Titel: Englische Versuche, Baumwolle durch Dampf zum Spinnen zu präpariren; von H. Minssen, Spinnerei-Director zu Breslau.
Autor: H. Minssen
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. XCIII., S. 350
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XCIII. Englische Versuche, Baumwolle durch Dampf zum Spinnen zu präpariren; von H. Minssen, Spinnerei-Director zu Breslau. Mit Abbildungen auf Tab. V. Minssen, über englische Versuche, Baumwolle durch Dampf zum Spinnen zu präpariren. Seit der Absperrung des nordamerikanischen Continents für den Baumwoll-Export hat man sich, freilich etwas spät, in England vielfach bemüht, andere Länder zu Haupt-Bezugsquellen dieses unentbehrlichen Rohmaterials zu machen, doch ist es bis jetzt noch nicht gelungen den Ausfall der amerikanischen Production zu ersetzen, weder was Qualität noch Quantität anlangt. Die nächst größte Quantität der in Europa consumirten Baumwolle kommt jetzt bekanntlich aus Ostindien, aber auch dieses Land kann bis jetzt kaum die Hälfte des Ertrages von amerikanischen Ernten liefern. Ein Hauptübelstand ist dabei noch, daß die Qualität der ostindischen Baumwolle oder sogenannten Surate eine bedeutend geringere ist, sowohl was Länge des Stapels, Gestrecktheit des Haares und Glanz der Faser, als auch namentlich die Reinheit der Waare von Samenkörnern und Laub anbetrifft. Dazu kommt noch, daß die Surate wegen des weiten Seetransportes auf das Schärfste in kräftigen hydraulischen Pressen zusammengequetscht wird (ein solcher Ballen hat das halbe Volumen eines amerikanischen von gleichem Gewicht), so daß beim Oeffnen des Ballens die Baumwolle vollständig klumpig und hart herauskommt, was anzeigt, daß die Fasern derselben an Elasticität verloren haben. Um diesen verschiedenen Uebelständen abzuhelfen und die ostindische Faser nach Möglichkeit zu verbessern, erfand Hr. Wanklyn, Fabrikant in Bury bei Manchester, einen Apparat, dessen Einrichtung Figur 8 zeigt. Es ist dieß ein kesselartiges Gefäß A von ungefähr 3 Fuß Durchmesser und 3 1/2 bis 4 Fuß Höhe, bedeckt durch den Deckel C, welcher vermittelst der Druckschraube H und des Bügels K dampfdicht schließt. In diesem Kessel befindet sich ein falscher Boden B, welcher mit vielen feinen Löchern versehen ist, ungefähr 1 1/2'' hoch vom wirklichen Boden entfernt. Das Dampfzuleitungsrohr D, welches durch den Hahn E geöffnet und geschlossen werden kann, führt durch die durchbohrte Achse G des Kessels und innerhalb des Gefäßes an der Seitenwand bis zwischen die beiden Böden hinab. Der Kessel ruht nämlich auf einer Achse, besser gesagt auf zwei Zapfen, von denen der eine G durchbohrt ist und außen mit dem Zuführungsrohr, innen mit dem Gefäße durch seine circa einzöllige Bohrung in Verbindung steht (nach Analogie der Schlicht- oder Trockenmaschinen der Baumwollweberei); um diese Zapfen läßt sich der Kessel frei bewegen. Das Gewicht F dient dazu, den Deckel C in der Schwebe zu halten, wenn das Gefäß gefüllt oder entleert wird. Die Procedur des Dämpfens ist einfach die, daß man den Deckel losschraubt und das Gefäß mit der Baumwolle, wie sie aus dem Ballen kommt, bis oben anfüllt. Der Deckel wird wieder durch die Schraube angezogen und man läßt nun durch das Rohr D Dampf aus dem Dampfkessel einströmen, welcher durch den falschen Boden aufsteigt und die ganze Masse durchdringt und auflockert. Nach einiger Zeit, welche je nach der Qualität der Baumwolle und der Höhe der Dampfspannung verschieden ist (und dem einzelnen Fabrikanten nach eigenem Urtheil überlassen bleiben muß), öffnet man das Gefäß, dreht es um seine Achse, wie Figur 9 zeigt, und entleert es in den untergestellten Korb L. Zu gleicher Zeit wird ein Schieber am Boden des Gefäßes geöffnet, der das etwaige Condensationswasser abläßt. Die Baumwolle wird nun auf dem Fußboden ausgebreitet und ganz kurze Zeit getrocknet; sie ist dann sogleich für weitere Verarbeitung verwendbar. Auf diese Weise wird die Baumwolle