Titel: | Neue photographische Copirmethoden ohne Silbersalze; von Johann Obernetter. |
Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XXXII., S. 136 |
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XXXII.
Neue photographische Copirmethoden ohne
Silbersalze; von Johann
Obernetter.
Aus dem photographischen Archiv, 1864 S.
77.
Obernetter, über photographische Copirmethoden ohne
Silbersalze.
Indem ich seit einigen Jahren als Chemiker in dem Geschäfte des Hrn. Joseph Albert in München arbeite, lernte ich die Mängel der
Photographie hinlänglich kennen. Zwei sind es
hauptsächlich, denen ich bis heute meine volle Aufmerksamkeit widmete: „es
ist die Haltbarkeit der Bilder und der große Verbrauch von Silber.“
Würde es gelingen, Kohlebilder ebenso leicht und ebenso schön, wie Silberbilder
darzustellen, so wären wohl beide Mängel auf einmal beseitigt. Bis jetzt ist dieß
aber noch lange nicht gelungen. – Es gibt allerdings Methoden, nach denen
man Kohlebilder ganz ebenso hübsch wie Silberbilder darstellen kann, aber wie
umständlich und zweifelhaft dieselben sind, weiß jeder, der es einmal versuchte, ein
solches Bild zu machen; und dennoch gebe ich mich der festen Ueberzeugung hin, daß
dieß einmal gelingen wird. Ich selbst bin Einer von diesen Vielen, die sich mit
derartigen Versuchen theilweise beschäftigen.
In dem Geschäfte des Hrn. Albert werden jährlich 3 Centner
Silber verarbeitet. – Dieser enorme Verbrauch in einem einzigen Geschäfte
bewog mich, Versuche darüber anzustellen, denselben Zweck ohne dieses edle Metall zu
erreichen. Unterstützt durch das großartige Atelier und die lebhafte Theilnahme von
Seite Hrn. Albert's ist es mir gelungen, nachfolgende
Resultate zu erzielen.
Präparationsflüssigkeit. Gewöhnliches Papier lasse ich
mit der Filzseite auf einer Lösung, die aus 100 Theil. Wasser, 13 Theilen
Eisenchloridlösung von 1,53 bis 1,6 spec. Gewicht, 100 Theilen krystallisirtem
Kupferchlorid und 12 Theilen concentrirter reiner Salzsäure besteht, circa 2 Minuten schwimmen.
Ich trockne das Papier auf ganz gewöhnliche Weise durch Anheften mit Stecknadeln an
zwei Ecken. Ohne allen Schaden kann diese ganze Arbeit im zerstreuten Tageslichte
vorgenommen werden.
Die Eigenschaften eines so präparirten Papiers sind höchst auffallend. Papier,
welches vor 2 Jahren präparirt wurde, leistet nur noch heute dieselben Dienste, wie
ganz frisches. Die Empfindlichkeit ist wenigstens um ein Drittel größer, als bei
Eiweißpapier.
Nach dem Copiren zeigt sich das Bild entweder gar nicht, oder nur schwach gelb auf
dem Papier. Wird dasselbe nicht nach einer weiter unten angegebenen Methode in dem
Zeitraume von 1 bis 2 Stunden fixirt, so verliert es bedeutend an Kraft und
verschwindet sogar nach 24 Stunden so vollkommen, daß ohne allen Schaden ein anderes
Bild darauf copirt werden kann. Auf diese Eigenschaft gründet sich auch die
Bequemlichkeit, das Papier bei Tageslicht präpariren zu können.
Um das nach dem Copiren fast unsichtbare Bild sichtbar zu machen und zu fixiren,
benutze ich eine Lösung, die aus 1000 Theilen Wasser, 8 bis 12 Theilen
SchwefelcyankaliumUeber dessen Darstellungswelse s. polytechn. Journal Bd. CLXIX S. 320. (Rhodankalium), 1 Theil concentrirter Schwefelsäure und circa 10 bis 20 Theilen Präparationsflüssigkeit besteht.
Ohne die Flüssigkeit viel zu bewegen, lege ich das Papier, mit der Bildseite nach
unten, ebenso auf die Flüssigkeit, wie bei der Präparation des Papiers, lasse es circa 3 bis 4 Minuten schwimmen, und tauche es dann
vollständig unter, lege ein zweites copirtes Bild auf die Flüssigkeit, tauche es
nach angemessener Zeit gleichfalls unter u.s.w., so viel Copien ich eben habe. Mit
dieser Flüssigkeit macht man so viele Bilder, als darin Platz haben. Was durch das
Herausnehmen der Bilder an Flüssigkeit verloren geht, ersetzt man durch Zusatz einer
neuen Lösung. Je älter dieselbe ist, desto schneller arbeitet sie.
Durch die Einwirkung dieser Lösung auf das belichtete Papier schlägt sich auf die vom
Lichte getroffenen Stellen Schwefelcyankupfer (Kupferrhodanür) nieder, und zwar ganz
proportional mit der Lichteinwirkung. Selbst die feinsten Halbtöne gehen nicht
verloren.
Die Zeit, wie lange das Bild in dieser Lösung bleiben muß, ist verschieden und
richtet sich nach der Methode, die man nachher verfolgen will; sie schwankt zwischen
5 Minuten und einer halben Stunde. Läßt man das Bild aber länger, z.B. 24 Stunden in
der Flüssigkeit, so wächst ein Relief an. Ich habe Bilder auf diese Weise erzeugt,
wo die tiefsten Schatten 2 Linien hoch waren.
