Titel: | Skizzen aus den chemischen Fabriken in Lancashire; von Dr. Hugo Fleck. |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. LXXIX., S. 353 |
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LXXIX.
Skizzen aus den chemischen Fabriken in
Lancashire; von Dr. Hugo
Fleck.
Aus der deutschen Industriezeitung, 1862, Nr.
42.
Fleck, über die chemischen Fabriken in Lancashire.
Die Producte chemischer Fabriken bieten dem beobachtenden Chemiker auf Ausstellungen
erhöhtes Interesse, sobald die Etablissements, welchen sie entsprungen, demselben
gleichzeitig bekannt sind, oder wenn die Aufstellung der ersteren in einer Weise
stattfand, daß man durch dieselbe den systematischen Gang der Fabricationsmethoden,
das Ineinandergreifen einzelner, gleichzeitig verlaufender chemischer Processe zu
erkennen vermag. Beide Bedingungen sind nicht gleichzeitig erfüllbar. Auf der
dießjährigen Londoner
Ausstellung gebührt vorzüglich England das Verdienst der rationellsten
Aufstellungsweise chemischer Producte, während viele Fabrikanten Frankreichs und die
meisten der sparsam vertretenen aus dem Zollvereine, für den Beobachter Manches zu
rathen übrig ließen. Mir erschien die theilweise Erfüllung der ersterwähnten
Bedingung eine Nothwendigkeit, um einen einigermaßen wahren Blick in die
Industrieverhältnisse eines Landes zu thun, das ich zum ersten Male besuchte, und
darum zog ich es vor, der mir gewordenen ehrenden Einladung des Hrn. Kesselmeyer in Manchester Folge zu leisten und unter
dessen einflußreichen Empfehlungen während einer Woche die chemischen Etablissements
der Grafschaft Lancashire aufzusuchen, bevor ich die Londoner
Industrie-Ausstellung in Augenschein nahm.
Die aufrichtige Herzlichkeit, mit welcher mir die HHrn. Besitzer und Directoren der
von mir besuchten Etablissements entgegenkamen und die freundliche Fürsorge, mit
welcher sie sich bemühten, mich mit Rath und That zu unterstützen, verpflichtet
mich, ihnen hierdurch nochmals herzlich zu danken. Der Zweck meiner Reise und die
materiellen Begünstigungen, welche mir dieselbe ermöglichten, rechtfertigen meinen
Wunsch, durch Veröffentlichung gesammelter Erfahrungen dem engeren Vaterlande nützen
zu können.
Ueber die chemischen Fabriken Lancashire's liegen von den HHrn. DDr. Schunck, Roscoe und Smith in Manchester Notizen vor, welche im polytechn.
Journal Bd. CLXII S. 277 mitgetheilt wurden
und hauptsächlich die Quantitäten der daselbst producirten Chemikalien besprechen.
An diesen Bericht anschließend, glaube ich in Folgendem den Commentar zu demselben
durch Veröffentlichung einiger technisch-chemischen Skizzen aus einzelnen
Etablissements zu liefern.
Schwefelsäure-Fabrication. – Als Rohmaterial zur Gewinnung der Schwefelsäure wird in fast
allen chemischen Fabriken Lancashire's spanischer Kupferkies mit einem Gehalte von etwa 45 Proc. Schwefel verarbeitet; die
Röstapparate sind größtentheils combinirte Röstherde, welche mit steinerner, selten
eiserner Sohle versehen, durch Füchse von einander getrennt, überwölbt und durch
zuerst unter und dann über dieselben streichende Feuergase erhitzt sind. Die
abzuröstenden Kiese erfahren auf dem von der Feuerquelle entferntest liegenden Herde
die erste Abröstung und werden dann, nach je zweistündiger Behandlung, auf den
vorhergehenden Herd übergeschaufelt, so daß bei Anwendung von 6 communicirenden
Röstherden die zuerst aufgetragene Röstpost nach etwa 12 Stunden den Röstofen
verläßt. Dieses Verfahren, welches zumal in der Alaunfabrik des Hrn. Peter Spence in Manchester in sehr großartigem Maaßstabe gehandhabt wird
(beschrieben im polytechn. Journal Bd. CLXIV S.
449), soll eine Entschwefelung des Kieses bis auf 2 Proc. seines
Schwefelgehalts zur Folge haben. In den Union-Alkali-Works von Evans und Mac Bryde in St.
Helens waren neben diesen Röstherden die von Knocke
(polytechn. Journal Bd. CLIV S. 181)
beschriebenen Kilns in Betrieb, in welchen die grob zerkleinerten Kiese unter
gleichzeitiger Anwendung von Chilisalpeter geröstet werden. Die Röstrückstände
erfahren in den meisten Etablissements eine Verarbeitung auf Kupfervitriol, und
zumal sind es die chemischen Fabriken der HHrn. Bouk und
Comp., Peter Spence,
Tennants und Comp. in Manchester, welche sich
mit Kupfervitriol-Fabrication beschäftigen, während dagegen in den
Union-Alkali-Works zu St. Helens der geröstete Kupferkies durch
dreimaliges Steinschmelzen in vertieften Röstherden zu Schwarz- und
schließlich zu Gahrkupfer verarbeitet wird.
Die Fabrication des Kupfervitriols aus den Röstrückständen
wird durch Digestion der letzteren mittelst Schwefelsäure in Bleigefäßen unter
Anwendung von Dampf bewerkstelligt, wobei der größte Theil des durch die Röstung
unlöslich gewordenen Eisenoxyds zurückbleibt. Die aus der concentrirten Lauge zuerst
gewonnenen Kupfervitriol-Krystalle sind fast ganz eisenfrei, nehmen aber mit
der zweiten und dritten Krystallisation in dem Maaße an Eisengehalt zu, daß
schließlich eine Abscheidung des Kupfers durch Eisengranalien und eine Verarbeitung
der entkupferten Laugen auf Eisenvitriol nothwendig wird. Das aus der Mutterlauge
sich abscheidende Cementkupfer wird in Röstherden zu Kupferoxyd umgewandelt und
dient dazu, den Mutterlaugen die letzten Antheile freier Schwefelsäure zu entziehen.
