Titel: | Ueber Annaline (Gyps) zur Papierfabrication; von Dr. Franz Varrentrapp. |
Autor: | Franz Varrentrapp [GND] |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. LXXXIII., S. 390 |
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LXXXIII.
Ueber Annaline (Gyps) zur Papierfabrication; von
Dr. Franz
Varrentrapp.
Varrentrapp, über Annaline zur Papierfabrication.
Seit ein paar Jahren wird den Papierfabrikanten meist unter dem Namen Annaline sehr
fein gepulverter wasserhaltiger schwefelsaurer Kalk, Gyps, bald mehr bald weniger
weiß, dringend als Ersatz für Thon, China-clay empfohlen, und zwar unter
Hinzufügung daß dieß Product offenbar das beste und zugleich das billigste sey, weil
gar nichts davon verloren gehe, was man daran erkenne, daß das von dem Siebe der Papiermaschine
ablaufende Wasser ganz klar abfließe, während bei Zusatz von China-clay das
Wasser milchig getrübt sey. Letzteres ist wahr, und 50–55 Proc. des dem
Ganzstoff beigemengten Thones fließen mit dem Wasser ab, höchstens die Hälfte bleibt
in dem Papier. Wenn nicht übergroße Mengen von sogenannter Annaline mit dem
Ganzstoff gemengt werden, so ist auch die Bemerkung wahr, daß das Wasser ganz klar
abfließt, aber es ist nicht wahr, daß hierin der Beweis liegt, daß nichts von dem
Gyps verloren geht. Der Gyps ist nicht wie der Thon in Wasser unlöslich, sondern 460
Theile Wasser lösen 1 Th. Gyps, in je acht Kubikfuß Wasser löst sich daher 1 Pfd.
Gyps. Da je nach Umständen der Papierstoff vor dem Formen in mehr oder weniger
Wasser vertheilt ist, so wollen wir z.B. annehmen: auf jeden Kub. F. Wasser komme 1
Pfd. Ganzzeug, man beabsichtige 12 Proc. Gyps in dem fertigen Papier zu haben, so
darf man nicht auf 88 Pfd. Papierstoff 12 oder wegen ihres Feuchtigkeitsgehaltes
etwa 10 Proc., also 13 Pfd. Annaline zusetzen, davon würden nur etwa eingemengte
Kohle, Kalk und Kieseltheile sich im Papier wieder finden, die 88 Kub. F. Wasser
hätten alle Gypstheile völlig gelöst; man sieht sie daher freilich nicht im Wasser
suspendirt, sie sind aber doch darin enthalten und leicht chemisch nachzuweisen.
Dieß ist nicht nur eine theoretische Anschauung, sondern eine in der großen Praxis
geprüfte. Ich habe 3 Sorten Druckpapier untersucht; bei dem ersten waren auf 560
Pfd. trockenen Ganzstoff, bei dem zweiten sehr dünnen auf 640 Pfd., bei dem dritten
auf 740 Pfd. Ganzstoff jedesmal 100 Pfd. Annaline F. F.
zugesetzt worden. Das erste hinterließ 2,1 Proc. Asche, das zweite 4,7 Proc., das
dritte 0,7 Proc. Im ersten waren also, selbst wenn man den gewöhnlichen Aschengehalt
von 3/4 Proc. gar nicht in Betracht zieht, höchstens von 100 Pfd. Gyps 11 3/4 Pfd.
verblieben, der Rest hatte sich im Wasser gelöst. Zieht man 3/4 Proc. ab, so hatten
sich von 100 Pfd. Gyps fast 92,5 Pfd. gelöst und nur 7 1/2 Pfd. waren in dem Papier
geblieben; das ist eine Vermehrung des Papiergewichtes um 1 1/3 Proc. durch einen
Gypszusatz von fast 18 Proc. – Das zweite Papier, welches halb geleimt und
bei sehr schnell laufender Maschine gearbeitet war, zeigte 4,7 Proc. Asche. Es waren
ihm 15 1/2 Proc. Gyps zugesetzt, also hatte es jedenfalls nicht 1/4 des Gypses
behalten. In dem dritten Papier war der Gyps zugesetzt, nachdem er mit sehr viel
Wasser zu einer sehr dünnen Flüssigkeit angerührt war, so daß alle Sand- und
Kohletheilchen sich gut abschieden bei einigem Stehen; es hat nicht mehr
Aschengehalt als Papierstoff ohne allen Zusatz. Die Asche wurde bestimmt, indem man
das Papier verkohlte und im Platintiegel glühte bis keine Gewichtsabnahme mehr
stattfand, den grauen Rückstand dann mit concentrirter Schwefelsäure befeuchtete und
nochmals glühte. Dieser Rückstand war in mit Salzsäure sauer gemachtem Wasser nicht
ganz löslich, Spuren von Sand, von Eisenoxyd und Flocken, wahrscheinlich aus
Thonerde und Kieselerde bestehend, blieben zurück, der größte Theil war jedoch Gyps.
