Titel: | Das Charakteristische und Hervorragende in Färberei und Zeugdruck (Classe 23) in der allgemeinen Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Dr. P. Bolley, Professor der technischen Chemie am eidgenössischen Polytechnicum. |
Autor: | Pompejus Alexander Bolley [GND] |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. LXIX., S. 303 |
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LXIX.
Das Charakteristische und Hervorragende in
Färberei und Zeugdruck (Classe 23) in der allgemeinen Londoner
Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Dr. P. Bolley, Professor der technischen Chemie am
eidgenössischen Polytechnicum.
(Fortsetzung von S. 221 des vorhergehenden Heftes.)
Bolley, über das Charakteristische in Färberei und Zeugdruck auf
der Londoner Ausstellung.
Wir gehen nun zu den in Classe 23 aufgezählten Producten über:
A. Färberei.
1. Baumwolle.
Türkischrothe Garne waren in der gesammten Färberei die
bestbestellte Gruppe. Es fanden sich 23 Aussteller ein. Alle Haupterzeugungsplätze
dieses Artikels waren, wenn auch nicht gerade im Verhältniß der Stärke ihrer Production,
repräsentirt. Der Gegenstand ist bekanntlich ein so stabiler, daß sich über
denselben nicht viel berichten läßt. Trotz der geringen, namentlich theoretisch
unwesentlich scheinenden Unterschiede des Färbeverfahrens, und obgleich man annehmen
darf, daß jeder Rothfärber der ausstellte, das beste der vorräthigen Waare wählte,
waren deutliche Verschiedenheiten in der Nüance und dem Feuer der Färbung zu
erkennen. Am freiesten von dem braunen Ton sowohl, als dem matten gelblichen, wurden
bei wiederholtem Ausziehen aus einem Haufen einzelner aus den 23 Assortimenten
gezogenen Strähne, diejenigen einer niederrheinischen und einer schweizerischen
Rothfärberei gefunden. Ueberladung mit Oel zeigte sich an mehreren der ausgestellten
Waaren. Ueberfärbung mit anderen Pigmenten (Fuchsin), was gegenwärtig zuweilen
vorkommen soll, um höhern Glanz zu geben, wurde beim Roth nicht, dagegen beim
Violett eines Ausstellers von gefärbten Baumwollgarnen bemerkt.
Viel minder zahlreich vertreten waren die Färbereien von türkischrothen Stoffen. Aus der Schweiz z.B., einem der bedeutendsten
Productionsländer für diese Dinge, war ein einziger Aussteller da, aus Oesterreich,
dem Lancashire und Schottland, der preußischen Rheinprovinz, fand sich auffallend
wenig vor, namentlich wenn man die Reserven und geätzten türkischrothen Tücher in
Abzug bringt. Das klarste Roth war das von Steiner in
Rappenweyer im Elsaß (das Haus gleichen Namens in Accringvon hatte nicht
ausgestellt). Dagegen sind die Proben, welche von Fabrikanten vorgelegt wurden, die
angeblich das Steiner'sche Verfahren kennen und anwenden,
entschieden als verunglückte zu bezeichnen. Die Nüance ist fahl wie an abgenutzten
Stoffen, nicht satt genug. Sehr feurige türkischroth gefärbte Baumwolltücher waren
im russischen Departement ausgestellt. Es darf das Erscheinen dieser höchst
gelungenen Artikel mit Recht als Mahnung dienen zur ernstlichen Beachtung der
südrussischen, im Handel von Odessa namentlich vorkommenden Krappe, der sogenannten
Maremakrappe, die zur Erzeugung derselben gebraucht wurden.
Die Buntfärberei auf Garne und Baumwollstoffe wies nichts
auf, das besonders ausgezeichnet gewesen wäre. Assortimente von mannichfaltigeren
Farben waren nur einige in Canvasen und eine sehr schöne in Sammten von Tourchelle in Amiens vorhanden; in Garnen fehlten solche.
Wir erwähnen, daß auf Garn von einigen Ausstellern, namentlich von einem belgischen,
ein sehr lebhaftes und ganz gleichmäßiges Anilinviolett zu sehen war. Von den
übrigen Anilinfarben bemerkten wir keine Proben. Die indische Sammlung enthielt eine
Zusammenstellung von gefärbten Baumwollwaaren, die zum Theil auf Anwendung von Farbstoffen schließen
lassen, welche uns noch unbekannt sind. Häufig waren es nur Musterkarten. Die
Appretur und überhaupt das „Finish“
dieser Waaren ließ vieles zu wünschen übrig.
