Titel: | Zur Geschichte der Kryolithindustrie; von Professor Julius Thomsen in Copenhagen. |
Autor: | Julius Thomsen [GND] |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XCVIII., S. 441 |
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XCVIII.
Zur Geschichte der Kryolithindustrie; von
Professor Julius Thomsen in
Copenhagen.
Thomsen, über die Geschichte der Kryolithindustrie.
Die Verwerthung des Kryoliths hat in den letzten sechs Jahren die Aufmerksamkeit der
Techniker in Anspruch genommen. Eine Fabrik arbeitet schon seit dem Jahre 1857 in
großem Maaßstabe mit der Darstellung von Natron- und Thonerdesalzen aus
Kryolith, eine zweite ist seit einem Jahre im Gang, und drei andere Fabriken sind im
Bau begriffen. Der chemische Proceß ist durch die technische Journalliteratur dem
Publicum schon längst, wenigstens in seinen Hauptzügen, bekannt; aber über einen
Punkt schweigen noch die Angaben, nämlich über den Ursprung der ganzen
Industrie.
Man findet weder in den chemischen Zeitschriften noch in den chemischen Handbüchern
vor dem Jahre 1855 irgend eine Notiz, welche die Zersetzung des Kryoliths durch Kalk
oder Kalksalze erwähnt. Diese Eigenschaft, worauf die ganze Kryolithindustrie
beruht, wurde erst im August 1855 dem Publicum durch einen Aufsatz in Poggendorff's Annalen Bd. XCVI S. 154 bekannt, in welchem
Prof. H. Rose die Mittheilung macht, daß Kryolyth aus
Copenhagen nach Stettin gesandt und von Seifensiedern zur Darstellung von
Natronlauge benutzt wurde. Was aber zur plötzlichen Erscheinung großer Massen
Kryolith die Veranlassung gegeben hatte, und woher die Entdeckung der Zersetzung des
Kryoliths stammte, darüber schweigt diese wie alle ferneren Mittheilungen. Ich werde jetzt, wenn auch
etwas spät, die Geschichte der Kryolithindustrie mit Rücksicht auf diesen Hauptpunkt
ergänzen.
Vom Jahre 1849 an habe ich mich mit dem Studium des Kryoliths in technischer
Beziehung beschäftigt; im Jahre 1850 entdeckte ich die
Zersetzbarkeit des Kryoliths durch Kalk und Kalksalze, und im Jahre 1853
erhielt ich ein zehnjähriges Patent für die technische Bearbeitung des Kryoliths
nach dieser Methode. In den folgenden Jahren war ich eifrig beschäftigt um das neue
Material in hinlänglicher Menge aus Grönland zu erhalten; viele Schwierigkeiten
stellten sich aber meinen Bestrebungen entgegen, denn der Handel auf Grönland ist
Monopol, und das Land für Privatunternehmer nicht zugänglich. Einige Hundert Tonnen
Kryolith, die ich nach und nach von Grönland herbeischaffte, wurden größtentheils
für Versuche im großen Maaßstabe verwendet, der Rest aber an Seifensieder verkauft,
und daher stammt auch die kleine Partie, welche im Jahre 1855 viel Aufsehen machte.
Erst im Jahre 1856 wurde mir von der Regierung das Privilegium zur selbstständigen
Bearbeitung der Kryolithlager in Grönland ertheilt, ein Privilegium, welches in
diesem Jahre wieder für eine Reihe von Jahren erneuert worden ist. Im Jahre 1856
wurde das erste Schiff für eine Kryolithexpedition ausgerüstet, aber die Ausbeute
war nur 2500 Centner Kryolith. Im Jahre 1857 eröffnete ich die erste kleine Fabrik
für Sodagewinnung aus Kryolith, und im Februar 1858 die zweite nach großem Maaßstabe
angelegte Fabrik bei Copenhagen, die Fabrik Oercsund, deren jährliche Production
40,000 Centner Kryolith beträgt.
Die Bearbeitung der Kryolithlager in Grönland wurde mit jedem Jahre erweitert, so daß
man im Jahre 1861 eine neue Fabrik in Harburg anlegen konnte. Sie wurde nach dem
Muster der Copenhagener Fabriken, aber hauptsächlich auf Darstellung von caustischer
Soda eingerichtet. Sämmtliche Apparate dieser Fabrik sind eine Copie derjenigen,
welche ich für die Copenhagener Fabrik erfunden hatte; nur der Ofen macht eine
Ausnahme, und das ist eben die schwache Seite der Harburger Fabrik, wie ich es in
einem speciellen Aufsatze näher darthun werde.
Die anderen Fabriken, welche jetzt in Prag, Selicie und Mannheim im Bau begriffen
sind, werden in allen einzelnen Theilen übereinstimmend mit der Copenhagener Fabrik
eingerichtet. Die HHrn. Giulino aus Mannheim, Rademacher
jun. aus Prag und Jung aus
Selicie haben in der Copenhagener Fabrik die Verarbeitung des Kryoliths studirt, und
wurden von da aus mit Zeichnungen aller wesentlichen Apparate versehen.
Der Kryolith, welcher in allen fünf Fabriken verbraucht wird, beträgt jährlich etwa
120 bis 150,000 Centner; im letzten Sommer sind etwa 33 Schiffe für den
Transport von Kryolyth aus Grönland verwendet worden. Das ganze Geschäft wird von
der Firma Thbd. Weber und Comp. in Copenhagen geführt.
Aus Vorstehendem ersieht man, daß ich der Urheber der ganzen Kryolithindustrie bin,
und daß der Proceß der Sodagewinnung aus Kryolith in allen
einzelnen Theilen meine Erfindung ist. Dieß ist der Punkt, bezüglich dessen
ich die Geschichte der Kryolithindustrie zu ergänzen wünschte.