Dieser Entsäuerungsproceß bietet eine interessante, in der Wissenschaft noch nicht
bekannte Erscheinung dar: die mit freier Schwefelsäure behaftete Mutterlauge wird in
bleiernen Pfannen bis nahe zum Kochen erhitzt und dieser dann das feinste Mehl des
gerösteten Cementkupfers portionenweise zugesetzt; sobald dieß geschehen, erfolgt in
der Flüssigkeit eine Reaction, welche ein heftiges Aufschäumen derselben zur Folge
hat und sie in ein lebhaftes Kochen, ohne Anwendung äußerer Wärme, versetzt. Die
Verdichtung der Schwefelsäure durch das Kupferoxyd mag hier als Wärmequelle
auftreten. Nach beendeter Reaction hat sich am Boden ein Theil des eingetragenen
Kupferoxyds als Metall mit hochrother Farbe abgeschieden, welchem jedenfalls Oxydul
beigemengt ist, während die Auflösung kein Kupferoxydul enthält. Es hat hier eine
theilweise Reduction des im Cementkupfer vorhandenen Kupferoxyduls auf Kosten des
sich bildenden und lösenden Kupferoxyds stattgefunden. Die Krystallisationsgefäße
sind mit Blei ausgeschlagen Holzbottiche, in welche an hölzernen Querstäben
Kupferplatten eingesenkt sind, woran der sich ablegende Kupfervitriol
ankrystallisirt. Methoden, wie sie zur Entfernung des Eisens aus den
Kupfervitriollaugen von Wurtz (polytechn. Journal Bd. CLII S. 319) oder von Bacco (polytechn. Journal Bd. CLXII S. 316 und Bd. CLXIII S. 462) empfohlen worden sind,
habe ich in keiner der zahlreichen von mir besuchten Kupfervitriol-Siedereien
Englands und Deutschlands in Anwendung gefunden. Eine große Schwierigkeit für den
Fabrikanten bietet die Entfernung der letzten Antheile adhärirenden, eisenhaltigen
Graphits von dem aus den Mutterlaugen durch Gußeisen abgeschiedenen Cementkupfer.
Salzsäure in verdünntem und concentrirtem Zustande wandelt eher das Kupfer zu
Kupferchlorür um, ehe die letzten Antheile dieses Eisens gelöst werden, und es ist
hier noch eine technische Frage offen, deren Lösung für den Fabrikanten von größtem
Vortheile ist. Vor meiner Abreise nach England und nach meiner Rückkehr von dort
hatte ich Gelegenheit, die Kupfervitriol-Fabrik des Hrn. Münzmeister Rößler in Frankfurt a. M. in Augenschein zu nehmen, und
halte es für meine Pflicht mitzutheilen, daß dieses Etablissement in der
Zweckmäßigkeit seiner Anlage, in der Vorzüglichkeit der aufgestellten Röst-
und Verdampfungsapparate, sowie in der Reinheit des darin erzielten Products, alle
von mir in England gesehenen um Vieles übertrifft. In diesem Etablissement werden
die von der Frankfurter Münze kommenden eisenhaltigen Kupferlaugen auf Kupfervitriol
verarbeitet. Die Transportation der Mutterlaugen aus den unteren
Krystallisationsgefäßen nach dem obern Verdampfungsraume wird durch einen Bleikessel
bewerkstelligt, welcher mit einem Bleideckel von ziemlicher Stärke hermetisch
verschlossen ist und durch zwei in demselben angebrachte Bleiröhren einerseits mit
dem Dampfkessel, andererseits mit den Abdampfpfannen correspondirt. Dieser
Bleikessel ist in dem untern Raume aufgestellt, wird zeitweilig mit der zu
transportirenden Lauge gefüllt und letztere sodann unter Einwirkung eines
Dampfüberdruckes von ungefähr 1 Atmosphäre durch das bleierne Steigrohr nach den
höher liegenden Abdampfpfannen, die sämmtlich auch durch Dampf geheizt werden,
gedrückt. Hier war es auch, wo ich die von Hrn. Chemiker Brescius (im polytechn. Journal Bd. CLXV
S. 124) empfohlene Reinigung des Kesselspeisewassers vom Kalkgehalt
mittelst Kalkwasser in ihrer Anwendung sah, und kann darüber berichten, daß dieses
Verfahren bei einem sehr geringen Zeit- und Kostenaufwands die erwünschtesten
Resultate liefert, sobald der Arbeiter, dessen genaueste Instruction allerdings
Haupterforderniß ist, derselben in allen Dingen nachkommt.
