Titel: Beschreibung einer Waschmaschine für Mineralöle; von H. Fuhst, Ingenieur in Halle a. S.
Autor: Hermann Fuhst
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. VI., S. 22
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VI. Beschreibung einer Waschmaschine für Mineralöle; von H. Fuhst, Ingenieur in Halle a. S. Mit Abbildungen auf Tab. I. Fuhst, Beschreibung einer Waschmaschine für Mineralöle. Die mächtigen, an Mineralöl und Paraffin so ergiebigen Kohlenlager Thüringens, welche im wahren Sinne des Wortes ein Nationalreichthum jener Gegenden geworden sind, werden in immer großartigerem Maßstäbe ausgebeutet; zu den sich täglich vergrößernden bestehenden Etablissements kommen fortwährend neue hinzu, die sich theils nur mit der Production des Theeres, theils auch mit der Aufarbeitung desselben bis zur marktfertigen Waare befassen. Das größte dieser Etablissements ist jetzt das des Hrn. A. Riebeck in Weißenfels. Derselbe hat in seinen Fabriken zu Webau und Goßrau 160 Retorten im Betriebe und arbeitet die hiemit täglich gewonnenen circa 130 Ctr. Theer in seiner Mineralöl- und Paraffinfabrik zu Webau selbst bis zur marktfertigen Waare auf. Diesem Etablissement am nächsten in Bezug auf Massenproduction und gute Waare kommt die Fabrik zu Gerstewitz, Eigenthum der sächsischthüringischen Actien-Gesellschaft für Braunkohlenverwerthung zu Halle a. S. In Bezug auf ihre Theerfabrication unterscheiden sich gerade diese beiden größten Etablissements wesentlich, indem Hr. A. Riebeck bis dahin ausschließlich mit liegenden, Hr. Dr. Rolle, technischer Dirigent der Fabrik Gerstewitz, ausschließlich mit stehenden Retorten arbeitet. Hrn. Dr. Rolle gebührt unbestritten das Verdienst, das System der stehenden Retorten, welches zuerst im Anhaltischen Vereine für Fabrication chemischer Producte zur Ausführung kam, zu einem für die Theerfabrication brauchbaren Apparate gemacht zu haben. Obgleich die liegenden Retorten nur 75 Proc. des Anlagecapitales der stehenden erfordern, so bieten die letzteren doch wesentliche Vortheile. Denn, wie dieselben jetzt von Hrn. Dr. Rolle construirt werden, ist es möglich mit Bequemlichkeit in 24 Stunden 5 Tonnen Kohle durchzuschwelen, während in den liegenden Retorten im Maximum nur 3 Tonnen verarbeitet werden können. Es stellt sich demnach die Leistungsfähigkeit der liegenden Retorten nur ungefähr auf 60 Proc. von derjenigen der stehenden. Außerdem gewähren die letzteren noch den wesentlichen Vortheil der continuirlichen Arbeit, wodurch die eigentlichen, im Feuer stehenden Retortenstücke ganz ungemein geschont werden, und schließlich bieten sie die Möglichkeit der Verarbeitung grubenfeuchter Kohlen. Ob das Verschwelen der Braunkohlen in dem einen oder dem anderen Systeme einen Einfluß auf die Güte des Theeres etc. ausübt, mag hier dahin gestellt bleiben, es scheint aber, das mechanische Verhalten der Kohlen beim Schwelprocesse anlangend, sich immer mehr zu bestätigen, daß das System der stehenden Retorten sich nicht für alle Kohlensorten mit gleichem Vortheil anwenden läßt. Namentlich scheint die sogenannte weiße Kohle, welche die Eigenschaft besitzt sich aufzublähen und auseinander zu fließen, für die Aufarbeitung in stehenden Retorten sich nicht zu eignen, weil sie in Folge jener Eigenschaften die Gasabführungscanäle sehr leicht verstopft und verschmiert, und somit hauptsächlich deßhalb äußerst störend auf den Betrieb einwirkt, indem das Reinigen dieser Gasabführungscanäle bei der eigenthümlichen Construction der stehenden Retorten mit einem bedeutenden Zeitverluste verbunden ist. – Dieß beiläufig über die Systeme der Retorten. Beim Aufarbeiten des Theers zur marktfertigen Waare ist unstreitig das Reinigen des Rohöles mit Schwefelsäure und das nachherige Auswaschen der Schwefelsäure mit Lauge die wichtigste Manipulation, weil hierdurch