Titel: | Ueber den angeblichen Stickstoffgehalt des Roheisens; von Rammelsberg. |
Fundstelle: | Band 168, Jahrgang 1863, Nr. XXXVI., S. 127 |
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XXXVI.
Ueber den angeblichen Stickstoffgehalt des
Roheisens; von Rammelsberg.
Aus den Monatsberichten der königl. preußischen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, December 1862.
Rammelsberg, über den angeblichen Stickstoffgehalt des
Roheisens.
Bekanntlich ist in den letzten Jahren die Behauptung aufgestellt worden, daß Stahl
und Roheisen, ja selbst Stabeisen, Stickstoff enthalten,
und es hat sich in Frankreich zwischen Frémy und
Caron eine weitläufige Discussion entsponnen, indem
jener den Stickstoff als einen wesentlichen, dieser als einen zufälligen
Bestandtheil der genannten Körper betrachtet.
Was den Stahl betrifft, so behauptet Frémy, daß bei
der Bildung des Cementstahls das Stabeisen Kohlenstoff und Stickstoff aufnehme, daß
der Stahl diesen Stickstoff beim Glühen in Wasserstoff in der Form von Ammoniak
verliere und dadurch zu Stabeisen werde, daß die Rückstände, welche Stahl beim
Behandeln mit Säuren oder mit Kupferchlorid gibt, stickstoffhaltig seyen, und daß
schon sehr geringe Mengen Stickstoff die Stahlbildung hervorrufen, wie denn Bouis in einem Gußstahl angeblich 1/5000000 Stickstoff
bestimmt haben will.Auch Boussingault hat sich als Vertheidiger von
Frémy's Behauptungen erklärt, und gibt
an, im Gußstahl seyen 7/10000 eines Procentes an Stickstoff enthalten (m. s.
polytechn. Journal Bd. CLXI S.
362.).
Aber der Stickstoffgehalt in den Eisenarten ist schon vor länger als 20 Jahren von
Schafhäutl in München behauptet worden, welcher sagt,
daß manches Roheisen mit Kali Ammoniak entwickele, daß der beste englische Gußstahl
0,18 Proc. Stickstoff enthalte, daß die Rückstände vom Auflösen des Eisens in Säuren
stickstoffhaltig seyen. Obwohl nun später Marchand durch
eine Reihe von Versuchen zu dem Schluß gelangt war, ein Stickstoffgehalt sey im
Roheisen und Stahl nicht mit Sicherheit anzunehmen, auch die Rückstände beim
Auflösen derselben frei von Stickstoff gefunden hatte, so hat doch Frémy neuerlich seine Behauptungen auch für das Roheisen geltend zu
machen gesucht und sogar die kühne Hypothese aufgestellt, Roheisen und Stahl seyen
Verbindungen von Eisen mit einem aus Kohlenstoff und Stickstoff bestehenden Radical,
dessen Zusammensetzung durch Substitution verändert werden könne, und dessen
Zersetzungsproducte beim Auflösen dieser Stoffe in Säuren zum Vorschein kommen.
Es scheint, daß Frémy's Ideen durch die
interessanten Versuche Wöhler's und Deville's, nach welchen Bor, Kiesel und Titan sich in der Hitze mit dem
Stickstoff der Luft direct verbinden, eine Stütze erhalten könnten. Findet sich doch
Cyankalium im Eisenhohofen, ist die kupferrothe krystallisirte Substanz, welche man
mit Wollaston lange für Titan hielt, doch nach Wöhler ein Cyan-Stickstofftitan, und hat noch
neuerlich H. Rose in der Kieselsäure der Hohöfen 0,1
Procent Stickstoff nachgewiesen, so daß Caron glaubt,
wenn Roheisen Stickstoff enthalte, so sey er an Kiesel oder Titan gebunden. Allein
Eisen nimmt an sich in der Hitze keinen Stickstoff auf; die Versuche von Berthollet, Thénard, Savart, Dubretz, Buff und Frémy scheinen nur zu beweisen, daß Eisen beim
Erhitzen in Ammoniak bei einer gewissen Temperatur sich mit Stickstoff verbinden
kann, und daß nur die Methode des Letzteren, Rothglühen von Eisenchlorür in
Ammoniak, ein wirkliches Stickstoffeisen liefert. Insbesondere aber ist in Betracht
zu ziehen, daß die Bedingungen bei der Darstellung von Roheisen und Stahl ganz
andere sind als die oben erwähnten; daß es sich dabei weder um ein Eisensalz noch um
Ammoniak handelt.
