Titel: | Ueber die Gährung und die sogenannte generatio aequivoca. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXXV., S. 292 |
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LXXV.
Ueber die Gährung und die sogenannte generatio aequivoca.
Aus dem Journal für praktische Chemie, Bd. LXXXV
S. 465.
Ueber die Gährung und die sogenannte generatio
aequivoca.
Es sind vom Jahr 1859 bis 1861 eine Reihe Mittheilungen über diesen Gegenstand von
Pasteur und theilweise auch von Berthelot
in den Comptes rendus veröffentlicht worden, welche wir
vorläufig jetzt übersichtlich zusammenstellen wollen, obgleich sie noch nicht das
Endresultat der Untersuchungen umfassen. Es ist zugleich die Veröffentlichung einer
großen Abhandlung Pasteur's in den Annales des sciences naturelles im Druck, gegenwärtig vielleicht schon
vollendet, in welcher in neun Capiteln die Ergebnisse seiner letztjährigen
Untersuchungen niedergelegt sind. Auf diese wollen wir aufmerksam zu machen nicht
verfehlen. Die durch experimentelle Untersuchungen gewonnene Ansicht über die Natur
der Gährung und der Hefe führten Pasteur zu weiteren
Versuchen über das Leben gewisser niederer Pflanzen und Thiere, und schließlich auch
auf das Thema über die spontane Erzeugung organisirter Wesen. Wir werden daher im
nachstehenden Bericht nicht die zeitliche Reihenfolge seiner Mittheilungen genau
innehalten, sondern das nach dem Inhalt nächst Verwandte zusammenstellend, die
Darlegung der gewonnenen Thatsachen an den geeigneten Stellen vornehmen.
Der Gährungsproceß ist vom chemischen Standpunkte aus nach Pasteur nicht mehr das, wofür er seit den älteren genauen fast durchgängig
angenommenen Ansichten Gay-Lussacs und Thenard's bis auf diesen Tag gehalten worden ist; er ist
nicht bloß eine Zerfällung des Zuckers in Weingeist und Kohlensäure mit etwaigen
unwesentlichen geringen Nebenproducten, sondern von den letzteren sind es zwei, die
constant auftreten und darum für jenen Proceß etwas Wesentliches sind Comptes rendus t. XLVIII, p.
1149. Die Producte jener alkoholischen Gährung sind nämlich Weingeist, Kohlensäure,
Glycerin und Bernsteinsäure, und zwar ungefähr in folgendem Verhältniß: von 100
Thln. Zucker zerlegen sich 94–95 Thle. nach dem bisher angenommenen Schema in
Weingeist und Kohlensäure; die übrigen 4–5 Thle. Zucker zerfallen in
3,2–3,6 Glycerin, 0,6–0,7 Bernsteinsäure, 0,6–0,7 Kohlensäure
und 1,2–1,5 Cellulose, Fett und andere noch unbestimmte Producte. Daraus
folgt, daß die entwickelte Kohlensäure weder in
stöchiometrischem Verhältniß zu der Gesammtmenge des Weingeistes, noch zu der
des Zuckers stehen könne, wenn man für des letzteren Zersetzung die
Gleichung C¹²H¹²O¹² = 2.
C⁴H⁶O² + 4 CO² festhält. Das constante Auftreten des
Glycerins und der Bernsteinsäure, welches der Verfasser besonders bei der
Untersuchung mehrerer Weinsorten nachgewiesen, die im Liter 6–8 Grm. Glycerin
und 1–1,5 Grm. Bernsteinsäure (d.h. etwa die Hälfte bis ein Drittel der
festen Bestandtheile) enthielten, macht den Proceß der Gährung zu einem viel
complicirteren, als bisher angenommen. Denn da diese beiden Substanzen nicht
Producte eines neben der alkoholischen Gährung parallel laufenden Gährungsprocesses
sind, so können wir
augenblicklich die Bedingungen für ihre Bildung nicht durchschauen; wir wissen
nicht, in welcher Beziehung sie zu den anderen Nebenproducten stehen, welche die
Hefe assimilirt.
