Titel: | Neues Verfahren zur Gewinnung von Zucker aus Rübenmelasse mittelst Strontian oder Kalk und Spiritus; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XLIX., S. 207 |
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XLIX.
Neues Verfahren zur Gewinnung von Zucker aus
Rübenmelasse mittelst Strontian oder Kalk und Spiritus; von Dr. C. Stammer.
(Schluß von S. 146 des vorhergehenden
Heftes.)
Stammer, neues Verfahren zur Gewinnung von Zucker aus Rübenmelasse
mittelst Strontian oder Kalk und Spiritus.
IV. Durch alle diese Vorversuche war zwar die Möglichkeit der Erzielung
krystallisationsfähiger Syrupe aus Melasse dargethan; aber die Frage nach der
wirklichen Ausbeute und nach der Größe des Zucker-, Kalk- und
Spiritusverlustes erschien mehr als je der Lösung bedürftig, ohne daß diese durch
Laboratoriumsversuche mit wenigen Pfunden Melasse zu erzielen wäre. Es war daher ein
Versuch in größerem Maaßstab unumgänglich. Da hierzu zwar große Rübenpressen, aber
kein Rectificationsapparat zu Gebote stand, so wurde derselbe so ausgeführt, daß ein
Quantum von 70 Pfund Melasse in Arbeit genommen wurde; nach Bewerkstelligung des
Niederschlages von Zuckerkalk, wobei alle angewandten Substanzen sorgfältig gewogen
oder gemessen waren, ließ ich den Niederschlag in leinenen Tüchern in einer
gewöhnlichen hydraulischen Presse auspressen. So entstand der Zuckerkalk A und die Lösung a. Ein
Theil von A wurde dann behufs reinerer Darstellung
nochmals in Weingeist vertheilt und zum zweitenmale ausgepreßt; so entstand der
Zuckerkalk B und die Lösung b. Sämmtliche Producte wurden gewogen oder gemessen, und hierauf die
Bestimmung des Weingeistes und des Zuckers, wie er sich in diesen vier Substanzen
wieder fand, im Vergleich zu den in Arbeit genommenen Stoffen vorgenommen.
Diese Bestimmung war nicht ohne Schwierigkeit, da sie für geringe Materialmengen
ausgeführt und auf große Quantitäten berechnet, also mit möglichster Genauigkeit
ausgeführt werden mußte, und zugleich die Eigenthümlichkeiten der Mischungen die
gewöhnlichen Methoden unanwendbar machten.
Von der angewandten Melasse war die Trockensubstanz durch Austrocknen in einem warmen
trockenen Luftstrom auf 83,7 Proc., der absolute Zuckergehalt auf 51,96 Proc.
bestimmt worden; der wirkliche. Quotient betrug mithin 62,1 Proc. (Da die Melasse
bei 14 Proc. Balling 8,66 Proc. polarisirt hatte, so war ihr scheinbarer Quotient 61,7 Proc.) In Arbeit waren also genommen worden in
den 70 Pfd. Melasse 36,4 Pfd. Zucker.
Von den Lösungen
a und b wurden zunächst
abgemessene Quantitäten nach Verdünnung mit diel Wasser durch Destillation in einer
mit Kühlapparat versehenen Retorte von ihrem Weingeistgehalt völlig befreit, der
Weingeist im Destillat mittelst des Vaporimeters genau ermittelt und hiernach die
Gesammtmenge des aus den Lösungen a und b wiederzugewinnenden Weingeistes berechnet.
Im Rückstande von der Destillation wurde, nach Entfernung des Kalkes, einerseits
direct die gelöste Trockensubstanz, andererseits durch Polarisation der vorhandene
Zucker (nach dessen absoluter Menge) ermittelt und gleichfalls auf die Lösungen a und b berechnet. Aus dem
Vergleich zwischen der wirklichen Trockensubstanz und dem Zuckergehalte ergab sich
der wirkliche Zuckerquotient, wie denn auch die Melasse
und der feste Zuckerkalk mit dem wirklichen Quotient in Rechnung gekommen sind.
Hieraus folgte als der in den Lösungen a und b enthaltene Zucker:
a) 5,77 Pfd.
mit
einem
Quotient
von
27,2
b) 2,35 „
„
„
„
„
35
zusammen also 8,1 Pfd. mit einem Quotienten von 28,9; letztere
Zahl ist nicht das einfache Mittel der beiden Quotienten, sondern der mit Rücksicht
auf die respectiven absoluten Mengen Trockensubstanz berechnete Quotient der
gemischten Lösungen a und b.
