Titel: | Untersuchungen über die Chlorfabrication; von Th. Schlösing. |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XLVI., S. 197 |
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XLVI.
Untersuchungen über die Chlorfabrication; von
Th.
Schlösing.
Aus den Comptes rendus, t. LV p. 284.
Schlösing, Untersuchungen über die Chlorfabrication.
Wenn man das durch Calciniren von salpetersaurem Manganoxydul erhaltene
Mangansuperoxyd mit einem Gemisch von Salpetersäure und Salzsäure behandelt, so
beobachtet man, daß bei einem gewissen Concentrationsgrade, durch Erwärmung die
Entwickelung von Chlor nebst den rothen Dämpfen des Königswassers stattfindet; daß
man aber unter diesem Concentrationsgrade die Mischung bis zum Sieden erhitzen kann,
ohne ein anderes Gas als Chlor zu erhalten, indem die Salpetersäure sich vollständig
mit dem reducirten Manganoxydul verbindet, während die Salzsäure sich ausschließlich
in Chlor und Wasser umändert.
Andererseits wird das salpetersaure Manganoxydul durch Calciniren in Superoxyd und
rothe Dämpfe zersetzt.
Endlich erzeugen diese rothen Dämpfe in Berührung mit Luft und Wasser wieder
Salpetersäure.
Aus diesen Thatsachen ergibt sich, daß man auf folgende Weise Chlor fabriciren kann:
Man behandelt Mangansuperoxyd mit einem geeigneten Gemisch von Salpetersäure und
Salzsäure, die Producte werden Chlor und eine Auflösung von salpetersaurem
Manganoxydul seyn; letztere dampft man ab und zersetzt den Rückstand durch Erhitzen,
um sowohl das Superoxyd als die Salpetersäure zu regeneriren, welche sich (abgesehen
von unvermeidlichen Verlusten) immer wieder benutzen lassen. Auf diese Weise konnte
ich hoffen sämmtliche Salzsäure in Chlor zu verwandeln, mittelst eines Kreislaufs
der Fabricationsmaterialien, wobei die Salpetersäure – welche der Luft den
zur Zersetzung der Salzsäure erforderlichen Sauerstoff zu entlehnen hat –
eine ähnliche Rolle wie bei der Schwefelsäurefabrication spielt.
Folgendes sind meine Belegversuche:
Einwirkung eines Gemisches von Salzsäure und Salpetersäure auf
das Superoxyd. – Ich fand, daß von meiner Salpetersäure, die in
einem Kubikcentimeter 0,505 Grm. NO⁵ und meiner Salzsäure, die in demselben
Volumen 0,397 Grm. HCl enthielt, eine Mischung von 4 Aequivalenten NO⁵ auf 3
Aeq. HCl, die mit 1/7 des Volumens Wasser versetzt war, bei der Einwirkung auf das
Superoxyd keine Spur rother Dämpfe lieferte, vorausgesetzt, daß im Anfange
vorsichtig erhitzt wurde. Die Erwärmung geschah in einem Kolben unter Anwendung eines
Chlorcalciumbades und es wurde das entwickelte Gas in Kali geleitet, welches nachher
chlorometrisch geprüft wurde. Am Ende des Versuchs war die Temperatur des Bades
122° C., die Flüssigkeit siedete und das Gas wurde ohne wahrnehmbaren Verlust
von der Kalilauge absorbirt. Ich erhielt auf diese Weise von dem in der Salzsäure
enthaltenen Chlor in zwei Versuchen 96 und 90 Proc.
Calcinirung des salpetersauren Manganoxyduls. –
Wird eine Auflösung dieses Salzes einer mäßigen Wärme ausgesetzt, so beginnt sie
sich zu zersetzen sobald das Thermometer anzeigt daß die Temperatur 150°
erreicht hat. Die Zersetzung nimmt mit der Temperatur zu, und wird außerordentlich
lebhaft bei 195°; durch die rasche Bildung der Gase und Dämpfe sinkt das
Thermometer zwischen 175° und 180°, bei welcher TemperaturTemperatnr die Zersetzung hernach regelmäßig von Statten und zu Ende geht. Ich habe
diese Operation sehr oft in Porzellanschalen und auf Platten von Eisenblech
vorgenommen, und stets ein ziemlich hartes und dichtes Oxyd erhalten, welches nach
einer ausgeführten Bestimmung der Chlormenge, die es entwickeln konnte, einen Gehalt
von 93,3 Proc. Superoxyd zeigte.
Zurückbildung der Salpetersäure. – In dem durch
die Zersetzung des salpetersauren Manganoxyduls entwickelten Gasgemisch ist weder
Stickstoff noch Stickoxyd enthalten; es kommt daher bei der Wiedergewinnung der
Salpetersäure nur auf eine gute Condensation an. Die Einwirkung der
Untersalpetersäure auf das Wasser, welche unbedingt stattfinden muß, wird weiterhin
durch Temperaturerhöhung behindert, daher ich zur möglichst vollständigen
Regeneration folgendes Verfahren anwandte: Ich ließ ein Gemisch von Luft und den
entwickelten Dämpfen in Schlangenrohre, die gehörig abgekühlt waren, und aus diesen
in eine Reihe von Ballons eintreten, welche mit Bimssteinstückchen angefüllt waren,
über die ein Wasserstrahl floß, wodurch also eine analoge Einrichtung hergestellt
wurde, als die der Thürmchen ist, welche man zu ähnlichen Zwecken in der Technik
benutzt. Ich erhielt hierbei eine Salpetersäure von 34° Baumé mit 9
Proc. Verlust.
Apparat zur continuirlichen Chlorerzeugung.
Die continuirliche Chlorerzeugung wird mittelst folgender Anordnung bewerkstelligt
werden können, welche jedoch erst durch Versuche im Großen geprüft werden muß: Man
denke sich eine Reihe über einander stehender Flaschen, welche mit regenerirtem
Superoxyd in Stücken gefüllt und so mit einander verbunden sind, daß das
Säuregemisch, welches beständig in die höchste fließt, von einer in die andere
übergeht, indem es in jeder von oben nach unten circulirt, und aus der letzten als
eine Lösung von salpetersaurem Manganoxydul mit überschüssiger Salpetersäure (1/4
der Gesammtsäure) austritt. Dieser Batterie theilt man die Wärme auf eine leicht zu
regulirende Weise mit. Jede Flasche ist außer der Oeffnung zum Einführen des Oxyds
mit einem Entbindungsrohr versehen, durch welches sich das Chlor in eine
gemeinschaftliche Kühlvorrichtung begibt. – Die Flüssigkeiten, welche man aus
dieser Batterie erhält, muß man vorerst abdampfen, um wenigstens so viel Wasser
daraus abzusondern, als die flüssige Salzsäure und die Einwirkung dieser Säure auf
das Mangansuperoxyd in die Fabricationsmaterialien gebracht haben, was bei der
Zusammensetzung der abzudampfenden Flüssigkeiten ohne merklichen Säureverlust
bewerkstelligt werden kann. Nach hinreichender Abdampfung schreitet man zur
Calcinirung des salpetersauren Manganoxyduls in Apparaten welche folgende drei
Bedingungen erfüllen: allmähliches Erhitzen, genügendes Ansaugen von Luft zur
Umwandlung der rothen Dämpfe in Salpetersäure und hinreichende Condensation der
sauren Dämpfe.