Die oben angegebene durchschnittliche Menge des Zuckers, welche, nicht in
bestimmbaren Producten controlirbar, bei der Gährung verschwindet, dient zur
Vermehrung der plastischen Bestandtheile der Hefe. Sie liefert also Kohlenstoff und
Wasserstoff, um welchen die neu gebildeten Hefenkügelchen an Cellulose und auch an
Fett zugenommen haben – vorausgesetzt, daß die Gährung unter sonst normalen
Bedingungen vor sich gegangen sey. Daß von dem Zucker in der That ein Antheil zur
Vermehrung der Hefe verbraucht werde, glaubt der Verf. schon durch seine früheren
Versuche über die Bildung der Hefe aus Ammoniaksalzen, Phosphaten und Zuckerwasser
unwidersprechlich dargethan. Er hat aber auch durch neue Versuche festgestellt, daß
reines Zuckerwasser und etwas mit Alkohol und Aether extrahirte Eiweißsubstanz durch
eine unwägbare Spur Hefe eine neue Menge Hefe bildete, die 1 Proc. Fett enthielt.
(Comptes rendus t. XLVIII, p. 735) Die Entstehung des Gährungspilses auf die angegebene Art ist ein
bemerkenswerther Fingerzeig für die Forscher, welche die Entstehung der jungen
Pflanzenzellen studiren.
Wenn aber eine weingeistige Gährung nicht unter normalen Bedingungen vor sich geht,
d.h. wenn die relativen Mengen des gelösten Zuckers und der Hefe nicht in gewissen
passenden Verhältnissen zu einander stehen, dann tritt eine auffällige Anomalie in
den Producten der Gährung ein. (Comptes rendus, t.
XLVIII, p. 640.) Nimmt man z.B. das 20fache vom Gewicht
des Zuckers an Hefe, so tritt eine sehr stürmische Gährung ein und lange noch, wenn
der Zucker bis auf die letzte Spur zersetzt ist, fährt die Kohlensäureentwickelung
fort, und auch die Gesammtmenge des Alkohols vermehrt sich weit über das
stöchiometrische Verhältniß zum angewandten Zucker. Hier findet also die Zersetzung
eines Zuckers oder einer analogen Materie statt, der anders woher stammt. Nirgends
findet sich dergleichen als in den Hefenzellen selbst und die Ausdeutung jener
Erscheinung kann Wohl nur folgende seyn. Die ausgewachsene Hefe, welche als
Gährungsmittel dient, beginnt in der Zuckerwasserlösung junge Knospen zu treiben,
die sich wieder zu ausgewachsenen Individuen zu entwickeln streben. Ist Zucker
hinreichend vorhanden, so geschieht dich auf Kosten desselben, mangelt er dagegen,
dann lebt die Knospe auf Kosten der Mutterzelle und diese enthält ja bekanntlich so
viel zersetzbare Cellulose, daß man aus ihr durch Kochen mit verdünnter
Schwefelsäure 20 Proc. Zucker erzeugen kann. Die wichtige Schlußfolgerung, die der
Verfasser daraus zieht, ist die innige Verknüpfung der Zuckerzersetzung mit dem Leben
der Hefekügelchen, deren physiologische Function es ist, Zucker in Weingeist,
Kohlensäure, Glycerin und Bernsteinsäure zu zerlegen, sofern sie die Phasen ihrer
Entwickelung durchmachen und sich vermehren wollen. Der Gährungsproceß ist nach ihm
durchaus an die Entwickelung einer Pflanze oder eines
Thieres – wie wir nachher sehen werden – geknüpft, er ist kein bloß chemischer Act, wie dieß
dagegen Berthelot behauptet (Comptes rendus t. L, p. 980.), gestützt auf
folgende Versuche. Es ist bekannt, daß in Gährung begriffener Rohrzucker sehr
schnell nach Beginn der Hefewirkung in einen linksdrehenden Zucker sich umwandelt,
der bekanntlich auch durch Einwirkung von Säuren auf Rohrzucker entsteht. Pasteur hatte beiläufig geäußert, daß die bei der Gährung
entstehende Bernsteinsäure jene Umwandlung hervorrufen möge. Dagegen zeigt Berthelot, daß dieselbe auch in alkalischer Lösung
eintrete, und zwar hervorgerufen durch einen eigenthümlichen in der Hefe vorhandenen
Stoff, vergleichbar der Diastase, ausfällbar aus der wässrigen Lösung durch Alkohol
als gelbliche hornartige Masse, durch Wärme und Salpetersäure gerinnbar und in hohem
Grade durch jene Eigenschaft gegen den Zucker ausgezeichnet. Diese Substanz soll es
seyn, die nach Berthelot den Zucker in Gährung versetzt
und sich in unbegränzter Menge stets bei neuer Behandlung der Hefe mit Wasser zu
bilden scheint, ihre Wirkung sey zu vergleichen mit der der Diastase und des
Emulsins. Indessen ist diese Ansicht auf Grund der eigenen Angaben des Verf. nicht
haltbar, denn er bemerkt ausdrücklich, daß jene Substanz den Rohrzucker umkehre,
ohne ihn in alkoholische Gährung zu versetzen und ohne organisirte Wesen zu
entwickeln.
