Titel: | Ueber die Menge der in den Weinen enthaltenen Aetherarten und über einige der in den Weinen stattfindenden Veränderungen; von Berthelot. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. LVIII., S. 221 |
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LVIII.
Ueber die Menge der in den Weinen enthaltenen
Aetherarten und über einige der in den Weinen stattfindenden Veränderungen; von
Berthelot.
Aus den Comptes rendus, t. LVII p. 231,
287.
Berthelot, über die Menge der in den Weinen enthaltenen
Aetherarten.
Die Weine und andere gegohrene Flüssigkeiten enthalten verschiedene Alkohole und
verschiedene Säuren, welche auf einander in einer Weise einwirken können, die nicht
ohne Einfluß auf die allmählichen Veränderungen dieser Flüssigkeiten bleibt. Unsere
Kenntnisse hierüber sind jedoch sehr ungenügend. Um durch eine Untersuchung etwas
mehr Licht über diesen Gegenstand zu verbreiten, behielt ich vorerst nur einzelne
bestimmte Punkte im Auge. Diese bestehen in folgenden Fragen: 1) welches ist die
Gesammtmenge der Aether, welche im Wein oder einer gegohrenen Flüssigkeit vorkommen kann; 2)
wie geschieht die fortschreitende Bildung dieser Aether; 3) welche Aether kommen im
Wein vor; 4) außerdem habe ich noch einige Versuche angestellt, um die Substanzen zu
isoliren, welchen der Wein seinen Geschmack und seine Blume verdankt.
I. Man denke sich eine gewisse Menge Wem oder eine gegohrene Flüssigkeit in einem
zugeschmolzenen und vollkommen luftfreien Gefäße aufbewahrt, man denke sich ferner
jede Spur Zucker verschwunden und weder Mycodermen noch Fermente in der Flüssigkeit
enthalten. Die Wirkung der in dieser Flüssigkeit enthaltenen Säuren und Alkohole
aufeinander erfolgt mit derselben Nothwendigkeit wie die Wirkung von Säuren auf
Alkalien; sie zielt auf ein gewisses Gleichgewicht, welches aber erst nach mehreren
Jahren erreicht seyn wird. Dieses Gleichgewicht will ich versuchen nach folgenden
Grundsätzen genauer zu bestimmen:
1) Ich habe bewiesen, daß in verdünnten Flüssigkeiten die gebildete Aethermenge
ziemlich genau proportional der Gesammtmenge darin vorhandener Säure ist. Der
Coefficient der Proportionalität hängt von dem Verhältniß zwischen dem Alkohol und
dem Wasser ab.
2) Die relative Menge gebildeten Aethers, d.h. des in Verbindung getretenen Alkohols,
ist dieselbe, einerlei, ob es sich um einen Alkohol und
eine Säure, oder um mehrere Alkohole und mehrere Säuren handelt: sie hängt nur von
dem Verhältniß zwischen der Summe der Aequivalente der Säuren und der Summe der
Aequivalente der Alkohole ab. Ich habe dieses Princip insbesondere für Gemische von
Essigsäure, Bernsteinsäure, Weinsäure und dem Aethyl-, Amyl- und
Glyceryl-Alkohol bestimmt, welche in den gegohrenen Flüssigkeiten
vorkommen.
Um nun nach diesen Grundsätzen die in einer zum Gleichgewichte gekommenen Flüssigkeit
befindliche Aethermenge zu berechnen, hat man zunächst das Gewicht des in dieser
Flüssigkeit enthaltenen Alkohols und des Wassers zu ermitteln: man kann sich dabei
auf den gewöhnlichen Alkohol und das Glycerin beschränken, und selbst noch letzteres
übersehen, ohne daß das Resultat bemerklich unrichtig wird. Man bestimmt hierauf den
Säuregehalt der Flüssigkeit durch gewöhnliche Titrirung, am besten mit Barytwasser.
Nach den so gefundenen Zahlen gibt alsdann die folgende Tabelle, welche aus meinen
Versuchen abgeleitet ist, das Verhältniß an vorhandenem Aether oder, genauer
ausgedrückt, den Antheil Alkohol an, welcher mit den Säuren in den Aethern verbunden
ist; denn das absolute Gewicht dieser Aether ist nicht bekannt, so lange die Säuren
nicht einzeln bekannt sind.
Verhältnißdes Wassers des Alkoholsnach dem
Gewichte.
