Titel: | Ueber das Ebullioskop zur Bestimmung des Alkoholgehaltes weingeistiger Flüssigkeiten von Fräulein Brossard-Vidal; Bericht von Gaultier de Claubry und Jacquelain. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XXXIV., S. 146 |
Download: | XML |
XXXIV.
Ueber das Ebullioskop zur Bestimmung des
Alkoholgehaltes weingeistiger Flüssigkeiten von Fräulein Brossard-Vidal; Bericht von Gaultier de Claubry und Jacquelain.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement September 1863, S. 516.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Ueber Brossard-Vidal's Ebullioskop zur Bestimmung des
Alkoholgehaltes weingeistiger Flüssigkeiten.
Jede zuckerhaltige Flüssigkeit enthält nach der unter geeigneten Umständen erfolgten
Gährung mehr oder weniger Alkohol, gemischt mit den in den angewandten Substanzen
enthaltenen oder durch deren Zersetzung entstandenen löslichen Producten.
In zahlreichen Fällen ist es wichtig, den Alkoholgehalt einer solchen Flüssigkeit zu
bestimmen, sie mag zur Anwendung als Getränk, oder zur Gewinnung von Alkohol oder
zur Essigfabrication bestimmt seyn.
Um genau den Gehalt einer gegohrenen Flüssigkeit an absolutem Alkohol in
Volumprocenten zu bestimmen, genügt es diese Flüssigkeit zu messen, ein Drittel
derselben abzudestilliren und bei der Temperatur von 15° Cels. den Gehalt des
destillirten Productes mittelst des Gay-Lussac'schen Alkoholometers zu ermitteln.
Zum Probiren der weingeistigen Flüssigkeiten nach dieser Methode hat Descroizilles einen kleinen Destillirapparat eingeführt,
welcher jedoch zu schwer war und von Gay-Lussac in
zweckmäßiger Weise abgeändert wurde, so daß dieses Instrument jetzt gewiß das
vortheilhafteste und genaueste ist, welches man zu diesem Zweck anwenden kann.
Ungeübten Personen bietet aber das Messen der Flüssigkeiten vor und nach dem Versuch
einige Schwierigkeiten dar, und überdieß ist für das destillirte Product eine
Correction bezüglich der Temperatur, wobei man operirt, erforderlich.
Im Jahre 1833 schlug der verstorbene Brossard-Vidal, Professor der Physik in Toulon, zum Probiren der
weingeistigen Flüssigkeiten ein sinnreiches Verfahren vor, welches auf einem ganz
anderen Princip beruht. Er hatte nämlich gefunden, daß die in
den gegohrenen Flüssigkeiten vorkommenden fremden Substanzen keinen merklichen
Einfluß auf deren Siedepunkt ausüben,Fr. Malepeyre bemerkt in seiner Beschreibung des
Vidal'schen Alkoholometers, welche im
Jahrgang 1845 des polytechn. Journals, Bd.
XCVIII S. 376 mitgetheilt wurde: „Bei Anwendung des neuen
Alkoholometers ist zu berücksichtigen, daß die Substanzen, welche
begierig Wasser anziehen, wie Kochsalz, wasserfreies Glaubersalz,
gebrannter Gyps, Chlorcalcium etc., in der Regel den Gehalt der
Mischungen erhöhen, während die Substanzen, welche Verwandtschaft zum
Alkohol haben, wie die Harze, Balsame, Gummiharze etc., in der Regel
diesen Gehalt erniedrigen. Es wäre daher eine aus experimentellem Wege
hergestellte Corrections-Tabelle wünschenswerth, die man jedesmal
anwenden könnte, wenn man sich überzeugt hat, daß weingeistige
Mischungen oder gegohrene Flüssigkeiten eine der erwähnten Substanzen
enthalten.“
A. d. Red. und gründete auf
diese Thatsache seinen Alkoholometer mit Zifferblatt, welcher jedoch wegen der
unbequemen und unsicheren Beobachtung seines Ganges nicht in Aufnahme kam.