Es gibt nun, wie Pasteur schon früher mitgetheilt hat,
verschiedene organisirte Wesen, welche Gährung einzuleiten vermögen und je nach der
ungleichen Art der Gährungserreger ist auch die Natur der Gährung verschieden. Dieß
hat sich insonderheit bei der genaueren Erforschung der sogenannten schleimigen, der
Buttersäure- und Milchsäuregährung herausgestellt. Der Pilz, welcher die
Milchsäuregährung hervorruft, besteht, unter dem Mikroskop betrachtet, aus kleinen
Kugeln, die entweder einzeln oder zu unregelmäßigen Flocken vereinigt und viel
kleiner als die der Bierhefe sind; die schleimige Gährung wird eingeleitet durch
zwei Pilze, welche ihrerseits keine Milchsäuregährung hervorbringen und diese drei
haben wiederum keine Beziehung zur Buttersäuregährung, obwohl in den Fällen, wo
Milchsäuregährung stattfindet, die gleichzeitige Bildung von Gummi (Schleimstoff)
und Buttersäure beobachtet wird. Das Auftreten so mancherlei Producte bei der sauren
Gährung läßt diesen
chemischen Proceß noch weniger leicht durchschauen, als den der alkoholischen
Gährung und wir erfahren daher vom Verf. nichts anderes darüber, als was die
bedingende Ursache derselben ist. (Comptes rendus t.
LII, p. 344) In dieser unterscheiden sich nun die
verschiedenen Gährungen durch die verschiedene Natur der organisirten Wesen, durch
welche jede Gährung – soweit der Verf. bis jetzt
weiß – eingeleitet wird. Es führte ihn dieses zum Studium über die
Entwickelung einiger dieser niederen Wesen. Mit Uebergehung dessen, was er bisher
über die Hefe und den Milchsäurepilz mitgetheilt hat, berichten wir bloß die neuen
Versuche und darausgezogenen Schlüsse.
Die Buttersäuregährung erregt keine Pflanze, sondern ein
Infusorium (Comptes rendus, t. LII, p. 344), welches die Gestalt kleiner, meist gerader,
bisweilen an beiden Enden gekrümmter Stäbchen hat. Diese sind meist isolirte, aber
auch zu drei bis vier in Ketten vereinte Individuen, etwa 0,002 Millimeter breit und
0,002–0,02 Millimeter lang. Sie bewegen zitternd den vordern und hintern
Körper und vermehren sich durch Selbsttheilung (Wandabschnürungen), am
gedeihlichsten in Zuckerwasser, welches Ammoniak und Phosphate enthält. Das
bemerkenswertheste ist, daß diese Thiere ohne allen Zutritt
von Sauerstoff leben, ja daß sogar der Sauerstoff sie tödtet, während ein
starker Strom Kohlensäure ihrer Entwickelung keinen Eintrag thut.