2. Wollefärberei. Vollständige Sammlungen von Garnen für Stickerei, Strumpfwirkerei oder Buntweberei
waren gesandt worden eine von Bergmann und Comp. in Berlin, eine von Koechlin-Dolfus in Mühlhausen, eine dritte von Féan-Béchard in Paris, eine vierte
von Gaeroult in Ronen, eine fünfte von Ravé in Cureghem bei Brüssel, und eine sechste von
Müller in Fulda. In denselben allen war der Beweis
geleistet, das an diesem Genre der Färberei die neuen chemischen Entdeckungen nicht
unbeachtet vorübergegangen sind. Die Stufungen in den einzelnen Farben waren überall
sehr gut geordnet und ohne Lücken. Es kann hierher am natürlichsten gezählt werden
die Färberei von Flockwolle, die, zu Staub verkleinert,
in der Tapetenfabrication dient. Besonders zwei
Assortimente dieser Art erregten die Aufmerksamkeit. Beide waren von Paris: die eine
von Jacques-Sauce, die andere von Messier. Die Reinheit und Sättigung der Farben in den
meisten Schattirungen, welche dieses Material zeigt, übertrifft bei weitem die der
entsprechenden Lackfarben.
Die Färberei von Wollstoffen trat nur in wenigen Fällen
als gesondertes Gewerbe auf; in der Regel war sie in Verbindung mit der ganzen
Fabrication der ausgestellten Stücke erschienen. Aus diesem Grunde konnte
ebensowenig in der rheinpreußischen als der österreichischen und der belgischen
Wollenindustrie die Rolle der Färberei recht gewürdigt werden. Auch mit der
Tuchfabrication von Elboeuf hatte es gleiche Bewandtniß. Nur im französischen
Departement waren die Merinos von Reims (Delamotte und
Faille), diejenigen von Clichy (Boutarel und Comp.), die gemischten
Wollbaumwollgewebe von Clichy-la-Garenne (Rouquès), solche von Puteaux bei Paris (Francillon und Comp. und Guillaumet) und von Flers, Département du Nord (Gebrüder Descat), besonders auch der Färberei und Appretur wegen
ausgestellt. Hier begegnet man mehrfach den neueren Färbemethoden neben ganz
vortrefflich ausgeführten Proben der Cochenille-, Orseille-,
Holzpigment-, Indigo- und Berlinerblaufärbung, und was die Appreturen
betrifft, so dürfen sie als unübertrefflich bezeichnet werden.
3. Die Seidefärberei befand sich auf der Ausstellung in
einem ganz ähnlichen Verhältniß wie die Wollfärberei. Dieselbe trat an den
verschiedensten Fabricaten, glatten und façonnirten Stoffen, Sammten, Bändern
in reichster Entfaltung ihrer Fortschritte auf, aber nur wenige Sammlungen von gefärbter Seide
waren der Classe 23, als von den Selbstfärbern ausgestellt, zugewiesen worden.
Diese Parthie bewies sich als den eigentlichen Spielraum für die neueren Farben. Ganz
vorzüglich gelungene Reihen in dem neuen Roth, Violett und Blau waren da zu sehen.
Es ist zu bedauern, daß das Beispiel, Seidenfärbeproben auszustellen, nur von
wenigen Lyoner, niederrheinischen, Berliner und englischen Häusern gegeben wurde.
Paris, Basel, Zürich, Wien hatten gar nichts derart vorbereitet, und im Vergleich zu
der Bedeutung der Seidenindustrie an den erstgenannten Orten war das Vorhandene
wirklich als zu wenig anzusehen.
Die Vergleichung der Lyoner Ausstellungen (Guinon, Marnas,
Bonnet und Comp. und Gebrüder Renard und Franc) mit
denjenigen von Crefeld (Neuhaus) und von Berlin (Spindler) fiel trotz des unbestreitbaren hohen Ranges
jener Lyoner Fabrikanten keineswegs zu Ungunsten der beiden deutschen Färbereien
aus. Das Blau in vielen Abstufungen, von Crefeld namentlich, war unübertroffen durch
jene. Sehr beachtenswerth, ohne daß wir sie gerade in den ersten Rang zu setzen uns
berechtigt halten, erschienen die gefärbten Seidenproben von Adshead in Macclesfield, von Handset und Comp. und von Richardson,
letztere beiden aus Coventry. Hier darf angeführt werden, daß ein Aussteller Namens
Javal von Paris ein Mittel gefunden zu haben
anspricht, wodurch er jedes im Handel vorkommende Anilin, blau oder violett, viel
klarer färbend macht. Er hat seine Erfindung an künstlichen Blumen und den dazu
gebrauchten Zeugen illustrirt.