Bei den beiden Zuckerkalken wurde der Spiritus in
derselben Weise wie bei den Lösungen ermittelt und auf die Gesammtmenge
berechnet.
Weiterhin wurde eine bestimmte Menge Zuckerkalk abgewogen, mit Wasser vermischt und
aus dem Gemisch der Kalk mittelst Kohlensäure gefällt, hierauf das Ganze durch
Kochen in offener Schale von seinem Weingeistgehalt befreit und nun das
Gesammtgewicht der so erhaltenen Lösung nebst dem darin suspendirten kohlensauren Kalke
notirt. Die Lösung wurde abfiltrirt und polarisirt, hierauf der Niederschlag
vollkommen ausgewaschen und nach dem Trocknen gewogen. Dieses Gewicht des
kohlensauren Kalkes wurde nun von dem vorhin notirten Gesammtgewicht abgezogen, und
so das Gewicht der polarisirten und aus dem in Arbeit genommenen Zuckerkalk
erhaltenen Auflösung gefunden, woraus die einfache Rechnung den Zuckergehalt dieses
letztern ergab.
Beispielsweise lieferten
100 Grm. des Zuckerkalkes A
nach den Vertheilen in Wasser, Saturiren und Kochen eine
Flüssigkeit im Gesammtgewicht von
678 Grm.
Hierin ist nicht allein Wasser, Kalk und Zucker, sondern auch die absorbirte
Kohlensäure mit inbegriffen, weßhalb diese Menge ohne Correction nicht zur Rechnung
zu benutzen ist.
Beim Abfiltriren wurde eine Lösung erhalten, welche 5,5 Proc. polarisirte.
Nach dem Auswaschen verblieben 27,5 Grm. trockener kohlensaurer Kalk.
Eigentliche Zuckerlösung waren also aus den 100 Grm. Zuckerkalk 650,5 Grm. erhalten
worden, die zu 5,5 Proc. Zucker einer Menge von 35,8 Grm. Zucker in den 100 Grm.
angewandten Zuckerkalkes entsprechen.
Ebenso wurde der Zuckerkalk B untersucht und in den zur
Polarisation genommenen Lösungen durch directe Bestimmung der Trockensubstanz auch
die wirklichen Quotienten bestimmt.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen, zuverlässige Resultate auf anderem einfacherem
Wege zu erhalten, schien mir diese Methode die beste. Namentlich liefert die
Zuckerbestimmung mittelst vollkommenen Aussüßens der Niederschläge, Messung und
Polarisation der Gesammtmenge der abfiltrirten Lösung und der Süßwasser, wegen der
unvermeidlichen sehr bedeutenden Verdünnung nur sehr ungenaue Resultate, wozu noch
die Langsamkeit und Unsicherheit des vollkommenen Absüßens kommt, so daß solche
Ermittelungen offenbar der nothwendigen Genauigkeit entbehren müssen.
Gefunden wurde in den Substanzen:
A.
Zucker
15,4 Pfd.
mit
einem
Quotient
von
81,0
B.
„
10,2 Pfd.
„
„
„
„
86,8
Im Ganzen wurden erhalten 25,6 Pfd. Zucker zu einem Quotienten von 83,3 Proc.
Hiernach wurde von den 36,4 Pfd. Zucker der Melasse
in den Lösungen verloren
8,4 Pfd.
in dem Zuckerkalk erhalten
25,6 Pfd.
es fehlten
2,4 Pfd.
oder auf 100 Theile in der Melasse vorhandenen Zuckers
in den Lösungen
23,1
im Zuckerkalk
70,4 (mit dem Quotient 83,3)
fehlend
6,5
–––––
100,0
Die letztere Menge kann als Preßverlust bezeichnet werden.
Dieser rührt von dem Rückhalt in den Tüchern und von anderen unvermeidlichen
Umständen her, die von um so größerem Einfluß seyn müssen, je geringer die
verarbeiteten Quantitäten sind. Bei fortgesetzter Arbeit im Großen und mit passenden
Einrichtungen kommt dieser Verlust nur zu Anfang oder zu Ende vor und kann also, wie
bei jeder anderen Arbeit, für den laufenden Betrieb als so sehr sich vermindernd
betrachtet werden, daß auf fast gänzliches Verschwinden dieser Zahl zu rechnen seyn
dürfte.