aufgelockert und in ihren natürlichen elastischen Zustand zurückgeführt, außerdem sollen sich aber bei nachfolgender Reinigung in den Schlagmaschinen alle Unreinigkeiten, wie Körner, Laub und Sand ganz besonders gut lösen, sowie auch der Glanz der Faser durch den Wasserdampf gewinnt. Seitdem macht ein zweiter Versuch ähnlicher Art in England von sich reden, welcher sich im Princip dadurch von demjenigen des Hrn. Wanklyn unterscheidet, daß die Wirkung des Dampfes erst angewendet wird, nachdem die Baumwolle den ersten Proceß des sogenannten Oeffnens im Wolf durchgemacht hat. Der dazu gebrauchte Apparat, ein Patent des Hrn. Mayall jun. zu Liverpool, ist an den gewöhnlichen Oeffner oder Wolf angehängt; er besteht hauptsächlich aus dem bekannten Tuch ohne Ende, wie bei den gewöhnlichen Schlagmaschinen, von der ganzen Breite des Wolfes und 4' Länge. Die Baumwolle fällt, nachdem sie die Kalanderwalzen des Wolfs verlassen hat, auf dasselbe und wird so durch den Dampfkasten von Weißblech geführt, welcher einen Oelfarbenanstrich hat. Ueber diesem Kasten ist eine Art Schornstein angebracht, um den Dampf abzuführen, nachdem derselbe die losen Fasern der Baumwolle durchdrungen hat, wie sie auf dem Tuch ohne Ende fortschreitet; unten an dem Kasten sind dagegen kleine Rinnen angebracht, um das condensirte Wasser, welches sich auf und in demselben Kasten sammelt, abzuleiten, damit es mit der Baumwolle in keine Berührung kommt. Das Dampfzuführrohr, in Form eines , mit zahlreichen Löchern in der flachen Seite, liegt zwischen dem oberen und unteren Theil des endlosen Tuches und liefert die für verschiedene Sorten Surate verschiedene Quantität Dampf durch Aufdrehen eines Hahnes, welchen der bedienende Arbeiter beim Angehen oder Absetzen der Maschine öffnet und schließt. Diese Anordnung erfordert also keine besondere Bedienung, wie der Wanklyn'sche Apparat. Als einen besonderen Vorzug seiner Maschine rühmt Hr. Mayall auch, daß der durchströmende Dampf jedes im Wolf oder Oeffner entstehende Feuer sofort dämpft, ein bei der Feuergefährlichkeit aller Baumwolle-Reinigungsmaschinen gewiß nicht zu verachtender Vorzug. Bei einem vor nicht langer Zeit in Manchester angestellten Versuche machte man den Vergleich zwischen den Einwirkungen beider Methoden auf eine ziemlich schmutzige Surate, und entschieden sich die Anwesenden dahin daß der Mayall'sche Proceß mehr Schmutz und Laub entferne, sowie auch dem Faserstoff eine glänzendere Farbe ertheile, als die Wanklyn'sche Methode. Auch egyptische Baumwolle, auf diese Weise behandelt, gab wo möglich noch bessere Resultate; ebenso wurde zum Schluß brasilianische Wolle der Procedur mit Erfolg unterworfen. Beide Patent-Inhaber rühmen sich, daß die auf diese Weise doch jedenfalls angefeuchtete Wolle bei dem Krempeln kein Rosten veranlasse und bei den Streckwalzen keine Neigung zum Wickeln zeige; doch muß die erste Behauptung dahin gestellt bleiben, da man erst die Erfahrung von einigen Wochen, resp. Monaten gewonnen haben kann und gute Kardenbeschläge bekanntlich mindestens 6 bis 7 Jahre aushalten müssen. Ein zweiter Vorzug soll der seyn, daß beim ganzen Spinnproceß weniger Abgang erhalten wird, und als Folge davon die Maschinen besser spinnen und mehr liefern. Hr. Mayall erwähnt, daß er aus demselben Vorgespinnst jetzt 44er spinne, aus welchem früher nur 40er geliefert werden konnte. Als Mehrproduction werden pro Woche von 60 Arbeitsstunden 1–2 Schneller per Spindel angegeben, gegen die Production aus ungedämpfter Baumwolle. Jedenfalls werden diese ersten Versuche noch mehrere derartige hervorrufen und vielleicht den beabsichtigten Erfolg haben, nämlich aus ostindischer Baumwolle dieselbe Waare zu liefern, wie bisher aus amerikanischer, doch muß die Zeit noch lehren, ob England und mit ihm der Continent sich von amerikanischer Baumwolle ganz wird emancipiren können. Dieß sind, wie gesagt, nur Versuche dazu.

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