Die Schwefelsäurekammern in Lancashire sind größtentheils
frei und ohne
jegliche Ueberdachung aufgestellt. In ihrer systematischen Anordnung sind sie sich
sämmtlich gleich, indem sie, aus einer Vorkammer, einer Hauptkammer und einer
letzten kleineren Kammer bestehend, in einem stehenden Bleicylinder endigen, in
welchem die entweichenden Gase durch über Kohks tropfende Schwefelsäure absorbirt
und nach der Vorkammer geleitet werden. Die Concentration der Schwefelsäure, so weit
letztere nicht direct zur Auflösung von gerösteten Kiesen oder von Thonerde zur
Alaunfabrication verwendet wird, findet in Glaskolben von ungefähr 25 Liter Inhalt
statt, welche in eiserne Sandcapellen eingesetzt und mit besonderen Feuerungen
versehen sind. In dem Etablissement der HHrn. Tennants
und Comp. in Manchester ist diese Concentrationsmethode
in sehr großartigem Maaßstabe im Betriebe. Die von den Feuerungen abziehenden Gase
werden zur Erwärmung der Bleipfannen verwendet. In derselben Fabrik wurde die
Fabrication von salpetersaurem Kupferoxyd in der Weise betrieben, daß Kupferspäne in
Salpetersäure gelöst und die hierbei entweichenden salpetrigsauren Gase nach den
Bleikammern geleitet wurden. In den meisten Fabriken ist die
Schwefelsäure-Fabrication der Maaßstab, welchem die übrigen
Fabricationszweige entsprechend angepaßt sind, so daß die Ausbeute an Schwefelsäure
oder vielmehr die Quantität der verrösteten Kupferkiese das Productionsquantum an
Soda und Chlorkalk bestimmt. In den Union-Alkali-Works zu St. Helens
werden wöchentlich 80 Tonnen Schwefelkies verröstet und aus der dabei resultirenden
Schwefelsäure 120 Tonnen trockenes schwefelsaures Natron zur Sodafabrication
erhalten. Die Zersetzung des Steinsalzes findet dann mittelst Pfannensäure statt, so
daß eine weitere Concentration der Schwefelsäure in nur sehr wenigen Fabriken
gehandhabt wird. Die Sulfatöfen stimmen in Construction- und Betriebsweise
mit denjenigen des Continents überein und sind nur in den Fällen durch eiserne, mit
Thon ausgeschlagene Retorten von ungefähr 6 Fuß Durchmesser und 8 Fuß Länge ersetzt,
wo, behufs der Fabrication von Chlorkalk, die
Chlorentwickelung durch Zersetzung des Gemisches von Steinsalz und Chilisalpeter
mittelst Schwefelsäure bewerkstelligt wird (nach dem im polytechn. Journal
Bd. CLI S. 48 beschriebenen Verfahren).
In diesem Falle leitet man die entweichenden Gase durch mit concentrirter
Schwefelsäure gefüllte Woulf'sche Flaschen, in welchen die salpetrige Säure
absorbirt wird, während das Chlorgas nach den Bleichkalkkammern überströmt. Die mit
salpetrigsaurem Gase gesättigte Schwefelsäure kommt in die erste Bleikammer, in
welcher sie bei der daselbst herrschenden höheren Temperatur die salpetrige Säure an
die schweflige Säure abgibt. In der Fabrik des Hrn. Shank
in St. Helens war, wie
es schien versuchsweise, eine Mischung von Kochsalz und chromsaurem Kali zur
Chlorentwickelung im Gebrauche; doch bleibt der Braunstein noch immer die
Haupt-Chlorquelle, und findet dessen Zersetzung in steinernen Trögen statt.
Das aus den Sulfatöfen entweichende Salzsäuregas wird in Kohksthürmen absorbirt und
in der letztgenannten Fabrik zum größten Theile zur Chlorentwickelung verwendet. Ein
kleinerer Theil findet Verwendung theilweise zur Carbonisirung der Aetzlaugen,
theilweise zur Darstellung von Soda nach der schon vor 30 Jahren von Dumas (Handbuch der angewandten Chemie, Bd. II)
beschriebenen und von England aus durch W. Hunt
(polytechn. Journal Bd. CLXI S. 377) bekannt
gewordenen und demselben patentirten Methode der Zersetzung von Schwefelnatrium
durch Wasserdampf und Kohlensäure.
Sodafabrication. – Diese Fabrication, welche in
neuerer Zeit in Lancashire die großartigsten Dimensionen angenommen hat, wurde in
den von mir besuchten Etablissements nur nach der Leblanc'schen Methode betrieben. Das Kopp'sche
Verfahren (polytechn. Journal Bd. CXLII S.
341), welches durch die hier gleichzeitig erzielten Röstrückstände der
eisenreichen Kupferkiese in diesem District am leichtesten festen Fuß fassen könnte,
war noch wenig bekannt und noch nirgends versucht. Dagegen fand ich in dem Shank'schen Etablissement, wie schon erwähnt, das Hunt'sche Verfahren in, der Form nach, abgeänderter Weise
in versuchsweisem Betriebe. Hr. Shank läßt die von den
Kohksthürmen in einem ziemlich starken Strome abfließende Salzsäure zum Theile in
steinerne Tröge fließen, in welchen sich Kalkstein befindet; die aus demselben
entweichende Kohlensäure tritt in einen vertical aufgestellten, mit Thon
ausgeschlagenen Eisencylinder, in welchem auf einem durchlöcherten inneren Boden die
nußgroßen Stücke von Schwefelnatrium, durch Zersetzung von Glaubersalz mittelst
Kohks erhalten, aufgespeichert sind. Unter diesem Senkboden mündet gleichzeitig ein
Dampfrohr ein, welches Wasserdampf von etwa 2 Atmosphären Spannung dem
Schwefelnatrium zuführt, wodurch dieses unter dem gleichzeitigen Einflusse der
Kohlensäure und unter Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas nach der Formel:
NaS + HO + CO² = NaO, CO² + HS