Der Pilz, welcher die Bierhefe ausmacht, kann unter beiden Bedingungen leben und sich entwickeln, mit und ohne Sauerstoff (Comptes
rendus t. LII, p. 1260); aber der Mangel an
Sauerstoff ist nur ein scheinbarer, bezieht sich nur auf den Ausschluß des
atmosphärischen Sauerstoffs, denn die Hefe assimilirt den gebundenen Sauerstoff des
Zuckers. (Ob das Buttersäureferment dieses nicht auch thue, läugnet der Verf. nicht,
bejaht es aber auch nicht; es scheint aus seinen Versuchen noch nicht deutlich
abzunehmen.) Wenn die Hefe unter Zutritt atmosphärischen Sauerstoffs lebt, so
entwickelt sie sich ungemein lebhaft, ist aber dabei als Ferment fast gar nicht
thäthig. Erst wenn sie in der Zuckerlösung untertaucht, beginnt ihre Wirkung als
Ferment, weil sie nun den Sauerstoff aus dem Zucker sich assimilirt.
Was der Verf. schon früher über die Bedingungen für die Entwickelung der Bierhefe und
des Milchsäurepilzes beobachtete, – daß diese kleinen Zellpflanzen gewöhnlich
durch Assimilation des freien Sauerstoffs leben, und, wenn man ihnen diesen
entzieht, denselben den gährungsfähigen Körpern entziehen und diese zersetzen,
– das gilt auch für die Mucedineen, beispielsweise für Penicillium. Dreierlei
Stoffe sind unerläßlich in der ernährenden Flüssigkeit: Zucker, Ammoniaksalze oder Albuminate und
Phosphate. Die Unterdrückung eines dieser drei bringt die Vegetation zum Stillstand
(Comptes rendus t. LI, p. 709). Und eben so unerläßlich ist der Sauerstoff, denn die Mucedineen
zerlegen niemals die Kohlensäure, entwickeln vielmehr fortdauernd dieselbe, auch
nehmen sie keinen Stickstoff aus der Luft auf, daher die Unentbehrlichkeit
stickstoffhaltiger Substanzen in der Ernährungsflüssigkeit.
Die Frage über die Entstehung der organisirten Wesen welche die Gährung bewirken,
scheint dem Verfasser gar nicht zweifelhaft zu beantworten. Er ist nach dem jetzigen
Stande unserer Kenntnisse und seinen wiederholten Versuchen über diesen Gegenstand
ein ganz entschiedener Gegner der Annahme einer generatio
spontanea. Nur vorhandene Keime sind es, welche neues Leben hervorrufen
(Comptes rendus t. LI, p. 348) und wenn der Anschein für eine selbstständige Erzeugung zu sprechen
schien, so war es nur unrichtiges Experiment. Der Verf. hat die auch schon von
deutschen Gelehrten gründlich angestellten Versuche gegen die generatio aequivoca mit besonderer Umsicht und Sorgfalt wiederholt und
diese bestätigen das Ausgesprochene. Auch der berühmte Versuch, des über Quecksilber
in ausgeglühter Luft die Gährung erleidenden Weinbeersaftes hat die Fehlerquellen
nicht ausgeschlossen, denn es gelingt, in Flüssigkeiten, in denen alle Umstände für
die Entstehung von organischen Keimen ausgeschlossen, aber günstige für die
Ernährung hineingebrachter Keime vorhanden sind, sofort die Vegetation einer neuen
Schöpfung einzuleiten, wenn nur ein erbsengroßer Tropfen Quecksilber, wie es im
Laboratorium zu stehen pflegt, eingeführt wird. Dieser bringt die Keime mit, wie sie
sonst die Luft mitzubringen pflegt.
Aber nicht überall und immer sind die Ursachen für die Entstehung niederer Pflanzen
oder Thiere in der Luft vorhanden und natürlich sind es auch nicht immer die Keime
derselben, sondern sehr mannichfaltige Arten von organisirten Wesen, mit welchen die
Luft beladen ist. Ueber die Natur einiger in der Luft suspendirter Materien hat der
Verfasser mikroskopischen Aufschluß gesucht, indem er viel Luft durch ein Rohr mit
Schießbaumwolle saugte und schließlich die letztere in Aether-Weingeist
auflöste, wobei die aufgenommenen Substanzen zurückblieben (Comptes rendus t. L, p. 303). Das Mikroskop
wies in ihnen Stärkekörner und andere wenig bestimmbare Kügelchen nach, die Sporen
zu seyn schienen. Es wurden dieselben mit der Vorsicht, alle Umstände für die
mögliche Anwesenheit anderer Keime auszuschließen, in eine ernährende Flüssigkeit
(Zuckerwasser und Eiweißstoffe nebst Salzen, aus der Hefe herrührend) eingebracht
und nach 24 Stunden entstanden Vegetationen von Pflanzen und Thieren; unter ersteren
finden sich bald Penicillium, Ascophora und Aspergillus, bald andere Mucedineen,
untern letzteren war es das Infusorium Bacterium termo.