Das Instrument, welches jetzt die Schwester des Erfinders vorschlägt, um nach
demselben Princip in 6–8 Minuten den Alkoholgehalt der Weine auf leichte und
sichere Weise, mit Ausschluß feiner oder viele Genauigkeit erfordernder Handgriffe
zu bestimmen, besteht aus einem kleinen, durch eine Spirituslampe erhitzten
kupfernen Kessel mit zwei Oeffnungen, eine für ein horizontales Thermometer und eine
für den freien Zutritt der Luft. Die Thermometerröhre liegt auf einer Messingplatte,
an welcher ein Lineal verschoben werden kann, auf dem der Alkohol verzeichnet ist,
welcher den Siedepunkten der verschiedenen, direct dargestellten Mischungen von
Alkohol und Wasser entspricht. Die Länge der Scala ist auf eine geringe Anzahl Grade
beschränkt, indem in der Thermometerröhre eine Erweiterung zur Aufnahme des
ausgedehnten Quecksilbers angebracht ist. Die Thermometerscala ist auf dem
beweglichen Lineal aufgezeichnet.
Bei Anwendung des Instrumentes wird zuerst der Nullpunkt durch Kochen von reinem
Wasser bestimmt, dann die Scala auf diesen eingestellt, und nun für die zu prüfenden
Flüssigkeiten das Resultat direct und ohne Correction abgelesen. Dieß wird noch
durch einen Index erleichtert, welchen man auf den Punkt schiebt, wo das Quecksilber
beim Steigen einen Stillstand von mehreren Secunden zeigt und so den wirklichen
Siedepunkt der Flüssigkeit angibt.
Um den durchschnittlichen Siedepunkt aller Flüssigkeitsschichten zu erhalten, hat das
Gefäß des Thermometers eine cylindrische Gestalt und fast die gleiche Höhe wie die
Flüssigkeit im Kesselchen.
Eine Controlirung des Nullpunktes ist nur in größeren Zwischenräumen erforderlich;
der Einfluß, den sonst die Aenderung des Nullpunktes der Thermometer ausübt, ist,
wie man sieht, hier zugleich vermieden.
Das Instrument ist für technische Anwendung bestimmt und es sind daher verschiedene Versuche
angestellt worden, um seine Brauchbarkeit und Genauigkeit in dieser Richtung zu
prüfen; über diese Versuche folgt unten der specielle Bericht.
Das Instrument selbst ist in Figur 4 abgebildet; die
einzelnen Theile desselben sind in den Figuren 5–8
dargestellt.
A ist das kupferne Kesselchen (mit dem hölzernen Griff
B) zur Aufnahme der zu untersuchenden Flüssigkeit;
C ist der Ofen mit der Spirituslampe D.
Der bewegliche Deckel E trägt das Thermometer F und das doppelte Rohr G
(Fig. 5),
welches beliebig entfernt werden kann. Das Quecksilbergefäß des Thermometers ist
durch eine Metallscheide geschützt und geht bis zum Boden des Kessels; die Röhre ist
horizontal umgebogen und liegt auf einer am Deckel des Kessels befestigten
Messingplatte.
Von der Doppelröhre G ist die innere unten und oben offen
und steht mit dem Kesselinhalt und der Luft in freier Verbindung; die äußere ist
unten geschlossen und hat oben einen Deckel, durch welchen die innere
hindurchgeht.
H ist ein kupfernes Lineal mit der Scala, welches auf
der Messingplatte liegt und längs dem Thermometerrohr beweglich ist. I ist ein kleiner beweglicher Zeiger.
Beim Gebrauche des Instrumentes wird zuerst der Kessel mit
Wasser bis J, K (Fig. 7) gefüllt, dasselbe
zum Kochen erhitzt und Nullpunkt der Scala und Zeiger auf den Punkt gestellt, den
das Quecksilber erreicht; dann wird das Wasser durch die zu untersuchende
Flüssigkeit ersetzt, das äußere Rohr G zu 2/3 mit Wasser
gefüllt und nun die eigentliche Bestimmung ausgeführt. Die Röhre G wirkt als Kühlapparat, um das Aufwallen der in dem
inneren Rohr aufsteigenden Flüssigkeit zu vermindern.Dieser Kühler soll wohl mehr dazu dienen, um die vor dem eigentlichen Kochen
sich entwickelnden alkoholreichen Dämpfe niederzuschlagen und
zurückzuleiten, da sonst hierdurch nicht unerhebliche Unrichtigkeiten
veranlaßt werden könnten.A. d. Red.