in Soda umgewandelt und nach dieser Umwandlung ausgelaugt
wird. Eine Verwerthung des Schwefelwasserstoffgases zur Schwefelsäurefabrication
war, da das Verfahren noch ein versuchsweise eingeführtes war, vorderhand
unterlassen, ist jedoch selbstverständlich Hauptbedingung für die Rentabilität der
Methode. Gelingt es, durch dieselbe eine Wiedergewinnung des bis jetzt in den
Sodarückständen werthlos gewordenen Schwefels zu erzielen, ohne die
Productionskosten, welche die Entwickelung der Kohlensäure und die zur Dampferzeugung
nöthige Brennmaterialmasse beansprucht, über die der Leblanc'schen Methode zu erhöhen, so ist der Sodafabrication ein neuer
Hebel geboten, dessen Rückwirkung auf die gesammte Technik von hoher Bedeutung
werden muß. Ob und inwieweit eine günstige Verwerthung der durch die
Kohlensäureentwickelung auftretenden Chlorcalciummengen zu ermöglichen, muß die
Zukunft lehren. Vielleicht dürfte die Beobachtung von Pelouze, daß Chlorcalcium in der Rothglühhitze fast vollständig unter
Entwickelung großer Mengen von Salzsäure zersetzt wirdDie bezügliche, von Pelouze der französischen
Akademie gemachte Mittheilung lautet: „Ich habe gefunden, daß das
Chlorcalcium in der Rothglühhitze durch den Wasserdampf fast vollständig
zersetzt wird. Hierbei entstehen so große Mengen Salzsäure, daß ich
glaubte diese Methode gestatte eine technische Anwendung. Aber die
Zersetzung, welche rasch vorschreitet, bis beiläufig die Hälfte des
Chlorcalciums von ihr erreicht ist, wird leider hernach immer langsamer
und schwieriger. Die Darstellung der Salzsäure auf diesem Wege würde
daher höher zu stehen kommen, als nach den gewöhnlichen
Verfahrungsarten.“ (Comptes rendus,
t. LII p. 1267.)A. d. Red., in den Fällen nicht ohne Bedeutung seyn, wo es möglich ist, abgehende
Feuergase in dieser Weise zur Verwerthung zu bringen.
Das Auslaugen der rohen Soda geschieht nach der von Hrn.
Shank zuerst eingeführten und dann über die anderen
Etablissements verbreiteten Methode, nach welcher die eisernen Auslauggefäße
nebeneinander gestellt sind und mit Rohsoda gefüllt werden. Jedes derselben besitzt
an der dem Nachbargefäße zugekehrten Wandseite ein vertical eingesetztes gußeisernes
Rohr, welches von unten bis zur Hälfte seiner Höhe mit Oeffnungen vielfach
durchbrochen und oberhalb mit einem rechtwinklich eingesetzten Rohre versehen ist,
das in den Nachbarbottich ausmündet. Wird nun das Auslaugegefäß mit Flüssigkeit
gefüllt, so steigt diese auch in dem verticalen Eisenrohre empor und fließt dann
seitlich als concentrirte Lösung nach dem danebenstehenden Gefäße ab, um aus diesem
durch ein am andern Ende desselben angebrachtes verticales Abflußrohr in gleicher
Weise abgeführt zu werden. Da bei diesem Verfahren immer concentrirte Lösungen
erzielt werden, sobald 2 bis 3 solche Auslaugbottiche correspondirend wirken, und
außerdem die Füllung und Entleerung derselben ohne irgendwelche Weitläufigkeiten von
statten gehen kann, so ist auf diese Weise dasselbe ein wesentlich verbessertes,
gegenüber den bisherigen Auslaugmethoden, zu nennen.
Das Versieden der Laugen geschieht in der Weise, daß die
während der Verdampfung sich abscheidenden Salze ausgeschöpft und nach ihrer
Abtrocknung calcinirt werden, während gewöhnlich rothbraun gefärbte, hauptsächlich Aetznatron
haltende Mutterlaugen resultiren, über deren Verarbeitung von Dr. Pauli im Philosophical Magazine 1861
(polytechn. Journal Bd. CLXIV S. 75)
interessante Mittheilungen gemacht worden sind. Ich hatte das Vergnügen, zu St.
Helens in seiner Gegenwart dem Versiedungsproceß der Aetzlaugen beizuwohnen, und
fand seine in obiger Abhandlung veröffentlichten Angaben völlig bestätigt. Wenn die
Mutterlaugen einen Siedepunkt von etwa 135° C. erreicht, wird ihnen etwas
Natronsalpeter zugesetzt, welche Operation ein starkes Aufschäumen und darauf
folgende Farbenveränderung der Flüssigkeit zur Folge hat. Erst mit dem Uebergange
der Salzmasse in den schmelzenden, flüssigen Zustand hört dieses Aufschäumen auf,
beginnt aber von Neuem, sobald der noch immer rothgelben Masse neue Mengen Salpeter
zugeführt werden; dann entweichen Gase, jedenfalls Stickstoff- und
Sauerstoffverbindungen, und auf der Oberfläche scheidet sich in dünner Schicht
Graphit als Zersetzungsproduct der Cyanverbindungen ab. Wird derselbe abgenommen und
mit Wasser gut abgewaschen, so bildet er nach dem Trocknen ein glänzendes,
grauschwarzes Pulver, welches sehr schwierig und langsam verbrennt. Mit der
Abscheidung des Graphits nimmt die Schmelzmasse ein durchscheinendes Ansehen an und
liefert nach dem Erkalten ein ganz weißes Salz; um ihm den Stich in's Grünliche zu
geben, den das käufliche Aetznatron häufig besitzt, braucht man nur einen kleinen
Ueberschuß von Salpeter zuzufügen, durch welchen jedenfalls Spuren von mangansaurem
Natron gebildet werden. Die Gesammtmenge des zugefügten Salpeters beträgt ungefähr 1
Procent des gesammten Aetznatrons, welches von dem am Boden der Schmelzmasse sich
abscheidenden Eisenoxydschlamme vorsichtig abgeschöpft und in Eisengefäße zum
Transport eingegossen wird.
