Titel: | Ueber Nobel's, durch einen Zusatz von Nitroglycerin verbessertes Sprengpulver; vom Bergingenieur B. Turley. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. CVIII., S. 443 |
Download: | XML |
CVIII.
Ueber Nobel's, durch einen Zusatz von Nitroglycerin
verbessertes Sprengpulver; vom Bergingenieur B. Turley.
Aus der berg- und hüttenmännischen Zeitung, 1864,
Nr. 10.
Turley, über Nobel's verbessertes Sprengpulver.
Herr Ingenieur Nobel in Stockholm hat sich ein
verbessertes Spreng- und Schießpulver in verschiedenen Ländern patentiren
lassen. Seine Verbesserung besteht darin, daß er das gewöhnliche Pulver durch einen
Zusatz von Nitroglycerin bedeutend stärker macht.
Das Nitroglycerin ist bekanntlich eine ganz helle ölartige Flüssigkeit, entzündet
sich bei circa 170° C. ohne zu explodiren,
sondern brennt unter einem knisternden und prasselnden Geräusch langsam fort.
Schüttet man dieses Oel auf eine feste Unterlage und schlägt mit einem eisernen
Hammer stark darauf, so explodirt dasselbe unter heftiger Detonation, aber lediglich
an der Stelle, wo der Hammer die Flüssigkeit berührt, während alle übrige Oelmasse
unverändert bleibt, d.h. nicht explodirt. Die Verbrennung der Flüssigkeit erfolgt
ohne Entwickelung eines durch den Geruch bemerkbaren Gases. Aus diesem Verhalten
geht so viel hervor, daß diese Masse an und für sich ganz ungefährlich ist und eines
starken Stoßes oder Schlages bedarf, um ganz partiell zu explodiren, daß deren
Anwendung mindestens keine größere Gefahr hat als die des gewöhnlichen Pulvers.
Nur in Verbindung mit gewöhnlichem Pulver entwickelt das Nitroglycerin eine ganz
bedeutende Kraft, und ist dieses neue Nitroglycerin-Pulver mindestens
drei- bis fünfmal stärker als gewöhnliches Kanonen- oder
Sprengpulver.
In der Festung Carlsborg am Wetternsee hat Hr. Nobel im
Beiseyn einer Commission Versuche mit seinem Pulver angestellt. Es wurden Granaten
mit gewöhnlichem und dem verbesserten Pulver gesprengt, wobei die Wirkung des
letzteren eine fünf- bis siebenfache von der des gewöhnlichen Pulvers gewesen
seyn soll.
Die in meinem Beiseyn angestellten Gesteinssprengversuche haben indessen im
Allgemeinen nur eine dreifache Kraftentwickelung erkennen lassen, immerhin aber ein
Resultat, das die größte Beachtung verdient. Außerdem ist hierbei nicht außer Acht
zu lassen, daß ein Bohrloch nur ganz allgemein mit einer Granate oder Bombe
verglichen werden kann, daß, während diese Geschosse aus homogenem Gußeisen
bestehen, bei welchem sich die Kraft verhältnißmäßig viel höher äußern muß, bei
einem Gesteinsbohrloch
in den meisten Fällen ein gewisser Theil der Kraft nutzlos verloren geht, daß also
der Effect verhältnißmäßig ein geringerer seyn wird als dort. Nichtsdestoweniger ist
dieses neue Pulver eine wesentliche Verbesserung des bisherigen, und wird, wenn es
sich im Großen bewährt, woran zu zweifeln kein Grund vorhanden ist, beim
bergmännischen Publicum die größte Anerkennung und weiteste Anwendung finden.
Die Sprengversuche wurden folgendermaßen angestellt. Das angewendete Pulver
unterscheidet sich von dem hiesigen gewöhnlichen Sprengpulver dadurch, daß es viel
feiner und nicht rund, sondern länglich eckig ist. Hr. Nobel gibt dieses Pulver für gewöhnliches schwedisches Kanonenpulver aus,
das denselben Preis hat wie das Bergpulver von Nora. Das verbesserte Pulver wurde in
zinkblechernen Patronenhülsen von 18 Millimeter Weite und in Längen von 75 bis 150
und 200 Millimetern angewendet. Diese Zinkhülsen, welche an einem Ende offen sind,
werden mit dem gewöhnlichen Kanonenpulver gefüllt, und wird letzterem nach
geschehener Füllung so viel Nitroglycerin hinzugegossen als in den Zwischenräumen
des Pulvers Platz findet. Das mit dem Oel getränkte Pulver erhält ein 40 Proc. (?)
größeres Gewicht. Nachdem die Patrone mit Pulver und Oel gefüllt, wird sie mit einem
20 Millimeter langen Korkpfropf genau geschlossen. Besser wird es seyn, die Patrone
zu verlöthen.Nach Hrn. Nobel soll das Zulöthen keine
Schwierigkeiten darbieten. Vielleicht genügt es, die Patrone mit Schwefel
zuzugießen. Anm. d. Verf.
