Titel: | Ueber die Verbindung des Anilinroths mit Gerbstoff; von E. Kopp. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XC., S. 382 |
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XC.
Ueber die Verbindung des Anilinroths mit
Gerbstoff; von E. Kopp.
Aus dem Répertoire
de Chimie appliquée, Juli 1862, S. 257.
Kopp, über gerbsaures Rosanilin.
Eine der interessantesten Verbindungen des RosanilinsSo benennt Hofmann das reine Anilinroth; man sehe
seine Abhandlung über die Anilinfarbstoffe in diesem Bande des polytechn. Journals S. 60., welche auch eine wichtige Rolle bei den Anwendungen dieses schönen
Farbstoffs spielt, ist diejenige mit dem Gerbstoff.
Das gerbsaure Rosanilin ist, wenn nicht das unauflöslichste, wenigstens eines der am
wenigsten in Wasser löslichen Salze des Rosanilins. Man erhält es jedesmal, wenn man
eine Lösung von reinem Gerbstoff oder einen frisch bereiteten Galläpfelauszug einer
wässerigen Lösung eines neutralen oder doch nur schwach sauren Rosanilinsalzes
zusetzt; am besten wendet man ein Salz mit starker Mineralsäure (schwefelsaures,
salpetersaures oder salzsaures Rosanilin) an. Wenn das Rosanilinsalz zu sauer wäre,
müßte man den größten Theil des Säureüberschusses durch ein kohlensaures Alkali
neutralisiren.
Man kann die Unauflöslichkeit des gerbsauren Rosanilins benutzen, um diesen Körper
aus Lösungen niederzuschlagen, welche zu verdünnt sind, als daß sie mit Vortheil
abgedampft oder mit einem neutralen Alkalisalz behufs der Fällung des aufgelösten
Rosanilinsalzes gesättigt werden könnten.
Wenn man eine ziemlich concentrirte und heiße wässerige Auflösung eines
Rosanilinsalzes durch eine concentrirte Gerbstofflösung fällt, so erhält man das
gerbsaure Rosanilin als eine schmierige, harzartige Masse von sehr dunkler
braunrother Farbe. Ist die Temperatur hoch genug, so kann der Niederschlag sogar
vollständig geschmolzen seyn. In diesem Falle lassen sich die Mutterlaugen
decantiren; sie haben dann aber in der Regel eine noch ziemlich intensive rothe
Farbe, besonders wenn man zur Fällung einen Ueberschuß von Gerbstoff angewendet hat.
Hiernach scheint es, daß das Rosanilin mehrere Verbindungen mit dem Gerbstoff
bildet, und daß das zweifach- und dreifach-gerbsaure Salz löslicher
als das neutrale ist. Das geschmolzene Salz, nachdem es durch Abkühlen erstarrt ist,
zeigt manchmal nach dem Trocknen einen schön goldgelben Metallreflex.
Wendet man kalte und hinreichend verdünnte Lösungen an und vermeidet einen
beträchtlichen Ueberschuß von Gerbstoff, so bildet das gerbsaure Rosanilin einen
flockigen und pulverigen, sehr zertheilten und prachtvoll carminrothen Niederschlag.
Man wascht ihn und läßt ihn bei gelinder Wärme trocknen. Die Mutterlaugen sind sehr
oft ganz farblos.
Will man einen Niederschlag erzielen, welcher möglichst viel Rosanilin enthält, so
braucht man ihn nur mit neuen, schon vorher hinreichend gereinigten Lösungen von
Anilinroth zu schütteln, so lange als diese noch entfärbt werden oder die Farbe des
Niederschlags an Intensität zunimmt.
Beim Erhitzen wird das gerbsaure Rosanilin dunkler und bekommt eine violette Nüance;
einer höheren Temperatur ausgesetzt, wird es bräunlich und zersetzt sich endlich.
Das gerbsaure Rosanilin löst sich in Alkohol, Holzgeist und Essigsäure mit
außerordentlich intensiver carminrother Farbe auf. Die starken Säuren ändern die
rothe Farbe in Orangegelb um, und die Substanz geht in Lösung über. Durch Zusatz von
Wasser wird die rothe Farbe wieder hergestellt, sticht dann aber ein wenig in
Violett. Oft scheint das Ganze in Lösung zu bleiben; aber nach Verlauf einer
gewissen Zeit bildet sich ein neuer, mehr oder weniger in Violett stechender rother
Niederschlag von gerbsaurem Rosanilin; die Flüssigkeiten bleiben jedoch in der Regel
roth gefärbt, manchmal ziemlich stark, besonders wenn das angewendete Präparat stark
mit Rosanilin gesättigt war.
Unter dem Einfluß des Aetzkalis und Aetznatrons wird das gerbsaure Rosanilin zersetzt
und entfärbt; das Ganze bekommt bald eine matte und schmutzige Farbe, in Folge der
Veränderung des Gerbstoffs durch den Sauerstoff der Luft in Gegenwart des
Alkalis.
Wenn man Gewebe mit Gerbstoff (sey es reinem, oder mit Metallsalzen und organischen
Substanzen gemischtem) beizt oder bedruckt, und sie hernach in einem Bad von
Anilinroth färbt, so bildet sich gerbsaures Rosanilin, woraus die entstandenen und
befestigten Farben bestehen.