Es sind noch zu erwähnen einige Ausstellungen von Seide in Schwarz, die für das Auge
des Laien hinsichtlich des Glanzes und der Tiefe der Färbung sich als ungewöhnlich
schön darstellten und von bedeutenden Kennern dieser Industrie für vorzüglich
erklärt wurden. Dieselben waren eingesandt von Drevoz
sen. in Lyon, von Gillet und
Prerron in Lyon (durch Versehen in Classe 2, anstatt
in Classe 23 versetzt) und von Hammers in Crefeld.
B. Zeugdruck.
Es drängt sich dem diese Gruppe Ueberschauenden die Bemerkung auf, daß einzelne
Genres, die bis dahin einen großen Antheil an der Gesammtproduction der reicher
ausgestatteten Baumwoll-Druckwaaren nahmen, in eine verhältnißmäßig
untergeordnete Rolle zurückgedrängt wurden. Ehe die Methoden des Aufdruckens
unlöslicher Farbsubstanzen oder Lacke durch das Medium klebender Substanzen
(Albumin) aufgekommen sind, waren die durch directe Befestigung mit oder ohne
Dämpfung erzeugten
Muster auf Baumwolle eine geraume Zeit lang auf eine geringe Zahl von meist
ordinären Artikeln beschränkt. Die sogenannten weißbodigen oder Krappartikel nahmen
in dem angedeuteten Zeitraume als die ächteren die Hauptrolle ein. Seit der
Entdeckung der obenerwähnten neuen Farbsubstanzen war wegen der unerreichbaren
Reinheit und Frische der Töne die Verlockung allzugroß geworden, sie in der Weise
wie Lacke, oder nach der Manier der Applications- oder Dampffarben
aufzudrucken. Es entstanden, nachdem der erste Schritt, das Verlassen der
dauerhafteren Genres, gemacht war und man sich nicht mehr an die nothwendig größere
Einfachheit und Starrheit der durch Färbung erzeugten Muster gebunden sah, reichere
Dessins. Die Abbildung kunstvoll und leicht gruppirter farbenreicher Blumen-
und Laubgewinde war möglich geworden durch das Rosa, das Fuchsinroth, das
Pensée, das Blauviolett, das Blau und ein saftig erscheinendes Grün, und
nichts schien natürlicher, als daß man Objecte dieser Art in Ausführung brachte.
Hand in Hand mit diesen Versuchen, für die coloristisch der Weg vollkommen geebnet
schien, gieng für eine große Menge von Mustern die Nothwendigkeit, von den auf
Masseproduction berechneten Maschinendruckwaaren abzusehen und den Handdruck wieder
mehr heranzuziehen. So kam es, daß wir in der Ausstellung, im Mousselindruck
wenigstens, schwunghaft entworfene farben- und nuancirungsreiche Muster mit
großen Rapporten vor uns sehen, die, wir müssen sagen, Anspruch auf große Naturtreue
machen dürfen. Das Verdienst, welches bei Hervorbringung von bedruckten Stoffen
bisher auf die künstlerische und technische Seite ziemlich gleichmäßig vertheilt
werden mußte, fällt nun bei diesen Producten vorwiegend auf die erstere, den
Zeichner.
Wir möchten nicht mißverstanden seyn und namentlich dem Berufe des Coloristen, den
wir für höchst schwierig und talenterfordernd ansehen, nicht zu nahe treten, wenn
wir sagen, daß sich die Kunst des Zeugdrucks dem Tapetendruck wesentlich genähert
habe. Die Composition ist dort das Werthbestimmende und Bestechende, die Ausführung
tritt in den zweiten Rang, und so ist es geworden mit den Leistungen des Zeugdrucks,
die als „hautes nouveautés“
bezeichnet werden.
Handdruck und Tafelfarben hatten immer ein großes und sicheres Gebiet in der
Fabrication von wollenen Shawles, von wollenen und halbwollenen Kleiderstoffen, wie
einiger Seidenartikel, und als ein charakteristischer Wendepunkt in der neuesten
Geschichte des Zeugdrucks ist es anzusehen, daß die Bemühung, die Baumwollefaser für
die neueren concreten Farben gleich der Thierfaser empfänglich zu machen, zwar noch
nicht gänzlich gelungen sind, aber doch mit vielen befriedigenden Erfolgen gekrönt
wurden, wodurch das
Gebiet des Handdrucks und der Tafelfarben wesentlich erweitert ist.
Es ist hier, ehe wir die Producte der einzelnen ausstellenden Nationen betrachten,
der Ort, die Erfindungen, die zur Fixirung der Anilinfarben gemacht worden sind,
namhaft zu machen, einestheils, weil diese nicht ausschließliches Eigenthum einer
dieser Nationen sind, andererseits, weil wir sie in fast jeder Abtheilung der
Ausstellung in Anwendung treffen.
