Titel: | Neue Dampfmaschine mit sehr hoher Spannung, von Giffard in Paris. |
Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. CI., S. 406 |
Download: | XML |
CI.
Neue Dampfmaschine mit sehr hoher Spannung, von
Giffard in Paris.
Aus Armengaud's
Génie industriel, December 1862, S. 325.
Giffard's neue Dampfmaschine mit sehr hoher Spannung.
Die Erfindung von Giffard, welche sich derselbe am 16.
Juni 1861 in Frankreich patentiren ließ, betrifft den Bau von Dampfmaschinen mit
sehr hohen Spannungen, deren Anwendung noch nicht verbreitet ist, und deren
Ausführung bedeutende Schwierigkeiten darbietet. Unter den Vortheilen, welche die
neue Maschine gewährt, ist namentlich der sehr geringe
Brennmaterialverbrauch hervorzuheben.
Die Dampfspannung ist so zu sagen unbegrenzt; sie beträgt wenigstens das Fünffache
von jener der gewöhnlichen Dampfkessel. Die Construction dieser Kessel gestattet
dieselben nicht nur ohne Nachtheil, sondern unter Zunahme der Vortheile auf 100
Atmosphären und darüber zu bringen, denn die Erhöhung der Spannung findet einzig und
allein in der ohne Nachtheil möglichen Erwärmung der verschiedenen Maschinentheile
ihre Grenze. Der hochgespannte Dampf wirkt hierbei in einem oder mehreren Cylindern
auf die gewöhnliche Weise, nämlich anfangs mit voller Spannung und nachher mit
Expansion, wobei man den Grad der letzteren veränderlich macht und zwar entweder
durch eine selbstthätige Einwirkung des Regulators oder mittelst der Hand, je nach
der zu erzeugenden Spannung und Treibkraft, welche beide ohne Nachtheil innerhalb
sehr weiter Grenzen verschieden seyn können. Man könnte auch wohl die Condensation
im luftverdünnten Raume (durch Einspritzen) anwenden, jedoch würde der daraus
entstehende Vortheil im Vergleiche zu jenem, welchen der erhöhte Dampfdruck gewährt,
verhältnißmäßig nur gering seyn.
Dagegen wird sich immer leicht eines von den bekannten Condensationssystemen durch
Abkühlung der Gefäßwände (Oberflächen-Condensation) und Einwirkung des
atmosphärischen Druckes anwenden lassen, bei welchen die Condensation entweder durch
Wasser oder durch Luft stattfindet, die auf eine natürliche oder künstliche Weise in
Umlauf gesetzt werden. Denn da wegen der geringen, von diesen Maschinen verbrauchten
Dampfmenge keine große Abkühlungsfläche erfordert wird, so ist die Einrichtung dazu
im Allgemeinen leicht zu treffen und man thut wohl daran, so viel als möglich
Gebrauch von derselben zu machen, weil dadurch bekanntlich für die Kesselfüllung
destillirtes, mehr oder weniger vorgewärmtes Wasser gewonnen wird und außerdem der, in gewissen Fällen
große Vortheil erwächst, daß nur ein sehr kleiner Wasservorrath erforderlich
ist.
Bei dieser neuen Dampfmaschine zerfällt die Bauart des Kessels, je nach dem Zwecke,
in zwei ganz verschiedene Classen. Die erste derselben entspricht dem gewöhnlichen
Kessel mit Siederöhren (Siedern) für feststehende Maschinen, die zweite dagegen dem
Kessel mit Feuerröhren für Locomotiven, Dampfschiffe, Locomobilen etc. Beide müssen,
obwohl in verschiedener Größe, dasselbe wichtige Element enthalten, welches auch bei
den Kesseln mit gewöhnlicher Dampfspannung vorhanden ist und in dem Dampf –
und Wasservorrath besteht, welche beide auf einer möglichst gleichmäßigen Temperatur
erhalten werden müssen, indem sie die Behälter der Hitze und Triebkraft bilden und
dadurch sowohl die Erhaltung der Dampfspannung, als auch den regelmäßigen Gang der
Maschine sichern, trotz den Störungen, welche in der Verbrennung, Kesselfüllung oder
Dampferzeugung unvermeidlich vorkommen. Dieses Erforderniß steht dem Vortheil
entgegen, welchen man durch Anlage von Feuerröhren, die einen kleineren Durchmesser
haben und nach einer Schlangenlinie oder anders gewunden sind, erreicht; denn
letztere liefern zwar augenblicklich Dampf, beengen aber den Wasserraum.