Der Vergleich der in Arbeit genommenen und der durch Destillation wieder zu
gewinnenden Quartprocente Weingeist lieferte einen Minderertrag von 588
Quartprocenten, oder von 840 Quartprocenten auf 1 Ctr. Melasse. Dieser Verlust
erscheint sehr erheblich und würde, wenn er als solcher unvermeidlich wäre, die
ganze Arbeit unpraktisch machen. Allein es muß davon zunächst ein dem vermeidlichen Preßverluste entsprechendes Quantum,
welches sich auf 647 Quartprocente, berechnet, abgezogen werden, da sich dieses
Quantum, wie gesagt, bei geordnetem und fortlaufendem Betriebe auf ein Minimum
reduciren läßt. Es bleibt also ein reiner Verlust von 193 Quartprocenten oder von
2,2 Quart Weingeist von 86 Proc. auf jeden Ctr. Melasse; und auch diese Menge,
obwohl sie nicht abschreckend ist, muß noch nach Maaßgabe der unnöthig verlängerten
Pressungszeit reducirt werden.
Wegen der von solchen ersten Proben unzertrennlichen Langsamkeit der Arbeit,
namentlich auch in Folge des mit der zweiten Pressung unter diesen Umständen
verknüpften Zeitverlustes, dauerte nämlich die Arbeit mit der weingeistigen
Mischung, wie sie offen der Luft dargeboten wurde, volle fünf Stunden, während kein
Zweifel obwalten kann, daß sich recht gut diese 70 Pfd. in einer halben Stunde
hätten verarbeiten lassen.
Obiger Verdampfungsverlust würde demnach sich auf 1/10 reduciren; nehmen wir jedoch
selbst 1/5 an, so stellt sich nach dieser Ermittelung der Alkoholverlust für die
Verarbeitung von 1 Ctr. Melasse auf nur 0,44 Quart Spiritus von 86 Proc. Diese Menge ist jedenfalls so
gering, daß dadurch nur wenig Kosten veranlaßt werden; es muß weiteren fabrikmäßigen
Proben vorbehalten bleiben, diese Beobachtungen und Berechnungen zu bestätigen und
Mittel zu finden, wie der Preß- und der Verdunstungsverlust möglichst zu
verringern ist. Es wird dieß ohne Zweifel gelingen, denn die jetzigen Pressen,
welche in dieser Richtung keine besonderen Bedingungen zu erfüllen hatten, sind
jedenfalls noch erheblicher Verbesserungen fähig, wenn nicht andere Apparate zur
Trennung des abgeschiedenen Niederschlages sich als besser herausstellen sollten.
Namentlich wird die Anwendbarkeit von Centrifugen ebenfalls in den Bereich der
Versuche zu ziehen und zu ermitteln seyn, in wie weit dieselben hier benutzbar sind,
wozu vielleicht die Möglichkeit des leichten Auswaschens (Ausdeckens) der trockenen
Masse in denselben beitragen möchte.
Jeder, der sich für diese Sache interessirt, wird leicht die zunächst zu verfolgenden
Proben übersehen können und meine Ansicht gerechtfertigt finden, daß ein günstiger
Erfolg kaum ausbleiben kann, nachdem die beschriebenen Experimente die
Grundthatsache so evident dargethan haben.
Es ist nach der Beschaffenheit des zuletzt beschriebenen Versuches auch noch die
Beantwortung der Frage möglich, ob man unter Voraussetzung des Auspressens besser
thut, den Zuckertalk nur einmal sorgfältig auszupressen, oder ob man ihn
vortheilhafter nochmals mit Wasser und Weingeist anrührt und zum zweitenmale
auspreßt, wodurch ein größerer Grad von Reinheit dieser Substanz erzielt wird. Diese
Reinheit wird erkauft einerseits durch erhöhten Spiritusverbrauch, andererseits
durch vermehrten Zuckerverlust, indem in der zweiten abgepreßten Lösung eine nicht
unbedeutende Menge davon gelöst bleibt und verloren geht. Die Menge Spiritus beträgt
beim zweiten Auspressen ungefähr die Hälfte der zuerst angewandten. Sehen wir aber
von diesem Umstande ab, so stellt sich aus den ermittelten Zahlen heraus, daß man
bei einmaligem Auspressen einen Zuckerwerth in dem Zuckerkalk erhält, der durch 33,2
ausgedrückt werden kann, während derselbe bei zweimaligen: Auspressen in Folge des
wiederholten Verlustes in der Lösung nur der Zahl 31,4 entspricht. Diese Zahlen
erhält man, wenn man die jedesmal in den Rückständen erhaltenen Zuckermengen mit dem
entsprechenden Quotienten (als Procentzahl genommen) multiplicirt. Da offenbar der
Werth des Rückstandes im zusammengesetzten Verhältnisse zu diesen Zahlen steht, so
sind die so erhaltenen Producte direct vergleichbar.
