Titel: | Beschreibung der von D. Siebe in London nach dem Harrison'schen Patent ausgeführten Eismaschine; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in Berlin. |
Fundstelle: | Band 168, Jahrgang 1863, Nr. CXIV., S. 434 |
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CXIV.
Beschreibung der von D. Siebe in London nach dem Harrison'schen Patent ausgeführten
Eismaschine; von Dr. Robert
Schmidt, Civilingenieur in Berlin.
Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
Schmidt, über Siebe's Eismaschine.
Auf der letzten allgemeinen Londoner Industrie-Ausstellung erregte die von D.
Siebe in London nach dem Harrison'schen Patent ausgeführte Eismaschine, welche unausgesetzt große
Massen Eis producirte, bedeutendes Interesse. Ehe wir zur näheren Beschreibung
dieser Maschine mit Hülfe der Skizze Fig. 26 übergehen, sey
erwähnt, daß dieselbe in die Kategorie derjenigen Eismaschinen gehört, bei welchen
dem in Eis zu verwandelnden Wasser die Wärme dadurch entzogen wird, daß in der
Umgebung desselben ein flüssiger Körper rasch verdampft; letzterer ist im vorliegenden Falle
Aether, dessen Verdampfung durch die entsprechende Thätigkeit einer doppeltwirkenden
Luftpumpe bewerkstelligt wird.
A ist der Aetherkessel, nach Art eines gewöhnlichen
Dampf-Röhrenkessels construirt; er steht durch das Rohrsystem a, a' mit der Luftpumpe in Verbindung, welche durch die
horizontal gelagerte Welle b in Umdrehung gesetzt wird.
Die Luftpumpe stößt die erzeugten Aetherdämpfe durch das Rohrsystem c, c' nach der Kühlschlange B, in welcher sich dieselben condensiren. d
ist das Zuführ- und f das Abführrohr für das
Kühlwasser von gewöhnlicher Temperatur (etwa 12° C.), und durch Oeffnen der
Hähne g und h kann der in
der Kühlschlange vorhandene Aether neuerdings in den Aetherkessel zur Wirkung
gebracht werden.
Der Aetherkessel A besteht aus einer Anzahl paralleler,
an ihren Enden verbundener Kupferröhren, welche sich in einem, aus einem schlechten
Wärmeleiter gebildeten Behälter C befinden, der zum
größten Theil mit einer gesättigten Kochsalzlösung gefüllt ist, welche bei einer
Kälte von – 15 1/2° C. noch nicht gefriert. Das Gefäß C steht direct in Verbindung mit dem Canal E, worin durch Wände n
Zellen angeordnet sind, welche Zinkkästen v, die das in
Eis zu verwandelnde Wasser enthalten, aufnehmen. Indem nun das durch die
Aetherverdampfung sehr kalt gemachte Salzwasser in C
durch den Canal E fließt und dabei die Zinkkästen
umspült, friert das Wasser in letzteren zu Eistafeln. Um endlich dasselbe Salzwasser
immer wieder zur Verwendung zu bringen, steht der Canal E mit dem Canal F in Verbindung und die Pumpe
r schafft dasselbe wieder in den Behälter C, von welchem aus es neuerdings zur Wirkung kommt. Die
Zinkkästen werden nach der Operation aus dem Canal E
einzeln herausgenommen und etwa eine Minute lang in warmes Wasser gehalten, worauf
sich das Eis leicht daraus ablöst.
Nachschrift.
Die Gesammtmenge Aether, welche in einer Maschine von der Größe der in London
ausgestellten angewandt wird, die per Tag eine Tonne (20
engl. Centner) Eis erzeugt, ist beiläufig 64 Gallons; der Verlust durch Entweichen
des Dampfes beträgt nach Siebe's Angabe nicht über 1 Pfd.
avoir. Aether per Tonne erzeugten Eises.
Eine Eismaschine in Siebe's eigenem Besitz, welche in 24
Stunden 5 Tonnen Eis erzeugt, wird durch eine Hochdruck-Dampfmaschine
getrieben, deren Cylinder 11 Zoll Durchmesser und 3 Fuß Hub hat; sie arbeitet mit 30
Pfd. Dampfdruck und hat eine Leistung von beiläufig 24 effectiven Pferdekräften.
Die größte Siebe'sche Maschine ist auf 10 Tonnen tägliche
Eisproduction berechnet;
mit zunehmender Größe der Maschine wird der Arbeitsverlust immer kleiner.Ueber die Preise der Siebe'schen Eismaschinen, je nach ihrer Production, sehe man die
Angaben im polytechn. Journal Bd. CLXVII
S. 396.
Die erzeugten Eisstücke sind nicht so glasähnlich durchsichtig wie das natürliche
Eis. Dieses etwas milchichte Ansehen des Productes ist sein einziger Fehler; es wird
aber ohne Zweifel (durch Luftfreimachen des zum Gefrieren angewendeten Wassers) noch
gelingen, denselben zu beseitigen. Man kann Eisblöcke von jeder Größe durch
Aufeinanderlegen der einzelnen Stücke erhalten, indem diese dann zu einer einzigen
Naht zusammenfrieren.
Der ursprüngliche Erfinder der Maschine ist James Harrison
in Geelong, Mitglied des gesetzgebenden Rathes von Victoria. Nach fruchtlosen
Versuchen, durch Mechaniker in seinem Vaterlande eine brauchbare Maschine nach
seinem Princip ausführen zu lassen, begab er sich zu diesem Zweck nach England. Im
Jahre 1856 wurde ihm auf seine erste Maschine in Großbritannien ein Patent ertheilt
und im J. 1857 nahm er ein Patent auf Verbesserungen derselben.Im J. 1860 war bereits in Liverpool eine Fabrik zur Eiserzeugung mittelst der
Aethermaschine in Betrieb, über deren Einrichtung Dr. Dullo im polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 115 einen Bericht
mitgetheilt hat. Im März 1862 ließ sich endlich Siebe die
gegenwärtige vervollkommnete Construction der Maschine patentiren. (Practical Mechanic's Journal, April 1863, S. 5.)