Titel: | Ueber die Spannung der Pulvergase. |
Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. VI., S. 21 |
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VI.
Ueber die Spannung der Pulvergase.
Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1862, Bd. VI S. 548.
Mit einer Abbildung auf Tab. I.
Ueber die Spannung der Pulvergase.
Ueber die Spannung der Pulvergase enthält der „Engineer“ vom 23. August 1861, entnommen dem „Scientific American“, einige Resultate
aus den Versuchen, die Capitän T. I. Rodman, vom Ordnance Department der U. S.
Army, seit einer Reihe von Jahren in den Alleghany und Watertown Arsenals auf
Veranlassung der Regierung der Vereinigten Staaten angestellt hat, um die beste Form
und das beste Material für Geschütze, sowie die erforderlichen Eigenschaften für
Schießpulver zu ermitteln. Zur Bestimmung der Spannung der Pulvergase im
Geschützrohr diente folgendes eigenthümliche Instrument, welches in Fig. 43 skizzirt ist.
Durch den mit einem äußeren Gewinde a versehenen Theil
desselben ist ein Loch b, etwa 1/3 Zoll im Durchmesser,
gebohrt, in welchem ein Kolben c verschiebbar ist.
Dieser Kolben ist am Ende mit einer Stahlspitze d
versehen, der gegenüber sich ein kleiner Kupferblock e,
durch eine Schraube f adjustirbar, befindet.
Um dieses Manometer anzuwenden, wird durch die Geschützwandung ein Loch von demselben
Durchmesser, wie b, gebohrt, dasselbe außen erweitert
und mit einem Gewinde entsprechend der Schraube a
versehen, und das Instrument hier hineingeschraubt. Bei der Explosion des Pulvers
wirken die entwickelten Gase auf den Kolben c, treiben
denselben vorwärts und drücken die Stahlspitze d mehr
oder weniger tief in den Kupferblock e hinein. Der
Kupferblock und die Stahlspitze werden darauf unter einen passenden Hebelapparat
gebracht, und der Druck bestimmt, welcher erforderlich ist, die Stahlspitze bis zu
derselben Tiefe in das Kupfer zu drücken, wie es die Pulvergase gethan hatten.
Capitän Rodman behauptet, daß bei 30000 Pfd. ein
Unterschied von 250 Pfd. noch vollkommen deutlich bemerkbar sey, so daß für die
größten Pressungen die Resultate bis auf etwa 1000 Pfd. genau sind.
Es folgen hier einige der mit diesem Manometer erhaltenen Resultate. (Gewicht und
Maaß sind englisch.)
Druck pro Quadratzoll in einem
42 Pfünder, gemessen am Geschützboden:
21 Pfd.
Pulver,
2
Geschosse,
1
Pfropfen
64510 Pfd.
14 „
„
2
„
1
„
55622 „
21 „
„
1
„
1
„
47785 „
Constantes Gewicht des Geschosses und zunehmende
Pulverladung:
Pulverladung.
Spannung pro
Quadratzoll.
3 Pfd.
11319 Pfd.
4 „
17483 „
5 „
16983 „
6 „
18811 „
7 „
19551 „
8 „
24146 „
9 „
28972 „
10 „
32638 „
11 „
37463 „
12 „
38961 „
Constante Pulverladung und zunehmendes Gewicht des
Geschosses:
Pulverladung.
Gewicht des Geschosses
Spannung pro
Quadratz.
5 Pfd.
35 Pfd.40 „45
„50 „55
„60 „65
„70 „75
„80 „85
„
16733 Pfd.17563
„24226 „27323
„28632 „34966
„32797 „34886
„36964 „38462
„41120 „
Die folgende Tabelle enthält die Geschwindigkeit der Geschosse in Fußen pro Secunde und die Spannungen des Pulvergases pro Quadrtz. in Pfunden an verschiedenen Stellen des
Laufes gemessen, für drei Geschütze mit verschiedenen Calibern, wobei die Längen der
Pulverladungen in allen drei Geschützen gleich waren, sowie die Längen der
Geschosse.
Textabbildung Bd. 167, S. 22
Caliber in Zollen; Gewicht der
Pulverladung in Pfd.; Gewicht des Geschosses in Pfd.; Geschwindigkeit des
Geschosses; Druck pro Quadrtz. in Pfd. an
verschiedenen Stellen, entfernt vom Geschützboden; Zoll; am Boden
Bemerkenswerth ist hier der große Zuwachs des Druckes am Boden bei den größeren
Calibern, wahrscheinlich eine Folge der durch die Verbrennung der größeren
Pulvermasse erzeugten größeren Wärme, wozu noch die verhältnißmäßig geringere
Abkühlungsfläche der größeren Caliber kommt. Eigenthümlich ist ferner, daß die
Spannung der Gase bei 56, 70 und 84 Zoll vom Boden größer ist als bei 42 Zoll,
namentlich für die 9 und 11 zölligen Kanonen.
Die Resultate dieser Tabelle sind die Mittel aus zehn Versuchen.
Der größte in einer Kanone beobachtete Druck war 100000 Pfd. pro Quadratzoll, welcher jedoch in einer Bombe noch bedeutend übertroffen
wurde. Es wurde nämlich eine starke Bombe von 12 Zoll äußerem und etwas weniger als
4 Zoll innerem Durchmesser gegossen, die Höhlung mit Pulver gefüllt und eine
Oeffnung von nur 1/10 Zoll Durchmesser zum Entweichen der Pulvergase gelassen. Bei
der Entzündung des Pulvers zeigte das Manometer eine Spannung im Innern von 185000
Pfd. pro Quadratzoll an.
Unter Anderem zog Capitän Rodman folgende Schlüsse aus
seinen Experimenten:
Zum Zerreißen einer Eisenmasse ist eine gewisse Zeit erforderlich, selbst wenn die
angewandte Kraft die Festigkeit des Eisens bei Weitem übersteigen sollte. Bei dem
gewöhnlichen Gebrauch der Geschütze sind dieselben stets einem Druck unterworfen,
der sie unfehlbar zersprengen würde, wenn er durch einen etwas längeren Zeitraum
wirksam wäre, so daß man gewissermaßen sagen kann, Kanonen springen nicht, weil sie
keine Zeit dazu haben.
Die Spannung der Pulvergase steigt in einem größeren Verhältniß als das Volum der
Ladung zunimmt, und ist für stärkere Ladungen annähernd proportional dem Quadrat der
Ladungen.
Wilhelm Netke.