Wie schon oben angedeutet, findet in dem Etablissement des Herrn Shank eine Umwandlung des in den Mutterlaugen enthaltenen
Aetznatrons in kohlensaures Natron unter dem Einflusse gasförmiger, aus Kalkstein
und Salzsäure entwickelter Kohlensäure statt. Zu diesem Behufe sind Cylinder von
Eisenblech aufgestellt, deren jeder vielleicht 60 Fuß Höhe und 4 Fuß Durchmesser
besitzt und mit Kohksstücken bis ziemlich zum oberen Rande gefüllt ist. Der Boden
dieser Cylinder ist ein doppelter, so daß der innere, durchlöcherte, die Kohksstücke
trägt, während der äußere eine Oeffnung zur Aufnahme der Kohlensäure und eine andere
zum Abfließen der carbonisirten Lauge besitzt, welch' letztere aber in der Weise von
der äußeren Luft abgeschlossen ist, um ein Entweichen der eingeführten Kohlensäure
zu vermeiden, daß um den unteren Rand des Cylinders eine etwa 2 Zoll hohe Rinne
führt, welche durch eine kleine Ausbiegung die Flüssigkeit austreten läßt, mithin
die Austrittsöffnung der
Flüssigkeit aus dem Cylinder durch ihren Inhalt verschließt. Der obere offene Theil
dieser Cylinder schließt eine horizontale Eisenwelle ein, welche mit vier Fächern
umgeben ist, die, durch ihre zeitweilige Füllung mit der emporgepumpten Mutterlauge,
eine Bewegung der Welle und bei ihrer Entleerung eine gleichmäßige Vertheilung der
Aetznatronlösung über die ganze Kohksfläche bedingen. Die oberhalb mit gelber Farbe
aufgeschüttete Mutterlauge fließt vollkommen farblos und durchsichtig, und als eine
Lösung von kohlensaurem Natron ab, indem die Kohksstücke gleichzeitig als Filter
dienen. Die hier ablaufende Flüssigkeit ist allerdings verdünnt und wird zum größten
Theile zum Auslaugen neuer Rohsodamengen verwendet, so daß das hier dargestellte
kohlensaure Natron erst bei der Verdampfung nachfolgender Rohlaugen zum Vorscheine
kommt.
In welchen Dimensionen die hier kurz geschilderten Processe in ungefähr 25 chemischen
Fabriken Lancashire's gehandhabt werden, geht zur Genüge aus dem Productionsquantum
von wöchentlich gegen 3000 Tonnen (etwa 60,000 Centner) Sodasalzen hervor.
Alaunfabrication. – Das großartigste Etablissement
ist das von Peter Spence in Manchester, in welchem
wöchentlich über 2000 Ctr. Ammoniakalaun dargestellt werden. Als Rohmaterial dienen
die aus den spanischen Kupferkiesen dargestellte
Schwefelsäure (s. oben), Grauwackenschiefer aus dem Steinkohlengebirge
Süd-Lancashire's, und Ammoniakwasser der Gasfabriken.
Der Grauwackenschiefer, eine dunkelgraue, feinkörnige Masse, wird mit Kohlen gemischt
in Haufen gebrannt und dadurch das Eisen in schwer lösliches Eisenoxyd umgewandelt;
hierauf wird er gemahlen und in überdeckten Bleipfannen mit Kammersäure gekocht und
letztere nach beendeter Lösung der Thonerde in gleichen Apparaten mit Ammoniakgas in
Berührung gebracht, welches aus einem seitlich aufgestellten Dampfkessel aus dem
Theerwasser der Gasanstalten entwickelt wird. Die krystallisationsfähigen Laugen,
welche einen sehr geringen Eisengehalt besitzen, werden in Bottichen von etwa 12 Fuß
Höhe und 6 Fuß oberem und 5 Fuß unterem Durchmesser zur Krystallisation gebracht.
Der feste Inhalt derselben wird als ganze Masse durch Umstürzen des Bottiches
ausgeschüttet, so daß man nachher einen colossalen, inwendig hohlen und mit schönen
Krystallen bedeckten Conus erblickt, wie ein solcher in London ausgestellt war und
deren ich eine bedeutende Anzahl in Spence's
Etablissement zur weiteren Verwendung vorfand. – Das ganze Verfahren der
Alaunfabrication erscheint hier als ein sehr einfacher, wenig kostspieliger Proceß,
zu dessen Ausführung im Großen auch unsere Kohlen- und Schwefelkieslager
völlig entsprechendes Rohmaterial liefern dürften.
Blutlaugensalzfabrication. – Sie wird in der
Fabrik des Hrn. Krook und Mac
Kinnon nach der von mir in Bolley's Handbuch der
chemischen Technologie Bd. II, Gruppe 2, S. 31 geschilderten Methode unter Anwendung
mechanischer Rührvorrichtungen, durch welche 21 Schmelzkessel gleichzeitig in Gang
gebracht wurden, betrieben. Die letzteren stehen in einer Reihe, mit separaten
Feuerungen versehen, nebeneinander, sind mit einem aus 2 Hälften zusammengesetzten
Deckel möglichst geschlossen, durch dessen mittlere Oeffnung eine verticale
Rührstange mit kreuzförmigem Ansatze einmündet, die oberhalb mit einer endlosen
Schraube versehen, durch eine horizontale Welle unter fortwährender Rotation in der
Schmelzmasse auf- und niederbewegt wird. Eine Fabrication des
Blutlaugensalzes in Schalen schien auch hier, aber jedenfalls ohne Vortheil,
versucht worden zu seyn, wenigstens sah ich zwei derselben unter den Eisenabfällen,
wie sie sich in Blutlaugensalzfabriken in Form zerheizter Schmelzkessel sehr bald
aufspeichern, reservirt. Wesentliche Verbesserungen in der Behandlung der Schmelzen,
in den Auslauge- und Krystallisationsvorrichtungen, konnte ich nicht
wahrnehmen. Ueber die Existenz eines Etablissements, welches die
Blutlaugensalzfabrication aus dem Stickstoffe der Atmosphäre in größerem Maaßstabe
betriebe, konnte ich nirgends Etwas erfahren. Die in obiger Fabrik verwendeten
thierischen Abfälle bestanden in wollenen Lumpen, Hufen und altem Schuhzeuge, und
wurden in Substanz ohne vorherige Verkohlung in die Schmelze geführt; die
Fabrication von Ammoniaksalzen war in diesem Etablissement nicht gehandhabt. In der
Londoner Ausstellung war das Etablissement von Hurlet und
Campric in Glasgow durch eine Suite vorzüglicher
Krystallisationen von gelbem und rothem Blutlaugensalze, von letzterem Krystalle von