Der Methoden sind bekanntlich mehrere; diejenigen, welche in Aufdrucken von
Fixirungsmitteln und Ausfärben in den Anilinfarben bestehen, möchten, als die
kostenvolleren und umständlichem (wegen des Einschlagens der Farbe in den Grund),
auf die seltenern Fälle beschränkt seyn, wohingegen das Aufdrucken der Pigmente
selbst, gemischt mit dem Beizmittel oder fixirt durch Nachbehandlung, viel größere
Chancen für dauernde Anwendung erlangte. Es haben sich verschiedene Coloristen und
Chemiker um die Lösung dieser Aufgabe bemüht. Lightfoot's
Verfahren, die Stücke mit Gerbstoffabkochungen zu imprägniren und dann in die
Anilinfarbstofflösungen zu bringen, welches am 25. Februar 1860 patentirt wurde,
scheint sich auf frühere Untersuchungen von Ch. Lowe und
Calvert, die die Fällbarkeit dieser Pigmente durch
Gerbsäure beobachteten, zu stützen. Gerbsäure spielt in mehreren und den
zuverlässigsten späteren Angaben eine Rolle, wenn auch unter wesentlich modificirten
Nebenbedingungen. Gratrix in Salford und Javal in Thann (Elsaß) erhielten am 12. September 1860
ein Patent auf zwei von einander ganz verschiedene Verfahren. Das eine besteht in
Fällen des Farbstoffs mit Gerbsäure, Sammeln, Auswaschen und, wenn man will,
Trocknen des Niederschlags, Lösen desselben in Essigsäure, Weingeist, Holzgeist
etc., Verdicken mit Gummi und Aufdrucken. Die Stücke sind vorher mit zinnsaurem
Natron gebeizt worden und nach dem Bedrucken wird gedämpft. Das andere Verfahren
ist: Beizen mit zinnsaurem Natron, Aufdrucken von Gerbsäure, mit Gummi verdickt,
Dämpfen, Reinigen, Passiren durch Wasserglaslösung und Färben in schwach
angesäuerter, auf 60° C. erwärmter Pigmentlösung. Durch Passiren in
Säurebädern, Behandeln mit Seife und Kleie, wird der etwas gefärbte Grund wieder
weiß gemacht. Lloyd und Dale
veränderten das Verfahren dahin, daß sie Gummiwasser mit Gerbsäure mischten und den
Farbstoff in erforderlichem Verhältniß zusetzten, dämpften, dann durch eine
Brechweinsteinlösung hindurchzogen; oder daß sie Gerbstoff, mit Gummi verdickt,
aufdruckten, dämpften, durch Brechweinsteinlösung passirten und in einem
schwachsauren Pigmentbade unter allmählich sich steigernder Temperatur färbten. Durch Waschen, schwache
Chlorkalk- und Seifen-Passagen wurde der Grund gereinigt.
Die Methode von John und Thomas
Miller in Dalmarnock, die unterm 18. März 1861 in England patentirt wurde,
weicht etwas von den vorigen ab. Sie ziehen Galläpfel mit Essigsäure aus, in der
klaren mit Wasser verdünnten Lösung beizen sie die Stücke und trocknen. Die
Druckfarbe besteht in einer essigsauren Lösung, einer mit Weinsäure versetzten
Lösung von zinnsaurem Natron, Gummi und Anilinpigment. Nach dem Bedrucken folgt
Dämpfen. Verschieden davon ist das Verfahren der gleichen Patentträger: die Zeuge
durch Seifelösung zu ziehen, die adhärirende Seife durch verdünnte Schwefelsäure zu
zersetzen, also eine Fettsäureschichte auf denselben zu bilden, dann eine Mischung
von Anilinfarbstoff mit Gummilösung und Bleizucker aufzudrucken und endlich zu
dämpfen. Dieß letztere Verfahren, in entsprechender Modification auch für das
Anilinfärben gebraucht, ist entschieden das minder empfehlenswerthe.
In der Ausstellung waren zunächst Butterworth und Brooks in Manchester, welche sich mit Gratrix und Javal wegen
Ausbeutung ihres Patentes in Verbindung setzten, dann Littlewoods, Wilson und Comp., die nach dem
Patente von Lloyd und Dale
arbeiten, mit sehr gelungenen Anilindrucken aufgetreten. Im französischen
Departement haben Paraf-Javal in Thann, der sich
vielfach um die Fixirung der Anilinpigmente verdient gemacht hat, und mehrere Häuser
die bedruckte Luxuskleiderstoffe ausstellten, Beweise der Fixirbarkeit und der
trefflichen Effecte der Anilinpigmente gegeben. Auch in einigen anderen Abtheilungen
waren Anilinpigmente, obwohl mehr auf Wolle als auf Baumwolle, im Zeugdruck
angewendet zu sehen.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)