Das gerbsaure Rosanilin läßt sich aber auch direct zum Zeugdruck anwenden, indem man
hierzu seine Löslichkeit in Essigsäure benutzt; nachdem die essigsaure Lösung auf
geeignete Weise (mit arabischem Gummi, Traganth, Stärkmehl etc.) verdickt worden
ist, druckt man sie auf den Zeug, dämpft denselben und das gerbsaure Rosanilin ist
dann stark genug befestigt. Man muß nur Vorsichtsmaßregeln treffen, um zu vermeiden
daß während dieser Operationen die rothe Farbe einen bräunlichen oder violetten Ton
annimmt.
Wenn man das gerbsaure Rosanilin mit Salzsäure kochen läßt, so löst es sich zuerst
ohne Veränderung auf, denn auf Zusatz von viel Wasser entsteht wieder ein rother
Niederschlag, während die Flüssigkeit selbst ziemlich stark roth gefärbt bleibt. Bei
fortgesetztem Kochen tritt aber eine Veränderung ein. Wenn man im Wasserbad zur
Trockne abdampft, so bleibt als Rückstand ein Gemenge von Roth, mattem Violett und
einer unlöslichen schwärzlichen Substanz.
Behandelt man das gerbsaure Rosanilin in der Wärme mit Aetznatron oder Aetzkali, so
löst sich ein Theil auf und die Flüssigkeit bekommt eine schwärzlichgraue Farbe.
Aber selbst nach andauernder Berührung findet sich der rothe Farbstoff wieder vor,
sowohl auf der Faser als in der Flüssigkeit, und erscheint auf Zusatz von Essigsäure
zu beiden mit allen seinen Eigenschaften.
Eine der merkwürdigsten Reactionen des gerbsauren Rosanilins ist diejenige, welche es
mit dem rohen käuflichen Holzgeist unter dem Einfluß einer sehr geringen Menge von
Mineralsäuren (Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure) darbietet. Wenn man das
gerbsaure Rosanilin mit seinem 3- bis 4fachen Gewicht Holzgeist zerreibt, so
erhält man eine dicke Flüssigkeit vom intensivsten Carminroth; setzt man hernach
1/20 bis 1/10 vom Volum des Holzgeistes entweder Salzsäure zu, oder Salpetersäure
(oder besser noch in der Kälte mit salzsaurem Gas gesättigten Alkohol, weil diese
Auflösung nicht schwarz wird, wie dieß sehr schnell mit dem mit salzsaurem Gase
gesättigten rohen Holzgeist geschieht), so geht die rothe Farbe in ein Violett über,
welches immer bläulicher wird und endlich wird sie sogar fast rein blau.
Man kann die Umwandlung in einem gegebenen Zeitpunkt aufhalten und so ein Violett
erhalten, welches mehr oder weniger röthlich oder bläulich ist. Hierzu braucht man
nur den Holzgeist vorher zu säuern und ihn dem gerbsauren Rosanilin jedesmal in
kleinen Portionen auf einmal zuzusetzen, indem man dabei jedesmal das Gemisch
zerreibt und umrührt, bis es wieder trocken geworden ist.
Das so erhaltene Violett zeigt, nachdem es trocken ist, einen außerordentlich
glänzenden Kupfer- und Goldreflex; wenn die Nüance noch zu röthlich ist,
setzt man eine neue Portion gesäuerten Holzgeist zu, zerreibt und rührt um, bis das
Gemisch neuerdings zur Trockene gelangt ist, was in sehr kurzer Zeit
stattfindet.
Setzt man gleich anfangs ein größeres Verhältniß von Holzgeist und Säure zu, so
erhält man unmittelbar ein sehr bläuliches Violett, besonders wenn man das Gemisch
schwach erwärmt. Man muß jedoch die Anwendung einer zu hohen Temperatur vermeiden,
weil die Farbentöne leicht an Reinheit und Lebhaftigkeit verlieren.
Das so erhaltene Anilinviolett und Blau sind beide in Wasser fast unauflöslich; man kann ihnen
daher durch Waschen mit kaltem Wasser die geringe Menge Säure entziehen, welche sie
noch enthalten.
Will man diese Farbstoffe im teigartigen Zustande erhalten, so braucht man nur der
trocknen Farbe Alkohol oder Holzgeist zuzusetzen, um sie aufzulösen oder wenigstens
aufzuschwellen, dann Wasser welches ein wenig kohlensaures Natron enthält. Der
violette oder blaue Farbstoff coagulirt zu sehr großen Flocken, welche man auf einem
Filter sammelt.
Zum Färben der Seide oder Wolle löst man dieses Violett oder Blau in Alkohol oder
Holzgeist auf, und verdünnt die Lösung mit lauwarmem Wasser; ein Theil des
Farbstoffs schlägt sich allerdings im Bade nieder, aber in so zertheiltem Zustande,
daß er sich sehr leicht mit der thierischen Faser verbindet. Wenn man in demselben
violetten Bade nacheinander kleine Portionen Seide färbt, so bemerkt man daß die
ersten Gebinde eine röthlichere violette Farbe zeigen, und die letzten eine mehr
bläuliche violette Farbe; diese Thatsache scheint zu beweisen, daß der violette
Farbstoff ein Gemisch von Blau und Roth oder Violettroth ist, und daß letzteres sich
leichter mit der Seide verbindet als der blaue Farbstoff, und in den Lösungsmitteln
leichter löslich ist.
Für den Druck löst man das Violett und das Blau in Essigsäure auf; man verdickt die
Lösung, druckt, läßt trocknen, dämpft und wascht endlich.