6 Zoll Länge und 2–3 Zoll Stärke, ausgezeichnet.
Wasserglas. – Dasselbe findet in England
hauptsächlich in den Druckereien Anwendung und wird in der Fabrik des Hrn. Robert
Rumney in Manchester in bedeutenden Quantitäten durch
Schmelzung eines Gemisches von Soda, Quarz und Kohle in einem vertieften
Flammenherde (ähnlich den Kupferschmelzherden) dargestellt; das schmelzende Product
fließt nach erfolgtem Abstiche in ein neben dem Schmelzherde angebrachtes
Wasserbassin, dessen Inhalt während des Einfließens des Wasserglases in beständiger
Bewegung erhalten wird, wodurch letzteres in den für die spätere Auflösung
geeigneten zerkleinerten Zustand übergeführt wird, um in dieser Form, nach
vorheriger schwacher Abtrocknung, in Fässer verpackt, versendet zu werden.
Fabrication des Holzessigs, Holzgeistes und Holztheeres aus
Sägespänen. – Ich beobachtete diese Fabrication in demselben Etablissement. Die
Sägespäne werden zu ihrer Verkohlung in eiserne Retorten übergeführt, in welchen sie
mittelst einer durch die ganze Länge der letzteren gehende Schnecke von Gußeisen von
vorn nach hinten geschoben und so in dem Maaße, als ihre Zersetzung von statten
geht, durch die Retorte geführt werden. Die Retorten ragen am vordern Theile
ungefähr 1 Fuß aus der Ofenwand hervor und sind an diesem Theile oberhalb mit einem
etwa 3 Fuß hohen, unterhalb 3–4 Zoll im Durchmesser haltenden Trichter von
Eisenblech versehen, durch welchen frische Sägespäne eingeführt werden in dem Maaße,
als dieselben in Form von Holzkohlenmehl aus einer am hinteren Ende der Retorte
angebrachten gleichweiten, in eine in den Fußboden einmündende Röhre auslaufende
Oeffnung abgeführt werden. Drei solcher Retorten liegen in einer Ebene und werden
die in ihnen rotirenden Schnecken durch eine gemeinschaftliche Welle mit Zahnrädern
in Bewegung gesetzt. Die am hintern Theile der Retorte abgehenden Dämpfe werden in
einer Reihe von Condensationsapparaten allmählich verdichtet, so daß während dieser
Condensation schon eine theilweise Trennung der schweren, flüchtigen Essigsäure von
dem leichter flüchtigen Holzgeiste bewerkstelligt wird. Es ist hier das Princip der
Vorwärmer, welches bei der Branntweinbrennerei angewendet wird, ebenfalls mit
Vortheil verwerthet.
Garancinfabrication. – Sie ist in Manchester in
mehreren Etablissements nach der von Higgin (polytechn.
Journal Bd. CLV S. 447) angegebenen Methode
der Behandlung des Krapps mittelst Schwefelsäure im Gebrauch. Von Interesse war
hierbei das zur Zerkleinerung des Krapps dienende Göpelwerk, dessen eiserne,
durchlöcherte Bodenfläche eine den verticalen Mühlsteinen entgegengesetzte Bewegung
erfuhr und unterhalb mit in der Richtung der Mühlsteine rotirenden Bürsten versehen
war, welche dazu dienten, die Oeffnungen des Göpelbodens immer vor Verstopfen zu
schützen. Der Vortheil dieser Einrichtung, welche ich zuerst bei Hrn. Patrick Proudfoot und Comp.
beobachtete, beruht hauptsächlich auf der schnelleren Zerkleinerung und regelmäßigen
Entfernung des zerkleinerten Krapps. Als Auslaugapparate des mit Schwefelsäure
verkohlten Krapps dienten mit Blei ausgeschlagene Holzkästen, über deren Boden ein
zweiter von Messingdraht rahmartig eingelegt war. Die Austrocknung des
ausgewaschenen Garancins geschah auf Hürden in auf 45° C. erwärmten
Trockenräumen.
