Titel: | Geschützverbesserungen von Whitworth und Hulse. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. VII., S. 34 |
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VII.
Geschützverbesserungen von Whitworth und Hulse.
Aus dem Mechanics' Magazine, August 1863, S.
595.
Mit einer Abbildung auf Tab. I.
Whitworth's Geschützverbesserungen.
Den Herren Joseph Whitworth und William Hulse, Ingenieuren zu Manchester, sind folgende
Verbesserungen am Geschütze patentirt worden:
Die Erfinder wenden zur Herstellung von Geschützrohren eine verbesserte Methode an,
welche sowohl auf die im Handel als homogeneous metal
vorkommende weichste GußstahlsorteMan s. über deren Darstellung polytechn. Journal Bd. CLXVIII S. 462., als auch auf schweißbaren Gußstahl überhaupt, auf Stahleisen und andere
dergleichen Materialien Anwendung finden kann.
Zunächst wird von den Patentträgern eine ihrer Länge nach durchhöhlte Stange
ausgegossen und diese hernach zwischen Hammer und Ambos in der Weise zur richtigen
Form ausgeschmiedet, daß während der ganzen Dauer dieser Bearbeitung in die innere
Höhlung des Gußstückes ein spitz zulaufender Dorn eingeschoben ist, welcher
möglichst kühl erhalten wird. Das Letztere bewirkt man entweder durch ein fleißiges
Wechseln der sich während des Schmiedens erhitzt habenden Dorne mit anderen
Einsatzdornen von möglichst geringer Temperatur, oder auch dadurch, daß man einen hohlen Dorn
einsetzt, welcher von innen abgekühlt wird.Diese Behandlung der Rohre bei ihrer Anfertigung ist also nur eine
Modification des im polytechn. Journal Bd.
CLXIX S. 95 mitgetheilten amerikanischen Verfahrens, nach welchem
während des Gusses ein Strom eiskalten Wassers in den die Seele des Rohres
bildenden Theil der Gußform eingeführt und hiermit auch bis zum gänzlichen
Erkalten des äußerlich mit schlechten Wärmeleitern umgebenen Rohres
fortgefahren wird, um eine Abkühlung desselben von innen nach außen hin zu
bewerkstelligen. – Diese amerikanische Methode hat sich bekanntlich,
obgleich im Principe durchaus richtig, bei den von Lieutenant Rodman geleiteten praktischen Versuchen nicht
bewährt.Anm. d. Uebers. – Diese Schmiedearbeit kann erst dann als beendigt angesehen werden,
wenn einmal die richtigen Maaße und Formen des Gußstückes erreicht worden sind, und
ferner durch dieselbe auch die Oberfläche der inneren Aushöhlung des Werkstückes bis
zu der erforderlichen Tiefe adoucirt worden ist.
Bei sehr schweren, für Schiffe und Festungen bestimmten Geschützen, deren Rohre nach
dem sogenannten Aufbau- (built up) Systeme
construirt werden, lassen die Erfinder jedesmal die innere Röhre aus einer
hohlgegossenen Barre hervorgehen und verstärken dieselbe dann durch umgelegte
Cylinder vom weichsten Gußstahl, welche (sowie die innere Röhre) in der oben
angegebenen Weise bearbeitet und in der erforderlichen Anzahl durch hydraulische
Pressung oder andere hierzu geeignete Mittel aufgetrieben werden.Hier tritt weiter auch eine Modification der dem Capitän Blakely im Jahre 1855 patentirten Methode zu
Tage, welche neuerdings auch von Armstrong
adoptirt und ebenfalls in diesem Journal Bd. CLXIX S. 95 erwähnt worden ist. Die in Rede stehende
neuerdings patentirte Erfindung combinirt also in modificirter Form zwei
wohldurchdachte Systeme miteinander.Anm. d. Uebers. Zum Bodenverschluß dieser Geschütze wird eine Schwanzschraube angewendet,
deren Schraubentheil (in Absätzen) zwei oder mehrere verschiedene Durchmesser hat.
– Der Schraubentheil vom geringstem Durchmesser greift dann in die
Muttergewinde der inneren Röhre ein, der nächst stärkere Schraubentheil faßt die
Muttergewinde des ersten Verstärkungscylinders u.s.f.
Solche Rohre aber, welche keiner Verstärkung durch umgelegte Cylinder bedürfen,
werden einfach über den Kern gegossen, dann in der oben angegebenen Weise durch
Schmieden bearbeitet und hierauf ausgeglüht, wornach sie zum Bohren und Ziehen
fertig sind.
Die Bildung der Schildzapfen geschieht entweder in der Weise, daß man aus weichem
Gußstahl, hartem Roheisen etc. Röhren gießt, welche innen ausgebohrt und theilweise
oder ganz mit Schraubengewinden versehen, dann auf die dazu vorgerichteten
entsprechenden Theile des Geschützrohres aufgeschraubt werden, oder es werden die
Schildzapfen auch wohl zugleich mit dem äußersten Verstärkungscylinder und als ein
Theil desselben
angefertigt, wie dieses durch die beigegebene Zeichnung veranschaulicht wird.
Figur 31
stellt das Rohr, sowie die Art seiner Bildung und die Befestigung der
Schwanzschraube durch Gewinde von drei verschiedenen Durchmessern dar. –
Schrauben mit nur zwei verschiedenen Durchmessern ihrer Spindel werden ganz in
derselben Weise angewendet.
a, a ist der innere Cylinder eines aufgebauten Rohres
mit einem ersten und einem zweiten Verstärkungscylinder b,
b und c, c. A, A ist die den Bodenverschluß des
Rohres bildende Schraube mit drei verschiedenen Durchmessern ihres Schraubentheils;
der schwächste Theil desselben, x, greift in das
Muttergewinde des inneren Tubus a, der nächst größere
Schraubentheil y, y in das Muttergewinde vom Cylinder
b, b und der stärkste Theil der Schraube z, z in die dritte Serie der Umreifung c, c ein. Durch diese Anordnung kann das Rohr sich bei
der Wirkung der Ladung frei und plötzlich ausdehnen, indem sowohl der inneren Röhre,
als auch den Verstärkungscylindern die Eigenschaft gegeben worden ist, dem durch
Explosion der Ladung entstehenden Drucke selbstständig entgegentreten zu können.
Dy.,
Artillerie-Hauptmann.