Versuche von Fräulein Vidal.
Eine Flüssigkeit mit 20 Proc. absolutem Alkohol ergab am Ebullioskop schwach
20°.
Mit Kochsalz soweit versetzt, daß sie am Gay-Lussac'schen Alkoholometer 0° zeigte, ergab sie am
Ebullioskop schwach 20°.
Mit Zucker ebenso versetzt, lieferte sie dasselbe Resultat.
Eine andere Reihe von Versuchen mit derselben Flüssigkeit gab unter gleichen
Umständen: 19,75 Proc., 20 schwach, 20 schwach.
Versuche mit verschiedenen Weinen ergaben folgende
Resultate, denen die entsprechenden nach der Destillationsmethode erlangten,
gegenüber gestellt sind:
Ebullioskop.
Destillationsmethode.
Nr. 1.
7,25
Proc.
7,50
Proc.
„ 2.
8,00 „
7,75 „
„ 3.
15,50 „
15,50 „
„ 4.
18,25 „
18,50 „
„ 5.
11,50 „
11,50 „
„ 6.
11,50 „
11,50 „
„ 7.
7,50 „
7,75 „
„ 8.
25,00 „
25,25 „
„ 9.
11,50 „
11,50 „
Versuche von Jacquelain.
Weingeist von 21,5 Proc. nach Gay-Lussac gab am
Ebullioskop 21,5 bis 22°; gewöhnlicher Tischwein ergab 10,5 Proc. durch die
Destillationsmethode und 10,5–11,5 mit dem Instrumente.
Diese Differenzen können entweder durch die mangelnde Uebung oder durch die
Graduirung des angewandten Instrumentes veranlaßt seyn. Der Verf. hat daher ein
besonderes gläsernes Instrument hergestellt, welches ihm zugleich den Gang der
Quecksilbersäule zu verfolgen und die Zusammensetzung der geistigen Flüssigkeit
constant zu erhalten ermöglichte.
Dasselbe bestand aus einem Kolben von 280 Kub. Centim. Inhalt, einem
Quecksilberthermometer mit Zehntelgraden, und einer Röhre von 12 Millimetern
Durchmesser, welche der Länge nach durch eine weitere mit Wasser gefüllte Röhre
hindurchgieng, die als Kühler wirkte. Das untere Ende jener Röhre war schräg
abgeschnitten, um hier die Bildung eines Tropfens zu verhüten und das sofortige
Zurückfließen der condensirten Dämpfe zu ermöglichen.
In dem Kolben befanden sich mehrere dünne Platindrahtstücke, um das Kochen zu
erleichtern; das Uebrige ergibt sich von selbst. Man sucht die Siedehitze möglichst
rasch zu erreichen und vermindert dann plötzlich die Erwärmung, um ein schwaches
Kochen zu unterhalten, wobei es gelingt, den Stillstand des Thermometers etwa 30
Secunden lang zu beobachten. Wenn man so verfährt, geht kein Alkohol verloren und
der Gehalt zeigt sich nach dem Kochen unverändert.
Wenn das Ebullioskop ähnlich eingerichtet und gehandhabt wird, kann dasselbe genaue, constante
und leicht zu beobachtende Resultate auch ganz ungeübten Personen liefern.
Der Verf. verspricht, später Genaueres über seine einschlägigen Versuche
mitzutheilen.
Vorab wird die Thatsache genügen, daß ein Weingeist von 10 Proc. nach Gay-Lussac's Alkoholometer seinen Siedepunkt bei
92°,6 C. hatte und daß dieser unverändert blieb, als in 200 Kub. Centimeter
dieses Weingeistes 28 Grm. Weinsteinsäure gelöst wurden.
Eine andere Probe von 17,5 Proc. kochte bei 90°,2–90°,1 und nach
dem Auflösen der gleichen Weinsteinsäuremenge bei 90° C.
Eine dritte Probe von 54 Proc. kochte bei 83°,3 C. und nachdem in 200 K. C.
derselben 28 Grm. Zucker gelöst worden, bei 83°,2 C.
Wenn daher noch eine geringe Abänderung an dem Vidal'schen
Instrumente angebracht wird, so wird es sich namentlich durch die bewegliche Scala
sehr gut zum Gebrauche für Destillateure und Weinproducenten eignen.