Leiocome. – Es wurde in demselben Etablissement in
rotirenden Cylindern von 10 Fuß Länge, 1 Fuß Durchmesser und von Eisenblech
dargestellt. Letztere lagen zu 5 retortenartig neben- und übereinander in
einem gemeinschaftlichen Ofen, in welchem ein schwaches Kohlenfeuer eine Erwärmung der Cylinder auf
ungefähr 200° C. bewerkstelligte. Die Cylinder waren in einem Winkel von
ungefähr 12° geneigt, so daß das an dem höher liegenden Ende eingeschüttete
Stärkemehl durch langsame gleichmäßige Bewegung über die erwärmten inneren
Wandflächen derselben nach und nach seine Umwandlung erfuhr und am tieferliegenden
Ende in einen Holzkasten ausgeschüttet wurde. Eine Wiederholung dieses Verfahrens in
etwas stärker erwärmten Röhren lieferte dann ein mehr gelbbraunes Product. Die
Bewegung der Cylinder wurde durch ein mittleres Zahnrad bewerkstelligt, welches in
die 5 kleineren Zahnräder der in den Ofen eingelegten Eisencylinder eingriff und
deren gleichzeitige Rotation bedingte. Mit diesem Apparat wurden aus je 5 Röhren
täglich 4 Tonnen Leiocome dargestellt. In der chemischen Fabrik der HHrn. Roberts, Dale u. Comp. geschah
die Fabrication des Stärkegummis in eisernen Kästen, welche zu zweien in einen
gemeinschaftlichen gewölbten Ofen eingesetzt waren und durch ein Kohlenfeuer,
welches zwei solcher Oefen gleichzeitig heizte, auf die erforderliche Temperatur
gebracht wurden.
Bleichen des Palmöls. – In letzterem
Etablissement, welches hauptsächlich die Fabrication von Anilin-,
Lack- und Kupferfarben betrieb, wurde auch die Palmölbleicherei und
Seifenfabrication, zumal die der Windsorseife, in sehr großem Maaßstabe ausgeführt.
Die Bleichung des Palmöles geschah in einem ungefähr 20 Fuß tiefen und 8 Fuß weiten
Kessel, in dessen unterem Raume ein System vertical stehender, gußeiserner Röhren
dazu diente, das Palmöl durch überhitzten Wasserdampf und heiße Luft, welche
gleichzeitig in diese Röhren eingepumpt wird, zu bleichen. Mit diesem Verfahren
konnten täglich in diesem Kessel gegen 80 Centner Palmöl gebleicht werden.
Backwood-Lack. – Unter den Farbstoffen
begegnete ich hier einem neuen, an Farbe und Textur dem Sandelholze sehr ähnlichen
Rothholze, welches den Namen Backwood führte und einen durch sein Feuer
ausgezeichneten Zinnoxyd-Lack liefert. Der in diesem Holze enthaltene
Farbstoff scheint harzartiger Natur zu seyn; er wird durch Wasser nicht, vollständig
aber durch heiße Aetznatronlösung aufgenommen. Aus dieser scheidet Zinnchlorid den
erstern mit brennend rother Farbe ab. Eine mir von diesem Lacke übergebene Probe
scheidet durch längere Behandlung mit Salzsäure eine rothe Harzmasse ab, welche sich
in Alkohol vollständig löst, während andererseits auch die salzsaure Lösung intensiv
roth gefärbt ist.
Zinnsalz. – Die Darstellung desselben geschieht
durch Auflösung des Zinnes in mit Salzsäure gefüllten kupfernen Kesseln und
Verdampfen in mit Dampf geheizten Steinpfannen. Aus den Mutterlaugen wird Zinnchlorid dadurch
bereitet, daß man erstere in thönerne, mit Dampf erwärmte Töpfe einfließen läßt, in
welchen sich eine Mischung von Salzsäure und Salpetersäure befindet.
Essigsaure Thonbeize. – Sie wird hier durch Kochen
einer Alaunlösung mit holzessigsaurem Kalk dargestellt, der, behufs der Entfernung
des Empyreuma's, vorher mit einem Gemische von schwefelsaurem Bleioxyd und
gelöschtem Kalke erhitzt worden ist. Die essigsaure Thonbeize ist fast völlig frei
von Gyps, da sich dieser in einer Lösung von essigsaurer Thonerde viel schwerer als
in Wasser auflöst.
Essigsäure. – Sie wird durch Zersetzung von
holzessigsaurem Kalk mittelst Chlorwasserstoffsäure in gußeisernen Kesseln mit
Destillationsvorrichtungen in sehr reinem Zustande gleichzeitig gewonnen; man
vermeidet hierbei einen Ueberschuß von Salzsäure und läßt lieber eine geringe Menge
des holzessigsauren Kaltes unzersetzt.
Darstellung der Oxalsäure aus Sägespänen. – Sie
wird in der Sodafabrik der Herren Roberts, Dale u. Comp. in Warrington, neben dem Proceß der
Sodafabrication, mittelst ätzender Alkalien bewerkstelligt. Dieses von L. Possoz zuerst in den Comptes
rendus t. XLVII p. 648 (polytechn. Journal Bd. CL S. 127 und 382, Bd.
CLIV S. 60) bekannt gemachte Verfahren wird in Warrington in der Weise
ausgeführt, daß in eisernen Schalen eine Mischung von Aetzkali- und
Aetznatronlauge (im Verhältnisse von 1 1/2 Theilen Aetzkali auf 1 Theil Aetznatron)
mit portionenweise eingetragenem Sägemehle und zuletzt unter fortwährendem Umrühren,
behufs der Erzielung eines feuchten, pulverigen Rückstandes, eingedampft wird.
