Titel: | Untersuchungen über Wolle und Seide; von Dr. Hermann Grothe. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XXXV., S. 150 |
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XXXV.
Untersuchungen über Wolle und Seide; von Dr.
Hermann
Grothe.
Mit einer Abbildung.
Grothe, Untersuchungen über Wolle und Seide.
Wenn man zum öfteren die Wolle unter dem Mikroskop betrachtet und zwar Wollfasern
verschiedener Wollsorten, besonders Streichwolle gegenüber der Kammwolle, so bemerkt
man bald den wesentlichen Unterschied ihrer Erscheinung. Die Kammwollfasern zeigen
ein weniger geschupptes Aeußere als die Streichwollen, und zwar nimmt die Menge der
Schuppen, wenn wir die durch Lichteffecte hervorgebrachten Ungleichheiten in der
äußeren Erscheinung so nennen wollen, und ihre Zergliedertheit zu mit der Anzahl der
Kräuselungsbogen der Faser. – Während nun eine Streichwollfaser mittlerer
Qualität unter dem Mikroskop ein ganz charakteristisches Bild gibt, durch welches
sie sich entschieden von anderen Gespinnstfasern herauserkennen läßt, besonders von
der Seidenfaser, erregt schon das mikroskopische Bild eines feinen Mohairhaares,
verglichen mit dem Bilde einer Seidenfaser, bedeutende Zweifel bezüglich endgültiger
Unterscheidung. Letztere Bedenken steigen mit der zunehmenden Feinheit des Haares
und der abnehmenden Kräuselung desselben.
Bei der jetzt vielfach verbreiteten Anwendung feinerer Wollen und den ausgezeichneten
Appreturmitteln, die dem Wollhaare einen seideähnlichen Glanz verleihen, wird es
schwerer, mit den bisher üblichen Mitteln diese Wollfasern von Seidenfasern zu
unterscheiden, ja oft unmöglich, und doch müssen Behörden sichere Mittel zur
Entdeckung der betreffenden Fasern besitzen. Dr. Rudolph
Weber und der Verfasser dieser Zeilen haben folgendes
Mittel als zweckentsprechend und bei einiger Sorgfalt als entscheidend gefunden.
Erhitzt man nämlich ein Wollhaar über der Spirituslampe oder auf andere Weise, so
beginnt dasselbe sich bei etwa 130° C. gelb zu färben unter Entwickelung
jenes Geruchs nach Schwefelkohlenstoff, Ammoniak etc. Bei fortgesetzter Hitze steigt
die Intensität der Färbung auf goldbraun und dunkelbraun. Die Schuppen färben sich
viel dunkler als der Zelleninhalt. Die Seide färbt sich beim Erhitzen ebenfalls gelb
und in gewissem Stadium ist die erhitzte Seide von der erhitzten Wolle gar nicht
unterscheidbar. Jedoch während die Wolle schon bei 120–130° anfängt
goldgelb zu werden, erleidet die Seide diese Umänderung erst bei
140–145°. Unterbricht man also die Erhitzung beider Fasern in einem
Gefäß, so wird bei 130° die Wolle durch ihre gelbe Färbung von der Seide
unterscheidbar seyn. Die Wolle nimmt aber bei Erhitzung eine ganz charakteristische
Gestalt an, während die Seide verhältnißmäßig ungeändert bleibt.
Textabbildung Bd. 171, S. 151
Bringt man Wolle und Seide in eine Glasröhre und erhitzt dieselbe über der
Spiritusflamme, bis die Wolle angefangen hat gelb zu werden, bei beständigem
Drehen der Röhre, – und nimmt beide sodann aus der Röhre, legt sie
zwischen zwei Glastafeln und betrachtet sie unter dem Mikroskop, so zeigt sich
folgendes Bild, Skizze darzustellen versucht haben. Die Wollhaare erscheinen
nämlich ganz zusammengeringelt in einer Gestalt, die wir in Ermangelung
treffenderer Bezeichnung Geringel von Regenwürmern vergleichen möchten, die
Seidenfasern ausgestreckt, ja mehr noch als vor der Einwirkung höherer
Temperatur. Bei beiden Fasern zeigt sich zugleich jener oben beregte
Farbenunterschied. – Eine andere höchst interessante Erscheinung, die
gleichfalls zur Unterscheidung beider Fasern dienen kann, entsteht in Folge der
Einwirkung chemischer Agentien.
Ist man über die Faser im Ungewissen, so bringt man sie in Kupfervitriollösung,
nachdem man sie schwach mit Aetzkalilösung behandelt hat. Ist die Faser Wolle, so
geht der beim Herausnehmen derselben aus der Kupferlösung hellgrüne Farbenton
schnell an der Luft in Braun über, was bei der Seide nicht der Fall ist. Der Zusatz
von Aetzkali ist sehr wesentlich, weil sonst die Braunfärbung, die auf Bildung von
Schwefelkupfer basirt, besonders bei tüchtig gewaschenen Proben der Wolle gar nicht
eintritt.
Versetzt man eine Lösung der Wolle in Aetzkali mit Weinsäure und fügt darauf
Kupfervitriollösung hinzu, so bildet sich Schwefelkupfer in Masse, indem die
organische Säure die directe Fällung des Kupfersalzes durch das Alkali verhindert
und so die Bildung von Schwefelkupfer erwirkt. Filtrirt man die ganze Flüssigkeit,
so färbt sich die durchgegangene Lösung dunkelbraunroth. Nach nochmaliger Filtration
bleibt eine röthlich braun gefärbte Flüssigkeit, welche durch gelindes Erwärmen eine
schmutzig violette Färbung annimmt, die jedoch beim Erkalten wieder braunroth
wird.
Behandelt man Seide in dieser Weise, so erhält man schließlich eine prachtvoll
violette Lösung, etwas dickflüssig, aber längere Zeit ungetrübt bestehend. Diese
Lösung wird durch Schwefelsäure goldgelb gefärbt, durch Salpetersäure entfärbt unter
Annahme eines grünlichen Scheines, von Weinsäure, Citronensäure und von Alaunlösung
aber gänzlich der Farbe beraubt, während Essigsäure die Lösung grün färbt.
Der Versuch mit Seide ist leicht so auszuführen. Man setzt zu einer Kalilösung etwas
Weinsteinsäure und etwas Kupferoxydsalz und kocht das Gemisch leicht. Wirft man nun
die Seide hinein, so färbt sich dieselbe zuerst schnell violett, darauf die ganze
Flüssigkeit. – (Deutsche illustrirte Gewerbezeitung, 1863, Nr. 49.)