Titel: | Erfahrungen in Betreff eines aus Gußstahlblech gefertigten Dampfkessels. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXXXI., S. 327 |
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LXXXI.
Erfahrungen in Betreff eines aus Gußstahlblech
gefertigten Dampfkessels.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung
des Gewerbfleißes in Preußen, 1862 S. 140.
Ueber einen Dampfkessel aus Gußstahlblech.
Der in Rede stehende DampfkesselDie folgenden Mittheilungen sind einer von dem königl. preußischen
Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten der Redaction der
„Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes
in Preußen“ zur auszugsweisen Benutzung überlassenen Reihe
von Berichten des Hrn. Bauinspectors Dieckmann in
Hagen an die königl. Regierung zu Arnsberg entnommen.Zugleich sey hier auf den von den Herren Combes,
Lorieux und Couche an den kais.
französischen Minister für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten
erstatteten Bericht „über die Anwendung des Gußstahlbleches zur
Construction der Dampfkessel“ (polytechn. Journal Bd. CLXIV
S. 3) hingewiesen. ist in der Kesselfabrik von L. Stuckenholz zu
Wetter a. d. Ruhr angefertigt und in den letzten Tagen des October 1860 in dem
Puddlings- und Walzwerk von Peter Harkort und Sohn im Schönthal bei Wetter aufgestellt und in Betrieb
gesetzt worden.
Er hat eine cylindrische Form, keine Feuerröhren und 4 Fuß Durchmesser bei 30 Fuß
Länge, einschließlich der kugelförmigen Köpfe. Auf dem Kessel befindet sich ein
Dampfdom von 2 Fuß Durchmesser und 2 Fuß Höhe, sowie ein Mannlochaufsatz von 15 Zoll
Durchmesser und 10 Zoll Höhe. Die Blechstärke beträgt an dem cylindrischen Theil des
Kessels selbst einen Viertelzoll.
Unmittelbar neben diesem Kessel ist ein solcher von Eisenblech eingemauert, welcher
bei übrigens genau derselben Form und Größe eine Blechstärke von 0,414 Zoll in
seinem cylindrischen Theil besitzt.
Beide Kessel sind auf 4 1/3 Atmosphären Dampfdruck concessionirt. Der Gußstahlkessel
aber wurde bei seiner Abnahme zunächst auf 6 1/2 Atm., demnächst auf 8 2/3 Atm.,
endlich auf 13 Atm. geprüft, ohne daß dabei irgend eine Formveränderung oder
Undichtigkeit beobachtet wurde, mit Ausnahme zweier Niete, welche unter dem größten
Drucke von 13 Atm. etwas Wasser durchließen.
Nachdem beide Kessel bei gleicher Feuerung mit einer Dampfspannung von 3 1/2 bis 3
3/4 Atm. 6 1/2 Monate lang Tag und Nacht im Betriebe gewesen waren, wurden sie,
insbesondere der Gußstahlkessel, während des Stillstandes der Fabrik in den
Pfingsttagen 1861 einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen, wobei sich ergab,
daß die Gußstahlbleche selbst an den dem Feuer am meisten ausgesetzten Flächen und
Kanten keine Spur von Beschädigung erlitten hatten; auch fand sich im Innern des
Gußstahlkessels nur sehr wenig, etwa nur halb so viel Kesselstein vor, als in
demjenigen von Eisenblech, welchem Umstande es vorzugsweise zuzuschreiben seyn mag,
daß zufolge der während des Betriebes angestellten Beobachtungen die
Verdampfungsfähigkeit des ersteren Kessels um 25 Proc. höher war als die des
letzteren, indem die in beiden bei gleicher Feuerung in derselben Zeit verdampften
Wassermengen sich nahe wie 5 : 4 verhielten.Um zu erkennen, in welchem Maaße die größere Verdampfungsfähigkeit des
Gußstahlkessels seiner geringeren Steinbildung zuzuschreiben ist, wäre es
von Interesse gewesen, zwei Versuchsreihen mit einander zu vergleichen, von
denen die eine unmittelbar nach, die andere unmittelbar vor der Reinigung
beider Kessel angestellt worden wäre.A. d. O.
In Folge des über diese Erfahrungen erstatteten Berichtes veranlaßte demnächst das
königl. Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zur
Vervollständigung des Urtheils über den Gebrauchswerth des fraglichen
Gußstahlkessels neue und ergänzende Beobachtungen, welche sich insbesondere auch auf
diejenigen Wassermengen bezogen, die in beiden Kesseln nicht sowohl bei gleicher
Feuerung in derselben Zeit, als vielmehr mit derselben Brennmaterialmenge verdampft
wurden.