Hierbei geht das Aetznatron in schwerlösliches oxalsaures Natron, das Aetzkali in
kohlensaures Kali mit geringer Menge von oxalsaurem Kali über; die braune Farbe
rührt von gleichzeitig gebildeten Humusverbindungen her. Dieser
Verdampfungsrückstand wird in eisernen Filtrirkästen mit doppeltem Boden aus
Drahtgeflecht in der Weise ausgelaugt, daß eine mit dem unteren Raume des Kastens
verbundene Luftpumpe das aufgegossene Wasser behufs der Auflösung der Kalisalze
durch die Salzmasse hindurchsaugt. Der ausgewaschene, schwer lösliche Rückstand,
oxalsaures Natron, wird in einer Eisenpfanne mit horizontaler Flügelwelle mittelst
Kalkmilch unter Erhitzung zersetzt, so daß Aetznatron gebildet und oxalsaurer Kalk
ausgeschieden wird. Die Natronlauge wird eingedampft und zur Darstellung neuer
Mengen Oxalsäure verwendet, der oxalsaure Kalk, nachdem er in ähnlicher Weise, wie
das oxalsaure Natron, ausgewaschen, mittelst Schwefelsäure in mit Blei
ausgeschlagenen Holzkufen zersetzt. Die Lösung der von dem oxalsauren Natron
getrennten Kalisalze wird mit Kalkmilch zur Entfernung der Oxalsäure und zur
Aetzendmachung des gebildeten kohlensauren Kalis ebenfalls gekocht und die so
erhaltene Aetzkalilauge zu gleichen Zwecken wie vorher verwendet. Die Lösung der
durch Zersetzung des Kalisalzes erhaltenen Oxalsäure wird in Bleipfannen zur
Krystallisation gebracht und die durch erste und zweite Krystallisation erhaltenen
Krystalle derselben durch wiederholte Umkrystallisation von der anhängenden,
schwefelsäurehaltigen Mutterlauge befreit. Die letzten Mutterlaugen werden, mit
Wasser verdünnt und mit Schwefelsäure gemengt, zur Zersetzung neuer Mengen
oxalsauren Kalkes verwendet.
Unterschwefligsaures Natron. – In demselben
Etablissement begegnete ich einer eigenthümlichen Bereitungsweise dieses Salzes. Um
dasselbe darzustellen, wird zunächst ein Gemisch von Soda und Schwefel (vielleicht 2
Theile der erstern zu einem Theile des letztern) in einem gewöhnlichen Schwefelofen
geröstet und das Röstproduct in eine Auflösung von Schwefel in Aetznatronlauge
eingetragen, bis, während des Kochens dieser Flüssigkeit, letztere farblos geworden
ist; dann läßt man absetzen und verdampft die klare Lösung in eisernen Pfannen zur
Krystallisation, während das sich im Verlaufe der Verdampfung abscheidende
Glaubersalz ausgesoggt und zur Fabrication von Soda verwendet wird. Aus der
krystallisationsfähigen Lauge scheidet sich das unterschwefligsaure Natron an den
Wandungen hölzerner Bottiche in sehr hellen, farblosen und großen Krystallen ab. Die
Mutterlaugen nehmen eine gelbliche Farbe an und werden zur Auflösung neuer Mengen
Schwefel wieder mit Aetznatron gemischt.
Decantirvorrichtung. – Unter den zahlreichen
Formen, in welchen hier und in den anderen, vorher namhaft gemachten Fabriken
einzelne Apparate für technisch-chemische Zwecke von mehr oder weniger
bekannter Construction Anwendung erfuhren, zeichnete sich eine Decantirvorrichtung
zur Trennung der Waschwässer bei der Stärkemehlbereitung aus Weizen- und
Reismehl durch Einfachheit und praktischen Vortheil vorzüglich aus, welche
folgendermaßen eingerichtet ist: Ueber dem Boden des cylindrischen, gleich hohen als
breiten Absatzgefäßes ist eine Oeffnung mit einem Abflußhahne versehen, welcher an
der im Gefäße befindlichen Seite durch ein gut schließendes Kugelgelenk mit einem in
der Flüssigkeit vertical stehenden Eisenrohre verbunden ist. Das Kugelgelenk
gestattet nun, daß das erstere nach Belieben in dem Gefäße umgelegt werden kann, so
daß alle über dem Bodensatze befindliche Flüssigkeit durch das geneigte Rohr in den
Hahn und durch diesen abfließt, ohne daß der Bodensatz irgend bewegt wird. Ist in
dieser Weise das Gefäß entleert, so wird das Rohr durch einen Strick, der um das
obere Ende desselben geschlungen ist, wieder gehoben und der Bottich von Neuem
gefüllt.
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Die im Vorhergehenden der Oeffentlichkeit übergebenen Thatsachen sind vielleicht dazu
geeignet, dem mit den englischen Zuständen nicht bekannten Leser ein ungefähres Bild
der außerordentlichen Vielseitigkeit der chemischen Industrie jenes Landes zu geben,
und berechtigen auf den ersten Blick zu der Annahme, daß der Engländer bei seiner
technischen Vielseitigkeit auch Herr der Idee, die seinen Unternehmungen zu Grunde
liegt, seyn müsse. Diese Behauptung erleidet aber wenigstens eine theilweise
Widerlegung durch den Umstand, daß in sehr vielen
Etablissements, und zwar gerade in den der industriellen Welt am meisten bekannten,
die Directoren Deutsche und daß, wo Engländer z.B. als Chemiker in Fabriken thätig
sind, diese zum größten Theile ihre wissenschaftliche Bildung auf deutschen
Hochschulen erhalten haben. Ist somit wohl nicht zu läugnen, daß Englands
industrielle Entwickelung zum Theil ausländischen Einflüssen entsprossen ist, so ist
andererseits wohl zu beachten, daß wo kein Capital ist, auch der beste Gedanke keine
praktische Verwerthung findet. Die Größe des Capitals, mit welchem die englische
Industrie auftritt, das rastlose Streben, jede neue Idee mit Energie zur
Durchführung zu bringen, und somit letzterer, sie komme woher sie wolle, durch
materielle Unterstützung, Lebensfähigkeit und reellen Werth zu verleihen,
berechtigen den Engländer, uns Achtung vor seinen gewerblichen Einrichtungen
abzunöthigen, die ihm der Deutsche um so weniger versagen wird, als ja der Erfinder
in der Verwirklichung seiner Erfindung den schönsten Lohn erkennt.