Es scheint hiernach, daß man das einmalige Auspressen, obwohl dasselbe nur eine
Zuckermasse vom Quotienten 81 liefert, dem zweimaligen, welches einen solchen von 86
ergeben würde, vorziehen muß.
Hiernach haben wir noch zwei Fragen zu erörtern, nämlich die, ob 1) der Strontian
oder der Kalk vorzuziehen sey und 2) welche Mengen Kalk, Strontian und Weingeist per Centner Melasse angewandt werden müssen.
Die erste Frage kann erst dann mit Sicherheit beantwortet
werden, wenn die Kosten der Wiederbelebung für Strontian, einschließlich des
Arbeitsverlustes, gegenüber den Gestehungskosten für den Kalkverbrauch durch die
größere Praxis festgestellt seyn werden. Dann wird sich auch erst der
Anschaffungspreis für die in Arbeit zu behaltenden Strontianmengen regeln lassen.
Sämmtliche vorliegende Versuche sprechen sich dafür aus, daß der Strontian ein
erheblich reineres Product liefert als der Kalk, obwohl sich schließlich doch wohl
der Strontian, des seltenen Vorkommens an einzelnen Oertlichkeiten wegen, nicht als
brauchbar erweisen dürfte.
Vergleichende Versuche ergaben nämlich für Syrupe aus der Strontian- und aus
der Kalkverbindung, bei gleicher Beschaffenheit des ursprünglich angewandten
Productes und bei ganz gleicher Fällungs- und Trennungsweise, folgende
Quotienten:
Strontian
Kalk
85,8
81
96,8
91
Auf die zweite Frage, nach der Menge der anzuwendenden
Substanzen, welche ich schon beim Strontian unbeantwortet ließ, sehe ich mich auch
hier genöthigt die aus meinen Versuchen hervorgehende Antwort vorab nicht bekannt zu
machen, da mir vom kgl. preußischen Handelsministerium das nachgesuchte Patent nicht
ertheilt worden ist.
Die Sache selbst erscheint feststehend genug, um weitere Versuchsarbeiten in der
mehrfach angedeuteten Richtung hervorrufen zu können; ich erkläre mich gern bereit
Jedem, der sich dafür ernstlich interessiren sollte, die erforderlichen näheren
Mittheilungen zu machen, wornach das Verfahren, so weit die ursprüngliche Mischung
dabei von Einfluß ist, sicher gelingen muß.
Was nun die weitere Verarbeitung der Producte des beschriebenen Verfahrens angeht, so
ist dieselbe durch deren Zusammensetzung deutlich genug angezeigt.
Man wird beide mit Wasser zu vermischen und zunächst den Weingeist daraus
wiederzugewinnen haben, wobei vielleicht für den Strontian- respective
Zuckerkalk ein theilweise luftverdünnter Raum in Anwendung zu treten hätte, um den
Siedepunkt der Flüssigkeit zu erniedrigen. Die zuckerarme Lösung ist dann auf irgend
eine Weise auf ihren Salzgehalt zu verwerthen, der Zuckerkalk (oder Strontiankalk) aber zu saturiren
und die dabei entfallende Zuckerlösung in gewöhnlicher Weise weiter zu verarbeiten.
Sie gibt nach dem einfachen Einkochen schon eine reichliche Krystallisation.