Erste Classe: Walzenkessel mit
Siederöhren (Siedern) und äußerer Feuerung.
Ein solcher Kessel, welcher den Behälter oder Fassungsraum des heißen Wassers und
Dampfes bildet, läßt sich vorzugsweise so dauerhaft construiren, daß er sehr hohe
Spannungen aushält. Derselbe wird entweder von der Flamme umspielt oder nicht, d.h.
er liegt entweder ganz oder theilweise in dem Feuerraume, oder er befindet sich
oberhalb desselben. In die äußere Wandung des Kessels wird (wie bei Alban's Kessel) eine Anzahl mehr oder weniger geneigter
Siederöhren eingesetzt oder angeschraubt, welche entweder gerade übereinander oder
so angebracht sind, daß die oberen über den Zwischenräumen der unteren liegen und an
ihrem einen Ende mit dem Wasser des Behälters in Verbindung stehen, während ihr
anderes Ende bis außerhalb des Ofens reicht und durch einen Propfen geschlossen
wird, welcher sich bequem herausnehmen läßt, wodurch das Reinigen erleichtert
ist.
Diese Sieder sind von einem Ofen umschlossen, liegen über einem Roste und werden von
der Flamme umspielt.
Um die mit den Verbrennungsgasen verloren gehende Hitze vorher möglichst auszunutzen,
kann man auch das Speisewasser in einen oder mehrere höher gelegene Sieder leiten, wenn man es nicht
vorzieht, dasselbe in einer im Schornstein entsprechend angebrachten Röhre
circuliren zu lassen.
Bei Maschinen, welche eine bestimmte Kraft haben müssen, ist es zweckmäßig, mehrere
mit ihren Siederöhren auf die angegebene Art versehene Kessel neben einander zu
legen und eine Communication aller durch das in den unteren Siederöhren befindliche
Wasser und den Dampf herzustellen, indem man mehrere horizontale und verticale
Reihen von Siederöhren bildet, mittelst welcher die Hitze des Feuerraumes besser
ausgenutzt wird, wobei man die ganze Anlage auf einen möglichst kleinen Raum
zusammendrängt.
Auch würde es möglich seyn, an jeder Siederöhre Quer-Siederöhren anzubringen,
welche ebenso durch ihr eines Ende mit dem Kessel in Verbindung stehen, während ihr
anderes außerhalb des Ofens liegt, und ebenfalls mit einem Propfen versehen ist,
welcher das Reinigen gestattet. Wenn es sich aber um Maschinen von sehr geringer
Kraft handelt, so läßt man die Sieder weg und bringt nur einen entweder vertical
stehenden oder horizontal liegenden Hauptkessel an, den man ganz oder nur theilweise
in den Ofen legt.
Zu dieser ersten Classe, den Kesseln mit äußerer Feuerung, gehört auch noch die,
schon oben erwähnte, nach einer Schlangenlinie oder anders gewundene Röhre, jedoch
nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß das Innere des Kessels einen genügenden
Raum für das Wasser behält, welches bis zu einer bestimmten Höhe stehen muß, damit
die Maschine auch dann noch eine gewisse Zeit hindurch fortzuarbeiten im Stande ist,
wenn die Kesselfüllung und selbst das Nachfeuern ganz eingestellt werden müßte.
Zweite Classe: Kessel mit Feuerröhren
und innerer Feuerung.
Es gibt unstreitig mehrere Systeme von Kesseln mit Feuerröhren, die ihrem Principe
nach geeignet sind, Dampf von sehr hoher Spannung zu erzeugen, wenn sie richtig
construirt werden; indessen glaubt der Verfasser für jetzt nur die zwei
vorzüglicheren derselben erwähnen zu müssen, indem er sich vorbehält, in der Folge
auch auf andere zurückzukommen, wenn sich das Bedürfniß geltend machen sollte.