Nachdem das Bild hinlänglich lange in dieser Lösung war, bringt man dasselbe in
gewöhnliches Wasser, wo es 1/4 Stunde bis 1 Tag und länger bleiben kann. Eine Stunde
reicht in allen Fällen aus. Gut ist es, das Wasser öfters zu wechseln. Ohne allen
Nachtheil können dann die Bilder getrocknet werden, um nach Verlauf einer beliebigen
Zeit die nachfolgenden Veränderungen daran auszuführen.
Das Bild ist nun in Form von Kupferrhodanür auf dem Papiere, und mit diesem Salze
lassen sich so verschiedene chemische Veränderungen machen, daß es nicht schwer
wird, eine zu finden, die dieselbe Farbe und Haltbarkeit erzeugt, wie man sie bei
Silberbildern antrifft. Von da an lassen sich verschiedene Wege verfolgen, um dem
Bilde die gehörige Farbe zu geben. Die schönsten und haltbarsten Bilder gibt das
folgende Verfahren.
I. Nachdem die Bilder aus dem Wasser kommen, lege ich sie in eine Lösung von rothem
Blutlaugensalz (Ferridcyankalium, Kaliumeisencyanid). Die Concentration derselben
ist beliebig, beiläufig 6 bis 12 Procent des Salzes enthaltend. Die Bilder fangen
an, sich roth zu färben und dieses immer intensiver. Läßt man dieselben über Nacht
in dieser Lösung liegen, so erhalten sie eine prächtig sammetartige tiefrothe Farbe
neben ganz klaren Lichtern. Dieß ist aber nur dann zu beachten, wenn man dieselben
als roth behalten will.
Um den jetzt beliebten Photographieton zu erreichen, genügt 1 Stunde. – Sobald die Bilder die
gewünschte Kraft erreicht haben, wäscht man sie so lange mit Wasser ab, bis
letzteres nicht mehr gelb abfließt. 1/4 bis 1/2 Stunde bei öfterem Erneuern des
Wassers ist hinlänglich.
Den Photographieton erlangen die Bilder in wenigen Minuten in folgender Lösung, die
aus 200 bis 300 Theilen Wasser, 100 Theilen Eisenvitriol, 40 Theilen Eisenchlorid
und 80 Theilen Salzsäure besteht. Die Farbennüancen erfolgen in nachstehender Reihe:
ursprünglich roth, dann rothviolett, blauviolett, schwarz und grünlichschwarz.
Sobald sie die gewünschte Farbe haben, wasche ich sie mit angesäuertem Wasser aus
und trockne sie.
Die schönsten purpurvioletten Bilder erzeuge ich dadurch, daß ich sie so lange in der
Eisensalzlösung lasse, bis sie grünschwarz sind, dann etwas wasche und kurze Zeit
eine sehr verdünnte Lösung von Bleiessig (drittel basisch essigsaurem Bleioxyd)
darauf einwirken lasse.
Um ihnen das Ansehen von Eiweißbildern zu geben, lasse ich sie nach dem Trocknen auf Eiweiß schwimmen und coagulire letzteres. Nach
dieser Methode habe ich Bilder im größten Formate dargestellt, die selbst von den
berühmtesten Photographen für hübsche Silberbilder gehalten wurden.
II. Ich erzeuge damit auch Kohlebilder, indem ich das Bild, nachdem es aus dem
Waschwasser kommt, nicht ganz trockne und kurze Zeit in eine Atmosphäre von Chlor
bringe; dadurch wird aus Kupferrhodanür wieder Kupferchlorid gebildet. Es ist nun
eine bekannte Sache, daß Papier an Stellen, wo es mit einer Metallsalzlösung
imprägnirt ist, sehr leicht verkohlt, außerdem aber eine sehr hohe Temperatur
erleiden kann. Papier nach dieser Methode auf der Oberfläche theilweise mit
Kupferchlorid imprägnirt, verkohlt schon bei einer Temperatur von 150 bis
170° C. Zu diesem Zwecke bringe ich nun meine Bilder in einen Blechkasten,
den ich nahezu auf 200° C. erhitze, und die Bilder erscheinen mit den
feinsten Mitteltönen in einer kastanienbraunen Farbe. Das Papier wird etwas spröde,
hat aber immerhin genug Festigkeit, um es ohne alle Furcht des Zerreißens auf ein
zweites Stück Papier kleben zu können.
III. Auch nach der Methode von Phipson u.s.w. können die
aus dem Wasser kommenden Bilder mit einer ammoniakalischen Lösung von
übermangansaurem Kali in der bekannten braunen Farbe hervorgerufen werden. Das
Copiren braucht natürlich nicht so lange zu dauern, wie früher.
IV. Eine verdünnte Lösung von salpetersaurem Silberoxyd liefert ebenfalls hübsche
Bilder. Die Copirzeit braucht nur sehr kurz zu seyn. Zusatz von Säuren ändert den
Ton. – Durch Waschen mit Wasser, welches etwas oxalsaures Ammoniak enthält, werden
dieselben hübsch sammetartig fixirt.
Hr. Dr. Schnauß bemerkt zu
diesen Methoden Obernetter's, er sey überzeugt, daß sie
verdienten, praktisch in das Atelier eingeführt zu werden; man solle sich nur nicht
dadurch irre machen lassen, wenn einmal die Bilder im ersten Waschwasser vollständig
verschwänden, dieselben entwickelten sich später wieder ganz kräftig und würden dann
oft gerade am schönsten.