Eine andere, sehr einfache Benutzung des entgeisteten Zuckerkalkes liegt ebenfalls
nahe: Warum sollte man nicht mit dieser Substanz statt mit Kalk scheiden? Man würde auf diese Weise nicht allein den zur
Darstellung des Melassen-Zucker-Kalkes angewandten Kalk noch einmal
verwerthen, sondern auch alle Kosten für die Saturation
und weitere Verarbeitung des Zuckerkalkes ersparen. Denn
die geringe Menge Zuckerlösung, welche dadurch mehr in den Scheidesaft kommt, würde
ohne Mehrkosten mit verarbeitet werden können und somit nur die Darstellung des
Zuckerkalkes selbst als neuer Arbeitszweig in die Fabrication aufzunehmen seyn. Es
läßt sich leicht nachweisen, daß die Gesammtmenge Melasse, welche eine Fabrik
liefert und die (etwa im Sommer) in Zuckerkalklösung umzuwandeln wäre, in wenig
Monaten während der eigentlichen Campagne bei der Scheidung verbraucht und
verwerthet werden könnte. Die Qualität der Zuckerlösung, welche auf diese Weise zum
Scheidesaft hinzugefügt würde, steht derjenigen dieses Saftes im Allgemeinen
durchaus nicht nach und würde also auch keinen bemerkbaren Unterschied in dem
weiteren Verlaufe der Arbeit bedingen.
Das ganze Verfahren wird also aus zwei Theilen bestehen: aus
der Darstellung von Zuckerkalt aus Melasse und aus der Anwendung von Zuckerkalk
zur Scheidung. Ich hatte gehofft, nachdem der erstere Theil einen
Patentschutz nicht gefunden hatte, auf die Scheidung mit Zuckerkalk ein Patent zu
erlangen. Da diese Anwendung des neuen Productes schon wesentlich die Rentabilität
des Verfahrens bedingt, so würde ich durch ein solches Patent in die Möglichkeit
versetzt worden seyn, die noch fehlenden genaueren Mittheilungen über die erstere
Hälfte meines Verfahrens zu veröffentlichen. Ich habe daher wiederholte Versuche mit
der Scheidung des rohen Rübensaftes mittelst meines Zuckerkalkes angestellt und
dabei ohne Schwierigkeit gefunden, daß diese Scheidung leicht und vollkommen zu
bewirken ist. Setzt man wie beim Kalke bei der richtigen Temperatur die
Zuckerkalkflüssigkeit bis zur bekannten Probe zu, so erfolgt eine ganz normale
Scheidung; die Schlammdecke bildet sich fest und dicht, die Flüssigkeit klärt sich
wie gewöhnlich und der klar abzuziehende Saft läßt keinen Unterschied gegen
gewöhnlichen Scheidesaft wahrnehmen.
Nach diesen Versuchen habe ich dann um ein Patent auf diese neue Scheidungsmethode
– ganz abgesehen von der Darstellung des erforderlichen Scheidemittels – beim
kgl. preußischen Ministerium nachgesucht, bin aber abermals abschlägig beschieden
worden.
––––––––––
Da nun nach dem Vorhergehenden die Darstellung eines reineren Syrupes aus Melasse
durch die Ausfällung des Strontian- oder Kalkzuckers erwiesen erschien, so
lag es nahe, die Anwendbarkeit dieser Reaction auf andere, reinere Producte der
Rübenzuckerfabrication zu prüfen, damit sich möglicherweise ein Verfahren ergebe,
gleich anfangs durch eine einfache Fällung ein so reines Product zu erzielen, daß
keine oder doch nur sehr geringe Syrupbildung möglich bliebe. Ich habe daher
Scheidesaft im natürlichen wie im eingedickten Zustande, sowie unfiltrirten Dicksaft
und zwar diesen sowohl mit Kalk, wie mit Strontian, der Prüfung unterworfen, der
einfacheren Untersuchung wegen in allen Fällen aber nur den scheinbaren Quotienten
des Fabrikproductes, des abgepreßten Niederschlages und der übrig bleibenden Lösung
bestimmt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind folgende:
1) Scheidesaft, unmittelbar nach dem Abziehen aus der
Scheidepfanne; dieser wog nach dem Saturiren mit reiner Kohlensäure
11,4 Proc. Ball. und polarisirte 10,1; Quotient also 88,6 Proc.
Der saturirte Saft wurde mit der erforderlichen Menge Kalk gemischt, unter Umrühren
12 Stunden stehen gelassen und dann einerseits das trübe Gemisch, andererseits die
nach längerem Absitzenlassen klar abgegossene Lösung mit Alkohol gefällt und die
erhaltenen Lösungen und daraus ausgepreßten Niederschläge polarisirt. Gefunden
wurde:
a. Trübes Gemisch von Kalk und
Saft, mit Alkohol gefällt, ausgepreßt etc. Lösung pol. 11,6 Proc. bei 14,6; Quotient also 79,6 Proc.