In Frankreich hat sich Gruner mehrfach gegen Frémy ausgesprochen, und aus praktischen Gründen
des Letzteren Behauptung, Roheisen enthalte noch mehr Stickstoff als der daraus
gepuddelte Stahl, widerlegt.
Es mag hier ganz unerörtert bleiben, ob so ungemein kleine Mengen Stickstoff, wie
namentlich die späteren Versuche Frémy's u.a. in
den Eisensorten ergaben, auf die Beschaffenheit derselben von irgendwelchem Einfluß
sind. Dagegen schien es mir wichtig, dasjenige Roheisen auf einen Gehalt an
Stickstoff zu prüfen, aus welchem der sogenannte Rohstahl dargestellt wird. Es ist
dieß diejenige Art des weißen Roheisens, welche man Spiegeleisen zu nennen pflegt,
und welche aus Spatheisenstein mit Holzkohlen erblasen wird. Ich ließ mehrere Pfunde
desselben in verdünnter Schwefelsäure auflösen, und sowohl die Auflösung als den
kohligen Rückstand auf Stickstoff untersuchen. Aus jener wurde der größte Theil des
Eisenvitriols auskrystallisirt, die Mutterlauge dann mit Kalkhydrat destillirt. Dadurch
wurde in der That etwas Ammoniak erhalten und in Form von Platinsalmiak bestimmt.
Allein der daraus berechnete Stickstoff beträgt 0,002 eines Procents, oder 1/5000
des Eisens, und diese geringe Menge für wesentlich zu halten, streitet wohl gegen
alle Wahrscheinlichkeit. Nach Frémy ist aber der
Rückstand stickstoffhaltig; allein weder durch Erhitzen mit Kalilauge noch mit
Natronkalk gab der aus Spiegeleisen erhaltene Ammoniak, aber er enthielt auch kein
Titan. Auch derjenige kohlige Rückstand, welcher beim Auflösen von Roheisen mit
Hülfe eines elektrischen Stromes nach Weyl's Methode
erhalten wird, gab ein negatives Resultat. Läßt man aber solche Rückstände einige
Tage an der Luft liegen, so entwickeln sie beim Behandeln mit Kalilauge Ammoniak,
welches sie offenbar aus der Luft absorbiren.
Wie leicht das Ammoniak von porösen Körpern absorbirt wird, ist allgemein bekannt.
Kohle, natürliches und künstliches Eisenoxyd, und andere Körper besitzen diese
Eigenschaft, und die alte Beobachtung von Austin,
Chevallier und Berzelius, daß feuchte Eisenfeile
an der Luft Ammoniak bildet, und daß der Eisenrost solches enthält, ist vielleicht
nicht aus einer Wasserzersetzung, sondern lediglich aus der Absorption des in der
Luft enthaltenen Ammoniaks zu erklären.
Ich ließ zerkleinertes Spiegeleisen mit Wasser abspülen und mit Kalilauge erhitzen,
erhielt aber kein Ammoniak. Hatte das Eisen aber einige Tage an der Luft gelegen, so
konnte nun eine merkliche Menge Ammoniak erhalten werden.
Wenn hiernach gerade in demjenigen Roheisen, welches vor allem anderen zur
Stahlbildung geeignet ist, kein wesentlicher Gehalt an Stickstoff sich nachweisen
läßt, wenn andererseits die Leichtigkeit, mit welcher Ammoniak von Eisen und anderen
Körpern aus der Luft aufgenommen wird, in Betracht gezogen wird, so darf man wohl
nicht glauben daß Frémy's Ideen auf die
Metallurgie des Eisens von Einfluß seyn und die Theorie der Cementstahlbildung
modificiren können.