Gewicht des in Aether verwandelten Alkohols(das
Gewicht des der freien Gesammtsäureäquivalenten Alkohols – 100
gesetzt).
95
5
8,5
90
10
14,5
85 15
20,5
80 20
26,0
75 25
32,0
ungefähr
Statt dieser Tabelle kann man auch einfach die folgende Formel benutzen, worin y den Bruchtheil in Aether verwandelten Alkohols (wie
oben bestimmt) und A den Procentgehalt eines, bloß aus
Alkohol und Wasser bestehenden Gemisches bezeichnet:
y = 1,17 A
+ 2,8.
Diese Formel ist anwendbar, so lange die Flüssigkeit nicht über 20 bis 25 Proc.
Alkohol enthält.
Als Beispiel wählen wir Formichon-Wein (Beaujolais) von 1858. Derselbe ist alt
genug, um die Bildung der Aether darin als vollendet ansehen zu können. In diesem
Wein wurden auf 88 Theile Wasser 12 Theile Alkohol gefunden; es ist daher y = 16,8. Der Säuretitre desselben ist für 1 Liter
äquivalent 6 Grm. Essigsäure, also 4,6 Grm. gewöhnlichem Alkohol; hieraus folgt, daß
die Alkoholmenge, welche darin als Aether vorhanden, gleich ist (4,6 ×
16,8)/100 = 0,8 Grm. per Liter. Die gebundene Säure ist
1,0 Grm. und die Gesammtsäure, sowohl freie als gebundene, 7,0 Grm. Essigsäure
äquivalent. – Dieses Resultat wurde durch folgenden Versuch bestätigt
gefunden. Nachdem es sich herausgestellt hatte, daß 50 Kub. Cent. des bezeichneten
Weins zur Sättigung 32,5 K. C. Normalbarytwasser erfordern, brachte ich 50 K. C. des
Weins mit 50 K. C. Barytwasser in einen Kolben, und erhitzte diesen nach dem
Zuschmelzen zwei Tage lang auf 100° C. Nach dieser Zeit fand ich die
neutralisirte Gesammtmenge Baryt = 38,6 K. C. Durch die Reaction bei 100°
waren also 6,1 K. C. Barytwasser neutralisirt worden. Obwohl nun der Wein
verschiedene durch die Alkalien bei 100° veränderbare Substanzen enthielt,
welche hierzu beigetragen haben könnten, so ist deren Menge doch so gering, daß man
diese Neutralisation fast ganz der Zersetzung der Aether beimessen kann (was aber
natürlich nicht mehr Geltung hat, wo der Wein noch Zucker enthält). Die
Neutralisation beträgt 19 Proc. des ursprünglichen Säuretitre, während die Formel 17
ergibt.
Wir sind bei dieser Berechnung des in Aether verwandelten Alkohols vom
Gleichgewichtszustand ausgegangen. Wollte man dagegen als Ausgangspunkt eine Flüssigkeit wählen, in
welcher die Säuren und die Alkohole noch keine Wirkung auf einander ausgeübt haben
(was aber in der Wirklichkeit nie vorkommt, weil der Alkohol sofort nach seiner
Entstehung in der gährenden Flüssigkeit allmählich zu wirken beginnt), so würde man
folgende Tabelle erhalten:
Wassergehalt
Alkoholgehalt (B)
Gewicht (z) des Alkohols,
welcher inAether übergehen wird, wenn derAlkohol, welcher der
Gesammtsäureäquivalent ist, gleich 100 gesetzt wird
95
5
8,0
90
10
12,5
85
15
17,0
80
20
21,5
Dieser Tabelle entspricht die Formel:
z = 0,9 B
+ 3,5.
Diese zwei Tabellen repräsentiren die beiden Grenzen, zwischen denen sich der Zustand
aller weinigen Flüssigkeiten befindet, in welchen die Reaction zwischen den Säuren
und Alkoholen noch nicht vollendet ist.
II. Die Aufeinanderfolge der Aetherbildungs-Erscheinungen in solchen
Flüssigkeiten hängt sowohl von der Zusammensetzung der Flüssigkeiten unmittelbar
nach beendigter Gährung, als auch von den Veränderungen, welche sie während ihrer
Aufbewahrung erleiden können, ab.
