasserstoff gerade aufgehend zu Wasser, welche
letztere Deville zur Umschmelzung des IridiumsPolytechn. Journal Bd. CLIV S. 390. empfiehlt.
Wenn gleich vom theoretischen Standpunkte aus betrachtet, sich auf 1 Gewichtstheil
Sauerstoff, bei der Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlensäure, weit weniger
Wärmeeinheiten (beziehungsweise 1278 W. E.) berechnen, als auf denselben bei der
Verbrennung von Wasserstoff zu Wasser kommen, und somit auch hieraus gefolgert
werden müßte, daß in ersterem Falle niemals ein so hoher Temperaturgrad als in
letzterem zu erzielen stände, so scheint sich dieses dennoch in der Praxis nicht
geltend zu machen, da es hier nur allein darauf ankommt, in welcher Zeit und in welcher Raumgröße von einer gleichen Menge Sauerstoff die
betreffende Anzahl von Aequivalenten Kohlenstoff oder Wasserstoff gerade aufgehend
zu Kohlensäure und resp. Wasser verbrannt wird.
Hiermit ist also endlich einmal durch einen praktischen
Versuch
constatirt, daß die
höchste Temperatur eines Eisenhohofens, welche früher von den Metallurgen nur problematisch festgestelltSo beträgt nach Prof. Scheerer das
Temperatur-Maximum in einem mit 400° C. heißer Gebläseluft
betriebenen Eisenhohofen 3300–3400° C.; man sehe polytechn.
Journal Bd. CLIX S. 235., später aber von Hrn. Prof. Tunner
Ein Beitrag zur näheren Kenntniß des Eisenhohofen-Processes durch
directe Bestimmung, von Prof. Tunner; Leoben im
October 1859. – Im Auszug im polytechn. Journal Bd. CLVI S. 314. zwischen 1900° und 2500° C. angegeben wurde, nicht nur dem
Schmelzpunkt des Platins, d. i. 2600° C. gleichkömmt, sondern denselben so
gar noch, je nach Umständen, übersteigt, d.h. in diesem speciellen Falle etwa dem
Schmelzpunkte des Iridiums, also 3000° C. gleich zu setzen ist.
Ich behalte mir vor, später Einiges über das Verhalten der verschiedenen Metalle,
Mineralien und Gebirgsarten in dieser Temperatur mitzutheilen, und erwähne hier
einstweilen nur, daß das grüne Chromoxyd, ohne mit Kohlenpulver gemengt zu seyn,
also auf bloß reducirend wirkender Unterlage, sofort zu einem Regulus vereinigt
wurde, der öfters, je nach dem Erkalten der Probe, mit den schönsten Chromspitzen
geziert war. Selbstverständlich wurde Nickel bei dieser Temperatur in größeren
Parthien, in bekannter zusammengefritteter Würfelform angewandt, zu einem vollkommen
homogenen Regulus vereinigt. Pulverisirter Bergkrystall konnte ebenfalls geschmolzen
werden, während Chromeisenstein vollkommen unverändert blieb.
Das ebenmitgetheilte Verfahren, die Temperatur in dem Focus eines Hohofens direct zu
messen, gibt somit ein äußerst einfaches Mittel an die
Hand, auch die Hitzegrade in allen anderen für metallurgische und technische
Processe angewandten Oefen zu bestimmen und resp. zu reguliren.
Ich hoffe demnächst die Versuche zu beenden, welche ich in dieser Hinsicht anstellte,
um die höchsten Temperaturgrade zu bestimmen, welche in Schachtöfen für die
Verschmelzung von Kupfer-, Silber-, Blei-, Zinnerzen etc.
nothwendig sind, sowie bei den verschiedenen Eisenhüttenprocessen, wie bei der
Umschmelzung von Roheisen, in den Puddel-, Frisch-, Schweißöfen
u.s.w.; auch werde ich in derselben Weise die Temperatur in Porzellan-,
Ziegelöfen, Glashäfen etc. ermitteln.
Nischne Tagilsk, im December 1861.