Dasselbe Resultat ergibt sich, wenn statt Schießbaumwolle Asbestfäden als Luftfilter
dienen und der Gegenversuch mit geglühtem Asbest in einer ernährenden Flüssigkeit
zeigt – unter obigen Vorsichtsmaßregeln – die Abwesenheit jeder
Vegetation.
Aehnliche Versuche hat der Verf. mit Luft von verschiedenen Localitäten wiederholt
und das voraussichtliche Ergebniß gewonnen, daß in den meisten Proben Keime
vorhanden waren, in einigen dagegen nicht und daraus ergibt sich die Unrichtigkeit
von Gay-Lussac's Annahme, daß eine fortlaufende
Kette (continuité) der Ursache von spontaner
Generation vorhanden sey (Comptes rendus t. LI, p. 676). Von 20 Proben Luft, auf dem Lande in der Ebene
geschöpft, enthielten acht keimfähige Substanzen, von 20 Proben auf dem Juragebirge
in 2600 Fuß Höhe genommen, enthielten fünf solche Keime, von 20 Proben auf dem
Montanvert in 6000 Fuß Höhe geschöpft, enthielt nur eine einzige organische Wesen.
Von der Luft in den Kellern des Pariser Observatoriums konnte man mit gewissen
Vorsichtsmaßregeln (gegen das Aufrütteln vom Boden) Proben schöpfen, die gar keine
Keime enthielten.
Auch die Versuche über die Bewahrung der Keimfähigkeit, deren theilweise schon in
früheren Zeiten von Spallanzani u.a. angestellt waren,
hat der Verf. wieder aufgenommen (Comptes rendus t. L,
p. 849, t. LII, p. 16). Wenn Urin aufgekocht und unter Ausschluß
jeglichen andern Keimes mit dem oben erwähnten gesammelten Luftstaub versetzt wird,
so entwickeln sich bei 25–30° C. im zugeschmolzenen Gefäß Bacteriums,
Monaden, Vibrionen und er fault wie sonst an der Luft, während derselbe Urin unter
gleichen Umständen ohne Lufstaub völlig unverändert bleibt. Mehrere Proben frischer
Milch, auf gleiche Weise wie der Urin behandelt, verhalten sich ganz anders. In
allen Gefäßen ist nach 3–10 Tagen die Milch geronnen und trotz dessen noch alkalisch wie zuvor, sie wimmelt von
Infusorien und enthält meist auch Vibrionen. Kocht man aber Milch lange Zeit oder
erhitzt sie bis 110–112° C., dann entwickeln sich in ihr keine Thiere,
keine Pflanzen und dasselbe geschieht, wenn man geglühte Luft in das Gefäß eintreten
läßt, statt dasselbe zuzuschmelzen. Immer wird in diesem Falle ein Antheil
Sauerstoff der Luft verzehrt, aber er überträgt sich an das Fett, welches zu
Klümpchen und talgig wird, nicht an Albuminstoffe, zur Erzeugung von Gährungspilzen,
wie man früher annahm. Im sauren Urin und ebenso in der sauren Bierhefeflüssigkeit
werden also die vorhandenen Keime der Thiere durch kurzes Erhitzen bei 100° C. getödtet,
in der alkalischen Milch erhalten sie sich lebensfähig bei etwas höheren
Temperaturen.
Die Sporen der Mucedineen behalten ihre Keimfähigkeit noch in höherer Wärme. Erhitzt
man sie trocken eine Stunde lang auf 120° C., so keimen sie noch; eine
Temperatur von 130° C. können sie aber nicht eine halbe Stunde lang ertragen,
ohne getödtet zu seyn. Dagegen werden dieselben Sporen in Wasser, welches nur einige
Minuten auf 100° C. erhitzt ist, ihrer Keimfähigkeit beraubt.