Es ist eine unbrauchbare Bestimmungsweise, welche die Annalinehändler angeben, den
geglühten Rückstand des verbrannten Papiers als Schwefelcalcium zu berechnen. Wenn
man während dem Glühen so viel Luft zuführt, daß alle Kohle verbrennt, so oxydirt
sich auch ein großer Theil des Schwefelcalciums. 2,26 Grm. geglühte Papierasche
geben durch Befeuchten mit überschüssiger Schwefelsäure und Glühen 2,72 Grm.; hätten
sie aus reinem Schwefelcalcium bestanden, so hätten daraus 3,49 schwefelsaurer Kalk
gebildet werden müssen. Die Verkäufer der Annaline haben eine Ankündigung auf Papier
gedruckt, von dem sie sagen es enthalte 50 Proc. von der neuen Annaline F. F.; 1,34 Grm. dieses bedruckten und geleimten Papiers
hinterließen 0,272 Grm. mit Schwefelsäure behandelte Asche. Dieß sind genau 20 Proc.
Dieß entspricht 25,3 Proc. Annaline oder wasserhaltigem Gyps. Die mit der Hand aus
der Bütte geschöpften Papiere verdienen keine nähere Besprechung; es ist klar, daß
man hier leicht so viel Gyps zusetzen kann, als man will. Die auf solche Weise
gefertigten, stark gypshaltigen Papiere sind für die meisten Zwecke viel zu lappig
und ganz unbrauchbar.
Aus dem allem geht hervor, daß 12–20 Proc. Annaline dem Papierstoff zugesetzt
werden können und bei Verarbeitung von viel Wasser enthaltender Masse gar nichts als
ihre Unreinigkeiten darin zurücklassen. Bei weniger Wasser und sehr großem
Annalinezusatz kann das Papier reich an Gyps werden. Will jemand die Annaline
anwenden, so muß er die Löslichkeit des Gypses im Wasser beachten, auf je 8 Kub. F.
die Lösung von 1 Pfd. Gyps rechnen, und kann dann erwarten, von dem was er mehr an
Annaline verwendet hat, 2/3–1/2 in dem Papier wieder zu finden. Daß, trotz
der Warnungen von L. Müller
Die Fabrication des Papiers von Dr. L. Müller. 3. Aufl.; bei Springer in Berlin. die Annaline so vielfach angewandt wird, selbst um den Preis von 3–4
Thlr. Gyps, unter allerlei Namen aus England eingeführt, in der Papierfabrication
Verwendung findet, ist kein Ruhm für unsere Papierfabriken, die aus dem Gewicht des
Productes die Löslichkeit des Zusatzes hätten erkennen müssen und nur sehr einzeln
erkannt haben.
Trotz alle dem kann man nicht läugnen, daß bei hinreichendem Zusatz von Annaline
dieser Stoff sich besser in dem Papier hält und ein schöneres Ansehen gibt, auch die
Lettern weniger beschmutzt und abnutzt als der China-clay. Es ist Sache der
Calculation, ob man so viel Geld darauf verwenden mag. Will man dem Papier
anorganische Stoffe einverleiben und dabei für den Druck namentlich geeignete
Papiere erzeugen, so gibt es nur einen Weg, der tadellose Waare liefert und bei dem
sehr wenig Stoff vergeudet wird. Derselbe besteht darin, im Holländer durch
Erzeugung eines unlöslichen Niederschlages denselben in und auf der Faser zu
befestigen. Darüber später einmal Weiteres.
Die Annaline stellt ein außerordentlich feines Pulver dar, zarter anzufühlen als
selbst aus sehr concentrirten Lösungen gefällter Gyps, der überdieß unter allen
Umständen zu theuer zu stehen kommt. Es war mir unbekannt, auf welche Weise der Gyps
so fein herzustellen sey. Einige Versuche haben mich ein Verfahren gelehrt, welches
dazu dienen kann; ich weiß nicht, ob die Annalinefabriken ein Aehnliches
anwenden.
Wenn man gebrannten, mäßig fein gepulverten Gyps in sein 12faches Gewicht Wasser einrührt und mit dem Rühren etwa 15 Minuten
fortfährt, so bemerkt man mit einem Male, daß die vorher dünnflüssige Masse eine
Rahmconsistenz annimmt; selbst wenn man 20mal so viel Wasser als Gyps genommen hat,
ist dieß sehr bemerklich. Der Gyps hat alle Neigung verloren sich abzusetzen, und
selbst nach 24stündigem Stehen sammelt sich in einem hohen Gefäße kaum ein Finger
breit klares Wasser obenauf. Diese sehr wasserhaltige Masse kann man am besten von
Wasser befreien, wenn man sie in einer Centrifuge ausschleudert. Die erste
Viertelstunde geht der Gyps mit dem Wasser durch das Sieb, aber allmählich setzt er
sich an dem Gewebe an, und man kann dann eine 2 bis 3 Zoll dicke Schicht Gyps von so
großer Consistenz gewinnen, daß er beim Herausnehmen in nasse Sücke bricht, die sich
leicht trocknen. Zu wenig Wasser darf man nicht nehmen, sonst bindet er, und die
Unreinigkeiten senken sich nicht mehr.