hauptsächlich eine klare und farbehaltende Waare erzielt wird. Um eine möglichst innige Berührung der Säure- und Oeltheilchen und nachher der Lauge- und Oeltheilchen zu erzielen, hat man mechanische Mittel zu Hülfe genommen. Man nahm zuerst Cylinder von geringen Dimensionen (circa 2' Durchmesser und 3–3 1/2' Höhe), in welchen durch Menschenhände eine durchlöcherte, an den inneren Wandungen des Cylinders nicht schließende Scheibe auf und ab bewegt wurde. Das Resultat selbst ließ nichts zu wünschen übrig, nur wurde auf diese Weise bei der steigenden Vergrößerung der Etablissements nicht genug geschafft. Man griff dann zu Cylindern von circa 4' Durchmesser und 6' Länge, die man sich horizontal um ihre Diagonale drehen ließ, und auch hier ließ der Mischproceß an sich nichts zu wünschen übrig, aber die Kostspieligkeit dieser Maschinen, verbunden mit dem unter den Stößen so sehr leidenden Gange, ließ dieselben ebenfalls als unzweckmäßig erscheinen. Die campagnenweise Arbeit in diesem Industriezweige, welche darin begründet ist, daß die Waare fast ausschließlich im Winter Nachfrage hat, und daß im Sommer große Vorräthe wegen der zu schweren Krystallisation des Paraffins in der Sommertemperatur nicht wohl geschafft werden können, hat zur Folge, daß, um viel Waare rasch auf den Markt bringen zu können, die betreffenden Apparate in möglichst großen Dimensionen ausgeführt werden müssen. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, beauftragte Hr. A. Riebeck im Laufe dieses Sommers die Maschinenfabrik von Jung und Must in Halle a. S. ihm einen möglichst großen Mischapparat, der direct mit Dampf getrieben werden sollte, in dem erwähnten Cylindersystem mit durchlöchertem Kolben zu bauen. Die HHrn. Jung und Must erledigten diesen Auftrag durch Ausführung der in Fig. 2729 abgebildeten Maschine für einen Füllraum von 75 Ctr. Oel. Die Einrichtung der Maschine kann einfacher nicht gedacht werden und ist aus der Zeichnung vollkommen ersichtlich. Der eigentliche Mischcylinder, welcher einen Durchmesser von 5'6'' und eine Höhe von 6'6'' hat, ist mit einem Mantel umgeben; der Zwischenraum beider wird je nach Bedürfniß mit Dampf oder kaltem Wasser gefüllt. Der Boden des Mischcylinders, welcher von der Schwefelsäure am meisten zu leiden hat, ist besonders untergeschraubt, so daß er später ausgewechselt werden kann. Auf dem Deckel des Mischapparates steht unmittelbar ein Dampfcylinder von 5'6'' Höhe, welcher einen Aushub des Kolbens von 5' gestattet. Durch ein Crosett, welches die Kolbenstange oben trägt, und durch zwei Stangen, welche dieses Crosett mit dem Mischkolben verbinden, wird die Bewegung des Dampfkolbens unmittelbar auf den Mischkolben übertragen. Die Umsteuerung des Dampfschiebers geschieht momentan. Der Dampfkolben mit der Kolbenstange, das Crosett, die beiden Stangen nach dem Mischkolben hin und dieser selbst, repräsentiren ein Gewicht von circa 10 Ctr., welches beim Aufgange des Kolbens mehr zu überwinden ist, andererseits aber allein schon hinreicht, den Niedergang mit genügender Geschwindigkeit zu bewirken. Um nun trotzdem einen gleichmäßigen Gang der Maschine zu erzielen, wurde der Dampfschieber so construirt, daß während er für den Aufgang vollständig öffnet, die Oeffnung für den Niedergang nur so viel beträgt, daß über dem Kolben kein luftleerer Raum entsteht, und dieß war, wie sich bei Inbetriebsetzung der Maschine zeigte, vollständig genügend, einen ganz gleichmäßigen Gang derselben zu erzielen. Für die Zweckmäßigkeit und gute Leistung dieser Maschine (es reichen 20 Minuten Arbeit der Maschine hin, um eine Füllung von 75 Ctr. genügend zu verarbeiten) mag noch sprechen, daß Hr. A. Riebeck nach abgenommener Probe den HHrn. Jung und Must sofort einen zweiten Apparat in dieser Größe in Auftrag gab.

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