Die von der anfänglichen Zusammensetzung der ausgegohrenen Flüssigkeit abhängenden
Wirkungen können nach den Resultaten meiner Untersuchungen im Allgemeinen vorher
bestimmt werden. In einer verdünnten Flüssigkeit erfolgt nach einiger Zeit die
Verbindung gerade so wie in einem bloßen Gemisch von Alkohol und Wasser, und macht
auch weiterhin den gleichen Fortschritt. Operirt man z.B. bei gewöhnlicher
Temperatur mit Alkohol und Essigsäure zu gleichen Aequivalenten, so sind 2/3 der
möglichen Aethermenge nach 5 bis 6 Monaten und 5/6 nach einem Jahre gebildet. In
zwei Jahren ist die Reaction noch nicht beendet, wohl aber sind in dieser Zeit 15/16
möglichen Aethermenge fertig. Mit den mehrbasischen Säuren, wie denjenigen welche im
Wein vorwalten, erfolgt die Verbindung des Alkohols etwas rascher. Die Wärme
beschleunigt, die Kälte verlangsamt sie. Diese Andeutungen geben ein Bild von dem
allgemeinen Gang der Aetherbildung, während die Erscheinungen im Einzelnen von der
Zusammensetzung der Flüssigkeit abhängen. Man sieht hieraus, daß die Säuerlichkeit
des Weins nach und nach abnehmen muß, so daß die gewöhnlichen Sorten in 2 bis 3
Jahren 1/8 bis 1/6 ihrer freien Säure, je nach ihrem Alkoholgehalt, durch die bloße
Entstehung der Aether verlieren.
Bei vorstehender Auseinandersetzung habe ich angenommen, daß das Verhältniß zwischen
Alkohol, Säure und Wasser in den Flüssigkeiten sich während ihrer Aufbewahrung nicht
ändert. In der Wirklichkeit ist dieß aber nicht der Fall, denn mancherlei Ursachen
können die Menge des Alkohols oder der Säure vergrößern oder vermindern. Im
Allgemeinen kann man diesen Einfluß dahin bezeichnen: so oft der Alkohol Zusatz von
Alkohol oder von Zucker; langsame Spaltung der im Safte enthaltenen
Glykoside mit nachfolgender neuer Gährung; Endosmose in den Holzfässern;
Gefrieren u.s.w. oder die Säure Besondere Gährungen; Spaltung von Glykosiden
und Amiden; Oxydation etc. zunimmt, neigt sich die Aetherbildung
einer Vermehrung zu, indem alsbald eine langsame Reaction beginnt. So oft der
Alkohol Verdunstung,
Oxydation etc. oder die Säure Besondere
Gährungen; Fällung des Weinsteins in Folge der Vermehrung des Alkohols oder
eines Zusatzes von neutralem weinsaurem Kali etc. sich
vermindert, kann sich auch weniger Aether bilden, und falls die Reaction schon an
ihrer Grenze angelangt ist, wird eine gewisse Menge Aether wieder zersetzt;
letzteres kann aber auch durch gewisse Fermente bewirkt werden.
III. Um hinsichtlich der Neutralisation der Säuren durch die Alkohole in den Weinen
weiter zu gehen, müßte man genau wissen, welche Aether und welche Säuren darin
vorkommen, worüber aber bis jetzt nur Weniges bekannt ist. Ich kann in dieser
Beziehung einstweilen folgende Resultate mittheilen:
1) Die Säuren des Weins gehören meistens der Gruppe der sauerstoffreichen fixen oder
wenig flüchtigen, und mehrbasischen an, wie die Weinsäure, Bernsteinsäure,
Aepfelsäure, Citronensäure etc. Das beweisen unter anderen nachstehende
Thatsachen:
Schüttelt man Wein mit seinem gleichen Volumen Aether, so tritt er an diesen nur sehr
wenig Säure ab, ungefähr eben so viel als der Aether aus einer Weinsäurelösung von
gleichem Gehalte aufnimmt. Wenn aber der Wein andere Säuren mit vier Aequivalenten
Sauerstoff als Essigsäure enthielte, so würde man dieselben in der ätherischen
Lösung finden müssen. Dieselben Säuren besitzen einen charakteristischen Geruch,
welchen der Wein ebenfalls zeigen müßte, da soviel Wasser vorhanden ist, daß
mindestens 4/5 des Gesamtgewichtes der Säuren und oft mehr, frei bleiben. Außer bei
einigen spanischen Weinen, die einen bockartigen Geruch haben, bemerkt man aber
nichts hiervon.