Das Besetzen des Loches geschieht wie folgt. Das Bohrloch, welches an seinem unteren
Ende eine 4 bis 6 Millimeter größere Weite haben muß als die Patrone dick ist, wird
natürlich trocken gemacht. In dasselbe wird die Patrone so gesteckt, daß der
Korkpfropf nach unten kommt, d.h. das feste Gestein berührt. Jetzt füllt man den
Zwischenraum zwischen Patrone und Bohrlochswand mit Kanonenpulver so aus, daß
letzteres die Patrone möglichst vollständig umgibt, auch 15 bis 30 Millimet. über
der Patrone sich befindet. Dieses Pulver dient lediglich zur Entzündung der Ladung,
resp. zum Zerschlagen der Patrone. Hierauf steckt man die Zündschnur in das
Zündpulver und besetzt nun das Loch ganz wie gewöhnlich; nur muß man sich hüten, die
Patrone mit dem Stampfer zu beschädigen, weßhalb der erste Besatz nur ganz lose
gemacht wird. Ist das Loch hinreichend weit, so kann man die Zündschnur mit einem
Stück Bindfaden an die Patrone festbinden und braucht dann nicht so viel Zündpulver
zu nehmen. Es scheint aber besser, an letzterem nicht zu sparen, um das Losgehen des
Schusses zu sichern.
Beim Wegthun des Loches findet man, daß die Detonation eine viel schwächere ist als
bei gewöhnlichem Bergpulver.
Eine paar Beispiele über die Wirkung dieses Pulvers mögen hier vorläufig genügen.
1) Ein 18 Zoll tiefes Loch wurde dreimal mit einer 9zölligen Bergpatrone geschossen,
ohne die geringste Wirkung zu zeigen; dasselbe Loch wurde mit einer 6zölligen
Glycerinpatrone besetzt und brach gut und vollständig.
2) Mehrere 24 Zoll tiefe Löcher, die für gewöhnlich hier 9 bis 12 Zoll lange
Bergpatronen erfordern, wurden mit 3 Zoll langen Glycerinpatronen gut weggethan.
3) Löcher von 30 Zoll Tiefe, die sonst mit 18 Zoll langen Bergpatronen besetzt
werden, brachen mit 6 Zoll langen Glycerinpatronen.Patronen von 18 Zoll Länge dürften für deutsche Verhältnisse auffallend groß
erscheinen. Dieselben (180 Grm. Pulver enthaltend) kommen bei hiesigen
Tagebauen oft zur Anwendung, wobei aber auch jeder Schuß mindestens 1/3
Kubikfuß feste Masse wirft.Anm. d. Verf.
Aus diesen Versuchen habe ich bereits die Ueberzeugung gewonnen, daß der Wirkungsgrad
dieses verbesserten Pulvers bei Sprengarbeiten mindestens ein dreifacher von dem des
gewöhnlichen Bergpulvers ist.
Der große Vortheil, den man mit diesem neuen Pulver wahrscheinlich erzielen wird,
wird darin bestehen, daß man größere Massen auf einmal wird gewinnen können, daß
also die Gewinnungskosten sich verringern werden. Die Ladung des einzelnen Schusses
dürfte eher theuer werden, aber ein Arbeiter wird vielleicht in derselben Zeit das
Doppelte leisten.
Zunächst wird sich dieses Pulver besonders in Tagebauen und Steinbrüchen, überhaupt
in großen Räumen, bewähren, wo man dem einzelnen Schusse viel vorgeben kann. Ueber
die Anwendbarkeit in kleinen Räumen, engen Strecken und Abbauen müssen noch
anzustellende Versuche entscheiden.
Diese vorläufigen Bemerkungen über einen Gegenstand, der für den Bergbau eine so hohe
Bedeutung besitzt, nicht zurückzuhalten, hielt ich für meine Pflicht, und kann ich
denselben nur den Wunsch hinzufügen, daß sich das bergmännische Publicum dieser
Sache möglichst annehme, das neue Pulver prüfe und anwende.
Åmmeberg, den 1.
Januar 1864.