Das erste von diesen beiden Systemen ist der stehende Kessel
mit vertical stehenden Feuerröhren, deren oberer Theil dergestalt vom
Dampfe umgeben ist, daß sich bei einem willkürlich anzunehmenden Wasserstande das
Trocknen und ein gelindes Ueberhitzen des Dampfes erreichen läßt, was von großem
Vortheile ist. Denn die Flammen und die Gase müssen augenscheinlich erst das Innere
dieser Feuerröhren durchziehen, ehe sie in den Schornstein gelangen können.
Bei der zweiten Art liegt der Röhrenkessel horizontal oder etwas geneigt. Derselbe
besteht entweder nur aus einem Cylinder, welcher die Feuerröhren, die der Länge nach
durchgehenden Verankerungen, sowie den Wasser – und Dampfraum enthält, oder
er wird aus zwei Cylindern von kleinerem Durchmesser zusammengesetzt, welche über
einander liegen und mit einander verbunden sind, von welchen der untere ganz mit
Feuerröhren angefüllt ist, während der obere als Wasser- und Dampfbehälter
dient.
Wenn man die Möglichkeit von Dampfverlusten und die außergewöhnlich starken
Verankerungen berücksichtigt, zu welchen man seine Zuflucht nehmen muß, damit der
Kessel sehr hohe Dampfspannungen aushalten kann, so scheint es – ohne die
Anwendung der inneren Feuerung deßhalb verwerfen zu wollen – für jetzt besser
zu seyn, von den beiden Kesselsystemen mit innerer Feuerung keinen Gebrauch zu
machen, sondern sich vorerst darauf zu beschränken, die sehr hohen Spannungen bei
Kesseln mit äußerer Feuerung anzuwenden, wo der Ofen mit feuerfesten Backsteinen
etc. gefüttert und so die ganze Ofenwand dick genug ist, um einen Verlust an
strahlender Wärme zu vermeiden. Bei den Maschinen mit sehr hoher Dampfspannung
besteht die Hauptsache darin, daß der schädliche Einfluß des sehr heißen Dampfes auf
die verschiedenen Maschinenbestandtheile, wie die Dampfschieber, die Stopfbüchsen,
die Stangen und Kolben, vermieden wird; letztere würden sonst außerdem noch dem
Nachthell ausgesetzt seyn, Nisse und Sprünge zu erhalten.
Zur Beseitigung dieser verschiedenen Ursachen eines schlechten Erfolges hat man
nachstehende besondere Anordnungen getroffen, von denen man so lange Gebrauch machen
sollte, bis sich durch die Erfahrung herausgestellt hat, daß die Anwendung der
gewöhnlichen Kolben und Cylinder nicht unpraktisch ist.
Cylinder. – Der gewöhnliche Dampfcylinder, der
Kolben und dessen Stange werden durch zwei Plunger (massive Pumpenstangen) ersetzt,
welche außen durch Querstattgen verbunden sind und von denen sich jeder in einem
Cylinder oder Rohre, das an seinem Ende mit einer einfachen oder doppelten
Stopfbüchse versehen ist, derartig hin – und herbewegt, daß, wenn die beiden
Plunger z.B. am Ende ihres Hubes sind, der eine seinen Cylinder vollständig
ausfüllt, während der andere aus dem seinigen ausgetreten ist.
Die beiden Cylinder sind an ihrem, der Stopfbüchse gegenüberliegenden Ende durch einen
gemeinschaftlichen, ziemlich dicken Deckel verbunden, in welchen zwei Dampfwege
eingebohrt sind und dessen Seitenfläche den Schieberspiegel bildet, sowie den
Schieberkasten trägt. Jeder Dampfweg läßt den einfach wirkenden Dampf in einen der
beiden Cylinder (Pumpenstiefel) ein; die abwechselnde Wirkung der beiden mit
einander verbundenen Plunger ist aber in Wirklichkeit nichts anderes als ein
gewöhnlicher Cylinder mit doppelt-wirkendem Kolben.
Man überträgt die Bewegung der Kolben auf die Treibwelle wie gewöhnlich durch
gelenkartige Befestigung des äußeren Endes eines der beiden Plunger an eine
Kurbelstange mit Kreuzkopf und Geradführung.