2) Die mehrbasischen Säuren, wie die Weinsäure und die Bernsteinsäure reagiren, wie
ich gefunden habe, in geringer Menge auf ein Gemisch von 90 Theilen Wasser und 10
Theilen Alkohol, indem hauptsächlich saure Aether, wie Aethyl-Bernsteinsäure,
Aethyl-Weinsäure etc. entstehen. Die in diesem Falle gebildete Menge
neutralen Aethers ist gering und beträgt weniger als 1/20 vom Gewicht des sauren
Aethers.
3) Dieses Resultat findet auf die von mir untersuchten Weine Anwendung, wovon ich
mich durch folgenden Versuch überzeugt habe. In einem halben Liter Wein werden die
Säuren durch Aetzkali in sehr geringem Ueberschuß abgestumpft und dann wird die
Flüssigkeit sogleich mit 250 Kubikcentim. reinem Aether versetzt. Nach dem
Umschütteln wird der überstehende Aether, welcher fast sämmtliche neutrale Aether
enthalten muß, decantirt, filtrirt und in eine ausgezogene sehr starke Glasröhre
gebracht. In dieser fügt man noch 10 K. C. titrirten Barytwassers hinzu, schmilzt
sie zu und erhitzt sie 100 Stunden lang auf 100° C. Alsdann wird der Baryt
neuerdings titrirt. Der TitreverlustIch habe stets diesen Verlust nach demjenigen corrigiren müssen, welchen ein
gleiches Volum desselben Aethers, unter denselben Umständen mit Baryt
behandelt, bemerken ließ, da ich keinen Aether erhalten konnte, welcher ganz
ohne Wirkung auf Baryt gewesen wäre. Es entsteht hierdurch eine dem
Aldehydharz analoge Substanz. wäre dem Gewicht des in den neutralen Aethern des Weines enthaltenen
Alkohols proportional, wenn diese neutralen Aether die einzigen Substanzen unter den
vom Aether dem neutralisirten Wein entzogenen wären, welche die Alkalien zu sättigen
vermögen.
Ich fand in der That, daß 0,100 Grm. Essigäther, in 100 K. C. eines Gemisches von 10
Theilen Alkohol und 90 Theilen Wasser gelöst, ziemlich genau durch die beschriebene
Methode bestimmt werden konnte.
Leider enthielt der Aetherauszug des Weines verschiedene von den neutralen Aethern
unterschiedene Stoffe, welche den Baryt neutralisiren können, wie wir dieß gleich
sehen werden. Deßhalb repräsentirt der Titreverlust der alkalischen Lösung nicht
sowohl das Gewicht des in den Aethern gebundenen Alkohols, als vielmehr eine
Maximalgrenze, unter welcher dieses Gewicht bleibt. Ich theile in dieser Hinsicht
einige Ziffern mit.
Bei dem Formichon-Wein (Beaujolais) vom Jahr 1860 ist das Gewicht des in den
neutralen Aethern enthaltenen Alkohols geringer als 1/30000 vom Gewicht des Weines
und geringer als 1/8000 des Gesammtalkohols.
Beim Pomard-Wein vom Jahr 1858, welcher eine sehr ausgesprochene Blume
besitzt, ist das Verhältniß geringer als 1/15000 des Weingewichtes; bei Medoc von 1858 ebenso; bei
Saint-Emilion vom Jahr 1857 geringer als 1/12000
Man sieht hieraus, wie gering die Menge neutraler Aether im Weine überhaupt ist.
Allerdings kann sie dennoch einen erheblichen Einfluß auf Geruch und Geschmack
haben, aber die Natur der Bestandtheile, welche in so geringer Menge vorkommen, ist
durch unsere jetzigen analytischen Mittel nicht festzustellen.
Endlich bemerke ich noch, daß bei der Behandlung des Aetherextracts von mehreren
Litern Formichonwein (welche vor der Behandlung mit Aether neutralisirt worden
waren) mit Kalk im zugeschmolzenen Rohre kein unlösliches Kalksalz in bemerkbaren
Mengen entstanden ist, sondern sich hierbei nur lösliche Kalksalze, aber in zur
Untersuchung zu geringer Menge bildeten.