Der ausgepreßte Niederschlag pol. 17,24 bei 19 Proc.;
Quotient also 91 Proc.
b. Klar abgegossene Lösung,
wie a behandelt;
Lösung pol. 8,05 bei 10,5; Quotient 80,9.
Niederschlag nicht untersucht, weil hiernach kein von a erheblich abweichendes Resultat zu erwarten stand.
2) Scheidesaft, auf freiem Feuer bis zu 67 Proc. Ball.
eingedampft.
Polar. bei 14,0 Proc. Ball. 12,5 Proc.; Quotient also 89
Proc. Nach der Behandlung mit Kalk und Weingeist u.s.w. gab:
die Lösung 4,8 Proc. bei 8 Proc.
Ball. oder einen Quotient von 60 Proc.;
der ausgepreßte Niederschlag 15,2
Proc. bei 17,6 Proc., mithin einen Quotient von 86 Proc.
3) Dicksaft, vom Sackfilter vor der Filtration über
Knochenkohle. Derselbe pol. bei 20,4 Proc. Ball. 18,16 Proc., entsprechend einem
Quotienten von 89 Proc.
Nach der Ausfällung u.s.w. ergaben:
die Lösung 9,13 Proc. Pol. bei
12,5 Proc. Ball., oder einen Quotient von 73 Proc.
der Niederschlag 18,2 Proc. bei
20 Proc. Ball., d.h. einen Quotienten von 91 Proc.
4) Derselbe Dicksaft ergab bei der Behandlung mit
Strontian folgende Zahlen:
die Lösung pol. 2,8 Proc. bei 6
Proc. Ball.; Quotient also 46,6 Proc.
der Niederschlag pol. 15,9 Proc.
bei 16,4, entsprechend einem Quotienten von 96,9 Proc.
Man sieht aus diesen Zahlen, daß zwar in allen Fällen eine erhebliche Erhöhung des
Quotienten in dem ausgepreßten Niederschlag stattgefunden hat, daß aber der relative
Zuckergehalt der Lösung, mithin der Antheil von Zucker welcher verloren geht, ein
viel zu großer ist, als daß man ihn vernachlässigen könnte, daß also die Methode für
diese Producte nicht lohnend seyn wird.
Nur der letzte Fall, die Anwendung des Strontians, liefert ein weniger ungünstiges
Resultat.
Erwägt man, daß die ersten Producte in Folge der einfachen Eindampfung auf den
richtigen Punkt reichlich genug krystallisiren, so wird man einräumen, daß eine
Anwendung anderer Reactionen auf dieselben wenig Nutzen bringen kann, indem die
erste Ausbeute an Zucker doch nicht erheblicher erhöht werden kann, als dieß schon
durch ganz gangbare Mittel erreichbar ist. Dagegen wird eine Anwendung der in Rede
stehenden Fällung auf geringe Nachproducte, die nach dem bloßen Eindampfen nur sehr
wenig und langsam oder gar keinen Zucker mehr liefern, von viel entschiedenerem
Erfolge begleitet seyn und es würde sich nur noch darum handeln, welches Stadium der
Nachproducte das geeignetste seyn wird, wobei man nicht übersehen darf, daß je
später man die Behandlung vornimmt, desto weniger Syrup zu behandeln bleibt und so
geringe Vortheile früherer Fällung aufgewogen werden können.
Nicht ohne Interesse scheint auch das Verhalten von Rübenbrei zu Kalk und Weingeist
zu seyn, und zwar sowohl im frischen wie im getrockneten Zustande. Nach den
Ergebnissen der Melasse sollte man annehmen können, daß wenigstens bei mit Kalk
getrocknetem Rübenbrei der Alkohol eine Trennung des unlöslichen Zuckerkalkes von
den löslicheren Salzen bewirten müßte. Gegen eine solche Voraussetzung scheinen
erhebliche Gründe nicht vorzuliegen, nur wird es hier schwerer halten die richtigen
Verhältnisse zu treffen, und den Zuckerkalk an der Absorption von Kohlensäure
einerseits, so wie an der Bildung der unlöslichen und noch unbekannten Producte zu
hindern, welche die Anwendung des Maumené'schen
Verfahrens unthunlich machen (s. polytechn. Journal Bd. CLXI S. 131).
Mit diesen Untersuchungen, so wie mit den Versuchen mit Syrupen verschiedener
Stadien, bin ich zur Zeit noch beschäftigt. Die sich ergebenden Resultate werde ich
später mittheilen.