Die hierdurch veranlaßten, von den Besitzern Herren P. Harkort und Sohn selbst erstatteten Berichte
konnten sich bereits auf einen 1 1/2jährigen fortwährenden Betrieb stützen, und
constatirten dieselben zunächst vollkommen auch für diesen längeren Zeitraum die
früher mitgetheilten Erfahrungen. Bleche, Niete und Dichtigkeit des Gußstahlkessels
waren vollkommen erhalten, und war überhaupt noch keinerlei zerstörende Einwirkung
des Feuers wahrzunehmen gewesen; auch die geringe Kesselsteinbildung war bei
wiederholter Reinigung stets auf's Neue bestätigt gefunden worden: während in allen
übrigen Kesseln der Fabrik aus Eisenblech die Steinschicht eine Stärke von ungefähr
1/8 Zoll erreicht hatte, war selbige in dem Gußstahlkessel kaum merklich.
Die wieder aufgenommenen und mittelst des Giffard'schen
Apparates sorgfältig durchgeführten Messungen der Speisewassermengen ergaben im
Durchschnitt aus 20 aufeinander folgenden Schichten à 12 Stunden
für den Kessel aus Gußstahlblech
139,92 Kubikfuß
„ „
„ „
Eisenblech
112,44 „
pro Schicht, oder 11,66 und 9,37 Kubikfuß pro Stunde. Das Verhältniß beider = 124,44 : 100 stimmt mit
dem früher angeführten = 5 : 4 fast genau überein.
Gleichzeitig betrug der Kohlenverbrauch im Durchschnitt
für den Kessel aus Gußstahlblech
2706 Pfd.
„ „ „ „
Eisenblech
2772 „
pro Schicht; es wurden also mit 1 Pfd. Steinkohle
im Gußstahlkessel
3,20 Pfd. Wasser
„ Eisenkessel
2,51
„ „
verdampft, und verhielten sich folglich in dieser Beziehung
die Verdampfungsfähigkeiten beider Kessel wie 127,49 : 100, d.h. es war diejenige
des Gußstahlkessels um nahe 28 Procent größer als die des anderen. Es muß hierbei
bemerkt werden, daß diese auf 1 Pfd. Steinkohle bezogenen Wassermengen durchaus
nicht die absolute, sondern eben nur die relative Productionskraft beider Kessel
darstellen, indem die letzteren nicht direct, sondern durch die in den davor
gelegenen Puddelöfen erzeugten und von denselben schon zum größten Theil ihrer Hitze
beraubten Gase geheizt werden. Die Besitzer glauben, daß bei directer Feuerung und
entsprechend zweckmäßiger Einrichtung des Feuerraums und der Züge, das Resultat der
Vergleichung in noch höherem Maaße zu Gunsten des Gußstahlkessels ausgefallen seyn
würde; doch war die Anstellung derartiger Versuche ohne übermäßig großen Aufwand an
Kosten und Zeit bei den vorhandenen Einrichtungen nicht möglich.
Als weiterer Beleg für die Dauerhaftigkeit des Gußstahlbleches unter der Einwirkung
des Feuers wurde Hrn. Bauinspector Dieckmann mitgetheilt,
daß an Dampfkesseln in den Fabriken von Funke und Elbers in Hagen und von Vorster in Delstern die dem Feuer am meisten ausgesetzten Eisenplatten
durch Gußstahlbleche ersetzt und seit resp. etwa 2 Jahren und 1 Jahr sehr bewährt
gefunden worden seyen, während die früheren Eisenplatten nur etwa 1/2 Jahr brauchbar
blieben.
Die Blechstärke anlangend, war man der Meinung, daß nach den bisherigen Erfahrungen
für Gußstahlbleche im allgemeinen die Hälfte der seither für Eisenbleche gesetzlich
festgestellt gewesenen Stärke, für höheren Druck wohl eine noch geringere Stärke,
etwa 2/5 völlig ausreichend seyn werde. Indessen machte Hr. Stuckenholz darauf aufmerksam, daß bei einer geringeren Stärke als 3/16
Zoll, die dichte und haltbare Vernietung der Platten sehr schwierig und kaum mehr
mit der nöthigen Zuverlässigkeit herzustellen sey; auch die Bearbeitung der Niete
von Gußstahl sey schwierig und kostspielig, und deßhalb die Anwendung
schmiedeeiserner Niete in etwas stärkeren Dimensionen vorzuziehen.