Es folgt aus diesen Thatsachen, daß die in den Weinen enthaltenen Aether, deren Menge
durch obige Formeln berechnet werden kann, hauptsächlich saure Aether sind. Solche
Aether sind aber in der Regel nicht flüchtig und fast ohne Wirkung auf den Geruch;
wohl aber haben sie auf den Geschmack Einfluß und ihrer langsamen Bildung glaube ich
vorzugsweise die Vermischung der verschiedenen und verschieden lange dauernden
Geschmäcke der jungen Weine zuschreiben zu müssen, welche dann nach und nach in den
für die gleichen Weine nach einigen Jahren bezeichnenden andauernden Geschmack
übergehen.
IV. Nach dem Vorstehenden muß der Einfluß der Aetherbildung auf die Blume des Weines
ein sehr geringer seyn. Sie erklärt z.B. nicht die große und rasche Aenderung des
Geschmackes, wenn der Wein erhitzt wird oder eine große Fläche desselben mit der
Luft in Berührung ist, denn beide Umstände vermögen das Verhältniß der Aether nicht
plötzlich zu ändern.
Die Bestandtheile, welchen der Wein seinen eigentlichen Geschmack verdankt, sind ganz
anderer Art. Man kann sie durch Schütteln des Weines mit gewöhnlichem Aether
ausziehen und dann durch Verdunstung des letztern bei niedriger Temperatur und
vollkommenem Luftabschluß isolirt erhalten. Der so erhaltene Auszug beträgt dem
Gewichte nach weniger als 1/1000 des Weines. Der Weingeschmack und die Blume sind in
diesem Extract concentrirt, während der Rückstand, wenn man den Aether durch einen
Gasstrom daraus entfernt hat, beide fast nicht mehr zeigt, sondern unangenehm sauer
und alkoholisch schmeckt. Das so erhaltene ätherische Extract ist äußerst
empfindlich gegen alle Einflüsse, welche die Blume des Weines modificiren können.
Schon beim Erwärmen auf
35 bis 40° C. nimmt es einen dem des erhitzten Weines ähnlichen Geschmack
an.
Dieses Extract besitzt gleichzeitig den allgemeinen Weingeruch und den
eigenthümlichen Geruch der zu seiner Darstellung angewandten Weinsorte. Es besteht
aus verschiedenen Stoffen, unter welchen ich folgende sowohl in den von mir
untersuchten Burgunder- wie Bordeaux-Weinen gefunden habe:
1) eine geringe Menge Amylalkohol;
2) ein in Wasser unlösliches flüchtiges Oel, vielleicht Oenanthäther;
3) eine geringe Menge Säure, welche bei vorheriger genauer Neutralisation des Weines
mit Kali nicht in das Extract gelangt. Auch kann man hierdurch eine Spur gelben
Farbstoffs zurückhalten, welche sonst im Extract vorkommt.
Alle diese Bestandtheile hängen nicht mit den charakteristischen Eigenschaften der
Weine zusammen; anders verhält es sich mit der folgenden Verbindung;
4) einen viel wichtigeren Stoff, dessen leichte Veränderung unter dem Einfluß der
Luft und der Wärme derjenigen des Weines entspricht. Dieser Stoff reducirt in der
Kälte das ammoniakalische Silberoxyd, fällt das weinsaure Kupferoxyd-Kali und
wird durch Kali gebräunt.
Er ist nicht flüchtig, aber mit Aetherdampf verflüchtigt er sich schwach. In Wasser
und Alkohol ist er leicht löslich; von Aether wird er dem Wasser entzogen, nicht
aber von Schwefelkohlenstoff. Wärme verändert ihn außerordentlich schnell. In einem
Extract einige Zeit der Luft ausgesetzt, wird er alsbald zerstört. Dieser Stoff ist
vom gewöhnlichen Aldehyd durchaus verschieden, welchen verschiedene Beobachter im
Wein angegeben haben, den ich aber nicht darin finden konnte;
5) einen Stoff, welcher wenig flüchtig ist, dessen Geruch ebenfalls entfernt an den
des Weines erinnert und auf welchen das ammoniakalische Silberoxyd nicht wirkt.
Vielleicht ist derselbe ein Umwandlungsproduct des vorhergehenden.
Es fehlte mir an Material, um diese verschiedenen Bestandtheile einer genaueren
chemischen Untersuchung unterwerfen und ihre Natur feststellen zu können, was
übrigens durch die große Unbeständigkeit des oxydirbaren Stoffes sehr erschwert
wird. Allein es scheint mir, daß eben die Eigenschaften dieses letztern von
Wichtigkeit für die Erklärung der meisten Erscheinungen hinsichtlich des Geschmacks
und der Blume des Weines sind.